Europarecht

Anerkennung, Behandlungsmethode, pharmakologische Wirkung

Aktenzeichen  M 17 K 16.4940

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 58300
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 7, § 18

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); der Bescheid vom 23. März 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40.12 – NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung/BayBhV) in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründenden Leistungen erbracht werden. Danach richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der bis zum 31. Dezember 2016 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Dezember 2014 (GVBl S. 511) bzw. durch Gesetz vom 22. Dezember 2015 (GVBl S. 497), und BayBhV vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447), weil die streitgegenständlichen Präparate ausweislich ihrer Rezepte im April 2015 bis Januar 2016 erworben wurden.
2. Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen sowie ihrer berücksichtigungsfähigen Angehörigen (§§ 2, 3 BayBhV) im Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV). Für beihilfefähige Aufwendungen in Krankheitsfällen enthält § 18 BayBhV Sondervorschriften für Arznei- und Verbandsmittel. Nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV sind u.a. beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach den §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG). Nicht beihilfefähig sind hingegen nach § 18 Satz 4 BayBhV (u.a.) Aufwendungen für Mittel, die (Nr. 2) geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, sowie (Nr. 3) Vitaminpräparate, die keine Fertigarzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes darstellen.
2.1. Bei den streitgegenständlichen Präparaten „OMEGAlife / Doetsch Grether 120 Kps“ (PZN 9999117), „SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468), „Vitamin D3 1000 IU 180 Softgel Nature´s Plus Nr. 1042“ (PZN 9999175), „Vitamin B2 100 mg, 90 Tabletten Nature´s Plus Nr. 1630“ (PZN 9999175) und „Iron Bisglycinate/Thorne 60 Kps“ (PZN 10249999) handelt es sich schon nicht um Arzneimittel nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV.
Im Beihilferecht wird der Begriff des „Arzneimittels“ nicht definiert, sondern im Ausgangspunkt unter Rückgriff auf das Arzneimittelrecht vorausgesetzt. Dort sind unter (Human-)Arzneimittel zum einen Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zu verstehen, die zur Anwendung im oder am menschlichen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind (sogenannte Präsentationsarzneimittel), zum anderen aber auch solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (sogenannte Funktionsarzneimittel), vgl. Art. 1 Nr. 2 RL 2001/83/EG sowie § 2 Abs. 1 AMG (zur Abgrenzung von Funktions- und Präsentationsarzneimitteln siehe etwa BVerwG, U.v. 26.5.2009 – 3 C 5/09 – juris; NVwZ 2009, 1038). Keine Arzneimittel sind gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG Lebensmittel im Sinne von § 2 Abs. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch/LFGB). § 2 Abs. 2 LFGB verweist dabei für den Begriff „Lebensmittel“ auf die Definition in Art. 2 der Verordnung 178/2002/EG („BasisVO“). Nach Art. 2 Abs. 2 BasisVO sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Zu den Lebensmitteln zählen auch diätetische Lebensmittel als solche Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über diätetische Lebensmittel – Diätverordnung/DiätV). Gemäß § 1 Abs. 4a DiätV gehören hierzu auch „Diätetische Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke“. Keine Lebensmittel sind nach Art. 2 Abs. 2d BasisVO jedoch Arzneimittel. Neben den eigentlichen Lebensmitteln befinden sich auch sogenannte Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt. Ein Nahrungsergänzungsmittel ist gemäß § 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) vom 24. Mai 2004, zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Oktober 2013 (BGBl I S. 3889) bzw. vom 31. August 2015 (BGBl I S. 1474) ein Lebensmittel, das 1. dazu bestimmt ist, die allgemeine Ernährung zu ergänzen, 2. ein Konzentrat von Nährstoffen oder sonstigen Stoffen mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung allein oder in Zusammensetzung darstellt und 3. in dosierter Form, insbesondere in Form von Kapseln, Pastillen, Tabletten, Pillen und anderen ähnlichen Darreichungsformen, Pulverbeuteln, Flüssigampullen, Flaschen mit Tropfeinsätzen und ähnlichen Darreichungsformen von Flüssigkeiten und Pulvern zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen, in den Verkehr gebracht wird. Hierzu zählen auch Vitamine und Mineralstoffe, einschließlich Spurenelemente. Nahrungsergänzungsmittel sind vom Hersteller als solche zu kennzeichnen (§ 4 NemV). Sie sind weder apotheken- noch rezeptpflichtig. Nahrungsergänzungsmittel sind dem Lebensmittelbereich zuzuordnen und somit als Kosten der allgemeinen Lebenshaltung von der Beihilfefähigkeit ausgenommen (vgl. Mildenberger, Kommentar BBhV, Stand März 2018 A III, § 22 Anm. 5 zu Abs. 1).
