Europarecht

Berufung, Rechtsanwaltskosten, Widerrufsrecht, Auslegung, Widerrufsfrist, Rechtsmittel, EuGH, Berufungsverfahren, Aufhebung, Anlage, Pflichtangaben, Form, Frist, Kreditvertrag, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten

Aktenzeichen  19 U 633/20

Datum:
28.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45398
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

19 U 633/20 2020-03-25 Vfg OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2020, Aktenzeichen 32 O 10666/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens und die Kosten der Nebenintervention zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 38.110,83 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger verfolgen mit der Berufung ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche wegen des Widerrufs eines Darlehensvertrages zur Finanzierung eines Kraftfahrzeuges und dessen Rückabwicklung gegenüber der Beklagten weiter. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2020 Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung der Kläger, die im Berufungsverfahren beantragen,
I. Das am 23.01.2020 verkündete Urteil des Landgerichts München I, Az: 32 O 10666/18 wird aufgehoben.
I. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 25.849,64 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2018 zu zahlen Zugum-Zug gegen Übergabe des PKW BMW X5 (FIN: …28).
I. Es wird festgestellt, dass die Klägerparteien infolge ihrer Widerrufserklärung vom 09.04.2018 aus dem mit der Beklagtenpartei zwecks Finanzierung des in Klageantrag Ziffer 1 genannten PKWs abgeschlossenen Darlehensvertrages Nr. …02 weder Zins- noch Tilgungsleistungen schulden.
I. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Übernahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
I. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerparteien vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.823,40 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25.06.2018 zu zahlen.
I. Die Beklagtenpartei trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der auf Beklagtenseite beigetretende Streitverkündete beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Verfügung des Vorsitzenden vom 25.03.2020 (Bl. 201/214 d.A.), auf die Bezug genommen wird, wurden die Kläger darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Dazu nahmen die Kläger mit Schriftsatz vom 23.04.2020 Stellung und beriefen sich in erster Linie auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zur Kaskadenverweisung.
Im Übrigen und ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren eingegangenen Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2020, Aktenzeichen 32 O 10666/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat hält das angefochtene Urteil des Landgerichts München I für offensichtlich zutreffend und nimmt auf dieses Bezug. Bezug genommen wird ferner auf den Hinweis des Senats vom 25.03.2020, wonach er die Berufung im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO für unbegründet hält.
Ergänzend ist folgendes auszuführen:
Soweit die Kläger im Schriftsatz vom 23.04.2020 unter Berufung auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes erneut die sogenannte Kaskadenverweisung angreifen, führt dies nicht zum Erfolg:
1. Die Beklagte hat für ihre Widerrufsinformation das Muster aus Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2, § 12 Abs. 1 EGBGB verwandt. Damit steht gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3, § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB von Gesetzes wegen fest, dass den Klägern die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2, § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b EGBGB zu erteilenden Informationen, insbesondere zum Beginn der Widerrufsfrist, klar und verständlich erteilt wurden. Die Auffassung der Berufung, die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB greife nicht, denn die Musterwiderrufsinformation sei wegen des sog. Kaskadenverweises in Satz 2 nicht klar und verständlich, teilt der Senat nicht. Entgegen der Auffassung der Berufung lässt sich diese Rechtsfolge auch nicht mit der Entscheidung des EuGH vom 26.03.2020 – C-66/19 begründen.
I) Zwar vertritt der Europäische Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 26.03.2020 – C-66/19, auf dessen Ausführungen Bezug genommen wird, die Auffassung, dass eine sog. Kaskadenverweisung den Beginn der Widerrufsfrist nicht hinreichend klar und prägnant bezeichne.
I) Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Auffassung ist jedoch nicht geboten, da zu Gunsten der Beklagten jedenfalls die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB i. V. m. Anlage 7 greift. Nach der eindeutigen Regelung des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB i. V. m. Anlage 7 genügt der Darlehensgeber seinen Informationspflichten, wenn er in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form eine Vertragsklausel verwendet, die bei Allgemein-Verbraucherdarlehensverträgen dem Muster in Anlage 7 entspricht.
(1) Eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung von Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB i. V. m. Anlage 7 ist nicht möglich.
