Erbrecht

Eintragungsvoraussetzungen für bisher im Grundbuch nicht verlautbarte altrechtliche Wasserrechte

Aktenzeichen  34 Wx 380/16

Datum:
16.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 100526
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GBO § 22, § 29
EGBGB Art. 187 Abs. 1 S. 2
WHG aF § 16

 

Leitsatz

1. Zu den Eintragungsvoraussetzungen für bisher im Grundbuch nicht verlautbarte altrechtliche Wasserrechte. (amtlicher Leitsatz)
2 Die Eintragung sogenannter altrechtlicher Dienstbarkeiten kann nur auf Antrag nach Art. 187 Abs. 1 S. 2 EGBGB im Weg der Grundbuchberichtigung und nicht im Amtsverfahren der Richtigstellung erfolgen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Anerkennung als erlaubnis- und bewilligungsfrei ausübbares altes Recht (hier zur Ableitung von Quellwasser) setzt voraus, dass bei der Erteilung oder Aufrechterhaltung des Rechts eine öffentlich-rechtliche Überprüfung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht stattgefunden hat. Im Grundbuch nicht eingetragene alte Wassernutzungsrechte sind gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 WHG aF spätestens seit dem 20.12.1973 erloschen, wenn sie nicht bis 20.12.1966 bei der zuständigen Behörde zur Eintragung ins Wasserbuch angemeldet worden sind. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Freyung – Grundbuchamt – vom 11. August 2016 aufgehoben.