Einen Anhaltspunkt dafür, ob ein bestimmtes Präparat ein Arzneimittel im medizinischen Sinne ist, kann seine Zulassung oder Registrierung als Arzneimittel (§ 2 Abs. 4 AMG) und auch die Erwähnung des Mittels in der vom Bundesverband der pharmazeutischen Industrie herausgegebenen „Roten Liste“ oder in sonstigen Listen über erprobte Arzneimittel bieten. Allerdings ist nach Sinn und Zweck der Beihilfevorschriften nicht entscheidend auf die formelle Einordnung im arzneimittelrechtlichen Sinne abzustellen, sondern darauf, ob nach objektiven Maßstäben von einem Mittel eine therapeutische Wirkung zu erwarten ist. Maßgeblich im beihilferechtlichen Sinne ist der überwiegende Zweck, dem ein Mittel nach wissenschaftlicher oder allgemeiner Verkehrsanschauung zu dienen bestimmt ist, also die Eignung des jeweils in Rede stehenden Mittels und namentlich des darin enthaltenen Wirkstoffs, durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung oder Linderung einer Krankheit zu dienen. Abzustellen ist dabei auf die Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher darstellt. Dabei knüpft die Verkehrsauffassung regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihre Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung des Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise und Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegentritt. Ein verständiger Durchschnittsverbraucher wird im Allgemeinen nicht annehmen, dass ein als Nahrungsergänzungsmittel angebotenes Präparat tatsächlich ein Arzneimittel ist, wenn es in der empfohlenen Dosierung keine pharmakologische Wirkungen hat. Im Regelfall wird daher ein Nahrungsergänzungsmittel kein Arzneimittel im Sinne von § 18 Satz 1 BayBhV darstellen, sondern ein Lebensmittel, sofern nicht eine pharmakologische Wirkung des Nahrungsergänzungsmittels in Betracht kommt, wenn also durch das Mittel über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustands und der Funktion des Körpers stattfindet. Lässt sich nicht abschließend feststellen, welcher Verwendungszweck überwiegt, wird das Erzeugnis regelmäßig als Lebensmittel eingeordnet. In diesem Fall ist das Produkt nicht beihilfefähig und die Aufwendungen für dessen Anschaffung müssen aus der dem Beamten gewährten Alimentation bestritten werden (vgl. ausführlich und mit weiteren Nachweisen: BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris).
Gemessen an Vorstehendem fallen die streitgegenständlichen Präparate „OMEGAlife / Doetsch Grether 120 Kps“ (PZN 9999117), „SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468), „Vitamin D3 1000 IU 180 Softgel Nature´s Plus Nr. 1042“ (PZN 9999175), „Vitamin B2 100 mg, 90 Tabletten Nature´s Plus Nr. 1630“ (PZN 9999175) und „Iron Bisglycinate/Thorne 60 Kps“ (PZN 10249999) schon nicht unter den Begriff des Arzneimittels nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV.
