Europarecht

Berechtigtes Interesse an der Haltung eines Kampfhundes

Aktenzeichen  M 22 K 18.248

Datum:
1.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20410
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KampfhundeV § 1 Abs. 1
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Art. 18 Abs. 2, Art. 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1
VwGO § 88

 

Leitsatz

1 Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der durch Art. 37 Abs. 1 LStVG sowie § 1 Abs. 1 KampfhundeV statuierten Erlaubnispflicht zur Haltung von Kampfhunden. Ebenfalls verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die durch diese Vorschriften vorgenommene Anknüpfung des Begriffs des Kampfhundes an rassespezifische Merkmale. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Begriff des “berechtigten Interesses” in Art. 37 Abs. 2 S. 1 LStVG ist restriktiv auszulegen. Insbesondere reichen Liebhaberinteressen oder das allgemeine persönliche Sicherheitsbedürfnis nicht aus, um ein berechtigtes Interesse zu begründen. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Spezialermächtigung des Art. 18 Abs. 2 LStVG rechtfertigt Anordnungen, die die Art und Weise (das “Wie”) der Hundehaltung regeln. Anordnungen, die sich auf das “Ob” der Hundehaltung beziehen (etwa eine Untersagungsanordnung), können nicht auf diese Vorschrift gestützt werden; insofern ist etwa Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG einschlägig. (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Das Gericht hat dabei zunächst das tatsächliche Rechtsschutzbegehren der Klägerin durch Auslegung zu ermitteln (vgl. § 88 VwGO). Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (stRspr; vgl. BVerwG, U.v. 3.7.1992 – 8 C 72/90 – juris Rn. 19; B.v. 25.6.2009 – 9 B 20.09 – juris Rn. 2). Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Wesentlich ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 12.3.2012 – 9 B 8/12 – juris Rn. 5 n.w.N.). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrages anwaltlich vertreten worden, kommt der Antragsformulierung allerdings gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, B.v. 12.3.2012 – 9 B 8/12 – juris Rn. 6).
Gemessen an diesen Vorgaben geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin neben der ausdrücklich beantragten Verpflichtung, ihr die begehrte Haltungserlaubnis für ihren Pit-Bull-Rüden „…“ zu erteilen, auch die Anfechtung der weiteren Anordnungen in den Ziffern 2 bis 5 des Bescheides vom … begehrt. Zwar geht aus dem in der Klagebegründung vom … explizit gestellten Antrag lediglich hervor, dass ein Verpflichtungsbegehren hinsichtlich der Erteilung der Haltungserlaubnis bzw. der Ausnahmegenehmigung verfolgt wird. Dieser Verpflichtungsantrag wird jedoch mit dem Zusatz „unter Abänderung des Bescheides vom …“ gestellt, sodass Bezug auf den gesamten streitgegenständlichen Bescheid genommen wird. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei Erteilung der begehrten Erlaubnis für das Halten des Kampfhundes der Kategorie I den weiteren Anordnungen in den Ziffern 2 bis 5 des Bescheides die Grundlage entzogen wäre, da für diese dann kein Raum mehr bestünde. Das Rechtsschutzziel ist daher so zu verstehen, dass sowohl die Erteilung der Erlaubnis als auch die Anfechtung der weiteren, belastenden Anordnungen vom Klagebegehren umfasst ist.
2. Das so verstandene Klagebegehren hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Haltungserlaubnis für ihren Pit-Bull-Rüden „…“ (3.). Auch die weiteren Anordnungen in Ziffern 2 bis 5 des Bescheides erweisen sich als rechtmäßig (4.).
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für das Halten ihres Pit-Bull-Rüden nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 LStVG. Dabei ist davon auszugehen, dass es sich bei der Entscheidung über die Erteilung der Erlaubnis um eine gebundene Entscheidung handelt, bei Fehlen von Versagungsgründen dementsprechend ein Anspruch auf Erlaubniserteilung besteht (vgl. Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: September 2015, Art. 37 Rn. 46). Vorliegend fehlt es jedoch an der für die Erlaubniserteilung erforderlichen Tatbestandsvoraussetzung des berechtigten Interesses nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 LStVG.
