Europarecht

Anordnung einer Sicherheitschlorung – Erfolgloser Eilantrag

Aktenzeichen  Au 1 K 18.957

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 8226
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
IfSG § 38, § 39
TrinkwV § 4, § 5, § 6, § 7, § 9, § 11, § 20

 

Leitsatz

1. Bei einer Chlorierungsanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, sodass zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist und demnach auch nach Erlass des Bescheides eingetretene Veränderungen zu berücksichtigen sind. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 9 TrinkwV hat als speziellere Norm Vorrang vor § 39 IfSG. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
3. Im Bereich der Trinkwasserversorgung ist eine Schädigung der menschlichen Gesundheit bereits dann zu besorgen, wenn Verkeimungen im Trinkwasser nur einmal festgestellt werden, weil dann nicht mehr auszuschließen ist, dass auch Krankheitserreger bereits in die Trinkwasserversorgung eingetragen worden sind oder jederzeit eingetragen werden können.  (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 6. Juni 2018 wird in Ziffer I. 2. aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 1/6 und der Kläger zu 5/6.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat nur zu einem kleinen Teil Erfolg. Ansonsten ist sie teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Gegenstand der Klage ist zunächst die mit Bescheid vom 6. Juni 2018 für das gesamte Versorgungsgebiet des Klägers verfügte Chlorierungsanordnung (Ziffer I. 1. des Bescheids). Daneben wendet sich der Kläger auch gegen die in Ziffer I. 2. des Bescheids angeordnete und durch E-Mail vom 7. Dezember 2018 modifizierte Pflicht zur regelmäßigen Messung und Dokumentierung des Chlorgehalts. Schließlich begehrt der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der für das Versorgungsgebiet * erlassenen Abkochanordnung (Ziffer I. 3.).
2. Soweit der Kläger die Feststellung der Rechtswidrigkeit der mittlerweile aufgehobenen Abkochanordnung (Ziffer I. 3.) begehrt, ist die Klage bereits unzulässig, da dem Kläger das hierfür erforderliche Feststellungsinteresse fehlt.
Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn sich dieser erledigt hat und der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Eine Erledigungssituation liegt hier vor. Die streitgegenständliche Abkochanordnung wurde am 12. Juli 2018 mündlich aufgehoben. Mit Bescheid vom 13. Juli 2018 wurde die Aufhebung schriftlich bestätigt.
Der Kläger kann jedoch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht geltend machen. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur dann zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat. Dieses Interesse muss – unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der betroffenen Rechtspositionen – über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Behördenentscheidung hinausgehen und kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Maßgeblich ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet erscheint, die Position des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern (st. Rspr., vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 20.12 – juris Rn. 11 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 Rn. 129f. m.w.N.).
In der Verwaltungsgerichtspraxis haben sich hierzu verschiedene Fallgruppen herausgebildet, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Interesse zu bejahen ist, nämlich die Wiederholungsgefahr, die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses, das sogenannte Rehabilitationsinteresse sowie eine fortdauernde bzw. tiefgreifende Grundrechtsbeeinträchtigung (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2015 – 1 WB 49/14 – juris Rn. 24; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 Rn. 136ff.). Der Kläger muss sein Feststellungsinteresse jeweils substantiiert geltend machen (st. Rspr., vgl. BVerwG, a.a.O.).
Gemessen hieran ist ein Feststellungsinteresse vorliegend zu verneinen. Der Bevollmächtigte des Klägers führt hierzu aus, aufgrund der erheblichen Auswirkungen der Abkochanordnung und der diesbezüglich beim Kläger eingehenden Beschwerden sowie der umfassenden Medienberichterstattung in der Öffentlichkeit habe der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die Abkochanordnung rechtswidrig war.
a) Mit dieser Begründung beruft sich der Kläger letztendlich auf das Vorliegen eines Rehabilitationsinteresses. Ein solches Interesse besteht nach Ansicht der Kammer jedoch nicht.
Das Verlangen nach Rehabilitierung begründet nach ständiger Rechtsprechung nur dann ein Feststellungsinteresse, wenn es bei vernünftiger Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls als schutzwürdig anzuerkennen ist. Dafür reicht es nicht aus, dass der Betroffene die von ihm beanstandete Maßnahme als diskriminierend empfunden hat. Maßgebend ist vielmehr, ob bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise abträgliche Nachwirkungen der Maßnahme fortbestehen, denen durch eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns wirksam begegnet werden könnte (BayVGH, B.v. 17.4.2018 – 4 ZB 17.1490 – juris Rn. 13 m.w.N.). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht damit über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit hinaus und besteht vielmehr nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine für Außenstehende erkennbare und fortdauernde Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14./12 – juris Rn. 25 m.w.N.; BayVGH, a.a.O. sowie B.v. 28.11.2016 – 4 ZB 16.1610 – juris Rn. 17). Ein Rehabilitierungsinteresse wird insbesondere bejaht, wenn der Verwaltungsakt diskriminierenden Charakter hatte und durch ihn das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen beeinträchtigt wurde (BVerfG, B.v. 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 – juris Rn. 47).
Ausgehend hiervon ist vorliegend kein Rehabilitationsinteresse erkennbar. Dabei kann letztendlich dahinstehen, ob sich der Kläger als Hoheitsträger bzw. Gebietskörperschaft überhaupt auf ein Rehabilitationsinteresse berufen kann (VG Düsseldorf, U.v. 12.7.2011- 17 K 5566/10 – juris Rn. 84). Denn die Abkochanordnung war jedenfalls nicht geeignet, eine diskriminierende Wirkung für den Kläger zu erzeugen. Sachlicher und nachvollziehbarer Grund für den Erlass der Abkochanordnung für den Versorgungsbereich * war die Tatsache, dass aufgrund der gleichzeitig angeordneten Chlorung die Gefahr bestand, dass im Netz Biofilme gelöst würden und es dadurch zu einer mikrobiellen Grenzwertüberschreitung kommen hätte können. Es wurde seitens der Behörde bereits im streitgegenständlichen Bescheid selbst ausgeführt, dass die Abkochanordnung lediglich bis zur Sicherstellung einer stabilen Chlorkonzentration erforderlich sei. Die Abkochanordnung wurde erlassen, um die menschliche Gesundheit zu schützen und diente damit der Gefahrenabwehr. Inwieweit hier ein Ansehensverlust des Klägers eingetreten sein soll, ist nicht erkennbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Medienberichterstattung, welche sich auszugsweise in der vorgelegten Behördenakte befindet, hier einseitig zu Lasten des Klägers erfolgte. Auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann sich die Gemeinde als juristische Person des öffentlichen Rechts zudem nicht berufen. Nach objektiver Betrachtungsweise ist hier nicht erkennbar, inwieweit die erlassene Abkochanordnung nach ihrer Aufhebung mit Nachwirkungen für den Kläger verbunden ist. Auf ein subjektives Empfinden des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang gerade nicht an. Ein bloßes ideelles Interesse an der Klärung der Rechtsfrage ohne Rücksicht darauf, ob abträgliche Nachwirkungen fortbestehen, genügt für die Bejahung des Rehabilitationsinteresses ebenso wenig, wie der reine Wunsch nach Genugtuung.
b) Das besondere Feststellungsinteresse kann auch nicht wegen eines durch die Abkochanordnung eingetretenen schweren Grundrechtseingriffs bejaht werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann allein ein tiefgreifendender Grundrechtseingriff das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht begründen. Eine Ausnahme gilt im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG grundsätzlich nur bei solchen Eingriffen, die ansonsten wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden könnten (BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 22.12 – juris Rn. 18ff.), sowie bei besonders schwerwiegenden oder fortdauernden faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, § 113 Rn. 146). Keiner dieser Fälle liegt hier vor. Die Abkochanordnung fällt nicht in die Kategorie der sich typischerweise kurzfristig erledigenden Verwaltungsakte. Eine solche Erledigung müsste sich nämlich aus der Eigenart des Verwaltungsaktes selbst ergeben, eine untypisch frühzeitige Erledigung berührt Art. 19 Abs. 4 GG dagegen nicht (BVerwG, a.a.O. Rn. 21ff.). Vorliegend hat das Landratsamt die Abkochanordnung aufgrund nachträglich eingetretener veränderter Umstände aufgehoben. Auch ein besonders schwerwiegender oder fortdauernder Grundrechtseingriff ist nicht erkennbar. Der Kläger als juristische Person des öffentlichen Rechts kann sich nach der Rechtsprechung grundsätzlich ohnehin nicht auf Grundrechte berufen, soweit er öffentliche Aufgaben wahrnimmt (st. Rspr., vgl. BVerfG – 2 BvR 403/02 – juris Rn. 10. m.w.N.). Der somit allein in Betracht kommende Eingriff in das gemeindliche Selbstverwaltungsrecht nach Art. 28 Abs. 2 GG ist jedoch weder besonders schwerwiegend noch andauernd.
c) Auch von einer konkreten Wiederholungsgefahr ist vorliegend nicht auszugehen.
Besteht die Gefahr, dass die Behörde erneut einen Verwaltungsakt mit dem Inhalt des erledigten Verwaltungsakts oder zumindest einen gleichartigen Verwaltungsakt erlässt, so kann dies einen Antrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO rechtfertigen. Das berechtigte Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage wegen einer Wiederholungsgefahr setzt jedoch voraus, dass auch in Zukunft unter im Wesentlichen unveränderten Umständen die Gefahr besteht, dass erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Es müssen die gleichen tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse vorliegen wie in dem für die Beurteilung des erledigten Verwaltungsakts maßgeblichen Zeitpunkt (Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 86a). Zudem muss die geltend gemachte Wiederholungsgefahr auch hinreichend konkret sein (BVerwG, B.v. 29.4.2008 – 1 WB 11/07 – juris Rn. 21).
Ausgehend hiervon ist eine Wiederholungsgefahr im vorliegenden Fall weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger hat nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten seit Erlass der Abkochanordnung umfassende Sanierungsmaßnahmen an seiner Wasserversorgungsanlage vorgenommen. Die heutige Anlage und somit die tatsächlichen Verhältnisse sind daher in keiner Weise mehr vergleichbar mit den Verhältnissen zu dem Zeitpunkt, als die Abkochanordnung ergangen ist. Zudem wurde die Abkochanordnung hier als Vorbereitungs- bzw. Begleitmaßnahme der gleichzeitig angeordneten Sicherungschlorung erlassen. Eine hinreichend konkrete Gefahr, dass es abermals zu solch einer Situation kommen könnte, ist ebenfalls nicht erkennbar.
d) Schließlich ergibt sich ein Feststellungsinteresse auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines ernsthaft beabsichtigten Amtshaftungsprozesses.
Bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage, die der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses dienen soll, muss der Betroffene von sich aus substantiiert darlegen, dass er bereits einen solchen Prozess eingeleitet hat oder die Klageerhebung zeitnah beabsichtigt. Insbesondere muss er aufzeigen, was er konkret anstrebt, d.h. welchen Schaden bzw. welche Schadens- oder Entschädigungspositionen er im Zivilrechtsweg geltend machen will. Die bloß abstrakte Möglichkeit eines Sekundärverfahrens genügt dagegen nicht. Zwar dürfen an den Vortrag keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass der Kläger einen Amtshaftungsprozess tatsächlich anstrebt und dieser nicht offensichtlich aussichtslos ist. Hierzu gehört auch eine zumindest annähernde Angabe der Schadenshöhe (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 13.7.2015 – 1 WB 49/14 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 17.4.2018 – 4 ZB 17.1490 – juris Rn. 21; B.v. 13.6.2014 – 15 ZB 14.510 – juris Rn. 10; OVG NRW, U.v. 25.3.2014 – 2 A 2679/12 – juris Rn. 47 m.w.N.). Diesbezüglich wurde vom Kläger vorliegend nichts vorgetragen.
e) Sonstige schützenswerte Interessen, die ein Feststellungsinteresse des Klägers rechtfertigen könnten, sind darüber hinaus weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
3. Soweit sich der Kläger gegen die in Ziffer I. 1. des streitgegenständlichen Bescheids verfügte Chlorierungsanordnung wendet, ist die Klage als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Anordnung der Sicherheitschlorung ist – im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (dazu sogleich) – rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Grundsätzlich bestimmt sich im Verwaltungsprozess der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem materiellen Recht (BVerwG, U.v. 27.4.1990 – 8 C 87/88 – juris; Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 113 Rn. 45). Den hier maßgeblichen Vorschriften der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) ist jedoch keine Aussage zu entnehmen, auf welchen Zeitpunkt für die rechtliche Beurteilung einer auf diese gestützten Maßnahme abzustellen ist. Daher greift hier zunächst der prozessrechtliche Grundsatz, dass für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Anfechtungsklage grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung abzustellen ist (Eyermann, a.a.O., § 113 Rn. 45; vgl. zur TrinkwV auch BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 26; U.v. 6.3.2018 – 20 B 17.1378 – juris Rn. 38). Bei der angeordneten Sicherheitschlorung handelt es sich jedoch um einen sogenannten Dauerverwaltungsakt, sodass insoweit zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ausnahmsweise auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist und demnach auch nach Erlass des Bescheids eingetretene Veränderungen zu berücksichtigen sind (vgl. Eyermann, a.a.O., § 113 Rn. 48 m.w.N.; BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 26 a.E.).
a) Die Rechtsgrundlage für die Chlorierungsanordnung findet sich entgegen der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids in § 9 TrinkwV und nicht in § 39 Abs. 2 Nr. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).
Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG hat die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 37 Abs. 1 und 2 IfSG sowie von Rechtsverordnungen nach § 38 Abs. 1 und 2 IfSG sicherzustellen. Die Trinkwasserverordnung stützt sich in ihren hier maßgeblichen Teilen auf die Verordnungsermächtigung des § 38 Abs. 1 und 2 IfSG und dient nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG der Umsetzung der in § 37 Abs. 1 und 2 IfSG geregelten Anforderungen an Wasser für den menschlichen Gebrauch bzw. Wasser, das in Gewerbebetrieben oder öffentlichen Bädern bereitgestellt wird (vgl. Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2016, § 4 TrinkwV Rn. 4). Damit kann diese Befugnisnorm grundsätzlich herangezogen werden, wenn es zur Einhaltung der materiellen Anforderungen der Trinkwasserverordnung einer behördlichen Anordnung bedarf. Allerdings enthält die Trinkwasserverordnung selbst sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch hinsichtlich der einzelnen zu treffenden Maßnahmen spezielle Befugnisnormen, die sich insbesondere in den §§ 9, 10 und 20 TrinkwV finden. Würde auch im Anwendungsbereich dieser speziellen Eingriffsbefugnisse ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG möglich sein, so würden deren Tatbestandsanforderungen im Ergebnis ausgehebelt und leerlaufen. Daher ist grundsätzlich von einer Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung auszugehen. Ein Rückgriff auf die allgemeine Befugnisnorm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG ist wegen dieses Spezialitätsverhältnisses nur denkbar, soweit die Trinkwasserverordnung materielle Anforderungen an die Beschaffenheit von Wasser für den menschlichen Gebrauch aufstellt, ohne der zuständigen Behörde zu ihrer Durchsetzung eine entsprechende Eingriffsbefugnis zur Seite zu stellen. Nur in diesem Fall existiert keine speziellere, vorrangige Befugnisnorm, die die Anwendung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG sperren würde (BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1352 – juris Rn. 30; U.v. 6.3.2018 – 20 B 17.1378 – juris Rn. 33).
Dass der Beklagte somit im Ergebnis von einer falschen Rechtsgrundlage ausgegangen ist, ist für die Ziffer I.1. des Bescheids jedoch unschädlich, da das Gericht im Rahmen des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO von Amts wegen zu prüfen hat, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht. Hierzu gehört beispielsweise auch die Prüfung, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, U.v. 30.6.1989 – 4 C 40/88 – juris Rn. 20). Erweist sich der Verwaltungsakt aus anderen als in dem Bescheid angegebenen Gründen als rechtmäßig, ohne dass er durch den Austausch der Begründung in seinem Wesen geändert würde, dann ist der Verwaltungsakt nicht rechtswidrig (BVerwG, U.v. 31.3.2010 – 8 C 12/09 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 1.2.2016 – 10 CS 15.2689 – juris Rn. 29; OVG SH, U.v. 26.5.2009 – 1 LB 38/08 – juris Rn. 34ff.).
So liegt der Fall hier. Der Regelungsgehalt der angegriffenen Sicherheitschlorung bliebe im Wesentlichen unverändert, wenn als Rechtsgrundlage § 9 TrinkwV anstelle des von der Behörde zitierten § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 37 IfSG herangezogen würde. Beide Normen ermächtigen die zuständige Behörde dazu, die notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen ist. Nachdem es sich bei beiden Vorschriften um gebundene Entscheidungen handelt, waren letztendlich auch keine anderen oder zusätzlichen Erwägungen anzustellen (so im Ergebnis auch BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 28).
b) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage (§ 9 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. Abs. 5 TrinkwV) sind vorliegend aufgrund der festgestellten Grenzwertüberschreitungen sowie der Tatsache, dass die Anlage des Klägers nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, erfüllt.
Wird dem Gesundheitsamt bekannt, dass in einem Wasserversorgungsgebiet die in den §§ 5 bis 7 TrinkwV in Verbindung mit den Anlagen 1 bis 3 festgelegten Grenzwerte nicht eingehalten oder die Anforderungen nicht erfüllt sind, hat es unverzüglich zu entscheiden, ob dadurch die Gesundheit der betroffenen Verbraucher gefährdet ist und ob die betroffene Wasserversorgungsanlage oder Teile davon bis auf Weiteres weiterbetrieben werden können (§ 9 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV). Dabei hat es auch die Gefahren zu berücksichtigen, die für die menschliche Gesundheit entstehen würden, wenn die Bereitstellung von Trinkwasser unterbrochen oder seine Entnahme oder Verwendung eingeschränkt würde (§ 9 Abs. 1 Satz 2 TrinkwV). Das Gesundheitsamt informiert den Unternehmer oder den sonstigen Inhaber der verursachenden Wasserversorgungsanlage unverzüglich über seine Entscheidung und ordnet Maßnahmen an, die zur Abwendung der Gefahr für die menschliche Gesundheit erforderlich sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV).
Zweck der Trinkwasserverordnung ist es, die menschliche Gesundheit vor nachteiligen Einflüssen, die sich aus der Verunreinigung von Wasser ergeben, das für den menschlichen Gebrauch bestimmt ist, durch Gewährleistung seiner Genusstauglichkeit und Reinheit zu schützen (§ 1 TrinkwV). Die in § 4 TrinkwV enthaltenen allgemeinen Anforderungen an die Beschaffenheit von Trinkwasser, nämlich dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist, gelten als erfüllt, wenn mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser den Anforderungen der §§ 5 bis 7a TrinkwV entspricht (§ 4 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV).
Ähnlich wie § 37 Abs. 1 IfSG richtet sich § 4 TrinkwV an der Begrifflichkeit des Besorgens einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit aus. Dieser Begriff ist mit Blick auf das hohe Schutzgut der menschlichen Gesundheit und der damit verbundenen Notwendigkeit reinen Trinkwassers auszulegen. § 4 Abs. 1 TrinkwV bringt durch die Formulierung, dass eine Gesundheitsgefährdung „nicht zu besorgen“ sein darf, den Präventionsgedanken des Infektionsschutzes zum Ausdruck. Dies bedeutet, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit geradezu ausgeräumt sein muss. Da bloße Möglichkeiten allerdings nie völlig ausgeschlossen werden können, ist die Formulierung „nicht zu besorgen“ dahingehend zu deuten, dass keine auch noch so wenig naheliegende Wahrscheinlichkeit bestehen darf, was im Ergebnis darauf hinausläuft, dass eine Gesundheitsgefährdung nach menschlicher Erfahrung unwahrscheinlich sein muss (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 26.6.1970 – IV C 90.69 – juris Rn. 11; U.v. 16.7.1965 – IV C 54.65 – juris Rn. 18; VG Würzburg, B.v. 14.7.2014 – W 6 S 14.485 – juris Rn. 63; VG München, B.v. 29.10.2013 – M 18 S 13.4404 – juris Rn. 61; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2016, § 4 TrinkwV Rn. 6). Angesichts dieses Präventionsgedankens ist ein Einschreiten der zuständigen Behörde schon dann berechtigt, wenn ein durch Tatsachen erhärteter Verdacht besteht, der eine Gesundheitsgefährdung als wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2000 – 25 B 96.2188 – juris Rn. 20; VG München, B.v. 21.8.2014 – M 18 S 14.445 – juris Rn. 66).
Ein Verdacht im vorgenannten Sinn ist im Fall des Klägers aufgrund der festgestellten Nichteinhaltung der Grenzwerte nach § 7 TrinkwV sowie des Umstands, dass die Anlage des Klägers nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, gegeben. § 7 Abs. 1 TrinkwV verlangt, dass im Trinkwasser die in Anlage 3 festgelegten Grenzwerte und Anforderungen für Indikator-Parameter eingehalten sein müssen. Indikator-Parameter beziehen sich auf Stoffe und Faktoren, die im Falle einer Überschreitung der Grenzwerte selbst kein oder nur ein geringes gesundheitliches Risiko für den Verbraucher darstellen. Sie zeigen aber indirekt eingetretene Veränderungen der Wasserqualität an, die unter Umständen erhebliche Risiken mit sich bringen können (BR-Drs. 721/00, S. 67). Die Anlage 3 enthält in ihrem Teil I unter der laufenden Nummer 5 u.a. einen Grenzwert für coliforme Bakterien im Trinkwasser. Dieser beträgt 0 KBE je 100 ml. Zudem darf die Koloniezahl sowohl bei 22°C als auch bei 36°C den Grenzwert von 100 KBE je ml Trinkwasser nicht überschreiten (vgl. lfd. Nrn. 10 und 11).
Davon ausgehend wurden in der Wasserversorgungsanlage des Klägers die festgelegten Grenzwerte mehrmals überschritten. In einer Wasserprobe vom 14. Mai 2018 wurde im Versorgungsbereich * (Entnahmestelle: Hochbehälter, Kammer I) erstmals 1 KBE/100 ml coliformer Bakterien festgestellt. Die Koloniezahl bei 22°C betrug 700 je ml. Auch in der Wasserprobe vom 15. Mai 2018 wurden Bakterien nachgewiesen. In den Proben vom 16. Mai 2018 und 17. Mai 2018 war jeweils der Grenzwert der Koloniezahl bei 22°C überschritten. Die genannten Untersuchungsergebnisse bezogen sich allesamt auf Wasserproben aus dem Versorgungsbereich *. Erst nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids wurde in einer Probe vom 7. Juni 2018 auch im Versorgungsbereich * (Entnahmestelle: Feuerwehrgerätehaus *) eine Grenzwertüberschreitung festgestellt. Der Messwert für coliforme Bakterien betrug hier 3 KBE/100 ml. Auch im Versorgungsbereich * fanden sich erneut coliforme Bakterien (Hochbehälter, Kammer I: 11 KBE/100 ml). Letztendlich wurden somit in beiden Versorgungsbereichen – im hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. oben) – relevante Grenzwertüberschreitungen festgestellt. Auf die Frage, ob das Gesundheitsamt auch die im streitgegenständlichen Bescheid genannte Wasserprobe vom 23. April 2018 zur Begründung seines Tätigwerdens heranziehen durfte, kommt es somit letztendlich nicht entscheidungserheblich an. Laut Beurteilung des untersuchenden Labors war die in dieser Probe festgestellte Grenzwertüberschreitung auf ungünstige Probenahmebedingungen (defekter Probenahmehahn) zurückzuführen.
Soweit der Kläger vortragen lässt, dass in seiner Wasserversorgungsanlage – abgesehen von den genannten Grenzwertüberschreitungen – sämtliche Proben der letzten Jahre unauffällig gewesen seien, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Im Bereich der Trinkwasserverordnung ist eine Schädigung der menschlichen Gesundheit sogar bereits dann zu besorgen, wenn Verkeimungen im Trinkwasser nur einmal festgestellt werden, weil dann nicht mehr auszuschließen ist, dass auch Krankheitserreger bereits in die Trinkwasserversorgung eingetragen worden sind oder jederzeit eingetragen werden können (BayVGH, B.v. 18.2.2014 – 20 CS 13.2418 – BeckRS 2014, 48113 Ls..; OVG NRW, B.v. 27.8.2013 – 13 B 903/13 – BeckRS 2013, 55076 Ls.; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2016, § 4 TrinkwV Rn. 6a). Die hier bezüglich des Indikator-Parameters coliforme Bakterien festgestellten Grenzwertüberschreitungen führen letztendlich dazu, dass eine Schädigung der menschlichen Gesundheit durch Krankheitserreger durchaus möglich und damit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV zu besorgen ist. Auch der Umstand, dass in der im gleichen Zeitraum durch das vom Kläger beauftragte Labor entnommenen Probe – anders als in der Probe des LGL – keine Grenzwertüberschreitungen festgestellt wurden, ändert an dieser Besorgnis nichts. Die Tatsache, dass in einer Probe keine Keime gefunden wurden, beseitigt nicht den positiven Keimbefund in einer anderen Probe und lässt keinen Rückschluss auf die Keimfreiheit des Trinkwassers insgesamt zu. Bei den entnommenen Proben handelt es sich vielmehr jeweils um eine bloße Momentaufnahme (vgl. auch VG München, B.v. 24.5.2004 – M 4 S 04.1476 – juris Rn. 30).
Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Wasserversorgungsanlage des Klägers – unabhängig von den festgestellten Grenzwertüberschreitungen – unstreitig nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht (§ 4 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 TrinkwV). Unter den allgemein anerkannten Regeln der Technik versteht man hierbei Regeln, welche die herrschende Auffassung unter den einschlägigen technischen Praktikern wiedergeben. Im Zusammenhang mit der Trinkwasserverordnung sind dies v.a. die einschlägigen DIN-Normen sowie das Regelwerk des Deutschen Verbandes für das Gas- und Wasserfach – Technischwissenschaftlicher Verein (DVGW) (VG Würzburg, U.v. 25.11.2015 – W 6 K 14.324 – juris Rn. 100ff. m.w.N.). Im Rahmen der Kontrolle der Wasserversorgungsanlage des Klägers im Februar 2018 wurden hier zahlreiche Abweichungen festgestellt. Auch in den vorgelegten Risikoanalysen der Stadtwerke * vom 9. November 2018 (für den Versorgungsbereich *) bzw. vom 21. Dezember 2018 (für den Versorgungsbereich *) finden sich zahlreiche potentielle Gefährdungen. Seit Erlass des Bescheids vom 6. Juni 2018 hat der Kläger zwar umfangreiche Sanierungsmaßnahmen an seiner Wasserversorgungsanlage vorgenommen. In der mündlichen Verhandlung bestätigten auch die Vertreter des Landratsamts, dass die wesentlichen Mängel der Anlage mittlerweile vom Kläger behoben wurden. Nach wie vor streitig ist zwischen den Beteiligten jedoch insbesondere, wie mit den zahlreichen Totleitungen im Netz zu verfahren ist. Die damit verbundene Gefährdung wird von den Stadtwerken * zwar nur als „mittleres Risiko“ eingeschätzt, das Landratsamt sieht die Abstellung dieses Risikos jedoch – für das Gericht nachvollziehbar – als zwingende Voraussetzung für die Aufhebung der Chlorungsanordnung an. In der Risikoanalyse wird das Abtrennen bzw. Spülen der bekannten Totleitungen ebenfalls für erforderlich gehalten. Die Stagnation des Wassers in den Totleitungen begünstige zum einen die Anreicherung von Ablagerungen in der Leitung, und zum anderen könne eine sensorische Beeinträchtigung des Wassers auftreten. Auf das Arbeitsblatt DVGW W 400-1(A) wurde in diesem Zusammenhang verwiesen. Auch das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) führte in einer Stellungnahme vom 4. Februar 2019 hierzu aus, dass vor Ende der Chlorung die bekannten Totleitungen im Rohrnetz zumindest gespült und an der Versorgungsleitung abgesperrt sein sollten. Letztendlich kann somit auch nach den umfangreichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen seitens des Klägers noch nicht davon ausgegangen werden, dass seine Wasserversorgungsanlage mittlerweile den allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne von § 17 Abs. 1 TrinkwV entspricht. Deshalb kann auch beim jetzigen Zustand der Anlage eine erneute Kontamination mit Schadstoffen nicht ausgeschlossen werden und insbesondere jederzeit eine neue Einbringung von Krankheitserregern erfolgen.
Aufgrund einer Gesamtschau der Umstände – Grenzwertüberschreitung in Verbindung mit einer Anlage, welche (noch) nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht – ist somit nach wie vor von der Besorgnis einer Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung auszugehen, sodass die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV – auch im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – weiterhin erfüllt sind. Dies gilt – wie oben festgestellt – für beide Versorgungsbereiche. In beiden Bereichen kam es zu Grenzwertüberschreitungen. Laut Aussage der Vertreter des Landratsamts sind die technischen Mängel der beiden Anlagen weitgehend identisch. Dies ergibt sich auch aus den vorgelegten Risikoanalysen der Stadtwerke. Die Besorgnis einer Gesundheitsgefährdung wird auch durch die Tatsache, dass es seit Durchführung der Chlorung nicht mehr zu einer Grenzwertüberschreitung gekommen ist, nicht ausgeräumt. Aufgrund des Zustandes der Anlage kann die Einhaltung der Grenzwerte ohne Chlorung derzeit noch nicht dauerhaft mit Sicherheit gewährleistet werden.
Schließlich geht auch die Argumentation des Klägers, Ursache für die Grenzwertüberschreitung sei höchst wahrscheinlich der außerordentlich starke Pollenflug im Frühjahr 2018 gewesen, an der bestehenden Problematik vorbei. Wie die Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausgeführt haben, war Anlass für den Erlass der Anordnung nicht allein die eventuell von einem einzelnen bestimmten Keim ausgehende Gefahr, sondern die Tatsache, dass vorliegend überhaupt ein Keim in die Anlage gelangen konnte. Daraus ergibt sich nämlich, dass die Anlage derzeit nicht sicher betrieben wird, sondern vielmehr Risiken bestehen. Diese Einschätzung wird bestätigt durch die obigen Ausführungen, dass allein die Überschreitung der Grenzwerte für Indikator-Parameter zwar in der Regel kein oder nur ein geringes gesundheitliches Risiko für den Verbraucher darstellt, diese Überschreitung aber indirekt eingetretene Veränderungen der Wasserqualität anzeigt, die unter Umständen erhebliche Risiken mit sich bringen können (vgl. oben; BR-Drs. 721/00, S. 67). Aus demselben Grund kommt es letztendlich auch auf die Frage, ob ein Keim im einen Teilbereich des * Netzes entgegen der Fließrichtung über das Wasserwerk in den anderen Teilbereich des Netzes gelangen kann, nicht entscheidungserheblich an. Entscheidend ist hier die Tatsache, dass es überhaupt zu einer Grenzwertüberschreitung kommen konnte, was hier zusammen mit dem Vorhandensein einer Anlage, welche nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht, sondern vielmehr zahlreiche Risiken aufweist, dazu führt, dass eine Gefährdung der Gesundheit der Trinkwasserabnehmer zu besorgen ist.
Neben § 9 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV ist hier im Übrigen auch § 9 Abs. 5 TrinkwV einschlägig. Danach ordnet das Gesundheitsamt bei Nichteinhaltung oder Nichterfüllung der in § 7 TrinkwV festgelegten Grenzwerte oder Anforderungen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers an. Wie oben festgestellt, ist eine solche Nichteinhaltung der in § 7 TrinkwV festgelegten Grenzwerte hier gegeben.
c) Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 bzw. Abs. 5 TrinkwV – wie hier – vor, so ordnet das Gesundheitsamt Maßnahmen, die zur Abwendung der Gefahr für die menschliche Gesundheit erforderlich sind (§ 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV), bzw. Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers (§ 9 Abs. 5 TrinkwV) an. Die Vorschriften der Trinkwasserverordnung sehen hier für die Gesundheitsbehörde kein Ermessen vor. Sie muss vielmehr zwingend tätig werden. Es handelt sich insoweit um eine gebundene Entscheidung des Gesundheitsamts.
Weitergehende Konkretisierungen hinsichtlich der vorzunehmenden Maßnahmen enthalten die Vorschriften der Trinkwasserverordnung jedoch nicht. Aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müssen die angeordneten Maßnahmen aber geeignet, erforderlich und angemessen sein (BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 39). Dies ist hier nach Ansicht des Gerichts der Fall.
(1) Die angeordnete Sicherheitschlorung ist geeignet, Gefahren für die menschliche Gesundheit abzuwehren. Durch die Desinfektion des Trinkwassers mittels Chlor ist eine Gesundheitsgefährdung nicht mehr zu besorgen.
Der Argumentation des Klägers, dass die Sicherheitschlorung selbst zu einer Gefährdung der menschlichen Gesundheit führt, kann nicht gefolgt werden. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TrinkwV dürfen während der Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung von Trinkwasser nur Aufbereitungsstoffe verwendet werden, die in einer Liste des Bundesministeriums für Gesundheit enthalten sind. Nach § 11 Abs. 1 Satz 5 TrinkwV dürfen zur Desinfektion von Trinkwasser nur Verfahren zur Anwendung kommen, die einschließlich der Einsatzbedingungen, die ihre hinreichende Wirksamkeit sicherstellen, in die Liste aufgenommen werden. In dieser vom Umweltbundesamt bekannt gemachten Liste, die im maßgeblichen Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage in der Fassung ihrer 20. Änderung (Stand: Dezember 2018) gültig war, ist in Teil II (Desinfektionsverfahren) auch die vom Landratsamt angeordnete Desinfektion mittels Chlor genannt. Die in Teil I c (Aufbereitungsstoffe, die zur Desinfektion des Wassers eingesetzt werden) genannten Höchstwerte dürfen dabei nach Ziffer I. 2. des Bescheids vom 6. Juni 2018 nicht überschritten werden. Nachdem es sich hier um ein vom Umweltbundesamt anerkanntes Desinfektionsverfahren handelt, dessen Aufnahme in die genannte Liste ein umfangreiches Zulassungsverfahren vorangeht, in welchem insbesondere auch die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit überprüft werden (vgl. Geschäftsordnung der Geschäftsstelle zur Führung der „Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 Trinkwasserverordnung 2001“ beim Umweltbundesamt), kann von einer Gesundheitsgefahr nicht ausgegangen werden.
(2) Die Anordnung der Chlorung für das gesamte Versorgungsgebiet ist auch erforderlich, da mildere – ebenso geeignete – Mittel nicht erkennbar sind. Der fachlichen Einschätzung der zuständigen Behörden kommt in diesem Zusammenhang maßgebliche Bedeutung zu (BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 39).
Das Gericht teilt hier die vom Gesundheitsamt vertretene Auffassung, dass vorliegend insbesondere eine über einen längeren Zeitraum geltende Abkochanordnung für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nicht als mildere Alternative in Betracht kommt. Das Landratsamt führt hierzu im streitgegenständlichen Bescheid aus, bei einer Abkochanordnung handle es sich lediglich um eine vorübergehende Maßnahme zum Schutz der Trinkwasserabnehmer, welche vor allem für die Fälle sinnvoll erscheine, in denen die ursächlichen Mängel zeitnah abgestellt werden könnten. Es handle sich jedoch stets um eine zeitlich begrenzte Notfallmaßnahme. Vorliegend ist aber – auch im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung – noch nicht absehbar, wann eine Gesundheitsgefährdung der Trinkwasserabnehmer nicht mehr zu befürchten ist und somit gänzlich von Maßnahmen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 TrinkwV abgesehen werden kann. Das Abkochen ihres Trinkwassers über einen längeren, nicht absehbaren Zeitraum hinweg kann den Betroffenen hier nicht zugemutet werden. Außerdem wäre eine solche Anordnung nicht im gleichen Maße zur Gefahrenabwehr geeignet wie die Sicherheitschlorung. Die Vertreter des Beklagten führten hierzu in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar aus, dass die Erfahrung gezeigt habe, dass sich die betroffenen Bürgerinnen und Bürger nach Ablauf einer bestimmten Zeit zumindest zum Teil nicht mehr an die Abkochanordnung halten würden. Dies wäre jedoch, wie oben festgestellt, mit einer nicht unerheblichen Gefährdung ihrer Gesundheit verbunden.
Ebenso wenig kommt hier die Aufhebung der Chlorungsanordnung in Verbindung mit einer engmaschigen Kontrolle in Betracht. Dadurch könnte ebenfalls nicht vollständig ausgeschlossen werden, dass aufgrund der nach wie vor bestehenden Mängel der Anlage erneut Keime in das Trinkwasser gelangen. Im Falle einer im Rahmen dieser Kontrolle festgestellten erneuten Grenzwertüberschreitung käme eine dann zu erlassende Sofortmaßnahme womöglich zu spät. Auch im Übrigen sind mildere Mittel weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Zwar hätte das Gesundheitsamt den Kläger grundsätzlich auch dazu verpflichten können, seine Wasserversorgungsanlage innerhalb einer bestimmten Frist auf den allgemein anerkannten Stand der Technik zu bringen und die entsprechenden Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen. Hierfür wäre jedoch die Setzung einer angemessenen Frist erforderlich gewesen. In der Zwischenzeit könnten jedoch unter Umständen schwerwiegende Schäden an dem hochwertigen Rechtsgut der Gesundheit von Menschen erfolgen. Eine gleiche Wirksamkeit wie die sofortige Sicherheitschlorung wäre somit offensichtlich nicht gewährleistet.
Der Hinweis des Bevollmächtigten des Klägers auf die vorgelegte Empfehlung des Umweltbundesamts (Bundesgesundheitsblatt 2009 – 52, S. 474 -482, Bl. 61ff. der Gerichtsakte), wonach beim Auffinden coliformer Bakterien ein abgestufter Maßnahmenkatalog abzuarbeiten sei, greift hier ebenfalls nicht. Zum einen handelt es sich hierbei um eine bloße Hilfestellung für die Gesundheitsbehörden. Die stets zu treffende Einzelfallentscheidung kann dadurch nicht ersetzt werden. Zum anderen differenziert die Empfehlung selbst zwischen dem Fall, dass es – abgesehen vom erstmaligen Nachweis coliformer Bakterien – zu keinem weiteren positiven Befund kommt, und der Situation, dass auch an weiteren Entnahmestellen coliforme Bakterien nachgewiesen werden. Letzteres war hier der Fall. In einer solchen Situation sind nach der vorgelegten Empfehlung Desinfektionsmaßnahmen möglich (vgl. Abb. 2: Abgestuftes Vorgehen beim Nachweis von coliformen Bakterien im Trinkwasser, Bl. 62 der Gerichtsakte).
Schließlich führt auch der Umstand, dass im Anschluss an die Überprüfung der Wasserversorgungsanlage im Februar 2018 zunächst im gegenseitigen Einvernehmen der Beteiligten ein Maßnahmenkatalog vereinbart und auf Sofortmaßnahmen verzichtet wurde, nicht zu einer Verneinung der Erforderlichkeit. Die Situation ist bereits nicht mit der damaligen Lage vergleichbar, da es erst im Nachhinein zu den genannten Grenzwertüberschreitungen gekommen war.
(3) Schließlich ist die Anordnung der Sicherheitschlorung auch angemessen, also verhältnismäßig im engeren Sinne.
Der Kläger beruft sich darauf, dass die Chlorung mit einem enormen Aufwand sowie hohen Kosten verbunden ist. Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, kann jedoch dahingestellt bleiben, da es sich bei der Sicherheit des Trinkwassers um ein sehr hohes Schutzgut handelt, welchem hier der Vorrang vor den im Wesentlichen finanziellen Interessen des Klägers einzuräumen ist. Daneben besteht für den Kläger die Möglichkeit, die entstehenden Kosten über mehrere Jahre verteilt abzuschreiben und in die Wassergebühren einzukalkulieren, sodass die Belastung letztendlich auf viele Schultern verteilt wird (BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 50).
Schließlich lässt sich der Verzicht auf die Sicherheitschlorung auch nicht mit § 9 Abs. 5 Satz 2 TrinkwV begründen. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2016, § 9 Rn. 15f.). Die Vorschrift eröffnet zwar grundsätzlich die Möglichkeit, im Ermessenswege im Einzelfall von einer Anordnung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Qualität des Trinkwassers abzusehen, wenn eine Schädigung der menschlichen Gesundheit nicht zu besorgen ist. Vorliegend fehlt es aber bereits an den Tatbestandsvoraussetzungen, da aufgrund des oben beschriebenen Zustandes der Anlage ohne die angeordneten Maßnahmen eine Schädigung der menschlichen Gesundheit zu besorgen ist.
Im Ergebnis ist es dem Kläger somit zumutbar, im Interesse des Gesundheitsschutzes erhebliche finanzielle Mittel aufzuwenden.
4. Der Bescheid ist jedoch insoweit aufzuheben, als dem Kläger in Ziffer I. 2. – modifiziert durch die E-Mail vom 7. Dezember 2018 – die regelmäßige Messung sowie Dokumentierung des Chlorgehalts aufgegeben wurde, da diese Anordnung auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt wurde und ein Austausch der Rechtsgrundlage hier – anders als bei der Sicherheitschlorung – nicht in Betracht kommt.
Das Landratsamt… hat die Anordnung in Ziffer I. 2. ebenso wie die Anordnung der Chlorung auf § 39 Abs. 2 Nr. 1 IfSG gestützt. Wie bereits oben ausgeführt, ist ein Rückgriff auf diese Vorschrift jedoch aufgrund der Spezialität der Befugnisnormen der Trinkwasserverordnung grundsätzlich nicht möglich.
Vorliegend findet sich eine spezielle Rechtsgrundlage für die regelmäßige Messpflicht in § 20 Abs. 1 Nr. 3 TrinkwV. Danach kann das Gesundheitsamt, wenn es unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zum Schutz der menschlichen Gesundheit oder zur Sicherstellung einer einwandfreien Beschaffenheit des Trinkwassers erforderlich ist, anordnen, dass der Unternehmer oder der sonstige Inhaber einer Wasserversorgungsanlage die Untersuchungen nach § 14 TrinkwV – und somit auch die Untersuchung zur Feststellung, ob die Anforderungen des § 11 TrinkwV eingehalten werden (§ 14 Abs. 1 Nr. 5 TrinkwV) – in kürzeren als den in dieser Vorschrift genannten Abständen durchzuführen oder durchführen zu lassen hat.
Ein Austausch der Rechtsgrundlage ist hier nicht möglich. Bei der Vorschrift des § 20 Abs. 1 Nr. 3 TrinkwV handelt es sich um eine Ermessensvorschrift. Nachdem dem streitgegenständlichen Bescheid hinsichtlich der in Ziffer I. 2. getroffenen Anordnung aber keine Ermessenserwägungen zu entnehmen sind, kann diese nicht rechtmäßig auf § 20 Abs. 1 Nr. 3 TrinkwV gestützt werden (BayVGH, U.v. 17.5.2018 – 20 B 16.1351 – juris Rn. 31).
Da die Anordnung für den Kläger mit Kosten verbunden ist und ihn somit belastet, liegt auch die erforderliche Rechtsverletzung vor, sodass der Bescheid insoweit aufzuheben war.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Kosten waren hier im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens aufzuteilen.
6. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 ff. ZPO.


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