Diese streitgegenständlichen Präparate sind weder als Arzneimittel registriert noch in einer Liste über Arzneimittel aufgeführt. Im Gegensatz zu den in der Roten Liste aufgeführten Präparaten wurde für die hier streitgegenständlichen Präparate kein arzneimittelrechtliches Zulassungsverfahren durchgeführt. Weil Vitamine und Mineralstoffe, Omega-3-Fettsäuren und Aminosäuren typischerweise mit der Nahrung aufgenommen werden, wird ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher demgemäß bei solchen Stoffen, die nicht arzneimittelrechtlich geprüft wurden, davon ausgehen, dass es sich um Lebensmittel in Form von Nahrungsergänzungsmitteln handelt. Diese Einstufung wird insbesondere auch dadurch bestätigt, dass mittlerweile in ganz großem Umfang Vitamin- und Mineralstoffprodukte in allen Handelssparten frei angeboten werden. Dementsprechend werden auch sämtliche Präparate seitens des Herstellers ausdrücklich als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet. Die Subsumtion der Präparate unter Präsentationsarzneimittel (Arzneimittel nach der Bezeichnung) kommt damit nicht in Betracht. Auch sind sie rechtlich nicht als Funktionsarzneimittel (Arzneimittel nach der Wirkung) einzustufen. Die Präparate führen nicht zu einer erheblichen Funktionsveränderung, weil sie keine Wirkungen hervorrufen, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegen. Vielmehr geht ihre Wirkung im Allgemeinen nicht darüber hinaus, dass dem Organismus lebensnotwendige Stoffe in konzentrierter Form zugeführt werden, welche er sich unter normalen Bedingungen auch aus der Nahrung ziehen kann. Hierauf abstellend liegen mit den streitgegenständlichen Präparaten keine Arzneimittel vor, weil die Nahrungsergänzungsmittel – auch nach dem konkreten Einsatz im Falle der Ehefrau des Klägers – keine pharmakologische Wirkung entfalten sollen, also gerade nicht über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers erzielt werden soll. Vielmehr geht es hier einzig darum, den ernährungsphysiologischen Bedarf zu befriedigen, den die Ehefrau des Klägers aufgrund ihrer Erkrankungen nicht auf andere Weise, z.B. durch den Verzehr von Obst oder anderen Nahrungsmitteln, (ausreichend) decken kann (VG Würzburg, U.v. 2.8.2016 – W 1 K 15.21 – juris).
Auch der Umstand, dass die Notwendigkeit der Einnahme bestimmter Stoffe krankheitsbedingt ist, verleiht den Nahrungsergänzungsmitteln, die die entsprechenden Stoffe enthalten, keine pharmakologische Wirkung. Denn selbst wenn Nahrungsmitteln eine „heilende“ Wirkung zukommt, wird dadurch ihre Lebensmitteleigenschaft nicht verändert (BayVGH, B.v. 24.7.2014 – 14 ZB 14.1045 – juris Rn. 8 m.w.N.; VG München, U.v. 18.2.2016 – M 17 K 15.1482 – juris Rn. 33). Ob der behandelnde Arzt von einer pharmakologischen Wirkung der Präparate ausgeht und die Präparate deshalb verordnet, ist für die Arzneimitteleigenschaft des Mittels ebenfalls ohne Bedeutung. Die ärztliche Verordnung der streitgegenständlichen Präparates würde lediglich dann die – medizinische – Notwendigkeit (und Angemessenheit) der diesbezüglichen Aufwendungen im Sinne von Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV a.F. belegen, wenn die Präparate Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne wären und zur Behandlung der bei der Ehefrau des Klägers vorliegenden Erkrankungen als wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode anzusehen wären (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 53) oder die Ehefrau des Klägers die strengen Voraussetzungen erfüllen würde, unter denen ausnahmsweise eine Gewährung von Beihilfeleistungen für Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinne trotz fehlender wissenschaftlicher Anerkennung der Behandlungsmethode möglich ist (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 a.a.O. Rn. 56 m.w.N.; B.v. 3.8.2015 – 14 ZB 15.1012 – juris Rn. 7). Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung der oben genannten Präparate über die Befriedigung des ernährungsphysiologischen Bedarfs der Ehefrau des Klägers hinaus zur Behandlung von Erkrankungen der Ehefrau als wissenschaftlich allgemein anerkannt anzusehen ist.