(a) Der Gesetzgeber des Gesetzes zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 977) hat – worauf der Bundesgerichtshof zutreffend hinweist (vgl. Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18) – den Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB mit Gesetzesrang als eine klare und verständliche Gestaltung der Information über die Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist vorgegeben. Aus dem Gesetzeswortlaut, der Systematik und den Materialien der zum 30. Juli 2010 in Kraft getretenen Änderungen des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ergibt sich, dass der Gesetzgeber selbst eine Erläuterung anhand des um Beispiele ergänzten § 492 Abs. 2 BGB nicht nur für sinnvoll (BT-Drucks. 17/1394, S. 25 f.), sondern als mit den sonstigen gesetzlichen Vorgaben in Einklang stehend erachtete. Durch die schließlich Gesetz gewordene Auswahl der für eine Mehrzahl unterschiedlicher Vertragstypen relevanten Beispiele (BT-Drucks. 17/2095, S. 17) brachte der Gesetzgeber überdies zum Ausdruck, dem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher die Ermittlung der für den einschlägigen Vertragstyp jeweils relevanten Pflichtangaben anhand des Gesetzes zuzutrauen. Über dieses gesetzgeberische Gesamtkonzept dürfen sich die Gerichte, die ihrerseits der Gesetzesbindung unterliegen, bei der Auslegung des gleichrangigen übrigen nationalen Rechts zur Umsetzung der RL 2008/48/EG nicht hinwegsetzen (OLG Stuttgart, Beschluss vom 04.02.2019 – 6 U 88/18, juris Rn. 12 ff., 19).
(b) Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB scheitert jedenfalls daran, dass es dem Senat verwehrt ist, ein vom deutschen Gesetzgeber verabschiedetes Umsetzungsgesetz entgegen dessen erklärten Willen auszulegen (contra legem).
Die in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB getroffene Regelung ist offensichtlich keiner Auslegung, die sie im Ergebnis ins Gegenteil verkehren würde und faktisch auf eine Nichtanwendung hinausliefe, zugänglich. Sie beruhte auch nicht auf einer ungewollten Regelungslücke oder Nachlässigkeit des deutschen Gesetzgebers, sondern war ausdrücklich gewollt.
(c) In der Entscheidung, der Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB sei unzureichend klar und verständlich, läge eine Missachtung der gesetzlichen Anordnung, die dazu führte, dass das Regelungsziel des Gesetzgebers in einem wesentlichen Punkt verfehlt und verfälscht und einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben würde. Dazu sind die Gerichte nicht befugt (BGH, Beschluss vom 19.03.2019 – XI ZR 44/18; BGH, Urteil vom 03.07.2018 – XI ZR 702/16 und Beschluss vom 02.04.2019 – XI ZR 488/17).
(d) Dass den deutschen Gerichten eine – grundsätzlich gebotene (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 14.07.1994 – C-91/92, Rz. 26) – richtlinienkonforme Auslegung contra legem verwehrt ist, entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 22.01.2019 – C-193/17 -, Rn. 74; EuGH, Urteil vom 17.04.2018 – C-414/16 -, Rn. 71, juris; in diesem Sinne Urteil vom 19. April 2016, DI, C-441/14, ECLI:EU:C:2016:278, Rn. 31 und 32 sowie die dort angeführte Rechtsprechung; EuGH, Urteil vom 26.09.1996 – C -168/95; vgl. etwa auch BAG, Beschluss vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02, Rz. 66 m. w. N., DB 2003, 1387, 1389).
(2) Es ist dem Senat schließlich verwehrt, die Vorschrift des Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3 EGBGB nicht anzuwenden.
Etwas anderes ergibt sich weder aus der Rechtsnatur der zugrundeliegenden RL 2008/48 EG noch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung des EuGH.
(a) Richtlinien sind gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV grundsätzlich nicht unmittelbar anwendbar, sondern müssen erst von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgewandelt werden. Unmittelbar anzuwenden sind die zur Umsetzung einer Richtlinie ergangenen mitgliedstaatlichen (Umsetzungs-) Gesetze, hier also Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB. Selbst insgesamt nicht umgesetzten Richtlinien kommt im Verhältnis zwischen Bürgern untereinander grundsätzlich keine unmittelbare Geltung zu. Die Zuerkennung einer unmittelbaren (horizontalen) Wirkung auch im Verhältnis von Privatrechtssubjekten würde die Kompetenzordnung des EG-Vertrags zu Lasten der Mitgliedstaaten verschieben, die insoweit auf ihre souveränen Rechte nicht zugunsten der Gemeinschaftsorgane verzichtet haben (BAG, Beschluss vom 18.02.2003 – 1 ABR 2/02 -, BAGE 105, 32, Rn. 85; EuGH, Urteil vom 14.07.1994 – C-91/92). Eine Ausdehnung der Möglichkeit, sich auf nicht oder nicht richtig umgesetzte Richtlinien zu berufen, auf den Bereich der Beziehungen zwischen Privaten liefe nämlich darauf hinaus, der Union die Befugnis zuzuerkennen, mit unmittelbarer Wirkung Verpflichtungen zulasten der Einzelnen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 22.01.2019 – C-193/17, Rn. 72, juris; EuGH, Urteil vom 06.11.2018, Bauer und Willmeroth, C-569/16 und C-570/16, ECLI:EU:C:2018:871, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung; EuGH, Urteil vom 10.10.2017, C-413/15; EuGH, Urteil vom 14.07.1994 – C-91/92).
(b) Ein mitgliedstaatliches Umsetzungsgesetz nicht anzuwenden – mit der faktischen Konsequenz der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie – kommt auch nach der Rechtsprechung des EuGH nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dazu zählt der Fall, wenn die Beklagte – unmittelbar oder mittelbar – Teil der staatlichen Gewalt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 22.01.2019 – C – 193/17 (Cresco); EuGH, Urteil vom 06.10.2015, C-508/14 m. w. N.; EuGH, Urteil vom 26.09.1996 – C-168/95; EuGH, Urteil vom 10.06.1982 – 255/81; EuGH, Urteil vom 19. 01.1982 – 8/81; BVerwG, Urteil vom 28.10.2010 – 2 C 52/09).
Vergleichbares gilt, wenn die nationalen Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit einer Richtlinie ausgelegt werden können, das vorlegende Gericht aber gleichwohl gehalten wäre, den Rechtsschutz zu gewährleisten, da andernfalls die allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts oder die Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt wären (vgl. EuGH, Urteil vom 22. Januar 2019 – C-193/17 -, Rn. 78); hier kommt im Verhältnis zweier nicht staatlicher Beteiligter aber letztlich nicht die Richtlinie zur unmittelbaren Anwendung, vielmehr entfalten die dahinterstehenden allgemeinen Grundsätze resp. Grundrechte unmittelbare Wirkung.
Beide Ausnahmen greifen hier nicht. Weder ist die Beklagte (unmittelbar oder mittelbar) Teil der Staatsgewalt, noch werden im Falle einer Anwendung des nationalen Rechts allgemeine Grundsätze des Unionsrechts oder Grundrechte verletzt.
I. Diese Auffassung des Senats hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 31.03.2020 – XI ZR 198/19, mit dem er eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen einen Zurückweisungsbeschluss des erkennenden Senates nach § 522 Abs. 2 ZPO (Az. 19 U 80/19) in einem Parallelfall zurückgewiesen hat, in Kenntnis der wenige Tage zuvor ergangenen Entscheidung des EuGH vom 26.03.2020 – C-66/19 – ausdrücklich bestätigt. Dabei hat er ausgeführt, was folgt (Rz. 10- 14); dem schließt sich der Senat vollumfänglich an.
„Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 (C-66/19, juris – „Kreissparkasse Saarlouis“) nicht entgegen, in dem der Gerichtshof entschieden hat, Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46) sei dahin auszulegen, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweise. Dies betrifft den in dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF enthaltenen Verweis auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB, der auf der Grundlage des Urteils des Gerichtshofs (aaO Rn. 48) nicht „in klarer, prägnanter Form über die Frist und die anderen Modalitäten für die Ausübung des Widerrufsrechts“ informieren würde.
Der Senat müsste sich aber, um dem Geltung zu verschaffen, gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF stellen, wonach – wie hier – eine in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene und dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entsprechende Widerrufsinformation den Anforderungen an eine klare und verständliche Information des Darlehensnehmers über das ihm nach § 495 BGB zukommende Widerrufsrecht genügt. Das verbietet dem Senat das in Art. 20 Abs. 3 GG verankerte Rechtsstaatsprinzip. Die Beachtung des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers ist Ausdruck demokratischer Verfassungsstaatlichkeit. Dies trägt dem Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) Rechnung. Das Gesetz bezieht seine Geltungskraft aus der demokratischen Legitimation des Gesetzgebers, dessen artikulierter Wille den Inhalt des Gesetzes daher mitbestimmt. Der klar erkennbare Wille des Gesetzgebers darf nicht übergangen oder verfälscht werden. So verwirklicht sich die in Art. 20 Abs. 3 und Art. 97 Abs. 1 GG vorgegebene Bindung der Gerichte an das Gesetz, weil dies eine Bindung an die im Normtext zum Ausdruck gebrachte demokratische Entscheidung des Gesetzgebers ist (BVerfGE 149, 126 Rn. 75).
Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 26. März 2020 (C-66/19, juris – „Kreissparkasse Saarlouis“) ändert daran nichts. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs darf die Verpflichtung zur unionsrechtskonformen Auslegung nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH, Urteil vom 16. Juni 2005 [Große Kammer] – C-105/03, „Pupino“, Slg. 2005, I-5285 Rn. 47; Urteil vom 4. Juli 2006 [Große Kammer] – C-212/04, „Adeneler“, Slg. 2006, I-6057 Rn. 110; Urteil vom 15. April 2008 [Große Kammer] – C-268/06, „Impact“, Slg. 2008, I-2483 Rn. 100, 103; Urteil vom 24. Januar 2012 [Große Kammer] – C-282/10, „Dominguez“, NJW 2012, 509 Rn. 25; Urteil vom 22. Januar 2019 [Große Kammer] – C-193/17, „Cresco Investigation“, NZA 2019, 297 Rn. 74; Urteil vom 8. Mai 2019 – C-486/18, „Praxair MRC“, NZA 2019, 1131 Rn. 38; Urteil vom 11. September 2019 – C-143/18, „Romano“, WM 2019, 1919 Rn. 38; BVerfG, WM 2012, 1179, 1181; Senatsurteil vom 15. Oktober 2019 – XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 22 mwN).
Eine richtlinienkonforme Auslegung der in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF angeordneten Gesetzlichkeitsfiktion scheidet aus. Die Auslegung des nationalen Rechts darf nicht dazu führen, dass einer nach Wortlaut und Sinn eindeutigen Norm ein entgegengesetzter Sinn gegeben oder der normative Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmt wird. Richterliche Rechtsfortbildung berechtigt den Richter nicht dazu, seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers zu setzen (BVerfG, WM 2012, 1179, 1181). Demgemäß kommt eine richtlinienkonforme Auslegung nur in Frage, wenn eine Norm tatsächlich unterschiedliche Auslegungsmöglichkeiten im Rahmen dessen zulässt, was der gesetzgeberischen Zweck- und Zielsetzung entspricht. Die Pflicht zur Verwirklichung des Richtlinienziels im Auslegungswege findet ihre Grenzen an dem nach der innerstaatlichen Rechtstradition methodisch Erlaubten (BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 20, vom 28. Juni 2017 – IV ZR 440/14, BGHZ 215, 126 Rn. 24, vom 26. März 2019 – II ZR 244/17, WM 2019, 925 Rn. 21 und vom 15. Oktober 2019 – XI ZR 759/17, WM 2019, 2164 Rn. 24 mwN; BVerfG, aaO).
Eine richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF überschritte indes entgegen seinem eindeutigen Wortlaut, seinem Sinn und Zweck und der Gesetzgebungsgeschichte die Befugnis der Gerichte. Die durch das Gesetz zur Einführung einer Musterwiderrufsinformation für Verbraucherdarlehensverträge, zur Änderung der Vorschriften über das Widerrufsrecht bei Verbraucherdarlehensverträgen und zur Änderung des Darlehensvermittlungsrechts vom 24. Juli 2010 (BGBl. I S. 977) in Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB eingefügte Gesetzlichkeitsfiktion trug der Entschließung des Deutschen Bundestages im Rahmen der Beschlussfassung zum Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, des zivilrechtlichen Teils der Zahlungsdiensterichtlinie sowie zur Neuordnung der Vorschriften über das Widerrufsund Rückgaberecht (BT-Drucks. 16/13669, S. 5) Rechnung. Mit dieser Entschließung hatte der Deutsche Bundestag die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, zu Beginn der 17. Legislaturperiode einen Gesetzentwurf mit einem Muster für eine Information über das Widerrufsrecht bei Verbraucherkreditverträgen mit Gesetzlichkeitsfiktion in das Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Durch die gesetzliche Regelung im EGBGB und die Schaffung eines (fakultativen) Musters sollte Rechtsklarheit und Rechtssicherheit bei den Anwendern erzeugt und der Rechtsverkehr vereinfacht werden (vgl. BT-Drucks. 16/13669, S. 3 und BT-Drucks. 17/1394, S. 1, 21 f.). Dieses gesetzgeberische Ziel würde verfehlt, würde man der Verwendung des Musters die Gesetzlichkeitsfiktion absprechen, weil etwa der Verweis in der Widerrufsinformation auf § 492 Abs. 2 BGB in Kombination mit der beispielhaften Aufzählung von Pflichtangaben nach Art. 247 § 6 EGBGB nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 26. März 2020 (C-66/19, juris – „Kreissparkasse Saarlouis“) nicht richtlinienkonform ist.“
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 40, 47, 48 GKG, § 3 ZPO in Höhe des Nettodarlehensbetrages festgesetzt. Die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen als Nebenforderung den Streitwert nicht (§ 4 Abs. 1 2. HS ZPO).
Vorsitzender Richter Richterin Richterin am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht am Oberlandesgericht München, 28.04.2020 Oberlandesgericht München
19 U 633/20 Verfügung
1. Beschluss vom 28.04.2020 hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Berufungsklägerin zu 1, zustellen
2. … Prozessbevollmächtigter des Streithelfers der zustellen Berufungsbeklagten … Prozessbevollmächtigte der Berufungsbeklagten … zustellen 2. Schlussbehandlung Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht


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