Europarecht

Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (abgelehnt)

Aktenzeichen  M 5 E 21.1681, M 5 E 21.1682, M 5 E 21.1683, M 5 E 21.1684

Datum:
22.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 40821
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 94

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 5 E 21.1681 2021-07-21 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Verfahren M 5 E 21.1681, M 5 E 21.1682, M 5 E 21.1683 und M 5 E 21.1684 werden zur gemeinsamen Entscheidung über das Aussetzungsgesuch verbunden.
II. Der Antrag der Antragstellerin vom 24. März 2021 auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Gründe

I.
Streitgegenstand der Eilverfahren ist die Besetzung der Stelle der Präsidentin/ des Präsidenten des Bundesfinanzhofs (M 5 E 21.1681), die Stelle der Vizepräsidentin/ des Vizepräsidenten des Bundesfinanzhofs (M 5 E 21.1682), sowie zwei Stellen einer Vorsitzenden Richterin am Bundesfinanzhof/ eines Vorsitzenden Richters am Bundesfinanzhof (M 5 E 21.1683, M 5 E 21. 1684).
Mit Schriftsatz vom 24. März 2021 hat die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die beim Bundesfinanzhof (BFH) freien Posten von Vorsitzenden Richter/Innen betreffend den I., den II., den V. und den IX. Senat einstweilen nicht mit anderen Personen (namentlich Dr. M., Dr. T., Dr. B., Dr. W.) zu besetzen, bevor nicht über das beim Richterdienstgericht des Bundes anhängige Verfahren RiZ 2/16 sowie über das beim VG München anhängige Verfahren M 5 K 15.5394 und über die beim BFH unter den Aktenzeichen Z-PV1040/21-5/2020#10 und ZPV-1040/20-6/2020#4 und Z-PV-1040/22-9/2020#1 geführten Verfahren jeweils rechtskräftig entschieden und über die Stellenbewerbung der Antragstellerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts entschieden worden ist.
Mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 hat die Antragstellerin die Aussetzungsanträge dahingehend erweitert,
dass eine Aussetzung dieser Verfahren auch im Hinblick auf die vorgreiflichen anhängigen Untätigkeitsklagen unter M 30 K 17.4441, M 30 K 19.480, M 30 K 20.6576 beantragt wird.
Darüber hinaus hat sie hilfsweise beantragt,
die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Rechtsfrage vorzulegen, ob die in diesen Verfahren jeweils getroffenen Auswahlentscheidungen bezogen auf die Positionen von Vorsitzenden(r) Richter*Innen am Bundesfinanzhof durch die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz auf der Basis der jeweiligen Auswahlverfahren im Lichte der gesamten Aktenlage mit den unionsrechtlichen Vorgaben zur Unabhängigkeit der Gerichte in Art. 19 Abs. Unterabs. 2 EUV sowie Art. 47 Abs. 2 der Charta in Einklang stehen.
Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, dass die im Antrag genannten Verfahren vorgreiflich seien, so dass deren jeweiliger Ausgang vor einer abschließenden Entscheidung in diesem Verfahren abzuwarten sei. Die Antragstellerin sei durch die in diesem Verfahren aufgezeigten verfassungs- und unionsrechtswidrigen sowie sittenwidrigen Geschehnisse, Verhaltens- und Verfahrensweisen entgegen dem Prinzip der Chancengleichheit im Verhältnis zu den Mitbewerber/Innen gezielt diskriminiert, beschädigt und durch die vorsätzliche Herstellung einer unzumutbaren Arbeitssituation an einer Fortsetzung ihres fachspezifischen Wirkens sowohl in ihrer Haupttätigkeit als auch in ihren entgeltlichen Nebentätigkeiten als Autorin gehindert worden. Der Ausgang der im Antrag bezeichneten Verfahren werde belegen, dass dieses Geschehen nicht nur rechts-, sondern auch verfassungswidrig gewesen sei mit der Folge, dass dem Eilantrag auch aus diesem Grunde entsprochen werden müsse. Hinsichtlich der Vorlage an den EuGH führt die Antragstellerin unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des EuGH aus, dass die angestrebten Ernennungen nicht den dazu geltenden Auswahlkriterien entsprechen würden und überdies auch durch entsprechende Parteizugehörigkeit der großen Koalition (CDU/SPD bestimmt worden seien. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die streitbefangenen Ernennungsentscheidungen berechtigte Zweifel an der Unempfänglichkeit für äußere Faktoren und an ihrer Neutralität in Bezug auf die wiederstreitenden Interessen aufkommen lassen würden.
Die Beklagte hat sich zu dem Aussetzungsantrag nicht geäußert.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der vorliegende Beschluss, der gesondert erfolgen muss und nicht erst in der Sachentscheidung getroffen werden darf (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 94 Rn. 8), ergeht nach § 87a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) – der auf Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anwendbar ist (vgl.VGH BW, B.v. 5.2.1991 – 9 S 2930/90) – durch die Berichterstatterin (vgl. auch VGH BW, B.v. 4.1.1996 – 1 S 3230/95 – juris).
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung des Verfahrens (§ 94 VwGO) wird abgelehnt, da die Voraussetzungen des § 94 VwGO für eine Aussetzung des Verfahrens nicht vorliegen. Nach § 94 VwGO kann das Gericht anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen ist, wenn diese Entscheidung für den vorliegenden Rechtsstreit vorgreiflich ist. Die in einem anderen Verfahren anstehende Entscheidung ist für die im anhängigen Verfahren zu treffende Entscheidung vorgreiflich, wenn sie ein Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung im anhängigen Verfahren abhängt (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 94 Rn. 4).
Die von der Antragstellerin im Antrag genannten Verfahren sind für die vorliegenden Stellenbesetzungsverfahren nicht vorgreiflich. Die pauschale Behauptung von verfassungs- und unionsrechtswidrigen sowie sittenwidrigen Geschehnissen und diskriminierenden Verhaltens- und Verfahrensweisen begründet kein Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung in den anhängigen Verfahren abhängt. Die von der Antragstellerin genannten Verfahren stehen in keinerlei Zusammenhang mit den Stellenbesetzungsverfahren; die Entscheidung in den Stellenbesetzungsverfahren kann ergehen, ohne dass über die anderen Verfahren entschieden worden ist.
Auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) kommt nicht in Betracht.
Nach Art. 267 AEUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung der Verträge sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union. Gegenstand der Vorlage können daher Fragen der Auslegung von Unionsrecht und Fragen der Gültigkeit von Unionsrecht sein. Fragen nach der Vereinbarkeit von nationalem Recht mit Unionsrecht sind unzulässig (Ehricke in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Auflage 2018, Rn. 13).
Die Antragstellerin hat vorliegend nicht ansatzweise dargelegt, hinsichtlich welcher Norm des Unionsrechts die Auslegung oder Gültigkeit in Frage steht. Vielmehr geht es der Antragstellerin darum, dass überprüft wird, ob die getroffenen Auswahlentscheidungen mit Unionsrecht in Einklang stehen. Dies stellt jedoch keine zulässige Vorlagefrage dar.
Darüber hinaus ist eine Vorlage auch nicht erforderlich, da das Gericht vorliegend keinerlei Auslegungs- oder Gültigkeitszweifel hinsichtlich Unionsrecht hegt.
Im Übrigen kommt eine Vorlage nach Art. 267 AEUV vorliegend auch aufgrund der Dringlichkeit der Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nicht in Betracht.


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