2.1.1. Das Präparat „OMEGAlife / Doetsch Grether 120 Kps“ (PZN 9999117)“ enthält ein Fischölkonzentrat mit einem hohen Anteil an essenziellen Omega-3- Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) sowie Vitamin E (Bl. 70 BA). Nach dem Internetauftritt des Herstellers (www.omegalife.ch) handelt es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel, das in der S. in jeder Apotheke und jeder Drogerie ohne ärztliche Verschreibung bezogen werden kann (Bl. 71 BA). Nach der Aufmachung des Produkts und der Werbung hierfür wird der Durchschnittsverbraucher nicht annehmen, dass es sich bei dem Präparat um ein Arzneimittel handelt. Auch von einer pharmakologischen Wirkung, d.h. davon, dass durch das Präparat Krankheiten geheilt oder verhindert werden können, ist in den Herstellerangaben ebenfalls keine Rede. Der Hinweis, dass das Produkt zu einer normalen Herzfunktion und zur Aufrechterhaltung eines normalen Cholesterinspiegels im Blut beiträgt, genügt für eine pharmakologische Wirkung nicht.
2.1.2. Das Präparat „SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468) enthält nach den Herstellerangaben (http://www.cellfood.de/seiten/produkte/same.html) destilliertes Wasser, Feuchthaltemittel: Glycerin, natürliches Aroma, Salzlösung gewonnen durch Auszug der Lithothamnium Calcareum Alge, Reisessig, SAMe (SAdenosylmethionin) sowie Natriumselenit. SAM ist eine körpereigene Substanz, die in der Leber aus der Aminosäure Methionin gebildet wird. Die aktuelle Produktinformation (http://www.cellfood.de/bilder/cellfood_broschuere.pdf) bezeichnet das Präparat als Nahrungsergänzungsmittel mit Selen. Nach der Aufmachung des Produkts und der Werbung hierfür wird der Durchschnittsverbraucher daher annehmen, es handle sich bei diesem Produkt um ein Nahrungsergänzungsmittel. Der Auffassung der Regierung von O. vom 21. August 2014 (Bl. 50 BA), dass es sich bei dem Präparat “SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468) um ein Präsentationsarzneimittel handeln würde, ist auch deshalb nicht zu folgen, weil den aktuellen Angaben des Herstellers (http://www.cellfood.de/bilder/cellfood_broschuere.pdf) nicht (mehr) entnommen werden kann, dass das Präparat zur Behandlung von depressiven Symptomen, bei Kopfschmerzen und bei Entzündungen sowie bei Schmerzen in Knochen, Gelenken und Muskeln geeignet ist. Es soll vielmehr (lediglich) dazu beitragen, die Zellen vor oxidativem Stress zu schützen.
2.1.3. Das Präparat „Vitamin D3 1000 IU 180 Softgel Nature´s Plus Nr. 1042“ (PZN 9999175; https://naturesplus.com/products/productdetail.php?productNumber=1042) enthält Vitamin D3 (Cholecalciferol) 25 mcg/1.000 IE, Safloröl, Gelatine, Glycerin, Sonnenblumenöl und gereinigtes Wasser. Vitamin D3 1.000 IE sind praktische, leicht zu schluckende Softgels, in denen das Vitamin D3 in SaflorÖl gelöst ist. Es handelt sich um reines, natürliches Vitamin D3, das durch UV-B-Bestrahlung von Wollfett (Schaf) gewonnen wird (https://www.deltastar.nl/vitamind3-1000-ie.html). Das Präparat „Vitamin B2 100 mg, 90 Tabletten Nature´s Plus Nr. 1630“ (PZN 9999175) enthält Vitamin B2 (Riboflavin) 100 mg, mikrokristalline Cellulose, Stearinsäure (= gesättigte Carbon- und Fettsäure. Ihre Salze und Ester heißen Stearate), Reiskleie, Magnesiumstearat (= Magnesiumsalz der Stearinsäure und gehört zu den Kalkseifen. Es wird aus Fetten und Ölen unter Spaltung ihrer Glyceride mittels Magnesium, Seifen und Glycerin gewonnen), pharmazeutische Glasur und Kieselsäure (= Sauerstoffsäuren des Siliciums; www.deltastar.nl/vitaminb2-100-mg.html).
