Europarecht

Anspruch eines in Deutschland geborenen Kindes einer sierra-leonischen Asylbewerberin auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch das Bundesamt

Aktenzeichen  RN 14 K 19.50870

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32293
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 17, Art. 20 Abs. 3
GG Art. 6
EMRK Art. 8
AufenthG § 60a Abs. 2

 

Leitsatz

1. Nach Art. 20 Abs. 3 S. 2 Dublin III-VO ist die Situation eines nach der Ankunft eines Familienangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats geborenen Kindes untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Eines neuen Zuständigkeitsverfahrens bedarf es in diesem Fall nicht. (Rn. 26) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Nach aktuellem Erkenntnisstand bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass das Asylverfahren in Spanien und die dortigen Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller systemische Mängel aufweisen, auf Grund derer Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 GRCh oder Art. 3 EMRK zu erwarten hätten. (Rn. 29 – 36) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Art. 17 Dublin III-VO kann im Einzelfall individualschützend sein und einem Asylbewerber ausnahmsweise einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch das Bundesamt vermitteln (vgl. VGH München BeckRS 2016, 43629). (Rn. 38 – 41) (red. LS Clemens Kurzidem)
4. Ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Familieneinheit aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK ein rechtliches Abschiebungshindernis und kann ein in Deutschland geborener, minderjähriger Asylbewerber daher aus inlandsbezogenen Gründen nicht nach Spanien rücküberstellt werden, gebietet Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO der Bundesrepublik Deutschland in diesem Fall, von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und den Asylbewerber in das nationale Verfahren zu überführen. (Rn. 54 – 69) (red. LS Clemens Kurzidem)
5. Eine bloß formale Vaterschaftsanerkennung des nichtehelichen Vaters kann allein keinen Abschiebungsschutz begründen (vgl. VG München BeckRS 2016, 46543). (Rn. 60) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15.8.2019, Az. …-272, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht über die Klage ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, § 101 Abs. 2 VwGO.
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 15.08.2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist nach § 77 Abs. 1 Satz 1 2. HS. AsylG der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung. Zu diesem Zeitpunkt ist der angegriffene Bescheid des Bundesamtes vollumfänglich rechtswidrig und war daher aufzuheben.
1. Es ist bereits zu beanstanden, dass die Beklagte den Asylantrag des Klägers in Ziffer 1 des Bescheids vom 15.08.2019 als unzulässig abgelehnt hat.
Gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG i.V.m. der hier einschlägigen Dublin III-VO ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat, hier Spanien, für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Bei Spanien handelt es sich zwar um einen sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a Abs. 1 AsylG, Art. 16a Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) sowie um einen Mitgliedstaat der Dublin III-VO, die Beklagte ist aber im Hinblick auf Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO zur Entscheidung über den Asylantrag zuständig geworden.
a. Die Beklagte ist hier zwar zunächst zurecht davon ausgegangen, dass Spanien für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig ist. Die Zuständigkeit Spaniens ergibt sich vorliegend im Hinblick auf das Asylverfahren der Mutter des Klägers aus § 29 Abs. 1 Nr. 1 a AsylG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Dublin III-VO.
Nach Art. 20 Abs. 3 Satz 2 Dublin-III-VO ist die Situation eines nach der Ankunft eines Familienangehörigen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates geborenen Kindes untrennbar mit der Situation seines Familienangehörigen verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz dieses Familienangehörigen zuständig ist, sofern dies dem Wohl des Minderjährigen dient. Eines neuen Zuständigkeitsverfahrens bedarf es in diesem Fall nicht. Aus Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO ist der Rechtsgedanke zu entnehmen, dass die Situation eines minderjährigen Antragstellers untrennbar mit der Situation seiner Mutter verbunden sein soll.
Dies hat im vorliegenden Fall zunächst zur Folge, dass Spanien, das für das Asylverfahren der Mutter zuständig ist, auch für das Asylverfahren des Klägers zuständig ist. Die Mutter des Klägers ist bestandskräftig ausreisepflichtig. In ihrem Dublin-Verfahren wurde ihr Asylantrag rechtmäßig abgelehnt und ihre Abschiebung nach Spanien angeordnet (vergleiche VG Regensburg, Beschluss vom 05.03.2019, RN 1 S 19. 50229). Im Verfahren der Mutter des Klägers haben die spanischen Behörden ausdrücklich ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrages erklärt. Die wegen des zwischenzeitlichen Untertauchens der Mutter geltende 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO, die bis 28.03.2020 läuft, ist noch nicht abgelaufen.
Der Kläger teilt als nachgeborenes Kind grundsätzlich die asylrechtliche Situation seiner sorgeberechtigten Mutter. Dies entspricht im vorliegenden Fall auch dem Wohl des Kindes. Der gemeinsamen Überstellung der Mutter des Klägers und dem Kläger als nachgeborenem Kind steht kein auf den für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaat Spanien bezogenes Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen.
b. Die Zuständigkeit ist auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 UAbs. 3 Dublin III-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung an Spanien als den zuständigen Mitgliedstaat nicht an Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO scheitern würde. Einer Überstellung nach Spanien steht keiner der in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO genannten Gründe entgegen. Nach Auffassung der erkennenden Einzelrichterin ist gegenwärtig nicht erkennbar, dass das Asylverfahren in Spanien und die dortigen Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller die in Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO beschriebenen „systemischen Schwachstellen“ aufweisen, auf Grund derer der Kläger mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta (GrCH) oder des Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) zu erwarten hat.