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1 und 2 sind als je hälftige Miteigentümer zweier Grundstücke (FlSt. …, beschrieben als A.mühle, Landwirtschaftsfläche; FlSt. …, beschrieben als A.thal, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche) im Grundbuch eingetragen.
Am 18.7.2016 beantragten die Beteiligten, zugunsten von FlSt. … zwei – nach ihrer Behauptung – seit 1835 bestehende Rechte, nämlich ein sogenanntes Wässerungsrecht und ein Wasserleitungsrecht, einzutragen. Zum Nachweis der Rechte legten sie als unbeglaubigte Kopien vor:
– „Protocoll über Liquidation des Besitzstandes und der Dominicalien“ des Rentamts W., abgehalten in F. am 19.8.1839. Zugunsten der in Spalte I („Besitzstand“) unter Plan-Nr. … eingetragenen Wiese findet sich in Spalte III („Dominikal. Verhältnisse dann besondere Leistungen u. Verbindlichkeiten“) folgendes
Wässerungsrecht
Plan-Nr. … wird mit dem Überfallwasser der nebenbeschriebenen Wasserleitung ungeschmälert bewässert.
In der Spalte I ist (u. a.) weiter eingetragen:
Wasserleitung
Besitzer ist auf Widerruf und Regierungsgenehmigung vom 30. Oktober 1835 berechtigt, das Wasser der Quelle im Staatswalde Pl.Nr. … in Röhren zu fassen, und über genanntes Plannummer zu seinem Wohnhaus zu leiten, …
– Ein als „Abdruck aus dem Liquidationsplan M.“ bezeichneter Plan, aus dem die Lage der damaligen Plan-Nr. … hervorgeht.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 11.8.2016 hat das Grundbuchamt als Eintragungshindernis beanstandet, dass die Eintragungsbewilligung des von der Eintragung der altrechtlichen Dienstbarkeiten betroffenen Eigentümers fehle. Diese sei erforderlich, weil Entstehen und Fortbestand der altrechtlichen Dienstbarkeiten mit den vorgelegten Unterlagen nicht – wie erforderlich – lückenlos und in der Form des § 29 GBO nachgewiesen seien.
Mit der hiergegen eingelegten Beschwerde rügen die Beteiligten, das bezeichnete Hindernis sei „ein Vorgang, der von Amts wegen festzustellen und zu korrigieren war, zumal die verfügbaren und zum Beweis einsehbaren Dokumente …auch an verschiedenen Stand-/Lagerorten schon immer gegeben sind.“
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
Zum Beschwerdesenat haben die Beteiligten weiter geltend gemacht, die Eintragung sei ohne Bewilligung des belasteten Eigentümers, des Freistaats Bayern, vorzunehmen. Das Recht bestehe unverändert seit 1835, gegenteilige Behauptungen (u. a.) im Bescheid des Landratsamts F. vom 19.8.2016 seien unwahr. Wegen der Eintragung im Kataster von 1839 hätten die Rechte von Amts wegen in das Grundbuch übernommen werden müssen. Sie beantragen Akteneinsicht in das Grundbuch zu FlSt. …/.. „zur Überprüfung des Zeitraums 1900 bis 1905“, „ohne den Aufwand zur Durchsicht von rd. 120.000 Blatt (lt. Auskunft …/Staatsarchiv) betreiben zu müssen“, vorsorglich die Heranziehung des Grundbuchs zu FlSt. … (ehemaliges Stammgrundstück). Beigefügt sind per Fax neben Korrespondenz mit Behörden:
– „General-Akt des Königlichen Rentamtes F.“ aus dem Jahr 1827 mit dem Betreff: Die Instruktion und Verbescheidung der Gesuche um Wasserausleitung aus überirdischen Gewässern
– verschiedene Verzeichnisse des Rentamts W.
– Ein „Im Namen Seiner Majestät des Königs von Bayern“ erteilter Bescheid vom „30ten Oktober 35“.
II. Die zulässige Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung hat (vorläufigen) Erfolg, weil die Zwischenverfügung mit diesem Inhalt keinen Bestand haben kann.
1. Der Erlass einer Zwischenverfügung ist zwar verfahrensrechtlich statthaft. Die begehrte Eintragung sogenannter altrechtlicher Dienstbarkeiten kann nur auf Antrag nach Art. 187 Abs. 1 Satz 2 EGBGB im Weg der Grundbuchberichtigung und nicht – wie die Beteiligten andeuten – im Amtsverfahren der Richtigstellung erfolgen (Hügel/Zeiser GBO 3. Aufl. AR Rn. 109 mit § 18 Rn. 5).
Allerdings kann mit der Zwischenverfügung nicht die fehlende Berichtigungsbewilligung moniert werden, wenn – wie hier – die Eintragung wegen Unrichtigkeitsnachweis auf der Grundlage vorgelegter Dokumente verlangt wird. Ist mit den Unterlagen der Nachweis der Unrichtigkeit nicht geführt, so ist die beantragte Eintragung nur aufgrund einer Berichtigungsbewilligung möglich. Fehlt diese, muss das Grundbuchamt den Antrag sofort zurückweisen (Senat vom 23.5.2014, 34 Wx 135/14, juris Rn. 15; BayObLG FGPrax 1998, 6; Wilke in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 18 Rn. 19; Demharter GBO 30. Aufl. § 18 Rn. 32).
Dies führt zur Aufhebung der Entscheidung.
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat, insoweit das Grundbuchamt nicht bindend, auf Folgendes hin:
a) Im Berichtigungsverfahren gilt – wie allgemein im Antragsverfahren – das Beibringungsprinzip. Das Grundbuchamt ist zur Amtsermittlung weder verpflichtet noch berechtigt, sondern trifft die Entscheidung auf der Grundlage der Unterlagen, auf die sich der Antragsteller zum Beweis der behaupteten Unrichtigkeit bezieht (Senat vom 19.7.2016, 34 Wx 118/16, juris Rn. 14; BayObLG Rpfleger 1982, 467; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. Einl C Rn. 95; Böttcher ZfIR 2008, 505/509).