Sowohl das Präparat „Vitamin D3 1000 IU 180 Softgel Nature´s Plus Nr. 1042“ (PZN 9999175 als auch das Präparat „Vitamin B2 100 mg, 90 Tabletten Nature´s Plus Nr. 1630“ (PZN 9999175) wird vom Hersteller als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet und vertrieben (s. Etikettaufdruck „Dietary Supplement“, Bl. 72, 74 BA). Zwar soll die Einnahme dieser Vitaminprodukte dem Ausgleich einer Hypovitaminose (Vitaminmangel) dienen (vgl. Prof. Dr. L. … vom 7.8.2009, Bl. 21 GA M 17 K 17.4946; Prof. Dr. H. … vom 6.8.2009, Bl. 23 GA M 17 K 17.4946; Prof. Dr. H. … vom 2.6.2008, Bl. 28 GA M 17 K 17.4946), jedoch entfalten diese Produkte keine über die Befriedigung des ernährungsphysiologischen Bedarfs hinausgehende therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne (vgl. zu Vitaminpräparaten: BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 31 m.w.N.). Eine pharmakologische Wirkung im Sinne einer gezielten Einwirkung auf den Zustand und die Funktion des Körpers wird nicht dargetan. Das Präparat ersetzt nur die durch die bei der Klägerin vorliegenden Krankheiten CMI, MCS und Nahrungsmittelunverträglichkeiten reduzierten Mineralstoffe bzw. Vitamine. Auch unter diesem Blickwinkel kann nicht von einem Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn ausgegangen werden.
2.1.4. Das Präparat „Iron Bisglycinate/Thorne 60 Kps“ (PZN 10249999) aus Zellulosekapseln ist ein Eisensupplement und enthält im Wesentlichen Eisen-II-Bisglycinat. Auch dieses Präparat wird vom Hersteller als Nahrungsergänzungsmittel bezeichnet („Dietary Supplement“; Bl. 69 BA; www.thorne.com/products/dp/ironbisglycinate). Auch bei diesem Produkt wird der Durchschnittsverbraucher annehmen, dass es sich nicht um ein Arzneimittel handelt, zumal der Hersteller besonders darauf hinweist, dass Eisen zur normalen Bildung der roten Blutzellen und des Hämoglobins beiträgt. Eine über die Behebung eines Eisenmangels hinausgehende therapeutische Wirkung im eigentlichen Sinne entfaltet auch dieses Produkt nicht.
2.1.5. Das Präparat „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ (PZN 7774845) wird aus der Pflanze Erd-Burzeldorn (Tribulus terrestris) hergestellt, die Tannin, ein Glykosid, ätherisches Öl, Linolsäure, Peroxidase u. a. enthält. Erd-Burzeldorn wird als Tonikum und in einigen Sportarten (v.a. Kraftsport) als „Steroidersatz“ verwendet, soll den Testosteronspiegel erhöhen und die Potenz fördern. Das Präparat wurde auf der Homepage der Herstellerfirma N. damit beworben, dass es den höchsten Protodioscingehalt auf dem europäischen Markt besitze (Stellungnahme der Regierung von Oberbayern vom 25. November 2014; Bl. 52 BA). Das Präparat wird von der Herstellerfirma als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben (Regierung von Oberbayern vom 7.10.2015, Bl. 63 BA). Ob das Präparat „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher als Lebensmittel wahrgenommen wird oder als Arzneimittel, dessen wissenschaftliche Anerkennung bei der rechtlichen Einstufung nicht vorausgesetzt wird (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 a.a.O., Rn. 33), braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Denn für dieses Präparat ist nicht ersichtlich, dass es aus Anlass einer Krankheit für die Ehefrau des Klägers medizinisch notwendig ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV). Zwar wird die Notwendigkeit einer Behandlung mit einem anerkannten Arzneimittel in aller Regel durch eine entsprechende ärztliche Verordnung belegt. Dies gilt aber nicht ohne weiteres für Präparate, deren Einordnung als Arzneimittel oder Lebensmittel ebenso wie deren Wirkungsweise zweifelhaft ist. Für die Ehefrau des Klägers, die laut ärztlicher Diagnostik an einer Multisystemerkrankung mit hochgradiger multipler Chemikaliensensitivität leidet, gehört eine Behandlung mit „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ jedenfalls nicht