3.1 Die Haltung des der Rasse Pit-Bull zugehörigen Hundes „…“ unterliegt der Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Bei dieser Hunderasse wird nach § 1 Abs. 1 Spiegelstrich 1 KampfhundeV die Eigenschaft als Kampfhund stets vermutet (Kampfhund der Kategorie I).
3.2 Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der einer Erlaubnispflicht zugrunde liegenden Vorschriften der Art. 37 Abs. 1 LStVG sowie § 1 Abs. 1 KampfhundeV bestehen entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass zur Definition des Begriffs des Kampfhundes an rassespezifische Merkmale angeknüpft wird, da eine Anknüpfung hieran nicht als ungeeignet zur Erreichung des Schutzzwecks anzusehen ist und sich der Gesetzgeber innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bewegt (vgl. hierzu ausführlich BayVerfGH, E.v. 12.10.1994 – Vf. 16-VII-92, Vf. 5-VII-93 – BayVBl. 1995, 76; BayVGH, B.v. 25.3.1996 – 24 N 92.2883 – juris Rn. 40 f.; B.v. 15.1.2004 – 24 ZB 03.2116 – juris; bestätigend BVerfG, B.v. 29.3.2004 – 1 BvR 492/04 – juris Rn. 5; so auch Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand September 2015, Art. 37 Rn. 3 ff.).
3.3 Die zur Erteilung einer Erlaubnis erforderlichen tatbestandlichen Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, da die Klägerin kein berechtigtes Interesse nachweisen konnte.
Nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 LStVG darf die Haltungserlaubnis nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz nicht entgegenstehen. Der Begriff des berechtigten Interesses ist dabei entgegen der Auffassung der Klägerin restriktiv auszulegen. Würden Liebhaberinteressen bei der Haltung von Tieren genügen, so würde das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses – entgegen der Absicht des Gesetzgebers – seine beschränkende Funktion in der Praxis weitgehend verlieren. Eine solche Gesetzesauslegung ist mit den sicherheitsrechtlichen Zielsetzungen des Gesetzes nicht vereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2006 – 24 CS 06.437 – juris Rn. 19; auch Luderschmid in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand September 2015, Art. 37 Rn. 47). Ein berechtigtes Interesse zur Haltung von Kampfhunden kann nach Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LStVG insbesondere dann vorliegen, wenn diese der Bewachung eines gefährdeten Besitztums dient.
Die Klägerin hat vorliegend kein berechtigtes Interesse an der Haltung ihres Kampfhundes der Kategorie I nachgewiesen. Für die in der Klagebegründung genannten zwingenden medizinischen bzw. psychischen Gründe, die die Haltung des Pit-Bull-Rüden erforderlich machen würden, ist nichts ersichtlich. Jedenfalls ist es nicht ausreichend, dass sich die Klägerin durch die bisherige (illegale) Haltung des Hundes an das Tier gewöhnt hat und eine enge Beziehung aufgebaut hat, da hierdurch reine Liebhaberinteressen zum Ausdruck kommen. Auch das allgemeine Sicherheitsbedürfnis der Klägerin genügt für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht. Erforderlich wäre vielmehr, dass die Kampfhundehaltung der Bewachung eines gefährdeten Besitztums i.S.d. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 LStVG dient. Hierfür gibt es vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Das allgemeine, persönliche Sicherheitsbedürfnis erfüllt diese Anforderungen erkennbar nicht (vgl. hierzu auch BayVGH, B.v. 17.8.2005 – 24 CS 05.959 – juris Rn. 21).
Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Haltungserlaubnis liegen dementsprechend nicht. Auch auf eine von der Klägerin gegebenenfalls begehrte Ausnahmegenehmigung besteht mangels gesetzlicher Grundlage kein Anspruch.
4. Auch die mit der Klage angefochtenen Anordnungen in Ziffern 2 bis 5 des Bescheides vom … (Untersagung der Haltung und Wiederinbesitznahme, Abgabeanordnung, Mitteilungs- und Nachweispflichten) erweisen sich als rechtmäßig.
4.1 Rechtsgrundlage für die Anordnungen in Ziffern 2 bis 5 des Bescheides vom … ist Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Danach sind die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden.
Eine vorrangige Spezialermächtigung liegt hier nicht vor. Insbesondere ist Art. 18 Abs. 2 LStVG nicht einschlägig, da dieser nur Anordnungen rechtfertigt, die die Art und Weise (das „Wie“) der Hundehaltung regeln. Die Haltungsuntersagung betrifft dagegen die Hundehaltung als solche, d.h. das „Ob“ der Hundehaltung, und kann folglich nicht auf Art. 18 Abs. 2 LStVG gestützt werden (vgl. Schenk in Bengl/Berner/Emmerig, LStVG, Stand: September 2015, Art. 18 Rn. 76 f.).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG sind erfüllt. Mit der auf zumindest fahrlässiger Unkenntnis beruhenden Einfuhr und Haltung des Pit-Bull-Rüden „…“ ohne die hierfür erforderliche Erlaubnis verwirklicht die Klägerin den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach Art. 37 Abs. 4 Nr. 1 LStVG. Sie ist damit auch richtiger Adressat der Anordnungen (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG).
4.2 Der Beklagte hat das ihm zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Darüber hinaus sind die im Bescheid vom … in den Ziffern 2 bis 5 getroffenen Anordnungen auch verhältnismäßig (Art. 8 LStVG).
4.2.1 Im Hinblick auf die Untersagung der Haltung und Wiederinbesitznahme sowie die Anordnung über die Abgabe des Tieres in den Ziffern 2 und 3 des Bescheides sind mildere Mittel zur Beseitigung der mit der Hundehaltung verbundenen Ordnungswidrigkeit nicht ersichtlich. Bei einer Kampfhundehaltung ohne die entsprechende Erlaubnis kann die damit verwirklichte Ordnungswidrigkeit effektiv nur beendet werden, wenn die weitere Haltung des Hundes untersagt und seine Abgabe angeordnet wird, zumal vorliegend eine Erteilung der Erlaubnis wie dargelegt nicht in Betracht kommt. Die Klägerin hat ihren Kampfhund zumindest in fahrlässiger Unkenntnis über den bestehenden Erlaubnisvorbehalt nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG nach Deutschland eingeführt. Dadurch hat sich die Klägerin keine schützenswerte Rechtsposition geschaffen, vielmehr muss ihr Individualinteresse an der Fortsetzung der Hundehaltung hinter dem Schutz elementarer Rechtsgüter, insbesondere der körperlichen Unversehrtheit, zurücktreten. Der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit von Menschen genießt Vorrang vor allen anderen Interessen und setzt die Eingriffsschwelle für die Sicherheitsbehörde von vornherein herab (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2000 – 24 ZS 00.3326 – juris Rn. 10). Die zur Haltungsuntersagung und Abgabe gesetzte Frist von deutlich über zwei Wochen erweist sich ebenso als angemessen. Der Klägerin verblieb ausreichend Zeit, sich um eine anderweitige Unterbringung des Hundes zu bemühen und notfalls ein Tierheim um Aufnahme zu ersuchen, zumal sie bereits seit Ende … … um die drohende Abgabe des Pit-Bull-Rüden wusste.
4.2.2 Auch die in Ziffern 4 und 5 angeordneten Mitteilungs- und Nachweispflichten bei einer Abgabe des Hundes an eine geeignete Person bzw. eine geeignete Einrichtung sind nicht zu beanstanden. Nur auf diese Weise ist es dem Beklagten möglich zu kontrollieren, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung tatsächlich nachgekommen ist. Eine effektive Überwachung des Vollzugs der Untersagung der Haltung und Wiederinbesitznahme ist nur möglich, wenn der Beklagte den Aufenthaltsort des Hundes kennt. Andernfalls könnte der Beklagte nicht sicherstellen, dass der Ordnungswidrigkeit wirksam begegnet werden kann.
5. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Bescheides des Beklagten vom … Insbesondere die Androhung von Zwangsmitteln in Form von Zwangsgeld in Ziffer 6 entspricht den gesetzlichen Voraussetzungen.
6. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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