Erbrecht

Zwischenverfügung von Grundbuchrechtspfleger- Beanstandung eines Eintragungsantrags

Aktenzeichen  8 W 20/17

Datum:
19.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 147044
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RPflG § 11 Abs. 1
GBO § 15, § 18 Abs. 1, § 22, § 29, § 46 Abs. 1 u. 2, § 71 Abs. 1, § 73
AGBGB Art. 43
EGBGB Art. 124
BGB § 874, § 894, § 1018, § 1026

 

Leitsatz

Die Voraussetzungen einer lastenfreien Abschreibung einer Grundstücksteilfläche (vorliegend bei einem eingetragenen Fensterrecht) trotz fehlender Bewilligung und fehlenden Unrichtigkeitsnachweises in grundbuchmäßiger Form liegen auch dann vor, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs für jedermann offen zutage liegt.

Verfahrensgang

EU-2166-2 2017-02-23 AGSCHWEINFURT AG Schweinfurt

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) wird die Zwischenverfügung des Rechtspflegers des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Schweinfurt vom 23.02.2017 in der Fassung der Verfügung vom 07.04.2017 aufgehoben.
II. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der beurkundende Notar wendet sich mit einer von ihm erhobenen Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung des Rechtspflegers des Amtsgerichts – Grundbuchamt -Schweinfurt vom 23.02.2017, modifiziert durch weitere Verfügung vom 07.04.2017, mit der die kostenpflichtige Zurückweisung eines Antrags auf Vornahme einer pfandfreien Abschreibung gemäß § 1026 BGB angekündigt wird.
Mit einem vor dem Notar Dr. H., …, am 12.09.2016 geschlossenen notariellen Kaufvertrag (URNr. …/2016) vereinbarten die Beteiligte zu 1) als Verkäuferin und der Beteiligte zu 2) als Käufer den Verkauf einer aus dem 2649 qm großen Grundstück der Beteiligten zu 1) in A. (Fl.Nr. xx/2) noch herauszumessenden Teilfläche von 468 qm zum Preis von 2.000,- Euro.
Das Grundstück der Beteiligten zu 1) ist mit einem Fensterrecht zugunsten des jeweiligen Eigentümers des Nachbargrundstücks Fl.Nr. xx/1 – derzeit sind dies die Beteiligten zu 4) – belastet. Zudem vereinbarten sie unter Ziff. VII. der Notarurkunde:
Der Veräußerer schuldet den ungehinderten Besitz- und Eigentumsübergang sowie die Lastenfreiheit von Rechten und Ansprüchen Dritter und verpflichtet sich, nicht übernommene Belastungen zu beseitigen. …
Der Lastenfreistellung des Vertragsobjekts wird mit dem Antrag auf grundbuchamtlichen Vollzug zugestimmt.
Nach Herausmessung des Vertragsgrundstücks – nunmehr Fl.Nr. xx/5 – kam es am 26.10.2016 zu einer vor dem Notar beurkundeten Messungsanerkennung und Auflassung.
Das neugebildete Vertragsgrundstück Fl.Nr. xx/5 grenzt nunmehr in seiner gesamten Länge an die westliche Grundstücksgrenze des L-förmigen Restgrundstücks Fl.Nr. xx/2 der Beteiligten zu 1). An dessen östliche Grundstücksgrenze schließt sich – in einem schmalen Streifen – das Grundstück Fl.Nr. xx/3 und daran angrenzend das unbebaute Grundstück Fl.Nr. xx/1 der Beteiligten zu 4) an.
Der Notar beantragte bei dem zuständigen Grundbuchamt die lastenfreie Abschreibung des Erwerbsgrundstücks Fl.Nr. xx/5 vom eingetragenen Fensterrecht gemäß § 1026 BGB.
Die Beteiligten zu 4) haben dem nicht zugestimmt.
Der Rechtspfleger des Grundbuchamts des Amtsgerichts Schweinfurt hat sodann mit Verfügung vom 23.02.2017 festgestellt, dass das Grundbuchamt aufgrund fehlender Voraussetzungen keine pfandfreie Abschreibung nach § 1026 BGB vornehmen könne. Zur Behebung des Hindernisses hat es Frist bis 23.03.2017 gesetzt und kostenpflichtige Zurückweisung des Antrags nach Fristablauf angekündigt.
Hiergegen wendet sich der Notar mit Schriftsatz vom 07.03.2017. Er vertritt die Auffassung, dass die Zustimmungsverweigerung der Beteiligten zu 4) rechtsmissbräuchlich sei.
Die Beteiligten zu 4) haben mit Schreiben vom 22.03.2017 erklärt, das Fensterrecht aus folgenden Gründen nicht aufgeben zu wollen:
Wertminderung an meinem Grundstück; Spätere Aus und Umbauten (Möglichkeiten wegen Grenz Bebauung); Freie Gestaltung des angrenzenden Gartengrundstücks
Im Abhilfeverfahren hat der Grundbuchrechtspfleger mit Verfügung vom 07.04.2017 die angefochtene Zwischenverfügung vom 23.02.2017 dahingehend abgeändert, dass zur beantragten pfandfreien Abschreibung des Flst. xx/5 nur noch nachzuweisen ist, (in der Form des § 29 GBO) warum dieses nicht im Ausübungsbereich des betroffenen Fensterrechts liegt.
Der Notar hält gleichwohl an der Beschwerde fest und vertritt die Ansicht, dass eine Erfüllung der vom Grundbuchamt mit Verfügung vom 07.04.2017 gestellten Anforderungen unmöglich zu erfüllen seien, da sowohl eine Bildvorlage als auch eine Augenscheinnahme nicht den Anforderungen des § 29 GBO entsprächen.
Der Rechtspfleger hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24.04.2017 nicht abgeholfen.
Den Beteiligten zu 4) wurde rechtliches Gehör gewährt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung des Grundbuchrechtspflegers vom 23.02.2017 – in der Fassung der Verfügung vom 07.04.2017 – ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i.V.m. § 71 Abs. 1 GBO die unbeschränkte Beschwerde statthaft. Diese ist vorliegend auch in zulässiger Weise eingelegt, § 73 GBO. Der Beschwerdeschriftsatz des Notars ist namens der an der Grundstücksübereignung Beteiligten zu 1) und 2) eingelegt worden. Der Notar hat dies zwar nicht ausdrücklich erklärt, doch gilt auch vorliegend der Grundsatz, dass in Fällen, in denen sich ein Urkundsnotar mit seiner Beschwerde gegen die Beanstandung eines Eintragungsantrags wendet, den er unter Inanspruchnahme seiner gem. § 15 GBO vermuteten Vollmacht gestellt hat, anzunehmen ist, dass er die Beschwerde im Namen aller Antragsberechtigten, vorliegend also der Beteiligten zu 1) und 2), eingelegt hat (vgl. Senatsentscheidung vom 13.01.2017, Az.: 8 W 99/16; BGH MDR 1985, 920; BGH MDR 1989, 897; OLG Hamm DNotZ 2006, 293).
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der Zwischenverfügungen.
Das Fensterrecht nach Art. 43 AGBGB stellt eine Regelung des zivilen Nachbarrechts dar, die der Landesgesetzgeber aufgrund des Vorbehalts des Art. 124 EGBGB einführen durfte. Es berührt das Gebäudeeigentum im bürgerlich-rechtlichen Sinn, indem es zugunsten des Nachbarn eine Nutzungsbeschränkung von Fenstern oder Lichtöffnungen zulässt, die weniger als 0,60 m von der Grenze des Nachbargrundstücks entfernt sind. Inhalt der Nutzungsbeschränkung ist, dass der Nachbar eine Ausbildung der Fenster verlangen kann, die weder ein Öffnen noch ein Durchblicken ermöglicht; lediglich eine Kippvorrichtung ist gestattet (vgl. hierzu auch BayVerfGH 11, 81). Mit dieser Nutzungsbeschränkung bestimmt der Gesetzgeber generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Gebäudeeigentümers an der Grundstücksgrenze. Vorliegend berechtigt das zugunsten der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. xx/1 eingetragene Fensterrecht die Abwehr einer den Regelung des Art. 43 AGBGB widersprechenden Bebauung auf dem Grundstück Fl.Nr. xx/2. Dieses derzeit zugunsten der Beteiligten zu 4) bestehende Recht ist auch nicht etwa deshalb obsolet, weil ihr Grundstück Fl.Nr. xx/1 noch immer unbebaut ist.
Wird das belastete (dienende) Grundstück – hier Fl.Nr. xx/2 – geteilt, so werden in den Fällen, in denen die Ausübung einer Grunddienstbarkeit (§ 1018 BGB) auf einen bestimmten Teil des belasteten Grundstücks beschränkt ist, jene Teile, die außerhalb des Bereichs der Ausübung liegen, von der Dienstbarkeit nach § 1026 BGB frei. Das Grundbuch stimmt dann mit der materiellen Rechtslage nicht (mehr) überein und wird daher unrichtig im Sinne von § 894 BGB, § 22 GBO, wenn das Recht nicht nach § 46 Abs. 1 oder 2 GBO auf dem freigewordenen Teil gelöscht wird.