ohne weiteres zur Standardtherapie (vgl. hierzu „Hinweise zur Therapie chron. entzündliche Multisystemkrankheiten“ unter http://www.umweltundgesundheitsberatung.de). Auch sonst ist in keiner Weise von der Klagepartei dargelegt worden, inwieweit die Gesundheit durch die Verabreichung des Präparats „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ verbessert werden kann. Soweit die Ehefrau des Klägers gegenüber dem Referat für Gesundheit und Umwelt der Landeshauptstadt München vortrug, dass sie dieses Präparat in regelmäßiger Dosierung bereits seit vielen Jahren bei einem angeblich vorliegenden „kompletten Hypogonadismus“ (verminderte Funktion der männlichen Geschlechtsdrüsen) nehme, führte das Gesundheitsreferat mit Stellungnahme vom 29. Mai 2013 aus (Bl. 48 BA), dass es keine Labordiagnostik mehr vor Therapiebeginn gebe und die vorgelegten Laboruntersuchungen (2001, 2009 und 2010) Hormonwerte im Normbereich zeigen würden. Studien hätten gezeigt, dass durch die Einnahme von „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ eine gemessene Erhöhung von SSH und LH und eine Erniedrigung von ß-Estradiol nicht signifikant gewesen seien. Der Nutzen dieses Präparats müsse grundsätzlich, aber auch speziell bei fehlender Indikation bei der Ehefrau des Klägers angezweifelt werden. Bei dieser Sachlage ist die dem Grunde nach erforderliche medizinische Notwendigkeit nicht ersichtlich.
2.2. Darüber hinaus sind jedenfalls die Präparate “SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468), „Iron Bisglycinate/Thorne 60 Kps“ (PZN 10249999) und „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ nicht apothekenpflichtig (vgl. § 43 AMG). Apothekenpflichtig sind Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 1 AMG, die nicht durch die Vorschriften des § 44 AMG oder der nach § 45 Abs. 1 AMG erlassenen Rechtsverordnung – Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel/AMVerkV – für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben sind. Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel. Sie unterfallen nicht dem Begriff des Arzneimittels und sind damit nicht apothekenpflichtig. Das Vorhandensein einer PZN besagt allenfalls, dass das Präparat apothekengängig ist (vgl. a. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 50). Über die Apothekenpflicht sagt diese Nummer dagegen nichts aus.
Das Präparat “SAMe/Cellfood Tropfen“ (PZN 9513468) ist als Nahrungsergänzungsmittel im Handel frei erhältlich (vgl. ZAB Ausdruck vom 19. April 2016, Bl. 66 BA; www.medizinfuchs.de; https://internetapothekefreiburg.de), während Arzneimittel, die der Apothekenpflicht unterliegen, nur in Apotheken (vgl. § 43 AMG) und dort nicht einmal im Wege der Selbstbedienung (vgl. § 17 Abs. 3 Apothekenbetriebsordnung – ApBetrO) in den Verkehr gebracht werden dürfen, da grundsätzlich vor der Abgabe dieser Mittel ein Beratungsgespräch erforderlich ist (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. März 2018, § 18 BayBhV Anm. 2 (2)).
Dies gilt ebenso für das Präparat „Iron Bisglycinate/Thorne 60 Kps“ (PZN 10249999), das frei käuflich zu erwerben und damit nicht apothekenpflichtig ist (Regierung von Oberbayern vom 27. April 2016, Bl. 43 BA; ZAB vom Bl. 67 BA; www.kastanienhofshop.de; www.bodfeldapotheke.de; https://shop.vitaminwelten.de/ Vitaminwelten/Mineralstoffe-Spurenelemente/Eisen-Iron/Thorne-Iron-BisglycinateEisen-25mg-60-veg-Kapseln::12884.html).
Auch das Präparat „Tribulus Terrestris Extrakt 90 Kps.“ (PZN 7774845) ist als Nahrungsergänzungsmittel nicht apothekenpflichtig, sondern frei im Handel erwerbbar (vgl. Regierung von Oberbayern vom 27.4.2016, Bl. 43 BA; Schreiben LfF vom 18.8.2015, Bl. 65 und Bl. 68 BA; www.apomio.de/hersteller/nutreasgmbh.html; www.medvergleich.de/tribulusterrestrisextrakt.html). Mit Schreiben vom 26. August 2015 (Bl. 64 BA) räumt der Kläger selbst ein, dass das Präparat nicht apothekenpflichtig ist.