b) Da eine Bewilligung des Eigentümers der mit den behaupteten Rechten belasteten Grundstücke nicht vorliegt, kann die Eintragung im Berichtigungsverfahren nur erfolgen, wenn die nach dem Vorbringen der Beteiligten anfängliche Unrichtigkeit des Grundbuchs durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden (vgl. § 29 GBO) bewiesen wird. Dies erfordert den formgerechten Nachweis, dass die behaupteten Rechte mit einem bestimmten Inhalt zugunsten des nun mit FlSt. … bezeichneten Grundstücks als private Rechte entstanden und nicht wieder erloschen sind (Senat vom 19.1.2016, 34 Wx 298/14, juris Rn. 24; Hügel/Holzer § 22 Rn. 45). Die Formvorschrift ist selbst dann zu beachten, wenn die Möglichkeit des formgerechten Nachweises im Einzelfall erschwert oder unzumutbar ist oder sogar unmöglich sein sollte (BayObLG Rpfleger 1984, 463 f.; Demharter § 22 Rn. 42). Notfalls bedarf es einer durch Urteil in einem Erkenntnisverfahren herbeizuführenden Berichtigungsbewilligung.
c) Mit den bisherigen Unterlagen einschließlich derjenigen, die zum Beschwerdeverfahren gegeben wurden, wäre ein bestehendes privatrechtliches Wassernutzungsrecht selbst dann nicht nachgewiesen, wenn beglaubigte Ablichtungen vorgelegt würden.
Privatrechtlichen Charakter können auch diejenigen Wassernutzungsrechte haben, die vor Inkrafttreten des Bayerischen Wasserbenützungsgesetzes (WBG) vom 28.5.1852 (BayGBl S. 489) und des Bayerische Wassergesetzes (BayWG) vom 23.3.1907 (GVBl S. 157) aufgrund obrigkeitlicher Verleihung entstanden sind (vgl. BayObLGZ 1971, 247/249; BayVGH BayVBl 2004, 82/83). Als solche blieben sie – jedenfalls zunächst – auch nach Anlegung des Grundbuchs trotz fehlender Eintragung mit ihrem bisherigen Inhalt bestehen, sofern sie nicht bereits zuvor abgelöst worden waren (hierzu: Helmschmidt MittBayNot 1960, 249/252 f.). Art. 207 BayWG 1907 bestimmte ausdrücklich, dass die beim Inkrafttreten des Gesetzes bestehenden, auf Privatrechtstiteln beruhenden Eigentums-, Nutzungs- und sonstigen Rechte „an den Gewässern“ aufrecht erhalten bleiben (vgl. auch BayObLGZ 1971, 247/251 f.).
Allerdings bedurfte die Ableitung von Quellwasser bereits nach Art. 19 BayWG 1907 einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung aufgrund wasserrechtlicher Überprüfung. Seit Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes am 1.3.1960 (§ 45 WHG i. d. F. des Gesetzes vom 19.2.1959, BGBl I S. 37) setzt die Anerkennung als erlaubnis- und bewilligungsfrei ausübbares altes Recht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG (i. d. F. des Gesetzes vom 27.7.1957, BGBl I S. 1110) voraus, dass bei der Erteilung oder Aufrechterhaltung des Rechts eine öffentlich-rechtliche Überprüfung in wasserwirtschaftlicher Hinsicht stattgefunden hat (siehe auch Art. 96 BayWG i. d. F. des Gesetzes vom 26.7.1962, GVBl S. 143; BVerwGE 37, 103/105 f.; BayVGH BayVBl 2002, 703; BayVBl 2004, 82 f.). Schließlich sind im Grundbuch nicht eingetragene alte Wassernutzungsrechte gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 WHG a. F. mit Art. 97 BayWG 1962 in Bayern spätestens seit dem 20.12.1973 erloschen, wenn sie nicht bis 20.12.1966 bei der zuständigen Behörde zur Eintragung ins Wasserbuch angemeldet worden sind; denn die öffentliche Aufforderung zur Anmeldung im Sinne von § 16 Abs. 2 WHG wurde im Bayerischen Staatsanzeiger Nr. 51/52 vom 20.12.1963 bekanntgemacht (Sprau Justizgesetze in Bayern Art. 57 AGBGB Rn. 59; Meisner/Ring/Götz Nachbarrecht in Bayern 7. Aufl. § 32 Rn. 16; Grziwotz/Saller Bayerisches Nachbarrecht 3. Aufl. 4. Teil Rn. 47).
Unabhängig davon, ob und mit welchem Inhalt aus dem Bescheid vom 30.10.1835 und den Eintragungen im Rentamt überhaupt privatrechtliche Wassernutzungsrechte hervorgehen, müsste deshalb durch Urkunden belegt werden, dass Begünstigter der jeweilige Eigentümer des jetzt als FlSt. … vorgetragenen Grundstücks ist, und insbesondere, dass die jeweiligen Rechte nicht erloschen sind.
d) Weil die Beteiligten keine Unterlagen vorgelegt haben, aus denen sich der erforderliche Nachweis ergeben könnte, ist davon auszugehen, dass sie nicht im Besitz entsprechender Dokumente sind. Deshalb und weil nach dem eigenen Vorbringen der Beteiligten nicht davon ausgegangen werden kann, dass sie in der Lage sind, entsprechende Nachweise zeitnah beizubringen, dürfte der Erlass einer Zwischenverfügung (zur Fassung vgl. BayObLGZ 1988, 102/104; OLG Düsseldorf MDR 2012, 274; Demharter § 18 Rn. 31) ausscheiden.
e) Mit ihrem Einsichtsbegehren haben sich die Beteiligten an das Grundbuchamt und, soweit die Einsicht in geschlossene Grundbücher verlangt wird, gegebenenfalls an das Bayerische Staatsarchiv zu wenden (Demhafter § 10a Rn. 7 sowie § 12b Rn. 2.; Hügel/Krauß § 12b Rn. 4 f.; Keller/Munzig Grundbuchrecht 7. Aufl. § 12b Rn. 2 f.).
III. Für das erfolgreich eingelegte Rechtsmittel fallen Gerichtskosten nicht an, § 25 Abs. 1 GNotKG. Daher sind eine Kostenentscheidung und eine Geschäftswertfestsetzung nicht erforderlich.


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