Die örtliche Ausübungsbeschränkung muss entweder als Rechtsinhalt der Grunddienstbarkeit rechtsgeschäftlich festgelegt worden sein oder aber, wenn die Dienstbarkeit auf dem gesamten Grundstück lastet, auf der dem Berechtigten überlassenen tatsächlichen Ausübung oder einer nicht zum Rechtsinhalt gemachten Abrede (Ausübungsregelung) beruhen (BGH NJW 2002, 3021; Palandt/Bassenge BGB 76. Aufl. § 1018 Rn. 7).
Im ersteren Fall sind mit Blick auf die notwendige Bestimmtheit dinglicher Rechte der in das Grundbuch aufgenommene Eintragungsvermerk und gegebenenfalls die nach § 874 BGB in Bezug genommene Eintragungsbewilligung maßgeblich (vgl. BGHZ 113, 374; BGH NJW 2002, 3021; OLG München, Beschluss vom 08.05.2017, Az.: 34 Wx 16/17, juris).
Im zweiten Fall wird eine Grundbuchberichtigung ohne Bewilligung des Betroffenen nur in Fällen in Betracht kommen, in denen die äußeren Umstände für jedermann offen zutage liegen, weil ein Unrichtigkeitsnachweis in der erforderlichen grundbuchmäßigen Form (§ 29 GBO) in der Regel nicht zu erbringen sein wird und das Grundbuchamt von sich aus keine Ermittlungen anstellen darf (vgl. OLG München, Beschluss vom 22.04.2014, Az.: 34 Wx 134/14, juris).
Vorliegend haben weder die Beteiligten zu 4) der beantragten Eintragung zugestimmt noch ist das zugunsten der Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. xx/1 – derzeit sind dies die Beteiligten zu 4) – eingetragene Fensterrecht auf einen Teil des Grundstücks Fl.Nr. xx/2 beschränkt. Auch der vom Grundbuchamt – mit Verfügung vom 07.04.2017 geforderte Nachweis ist – jedenfalls in der Form des § 29 GBO – nicht möglich.
Die Frage einer vom Notar behaupteten Rechtsmissbräuchlichkeit muss im Grundbuchverfahren ohnehin dahinstehen; käme es auf eine Bewilligung der beantragten Eintragung durch die Beteiligten zu 4) an, müsste die Frage einer möglichen Rechtsmissbräuchlichkeit im Rahmen einer zivilprozessualen Klageverfahrens auf Abgabe einer Bewilligungserklärung einer Klärung zugeführt werden.
Vorliegend liegen allerdings die äußeren Umstände einer Grundbuchunrichtigkeit für jedermann offen zutage. Anhand des amtlichen Lageplans ist nämlich problemlos und zweifelsfrei erkennbar, dass das begünstigte Grundstück der Beteiligten zu 4) im Westen an das Grundstück Fl.Nr. xx/3 grenzt, welches wiederum – westlich – an das belastete Grundstück Fl.Nr. xx/2 der Beteiligten zu 1) grenzt. Erst hieran schließt sich -wiederum westlich – das neugebildete Erwerbsgrundstück Fl.Nr. xx/5 des Beteiligten zu 2) an. Das Erwerbsgrundstück befindet sich also – zumal durch mehrere Grundstücke getrennt – in einer derart weiten Entfernung zum Grundstück Fl.Nr. xx/1, dass das zu zugunsten der Eigentümer jenes Grundstücks eingetragene Fensterrecht durch bauliche Einrichtungen auf dem abgetrennten und neugebildeten Grundstück Fl.Nr. xx/5 schon denklogisch nicht in einer der Vorschrift des Art. 43 AGBGB widersprechenden Weise beeinträchtigt werden kann. Das Grundstück Fl.Nr. xx/5 liegt deutlich außerhalb des Bereichs der sich aus dem bestehenden Fensterrecht ergebenden Abwehrrechte der Eigentümer von Fl.Nr. xx/1.
Die angefochtene Zwischenverfügung konnte daher keinen Bestand haben.
Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass diese Entscheidung das zugunsten des Grundstücks Fl.Nr. xx/1 auf dem „Rest“-Grundstück Fl.Nr. xx/2 eingetragene Fensterrecht unberührt lässt.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 25 Abs. 1 GNotKG.
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 Satz 1 GBO) besteht nicht.
Den Geschäftswert für die begehrte Eintragung bestimmt der Senat gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1, § 61 Abs. 1, § 36 Abs. 1 GNotKG, und zwar unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses der Beschwerdeführer an der lastenfreien Abschreibung. Dieses bemisst der Senat vorliegend mit 5.000,- Euro.


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