2.3. Schließlich steht einem Anspruch auf Beihilfeleistungen auch der Beihilfeausschluss gemäß § 18 Satz 4 BayBhV entgegen.
2.3.1. Sämtliche streitgegenständlichen Präparate sind als Nahrungsergänzungsmittel geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (§ 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV). Güter des täglichen Bedarfs sind solche, die im Rahmen allgemeiner Lebenshaltungskosten dem Grunde nach unabhängig von einer Erkrankung bei jedermann anfallen (Mildenberger, Beihilferecht, Stand 1. März 2018, Bd. 1, A III, Anm. 3 zu § 22 BBhV). Maßgeblich ist auch hier die objektive Zweckbestimmung, wie sie sich aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers darstellt. Ein solcher Verbraucher wird annehmen, dass Nahrungsergänzungsmittel aus den allgemeinen Lebenshaltungskosten unabhängig von einer Erkrankung zu tragen sind.
2.3.2. Für die Präparate „Vitamin D3 1000 IU 180 Softgel Nature´s Plus Nr. 1042“ und „Vitamin B2 100 mg, 90 Tabletten Nature´s Plus Nr. 1630“ ergibt sich der Leistungsausschluss aus § 18 Satz 4 Nr. 3 BayBhV (soweit Vitaminpräparat), im Übrigen aus § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV (vgl. hierzu auch VG Würzburg, U.v. 2.8.2016 – W 1 K 15.21 – juris Rn. 23 ff.).
2.4. Es bestehen auch keine Zweifel am bisherigen Ergebnis im Hinblick auf die von der Klagepartei geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die Gewährung von Beihilfe findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Sie ergänzt die Alimentation zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts des Beamten auch in Krankheits- oder Pflegefällen. Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht fordert vom Dienstherrn, Vorkehrungen für den Fall besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- oder Todesfälle zu treffen, damit der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten und seiner Familie nicht gefährdet wird. Im verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht ist dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er in zumutbarer Weise aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Ob der Dienstherr seiner so umrissenen verfassungsrechtlichen Pflicht zur Fürsorge durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonstiger geeigneter Weise Genüge tut, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfG, B.v. 7.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225/233). Dass der angemessene Lebensunterhalt des Klägers vorliegend gefährdet wäre, ist nicht ersichtlich. Der Kläger erhält Versorgungsbezüge aus der Besoldungsgruppe A.. Laut Angaben des Klägers liegt der Gesamtbetrag der betreffenden Arzneimittel für seine Ehefrau pro Jahr bei 487,05 €, also bei 41,- € im Monat. Dies stellt im Vergleich zu den Versorgungsbezügen des Klägers keine unangemessene Größe dar. Auch die krankheitsbedingten erhöhten Aufwendungen von 1.607,05 € im Jahr, also 135,- € im Monat für u.a. Reinigungs- und Waschmittel führt zu keinem anderen Ergebnis.
Hierbei handelt es sich um Kosten der allgemeinen Lebenshaltung, die ausschließlich mittels Versorgungsbezügen zu begleichen sind. Insbesondere deshalb ist auch die Ablehnung eines Härtefalls gemäß 49 Abs. 2 BayBhV durch das StMFLH (Schreiben vom 14.9.2016, Bl. 76 BA) rechtlich nicht zu beanstanden.
2.5. Schon mangels Gefährdung des angemessenen Lebensunterhalts des Klägers war auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Ehefrau des Klägers einen krankheitsbedingten Sonderbedarf an Gütern des täglichen Bedarfs hat, für die der Dienstherr keine amtsangemessene Besoldung und Versorgung zur Verfügung stellt (vgl. hierzu VGH BW, U.v. 19.1.2010 – 4 S 1816/07 – juris Rn. 25).