Einer der Hauptzwecke der Dublin III-Verordnung besteht in der Schaffung einer klaren und praktikablen Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft und eine zügige Bearbeitung der Asylanträge zu gewährleisten. Das Gemeinsame Europäische Asylsystem gründet sich auf das Prinzip gegenseitigen Vertrauens, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte sowie die Rechte beachten, die ihre Grundlage insbesondere in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) sowie der EMRK finden (EuGH, Urteil vom 21.12.2011 – Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10, Rn. 78 f.; Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 264). Daraus hat der Europäische Gerichtshof die Vermutung abgeleitet, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRCh sowie mit der GFK und der EMRK steht (EuGH a.a.O. Rn. 80). Dabei hat der Gerichtshof nicht verkannt, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stoßen kann, sodass die ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung an den nach Unionsrecht zuständigen Mitgliedstaat auf unmenschliche oder erniedrigende Weise behandelt werden. Deshalb geht er davon aus, dass die Vermutung, die fraglichen Rechte der Asylbewerber würden in jedem Mitgliedstaat beachtet, widerlegt werden kann (EuGH a.a.O. Rn. 104). Dies ist wegen der gewichtigen Zwecke des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems aber an hohe Hürden geknüpft (Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 264). Insbesondere lässt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat die Beachtung der Bestimmungen der Dublin-Regelungen hinfällig werden. Das ist vielmehr erst dann der Fall, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat grundlegende, systembedingte Mängel aufweisen, die gleichsam zwangsläufig eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der in diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber befürchten lassen (vgl. zum Ganzen auch VG Regensburg, Beschluss vom 06.02.2014 – RN 8 S 14.30095). Entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt das Vorliegen systemischer Mängel in einem Mitgliedstaat voraus, dass dort die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber auch im konkret zu entscheidenden Einzelfall dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht; gemeint sind dabei Defizite, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.03.2014 – 10 B 6/14 -, juris). Maßstab hinsichtlich Unterbringung und Versorgung dürfen deshalb nicht die in Deutschland üblichen sozialen Standards sein, sondern allein die sich aus Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH ergebenden Mindeststandards (Heusch/Haderlein/Schönenbroicher, Das neue Asylrecht, 2016, Rn. 265). Ausgangspunkt ist dabei, dass Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH die Vertragsstaaten nicht verpflichtet, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen und sie auch nicht verpflichtet, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (vgl. EGMR, Beschluss vom 02.04.2013 – Az. 27725/10). Dies verlangt auch nicht die Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU), die lediglich bestimmt, dass Asylsuchende und international Schutzberechtigte in Hinblick auf den Zugang zu Sozialhilfeleistungen (Art. 29), medizinischer Versorgung (Art. 30) und Wohnung (Art. 32) nicht anders als die Staatsangehörigen des Mitgliedsstaates behandelt werden. Missstände im sozialen Bereich können die Eingriffsschwelle deshalb nur unter strengen Voraussetzungen überschreiten. Zu bejahen ist ein Eingriff dann, wenn sich ein Asylbewerber, der von staatlicher Unterstützung vollständig abhängig ist und sich in einer gravierenden Mangel- oder Notsituation befindet, staatlicher Gleichgültigkeit ausgesetzt sieht (vgl. EGMR, Urteil vom 21.12.2011 – Nr. 30696/09 – M.S.S./Belgium and Greece). In Konkretisierung dieser Grundsätze hat der Europäische Gerichtshof in den Urteilen vom 19.03.2019 (Az. C-163/17 sowie C-297/17 u.a.) ausgeführt, dass für die Bejahung eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GrCH eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreicht werden muss, die von sämtlichen Umständen des Falles abhänge. Diese Schwelle sei selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern sie nicht mit extremer materieller Not verbunden seien, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befinde, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden könne. Die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats müsse zur Folge haben, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befinde, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.
Derartige Defizite sind in Spanien nicht gegeben. Das Gericht geht nach den vorliegenden Erkenntnissen davon aus, dass in Spanien keine generellen systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen mit der Folge gegeben sind, dass Asylbewerber mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt werden. Dies gilt auch im Hinblick auf die hier relevante Gruppe der Dublin-Rückkehrer (vgl. zuletzt etwa VG Berlin, B.v. 14.3.2019 – 31 L 828.18 A – juris; VG Chemnitz, U.v. 7.3.2019 – 4 L 155/19.A – juris; VG Lüneburg, B.v. 21.2.2019 – 8 B 16/19 – juris; VG Magdeburg, B.v. 18.1.2019 – 6 B 60/19 – juris; VG Würzburg, B.v. 18.1.2019 – W 8 S 19.50035 – juris; B.v. 11.1.2019 – W 2 S 19.50022 – juris; VG München, B.v. 17.10.2018 – M 22 S 18.52859 – juris; VG Aachen, B.v. 13.8.2018 – 4 L 1065/18.A – juris; jeweils m.w.N.), zumal die Klägerseite nichts Gegenteiliges substantiiert vorgebracht hat.
Das spanische Recht sieht die Gewährleistung von Asyl und Flüchtlingsschutz vor und stellt entsprechende Verfahren zur Schutzgewährung und gerichtliche Beschwerdemöglichkeiten zur Verfügung (US Department of State, Spain 2018 human rights report, S. 9; .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 6.7.2018, S. 4; VG Würzburg, B.v. 23.5.2018 Az. W 8 S 18.50234 – juris). Es verfügt über ein rechtsstaatliches Asylsystem (.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, a.a.O. S. 4).
Systemische Mängel sind auch nicht für die hier relevante Personengruppe zu erkennen, die nach den Regelungen der Dublin-Verordnung nach Spanien zurückgeführt werden (VG Berlin, B.v. 14.3.2019 – 31 L 828.18 A – juris; VG Chemnitz, U.v. 7.3.2019 – 4 L 155/19.A – juris; VG Lüneburg, B.v. 21.2.2019 – 8 B 16/19 – juris; VG Magdeburg, B.v. 18.1.2019 – 6 B 60/19 – juris; VG Würzburg, B.v. 18.1.2019 – W 8 S 19.50035 – juris; B.v. 11.1.2019 – W 2 S 19.50022 – juris; VG München, B.v. 17.10.2018 – M 22 S 18.52859 – juris; VG Aachen, B.v. 13.8.2018 – 4 L 1065/18.A – juris jeweils m.w.N.). Bei ihrer Ankunft koordinieren die zuständigen spanischen Behörden ihre weitere Aufnahme. Die Asylbewerber haben keine Schwierigkeiten beim neuerlichen Zugang zum Asylsystem. Sofern sie einen neuen Asylantrag stellen, wird dieser nicht als Folgeantrag angesehen (vgl. .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 6.7.2018, S. 6; aida, Country Report: Spain, 2018 Update, S. 34).
Es bestehen zum aktuellen Zeitpunkt auch keine Defizite in den Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller in Spanien. Asylsuchenden, die finanziell bedürftig sind, haben während des Verfahrens das Recht auf Unterbringung und Versorgung zur Befriedigung ihrer grundlegenden Bedürfnisse (.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 6.7.2018, S. 10). Die Unterstützung ist für die Dauer von 18 Monaten angelegt und hat einen stark integrativen Charakter. Das spanische Recht garantiert zudem allen Asylsuchenden uneingeschränkten Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem einschließlich kostenfreier spezieller Behandlungen für psychisch Kranke oder Traumatisierte auf dem gleichen Niveau wie den eigenen Staatsangehörigen (vgl. aida, Country Report: Spain, 2018 Update, S. 64; .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 6.7.2018, S. 12). Es ist nicht ersichtlich, dass die konkreten Umstände dieser finanziellen und sächlichen Unterstützung, die in verschiedene Phasen eingeteilt ist, für alle Asylantragsteller die tatsächliche Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung mit sich bringen. Der Zugang zu Versorgung ist für Dublin-Rückkehrer – wie für andere Asylbewerber – garantiert (.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Spanien, Gesamtaktualisierung am 6.7.2018, S. 6).
Nach dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens ist daher davon auszugehen, dass in Spanien die Anwendung der Grundrechte-Charta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (vgl. ebenso VG Würzburg, B.v. 6.6.2019 – W 8 S 19.50526; B.v. 5.4.2019 – W 8 S 19.50286; B.v. 23.5.2018 Az. W 8 S 18.50234; VG München, B.v. 22.2.2018 Az. M 2 S 18.50431; VG Augsburg, U.v. 2.8.2017 Az. Au 7 K 15.50006; – jeweils juris m.w.N.).
Hinzu kommt, dass es sich bei Spanien um einen sicheren Drittstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 2 Grundgesetz (GG) i.V.m. § 26a Abs. 2 AsylG handelt und auch der UNHCR keine generelle Empfehlung ausgesprochen hat, im Rahmen des Dublin-Verfahrens Asylbewerber nicht nach Spanien zu überstellen. Dem Fehlen einer derartigen generellen Empfehlung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Denn die vom Amt des UNHCR herausgegebenen Dokumente sind im Rahmen der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in einem Mitgliedstaat angesichts der Rolle, die dem UNHCR durch die – bei der Auslegung des unionsrechtlichen Asylverfahrensrechts zu beachtende – Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist, besonders relevant (vgl. EuGH, U.v. 30.5.2013 Az. C-528/11 – juris).
c. Die Entscheidung der Beklagten, von ihrem Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch zu machen, ist allerdings rechtswidrig. Der Kläger hat ausnahmsweise einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO.
Nach der Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO kann jeder Mitgliedstaat einen Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in der Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Bei Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO handelt es sich um eine restriktiv zu handhabende Ausnahmebestimmung, die eine Zuständigkeitsübernahme in Fällen ermöglicht, in denen außergewöhnliche humanitäre, familiäre oder krankheitsbedingte Gründe vorliegen, die nach Maßgabe der Werteordnung der nationalen oder europäischen Grundrechte einen Selbsteintritt erfordern.
Zwar begründen die Bestimmungen der Dublin-III-VO – auch hinsichtlich der Selbsteintrittskompetenz – grundsätzlich keine subjektiven Rechte des Asylbewerbers. Im Regelfall dienen die Regelungen der Dublin-III-VO alleine der internen Verteilung der Lasten und Verantwortung unter den EU-Mitgliedstaaten (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 07.10.2013 – 33 L 403.13 A -, juris; VG München, Beschluss vom 17.8.2011 – M 16 E 11.30637 -, juris). Wenn sie aber nicht nur die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln, sondern (auch) dem Grundrechtsschutz eines Schutzsuchenden dienen, dann hat der Asylsuchende ausnahmsweise ein subjektives Recht auf Prüfung seines Asylantrags durch den danach zuständigen Staat und kann eine hiermit nicht in Einklang stehende Entscheidung des Bundesamts erfolgreich angreifen (BVerwG, Urteil vom 16.11.2015 – 1 C 4/15 -, juris, Rn. 24, BayVGH, U. v. 3.12.2015 – 13a ZB 15.50124 – juris, Rn. 23).
Für die Vorschrift des Art. 17 Dublin-III-VO wurde diese Frage zwar in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, soweit ersichtlich, noch nicht endgültig geklärt. Aus einigen einschlägigen Entscheidungen (EuGH, U.v. 14.11.2013 – C-4/11, Puid – NVwZ 2014, 129; U.v. 16.2.2017 – C-578/16, C. K. u. a. – NVwZ 2017, 691) kann man allerdings herauslesen, dass Art. 17 Dublin-III-VO im Einzelfall individualschützend sein kann (Anm. von Thym zu EuGH, U.v. 14.11.2013, a. a. O., NVwZ 2014, 130). Das Bundesverwaltungsgericht lässt diese Frage in einer aktuellen Entscheidung ausdrücklich offen (BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 38).
Für Art. 17 Dublin-III-VO kann aber nichts anderes gelten als für andere von der Interessenlage her vergleichbare Regelungen der Dublin-III-VO. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3.12.2015 geht ausdrücklich davon aus, dass ein Asylbewerber ausnahmsweise einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Dublin-III-VO haben kann (BayVGH, U. v. 3.12.2015 – 13a ZB 15.50124 – juris). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die in der Grundrechtscharta verankerten Grundrechte bei der Auslegung und Anwendung der Dublin-Vorschriften zu berücksichtigen. (EuGH, Uv. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 78).
Aufgrund seiner besonderen Situation hat der Kläger im vorliegenden Fall einen Anspruch darauf, dass sein Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O. Rn. 65) kann ein Kläger zwar allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Dezember 2015, § 27a Rn. 52), dieser Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung wurde aber vorliegend verletzt.
Die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Verwaltung beschränkt sich grundsätzlich darauf, ob die in § 114 VwGO genannten Voraussetzungen eingehalten wurden und umfasst nicht die Überlegung, ob andere Lösungen zweckmäßiger gewesen wären oder ob eine Entscheidung der Verwaltung, die § 114 VwGO nicht genügt, aus anderen Gründen im Ergebnis aufrechterhalten werden könnte (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, § 114 Rn. 4). Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen.
Die von der Behörde zu treffende Entscheidung umfasst sowohl die Frage, ob sie handeln will (Erschließungsermessen), als auch die Frage, wie sie handeln will (Auswahlermessen). Die Behörde muss das ihr zukommende Ermessen überhaupt tatsächlich betätigen und entsprechende Überlegungen nicht schon von vornherein unterlassen, so dass eine Entscheidung auch dann ermessensfehlerhaft im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO ist, wenn die Behörde eine in Wahrheit nicht bestehende Beschränkung ihres Ermessenspielraums annimmt, sich gebunden erachtet oder sich gar nicht bewusst ist, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen hat oder keine (eigenen) Ermessenserwägungen anstellt (Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 16. Auflage 2015, § 40 Rn. 86). Dabei hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (Art. 40 BayVwVfG).
Ein Ermessensfehler liegt zunächst dann vor, wenn die Behörde überhaupt kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensausfall), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung also auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und schließlich, wenn von dem durch die Befugnisnorm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.).
Wird festgestellt, dass die Ermessensentscheidung den Anforderungen des § 114 VwGO nicht genügt, ist der fehlerhafte Bescheid aufzuheben bzw. die Behörde gemäß § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zu einer Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur neuerlichen Bescheidung kommt nur in Betracht, wenn angesichts der besonderen Umstände des zu entscheidenden konkreten Falles überhaupt nur eine einzige Ermessensentscheidung ermessensfehlerfrei sein kann und der Ermessensspielraum insofern „auf null“ reduziert ist (Kopp/Schenke, VwGO, 22. Auflage 2016, Kommentar,§ 114Rn. 5, 6).
Ob die Ermessensausübung im Einzelfall pflichtgemäß oder fehlerhaft erfolgte, lässt sich nur anhand der nach Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG erforderlichen Begründung des Bescheids ermitteln (Kopp/Schenke, VwGO, § 114 Rn. 14 ff.). Eine bezüglich der Ermessensausübung fehlende oder unzureichende Begründung indiziert einen Ermessensnicht- oder -fehlgebrauch, sofern sich nicht aus den Umständen anderes ergibt (Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 23).
Fraglich ist vorliegend bereits, ob die Beklagte bei der Prüfung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Dublin-III-VO überhaupt ein Ermessen ausgeübt hat und der Bescheid diesbezüglich nicht schon wegen eines sog. Ermessensausfalles aufzuheben war. Die einzig für diese Frage relevante Begründung in dem streitgegenständlichen Bescheid vom 15.8.2018 lässt hieran massive Zweifel aufkommen. Im Rahmen der Prüfung der Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Klägers befinden sich keinerlei Ausführungen zur Frage des Selbsteintrittes der Beklagten gemäß Art. 17 Dublin-III-VO. Lediglich im Rahmen der Prüfung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 7 AufenthG wird kurz darauf eingegangen, ob außergewöhnliche humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts bestehen. Aus der Bescheidsbegründung ist schon nicht zu entnehmen, dass es sich bei dieser Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt.
Nicht berücksichtigt werden in diesem Zusammenhang die sich lediglich in den Akten befindlichen Ausführungen in dem SER-Votum. Dieses wurde weder dem Kläger noch der ZAB Niederbayern in seinem Inhalt bekanntgegeben noch wurden diese Ermessenserwägungen im Rahmen des laufenden Verfahrens jemals offiziell ins Verfahren eingeführt. Maßgeblich ist ausschließlich die in dem Bescheid vom 15.8.2018 enthaltene Begründung der Ermessenserwägungen.
Es kann allerdings dahingestellt bleiben, ob schon ein Ermessensausfall anzunehmen ist, weil die Beklagte jedenfalls nicht alle für die Ermessensausübung relevanten Fakten entsprechend ihrem Gewicht in die Ermessenserwägungen eingestellt hat. Es liegt daher jedenfalls ein Ermessensdefizit vor.
Die Beklagte hat in dem streitgegenständlichen Bescheid nur darauf abgestellt, dass der Vater des Klägers über kein gesichertes Bleiberecht in Deutschland verfüge und eine Wiederherstellung der Familieneinheit in Sierra Leone oder in Spanien über ein entsprechendes Visumsverfahren möglich wäre.
Die Beklagte hat diese Ermessenserwägungen auch nicht im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens nach Vorlage der Klagebegründung oder nach Erlass des Beschlusses im Eilverfahren ergänzt. Der Bescheid leidet daher jedenfalls an einem Ermessensdefizit.
Es ist nicht ersichtlich, dass Beklagte bei der Entscheidung berücksichtigt hat, dass der Vater des Klägers über eine Ausbildungsduldung in der Bundesrepublik Deutschland bis zum 31.08.2021 verfügt und dass der Kläger seit dem 29.05.2019 gemeinsam mit beiden Elternteilen unter einem Dach lebt und eine familiäre Lebensgemeinschaft bildet. Auch wurde nicht entsprechend dem Gewicht dieses Belangs berücksichtigt, dass über den Asylantrag des Vaters des Klägers noch nicht bestandskräftig entschieden wurde und damit auch in absehbarer Zeit noch nicht zu rechnen ist und diesem die Abschiebung nach Sierra Leone angedroht wurde.
Bei diesen Belangen handelt es sich allerdings um Belange, deren Schutz- und Berücksichtigungswürdigkeit sich schon aus Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK und Art. 7 GrCH sowie aus dem 17. Erwägungsgrund zur Dublin III-VO ergibt. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts, einschließlich der Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung, jedoch unter Beachtung der durch die Charta gewährleisteten Grundrechte auszulegen und anzuwenden (EuGH, U. v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris, Rn. 78; EUGH, U. v. 16.2.2017 – C-578/16 PPUjuris, Rn. 59; vgl. entsprechend, zur Dublin-II-Verordnung, Urteil vom 21. Dezember 2011, N. S. u. a., C 411/10 und C 493/10, ECLI:EU:C:2011:865, Rn. 77 und 99).
Der Umstand, dass der Kläger aus inlandsbezogenen Gründen (§ 60 a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) in absehbarer Zeit nicht nach Spanien rücküberstellt werden kann, verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland in diesem Fall, von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO Gebrauch zu machen und den Kläger in das nationale Verfahren zu überführen.
Ein Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens durch die Bundesrepublik Deutschland ist deshalb zu bejahen, weil dem Zuständigkeitssystem zugrunde liegt, dass ein Antragsteller im Asylverfahren ein durchsetzbares Recht haben muss, dass ein Asylantrag jedenfalls von einem Mitglied- oder Vertragsstaat zeitnah geprüft wird. Dies ergibt sich unmissverständlich aus Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO bzw. Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-VO (vgl. auch den 4. Erwägungsgrund der Dublin-II-VO sowie den 5. Erwägungsgrund der Dublin-III-VO). Eine andere Sichtweise würde dem Grundanliegen des gemeinsamen europäischen Asylsystems widersprechen. Dieses darf um seiner Effektivität willen nicht so ausgelegt und angewandt werden, dass die betroffenen Antragsteller in keinem Staat eine Prüfung ihres Schutzgesuchs erhalten können und – wenn auch nicht dem potentiellen Verfolger ausgeliefert – doch ohne den im Unionsrecht vorgesehenen förmlichen Schutzstatus bleiben (vgl. VGH Baden-Württemberg, U. v. 29.4.2015 – A 11 S 121/15, juris Rn. 32; OVG NRW, U. v. 16.9.2015 – 13 A 2159/14.A, juris Rn. 107 ff.).
Der Aspekt der Wahrung der Familieneinheit verbietet es im vorliegenden Fall, dem Kläger aufzugeben sein Asylverfahren in Spanien durchzuführen. Der Kläger hat ausnahmsweise einen Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts aus Art. 17 Dublin-III-VO und Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland. Zwar vermitteln Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK und Art. 7 GrCH keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, die Behörden, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden Ausländers an Personen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, pflichtgemäß, d. h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG darauf, dass die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über das Aufenthaltsbegehren seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen angemessen berücksichtigen (BVerfG, Beschluss vom 08.12.2005 – 2 BvR 1001/04 -, juris, Rn. 17 m.w.N.). Wie gewichtig der aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK folgende Schutz der Familie jeweils ist, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Intensität der familiären Beziehungen – ob es sich etwa um eine familiäre Lebensgemeinschaft oder eine bloße Begegnungsgemeinschaft handelt, dem Alter der Kinder oder auch der Betreuungsbedürftigkeit einzelner Familienmitglieder (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.09.2018 – 11 S 240/17 -, juris, Rn. 74 ff.; VG Sigmaringen, Urteil vom 16.11.2017 – A 7 K 2246/17 -, juris, Rn. 35). Bei einer Vater – Kind – Beziehung ist zusätzlich in Rechnung zu stellen, dass der spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht durch Betreuungsleistungen der Mutter oder dritter Personen entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für das Kind haben kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.12.2008 – 2 BvR 1830/08 -, juris, Rn. 31 ff.). Die Vorschriften über die elterliche Sorge, die ihrerseits verfassungsrechtlich geprägt sind, stellen das Kindeswohl in den Mittelpunkt und erkennen die Beziehung jedes Elternteils zu seinem Kind als grundsätzlich Schutz – und förderungswürdig an. Dementsprechend ist bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen auch grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dient und das Kind beide Eltern braucht ( BVerfG, B. v. 22.5.2018 – 2 BvR 941/18 – juris).
Vor diesem Hintergrund ist die Abschiebung des Klägers nach Spanien aber derzeit rechtlich unmöglich, denn eine Abschiebung des Klägers würde nach den dargestellten Maßstäben in unzulässiger Weise in die nach Art. 6 GG, Art. 7 GrCH und Art. 8 EMRK geschützte familiäre Beziehung des Klägers mit seinem Vater eingreifen. Damit steht der Überstellung gegenwärtig jedenfalls ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis entgegen.
Auch nach Art. 8 EMRK ist bei aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die familiäre Situation des Ausländers zu berücksichtigen (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 – Boultif, Nr. 54273/00 – InfAuslR 2001, 476/478). Das von diesen Bestimmungen u.a. geschützte Recht auf Achtung des Privatlebens umfasst, auch soweit es keinen familiären Bezug hat, die Summe der persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind und denen – angesichts der zentralen Bedeutung dieser Bindungen für die Entfaltung der Persönlichkeit eines Menschen – bei fortschreitender Dauer des Aufenthalts wachsende Bedeutung zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2009 – 1 C 40.07 – juris Rn. 21; BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 33).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z.B. B. v. 10.5.2008 – 2 BvR 588/08 – juris) entfaltet Art. 6 GG nicht schon aufgrund formalrechtlicher familiärer Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen, sondern entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. auch BVerfG, B.v. 9.1.2009 – 2 BvR 1064/08 – juris; BayVGH, B. v. 24.11.2008 – 10 CE 08.3014 – juris; BayVGH, B. v. 17.5.2013 – 10 CE 13.1065 – juris, VG München B. v. 23.10.2013 – M 10 E 13.3727 – juris). Erforderlich ist eine durch Tatsachen belegte Nähebeziehung, die verdeutlicht, dass eine gemeinsame Übernahme der elterlichen Verantwortung hinreichend sicher zu erwarten ist. (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 60a AufenthG Rn. 24). Eine bloß formale Vaterschaftsanerkennung des nichtehelichen Vaters kann allein keinen Abschiebungsschutz begründen (vgl. VG München, G.v. 29.2.2016 – M 12 K 15.50784 – juris Rn. 47). Die familiäre Lebensgemeinschaft zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind ist getragen von tatsächlicher Anteilnahme am Leben und Aufwachsen des Kindes. Bei der Würdigung der Eltern-Kind-Beziehung im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass der Aufbau und die Kontinuität emotionaler Bindungen zu Vater und Mutter in aller Regel der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dienen und das Kind beide Eltern braucht (vgl. aktuell BVerfG, B.v. 22.5.2018 – 2 BvR 941/18 – juris).
Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Kläger gemeinsam mit beiden Elternteilen untergebracht ist und der Vater daher eine wichtige Bezugsperson für den Kläger darstellt und einen wichtigen Beitrag zu seinem Leben und seiner Erziehung leistet. Nach Aktenlage lebt der Kläger seit der Umverteilung seines Vaters am 29.5.2019 und damit nahezu seit seiner Geburt gemeinsam mit seinen Eltern an einer Adresse. Der entsprechende Antrag auf Umverteilung wurde am 29.1.2019 und damit bereits während der Schwangerschaft gestellt, die Ausländerbehörde sah sich nur aus rechtlichen Gründen zunächst außerstande, diesem Antrag auf Umverteilung stattzugeben. Der Vater des Klägers hat die Vaterschaft des Klägers bereits vorgeburtlich anerkannt. Die von den Eltern des Klägers gewollte Abgabe einer gemeinsamen Sorgerechtserklärung scheitert daran, dass die Mutter des Klägers nur über eine ungültig gestempelte Aufenthaltsgestattung verfügt. Das Jugendamt hat eine zunächst angedachte Erziehungsbeistandschaft für die Mutter des Klägers im Hinblick auf die gemeinsame Versorgung des Klägers durch beide Elternteile und die gemeinsame Unterbringung der Familie nicht weiterverfolgt (vgl. Blatt 536 der Bundesamtsakte der Mutter des Antragstellers, Gesch.-Z. …-272). Daraus kann man im Gegenzug entnehmen, dass die Mutter des Klägers bei der Pflege und Versorgung des Klägers auf die Unterstützung des Vaters des Klägers angewiesen ist. Schon eine vorübergehendeauf unbestimmte Zeit erfolgendegetrennte Unterbringung des Klägers von seinem Vater ist dem Kläger daher nicht zumutbar.
Nachdem der Kläger mit seinen Eltern eine familiäre Schutz- und Beistandsgemeinschaft im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK bildet, ist die Abschiebung des Klägers zur Durchführung seines Asylverfahrens in Spanien und damit die Trennung von seinem Vater, der nach Sierra Leone abgeschoben werden soll, daher rechtswidrig.
Zwar verweist die obergerichtliche Rechtsprechung auch in ausländerrechtlichen Verfahren Kläger häufig auf die Zumutbarkeit der Nachholung eines Visumsverfahrens und damit einer vorübergehenden Trennung auch von Kleinkindern. Ein betroffener Ausländer muss aber mit Blick auf Art. 6 GG nicht hinnehmen, unter unverhältnismäßiger Vernachlässigung seiner familiären Bindungen gehindert zu werden, bei seinen im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen Aufenthalt zu nehmen. Der Kläger ist als Säugling auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds – seines Vatersangewiesen und dieser Beistand kann wegen des noch laufenden Asylverfahrens und der Ausbildungsduldung des Vaters des Klägers nur in Deutschland erbracht werden, weil ihm ein Verlassen der Bundesrepublik Deutschland momentan nicht zumutbar ist. Die Ausbildung des Vaters des Klägers dauert aller Voraussicht nach noch bis 31.08.2021. Es ist dem Kläger nicht zumutbar, für diese lange Zeit von seinem Vater getrennt zu werden. Gerade in den ersten Lebensjahren wird eine tiefe emotionale Bindung zu beiden Elternteilen hergestellt, die in späteren Jahren nicht so ohne Weiteres nachgeholt werden kann. Während der Zeit der Ausbildungsduldung gibt es für den Kläger keine andere Möglichkeit zur Erlangung eines Aufenthaltsrechts in der Bundesrepublik Deutschland.
Vor dem Hintergrund, dass der Kläger und sein Vater nach den Erkenntnissen des Gerichts eine schutzwürdige Vater-Kind-Beziehung tatsächlich leben, ist es dem Kläger unter Berücksichtigung der Wertung des Art. 6 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 8 EMRK nicht zumutbar, das Bundesgebiet ohne seinen Vater zu verlassen. Diese tatsächlich bestehende, geschützte familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Kläger und seinem Vater würde durch eine Abschiebung in rechtlich unzulässiger Weise beeinträchtigt. Denn diese Lebensgemeinschaft kann jedenfalls gegenwärtig nur in Deutschland verwirklicht werden, wo sich der Kläger ebenso wie sein Vater und seine Mutter derzeit aufhalten. Es erscheint dem Kläger nach den spezifischen Umständen des Einzelfalls weder zumutbar noch in absehbarer Zeit realistischer Weise rechtlich und tatsächlich möglich, die familiäre Gemeinschaft mit seinen Eltern im Ausland zu führen oder die familiäre Familiengemeinschaft vom Ausland aus herbeizuführen, indem von dort aus durch die aufenthaltsrechtlich notwendigen Schritte eine Familienzusammenführung erwirkt wird. Aus den Bundesamtsakten zum Verfahren des Vaters des Klägers geht hervor, dass die Beklagte hier im nationalen Verfahren eine ablehnende Entscheidung getroffen und die Abschiebung des Vaters des Klägers nach Sierra Leone angedroht hat. Eine Überstellung nach Spanien kommt daher nicht in Betracht. Mit Blick auf das laufenden Klageverfahren des Vaters des Klägers wird dieser jedenfalls vorerst auch noch in Deutschland verbleiben können.
Ebenso erscheint es unwahrscheinlich, dass der Kläger und seine Mutter dazu imstande wären, von Spanien aus – etwa durch ein Visumsverfahren – alsbald eine Familienzusammenführung zu erreichen. Unabhängig von praktischen Schwierigkeiten oder der Dauer eines solchen Verfahrens steht derzeit weder fest, wann eine Entscheidung über das Asylverfahren des Vaters des Klägers ergehen wird noch wie diese ausfallen wird. Auch sonst ist nicht ersichtlich, wie der Kläger von Spanien aus tatsächlich den Umgang mit seinem Vater pflegen oder herbeiführen könnte. Auch wenn er die rechtliche Möglichkeit zu Besuchen in Deutschland erhalten können sollte, hält die zur Entscheidung berufene Einzelrichterin es für unwahrscheinlich, dass der Kläger und seine Mutter in Spanien über die finanziellen und tatsächlichen Möglichkeiten verfügen könnten, um dies in der für die Pflege der familiären Gemeinschaft zu seinem Vater erforderlichen Dauer und Häufigkeit tun zu können.
Selbst wenn eine Familienzusammenführung nach einer Abschiebung des Klägers aber auf irgendeine Weise möglich wäre, so ist derzeit nicht davon auszugehen, dass diese in absehbarer Zeit erfolgen könnte. Dem Kläger und seiner Familie ist eine Trennung aber auch nicht zuzumuten, wenn sie nur für eine kurze Zeit erfolgen würde. Denn die Zeit unmittelbar nach der Geburt und im Säuglingsalter hat auch für den Vater besondere Bedeutung, so etwa im Hinblick auf eine aufzubauende Bindung zu dem Kind. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass gerade bei einem kleinen Kind die Entwicklung sehr schnell voranschreitet, so dass hier auch eine verhältnismäßig kurze Trennungszeit im Lichte von Art. 6 Abs. 2 GG im Einzelfall schon unzumutbar lang sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.08.1999 – 2 BvR 1523/99 -, juris, Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 02.03.2011 – 11 ME 551/10 -, juris, Rn. 9; VG Lüneburg, Beschluss vom 01.02.2019 – 8 B 207/18 -, juris, Rn. 20; VG Dresden, Urteil vom 19.01.2018 – 3 K 5791/17.A -, juris, Rn. 24).
Eine Überstellung des Klägers nach Spanien ist nach alledem gegenwärtig unzulässig.
Das Ermessen verdichtet sich in diesem Fall zu einer Pflicht zum Selbsteintritt, weil jede andere Entscheidung unvertretbar wäre. Eine Pflicht zum Selbsteintritt besteht, wenn im Fall der Überstellung eine in den persönlichen Umständen des Betroffenen wurzelnde Grundrechtsverletzung gegeben wäre. In diesem Fall hat sich der Anspruch des Klägers auf eine fehlerfreie Ermessensausübung ausnahmsweise zu einem Anspruch auf Selbsteintritt reduziert („Ermessensreduzierung auf Null“) und die Entscheidung der Beklagten, von ihrem Selbsteintrittsrecht keinen Gebrauch zu machen, ist als ermessensfehlerhaft anzusehen. So liegt der Fall hier.
Sachverhalte wie der hier vorliegende Gesichtspunkt der familiären Beziehung des Klägers zu seinem Vater, welche einer Überstellung eines Schutzsuchenden in den für die Durchführung des Asylverfahrens eigentlich zuständigen Mitgliedstaat entgegenstehen, haben zwar nicht immer zwingend im Wege einer Ermessensreduzierung auf Null eine Pflicht des Mitgliedstaates, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, zur Folge, sein Selbsteintrittsrecht auszuüben. Im Einzelfall kann es zum Schutz der betroffenen Rechtspositionen eines Asylbewerbers ausreichend sein, eine Überstellung in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat aufzuschieben oder auszusetzen (EuGH, Urteil vom 16.02. 2017 – C-578/16 PPU -, juris, Rn. 91). Dies gilt jedenfalls für Überstellungshindernisse, die nicht erkennbar dauerhaft, sondern womöglich nur vorübergehend vorliegen werden. Derartige schutzwürdige Belange können ausreichend über eine Aussetzung der Überstellung berücksichtigt werden und es erscheint in diesen Konstellationen nicht zwingend, das Selbsteintrittsrecht auszuüben. Im vorliegenden Fall aber ist eine Überstellung der Mutter des Klägers und damit auch des Klägers nach Spanien längstens bis zum 28.3.2020 denkbar. Nach Ablauf dieser Überstellungsfrist wird Deutschland für die Bearbeitung des Asylantrages des Klägers zuständig. Bis 28.3.2020 ist aber die Ausbildungsduldung des Vaters des Klägers auf jeden Fall noch gültig, so dass bis zu diesem Zeitpunkt die Überstellung des Klägers ausscheidet. Auch das Asylverfahren des Vaters des Klägers wird bis zu diesem Zeitpunkt keinesfalls bestandskräftig abgeschlossen sein. Es handelt sich daher de facto um ein (bis zum Ende der möglichen Überstellungsfrist) dauerhaftes Überstellungshindernis.
Die Ablehnung der Ausübung des Selbsteintrittsrechts Deutschlands in diesem Fall hätte daher nur eine unnötige Verzögerung des Asylverfahrens des Klägers zur Folge. In diesem Ausnahmefall ist einzig die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ermessensgerecht. Es liegt eine Ermessensreduzierung auf Null vor.
Daher konnte das Gericht auch die Ziffer 1 des Bescheids vollumfänglich aufheben und nicht lediglich die Beklagte verpflichten, darüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Ist die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylverfahrens rechtswidrig, führt dies auch zur Rechtswidrigkeit der übrigen Regelungen des streitgegenständlichen Bescheids, da diese an die Unzulässigkeitsentscheidung in Ziffer 1 anknüpfen. Die übrigen Entscheidungen sind dann jedenfalls verfrüht ergangen.
Eine Abschiebung des Klägers nach Spanien ist zum jetzigen Zeitpunkt aus familiären Gründen unmöglich. Die vom Bundesamt in Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheides erlassene Abschiebungsanordnung nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG hätte daher nicht ergehen dürfen, Im Falle einer Abschiebungsanordnung hat das Bundesamt nicht nur zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse zu überprüfen, sondern auch der Abschiebung entgegenstehende inlandsbezogene Abschiebungshindernisse. Der Abschiebung des Klägers stehen Duldungsgründe gem. § 60 a Abs. 2 AufenthG entgegen. Eine Abschiebung des Klägers würde nach den dargestellten Maßstäben in unzulässiger Weise in die nach Art. 6 GG, Art. 7 GrCH und Art. 8 EMRK geschützte familiäre Beziehung des Klägers mit seinem Vater eingreifen.
Da mit der Aufhebung der Abschiebungsanordnung eine Abschiebung des Klägers derzeit nicht mehr in Betracht kommt, kann auch ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG nicht zur Entstehung gelangen. Einer Befristung für ein solches Verbot nach § 11 Abs. 2 AufenthG ist damit der Boden entzogen, weshalb auch die Ziffer 4 des angefochtenen Bescheides aufzuheben war.
Die Klage hat nach alledem im vollen Umfang Erfolg.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Die Entscheidung bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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