Unabhängig davon besteht auch in Ansehung des ärztlichen Attests von Dr. med. H … vom 13. September 2017 und des hieran anknüpfenden in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2018 gestellten Beweisantrags keine Veranlassung, einem krankheitsbedingten Sonderbedarf der Ehefrau des Klägers nachzugehen. Denn das genannte ärztliche Attest vom 13. September 2017 liefert in seiner Allgemeinheit keine hinreichend konkreten Anknüpfungstatsachen für die Annahme eines solchen Sonderbedarfs. Es ist ausdrücklich „zur Vorlage bei den Krankenversicherungsträgern“ ausgestellt. Es spricht die umfassende Behandlung mit Vitaminen, Mineralien, Omega-3-Fettsäuren, Aminosäuren und anderen arzneilich wirksamen Substanzen, u.a. Phythopharmaka, an, die medizinisch zwingend aus nachfolgend dargelegten Gründen indiziert sei. „Sämtliche ärztlich verordnete Präparate dienen (im Fall der Ehefrau des Klägers) allein medizinischen Zwecken im Sinne des § 2.1 AMG (sic!) (…)“.
Die so vorgenommenen Umschreibungen bezeichnen eine unbeschränkte und nicht konkretisierte Menge denkbarer Präparate, die bei der Ehefrau des Klägers medizinisch zwingend indiziert seien. Das Attest hat daher den Charakter einer Generalermächtigung zur medizinischen Notwendigkeit von Präparaten, die nachfolgend (nach Belieben) durch ärztliche Verordnungen ausgefüllt werden kann. In dieser Allgemeinheit liefert das Attest keine Anknüpfungstatsachen für einen konkreten Bedarf der Ehefrau des Klägers für ein bestimmtes Präparat, der über einen ernährungsphysiologischen Bedarf hinausgeht.
2.6. Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist auch im Übrigen mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. VG München, U.v. 17.8.2015, M 17 K 15.1706 – juris Rn. 19 zu § 22 BBhV: BayVGH, U.v. 10.8.2015, 14 B 14.766; VG Ansbach, U.v. 26.7.2016 – AN 1 K 14.01929 – juris Rn. 74; VG Minden, U.v. 14.4.2016 – 4 K 2320/14 – juris). Insbesondere ist die Beschränkung nicht wegen Fehlens einer Härtefallregelung unwirksam (vgl. zu § 22 BBhV: OVG NW, U.v. 20.6.2013 – 1 A 334/11 – juris Rn. 43ff.; BayVGH, U.v. 10.8.2015 – 14 B 14.766 Rn. 34ff.; VG Greifswald, U.v. 25.9.2014 – 6 A 77/13 – juris Rn. 23ff.), da in § 49 Abs. 2 BayBhV eine derartige Härtefallregelung enthalten ist.
Der Ausschluss der Aufwendungen für die streitgegenständlichen Präparate aus der Beihilfegewährung verstößt entgegen der Ansicht der Klagepartei insbesondere auch weder gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch gegen das verfassungsrechtliche Verbot der Benachteiligung Behinderter (Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG). Denn für den Beihilfeausschluss derartiger Präparate gibt es wegen deren Zuordnung zum Bereich der privaten Lebensführung sachliche Gründe. § 18 BayBhV stellt auch keine Regelung dar, die die Situation von Behinderten wegen ihrer Behinderung verschlechtert, indem ihnen etwa Leistungen verwehrt werden, die jedermann zustehen. Dass für Aufwendungen für Mittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, und damit dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen sind, kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Beihilfegewährung besteht, gilt für behinderte Menschen und solche ohne Behinderung gleichermaßen. Dem Kläger bzw. dessen Eheffrau wird somit keine Leistung verwehrt, die jedermann zusteht.
2.7. Soweit die Klagepartei schließlich ihren Beihilfeanspruch dadurch herzuleiten versucht, dass ihr in der Vergangenheit zu den streitgegenständlichen Präparaten Beihilfeleistungen gewährt wurden, folgt daraus kein Anspruch auf Gleichbehandlung, da die Erstattung teilweise auf einer anderen Rechtslage beruhte und dem deutschen Verfassungsrecht eine Gleichbehandlung im Unrecht fremd ist (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 59; Jarass/Pieroth, GG, 9. Auflage 2007, Rn. 36 zu Art. 3 m.w.N.).
3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben