Europarecht

Beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis zur Zutageförderung von Grundwasser zum Zwecke der Feldbewässerung

Aktenzeichen  AN 9 K 15.00961

Datum:
4.8.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 51448
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayWG Art. 15 Abs. 1 Var. 1, Art. 22 Abs. 1 Nr. 3, Art. 63 Abs. 3 S. 1, S. 2
WHG § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 10 Abs. 1, Abs. 2, § 12 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 13 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG Art. 31 Abs. 7
VwGO § 42 Abs. 2

 

Leitsatz

Das in §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 bis 6 WHG für wasserrechtliche Gestattungen gleichermaßen verankerte Gebot, auf Belange anderer Rücksicht zu nehmen, vermittelt ungeachtet seines objektiv rechtlichen Geltungsanspruchs Drittschutz insoweit, als die Belange eines anderen in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind (Parallelsache zu VG Ansbach BeckRS 2016, 51449). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage hat in den Hauptanträgen aufgrund der fortbestehenden Rechtswirksamkeit des angefochtenen Bescheids vom 19. Mai 2015 keinen Erfolg. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 ist zwar zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Der geltend gemachte Antrag auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache erweist sich wegen fortbestehender Rechtswirksamkeit des angefochtenen Bescheids vom 19. Mai 2015 aufgrund des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 als unbegründet. Für eine isolierte Anfechtung des Änderungsbescheids des Beklagten vom 11. Juli 2016 fehlt es der Klägerin an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO.
Die mit der Klage angefochtene beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis vom 19. Mai 2015 hat sich nicht dadurch erledigt, dass der Bescheid aufgrund der Regelung in Ziffer 2) Satz 2 des Bescheides erloschen wäre. Gemäß Ziffer 2) Satz 2 des Bescheides vom 19. Mai 2015 erlischt die wasserrechtliche Erlaubnis, wenn nicht bis zum 1. Juli 2016 mit der Gewässerbenutzung begonnen worden ist und das Landratsamt … einer Verlängerung dieser Frist nicht vor Ablauf schriftlich zugestimmt hat.
Mit Ergänzungsbescheid des Beklagten vom 11. Juli 2016 wurde die unter Ziffer 2) Satz 2 des Bescheids vom 19. Mai 2015 geregelte Frist gemäß Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG in wirksamer Weise rückwirkend verlängert.
Nach Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG können Fristen, die von einer Behörde gesetzt sind, verlängert werden. Sind solche Fristen bereits abgelaufen, so können sie rückwirkend verlängert werden, insbesondere, wenn es unbillig wäre, die durch den Fristablauf eingetretenen Rechtsfolgen bestehen zu lassen (Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG).
Bei der in Ziffer 2) Satz 2 des Bescheides gesetzten Frist handelt es sich um eine behördliche Frist, bei der die Verwaltungsbehörde aufgrund ihrer Verfahrensherrschaft die Möglichkeit hat, die von ihr gesetzte Frist auch nach deren Ablauf rückwirkend zu verlängern. Auch Fristen, die Bestandteil einer Nebenbestimmung sind, sowie Fristen, von denen die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes abhängt, können gemäß Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG rückwirkend verlängert bzw. verändert werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.1999 – 1 B 97.1548 – juris). Da eine Fristsetzung sowohl bloßen verfahrensrechtlichen Charakter aufweisen kann, als auch mit einer Regelungswirkung verbunden, mithin auch Bestandteil einer Nebenbestimmung sein kann, kann vorliegend dahinstehen, ob die unter Ziffer 2) Satz 2 des Bescheids vom 19. Mai 2015 gesetzte Frist Bestandteil einer Befristung oder einer auflösenden Bedingung ist. Dass die Fristsetzung mit einer Regelungswirkung verbunden ist, die auch wirksamkeitsbestimmend für den Verwaltungsakt sein kann, steht einer Verlängerungsmöglichkeit nach Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG nicht entgegen.
Die in Ziffer 2) Satz 2 des Bescheids vom 19. Mai 2015 geregelte Verlängerungsmöglichkeit der Behörde vor Fristablauf stellt keine abweichende Regelung dar, die einer Anwendung von Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG entgegenstünde. Zwar gilt Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG dann nicht, wenn spezielle Regelungen oder besondere verwaltungsrechtliche Interessenlagen entgegenstehen. Mit der getroffenen Regelung unter Ziffer 2) Satz 2 des Bescheides vom 19. Mai 2015 wollte die Behörde jedoch erkennbar den Regelfall einer Fristverlängerung normieren, ohne damit die Anwendung der Billigkeitsregel des Art. 31 Abs. 7 BayVwVfG auszuschließen. Die Behörde war somit nicht gehindert, die gesetzte Frist zum 1. Juli 2016 auch nach deren Ablauf rückwirkend zu verlängern.
Eine rückwirkende Fristverlängerung bzw. -veränderung nach Art. 31 Abs. 7 Satz 2 BayVwVfG steht im Ermessen der Behörde. Dabei ist von einer Ermessensverdichtung dann auszugehen, wenn Gründe vorliegen, die bei Versäumung einer gesetzlichen Frist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß Art. 32 BayVwVfG rechtfertigen würden (vgl. BayVGH, B.v. 19.5.1999 a. a. O.).
Der Zweck der Fristsetzung bestand darin, die Erteilung einer Genehmigung für Gewässerbenutzungen „auf Vorrat“, also ohne davon tatsächlich Gebrauch machen zu wollen, zu verhindern. Die Behörde ging selbst zunächst davon aus, dass ein Fristablauf aufgrund der aufschiebenden Wirkung nicht eintreten könne. Ob diese Auffassung im Sinne einer Wirksamkeitshemmung aufgrund der aufschiebenden Wirkung zutreffend war (zum Meinungsstand hinsichtlich einer Wirksamkeitshemmung bzw. Vollzugshemmung durch die aufschiebende Wirkung: vgl. Schoch/Schneider/Bier, VwGO-Komm., § 80 Rn. 90 ff.), kann dahinstehen, da der Beklagte die gesetzte Frist mit Ergänzungsbescheid vom 11. Juli 2016 wirksam und rückwirkend modifiziert hat.
Die Ermessensentscheidung der Behörde, aus Billigkeitsgründen die Frist rückwirkend zu verlängern bzw. zu modifizieren, ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Vorliegend war es dem Kläger aufgrund der aufschiebenden Wirkung nicht möglich, vor Ablauf der gesetzten Frist von der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch zu machen. Ein Antragserfordernis für die Verlängerung der Frist war im Bescheid nicht normiert. Da somit der Eintritt des Fristablaufs für den Erlaubnisinhaber nicht verhinderbar war und ihm hinsichtlich der Versäumung der Verlängerung der Frist kein Verschulden zur Last zu legen ist, entspricht es vorliegend der Billigkeit, dass die Behörde die gesetzte Frist rückwirkend mit Ergänzungsbescheid vom 11. Juli 2016 an die Bestandskraft des Verwaltungsaktes gekoppelt hat. Die Fristsetzung erfolgte ausschließlich im öffentlichen Interesse zur Vermeidung einer Bevorratungspolitik, so dass berechtigte Interessen Dritter, die einer rückwirkenden Fristverlängerung entgegenstehen könnten, vorliegend nicht ersichtlich sind, zumal kein konkurrierender Antrag auf Grundwassernutzung vorliegt.
Wegen fortbestehender Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides vom 19. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Juli 2016 erweist sich der im Hauptantrag gestellte Feststellungsantrag der Erledigung somit als unbegründet.
Hinsichtlich einer isolierten Anfechtung des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 ist nicht ersichtlich, inwieweit die Klägerin dadurch in eigenen Rechten verletzt sein könnte (§ 42 Abs. 2 VwGO). Wie ausgeführt werden berechtigte Interessen Dritter durch die Fristverlängerung nicht tangiert.
Die Klägerin kann ihre Rechte daher vollumfänglich im Wege der hilfsweise geltend gemachten Anfechtungsklage gegen die wasserrechtliche Erlaubnis vom 19. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 geltend machen.
2. Das hilfsweise geltend gemachte Anfechtungsbegehren ist zwar zulässig, insbesondere erweist sich die Klägerin im Hinblick auf die ihr übertragene Unterhaltungslast für den … in den renaturierten Bereichen als klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Klage ist jedoch unbegründet, da die erlaubte Grundwasserentnahme durch den angefochtenen Bescheid vom 19. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11. Juli 2016 die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1. Die Klagebefugnis der Klägerin nach § 42 Abs. 2 VwGO ergibt sich aufgrund einer möglichen Erschwerung der ihr übertragenen Aufgaben im Rahmen des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts.
Die der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Gestattung in Gestalt einer beschränkten Erlaubnis nach § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 WHG i. V. m. Art. 15 BayWG räumt einem Begünstigten zwar kein subjektives öffentliches Recht mit Außenwirkung ein und ergeht auch unbeschadet privater Rechte Dritter. Gleichwohl ist gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 1 WHG i. V. m. Art. 15 BayWG auch im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren auf nachteilige Wirkungen für Dritte Rücksicht zu nehmen. Öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz für den Bereich des Wasserrechts lässt sich nach ständiger Rechtsprechung nicht anders als für andere Gebiete des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften herleiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen deutlich erkennen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 11.6.2013 – 8 ZB 12.725 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56.81 – BVerwGE 78, 40/41). Bei einer Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung für eine bestimmte Gewässerbenutzung ist die Wasserbehörde einem Entscheidungsprogramm unterworfen, das ihr aufgibt, auch die Interessen Dritter, die von der angestrebten Gewässerbenutzung berührt werden, zu berücksichtigen. Es entspricht der Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Gewässerbewirtschaftung, verschiedene gegebenenfalls miteinander in Widerstreit stehende Interessen an einer Nutzung des Gewässers zum Wohle der Allgemeinheit und auch im Interesse Einzelner zu koordinieren und einen haushalterischen Umgang mit Wasser und Gewässern zu gewährleisten. Das der Wasserbehörde zustehende Bewirtschaftungsermessen beinhaltet auch die Pflicht, auf die Belange Dritter Rücksicht zu nehmen. Das in §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 bis 6 WHG für wasserrechtliche Gestattungen gleichermaßen verankerte Gebot, auf Belange anderer Rücksicht zu nehmen, vermittelt ungeachtet seines objektiv rechtlichen Geltungsanspruchs Drittschutz insoweit, als die Belange eines anderen in einer qualifizierten und individualisierten Weise betroffen sind. Eine solche individualisierte und qualifizierte Betroffenheit eines Dritten ist dann gegeben, wenn er zu einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis zählt, und seine Belange durch eine Gewässerbenutzung, für die die Gestattung erteilt wurde, in gravierender Weise betroffen werden.
Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO fehlt nur dann, wenn subjektive Rechte der Klägerin offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein können. § 42 Abs. 2 VwGO dient dazu, Popularklagen zu verhindern; der Sinn der Klagebefugnis besteht jedoch nicht darin, ernsthaft streitige Fragen über das Bestehen eines subjektiven Rechts, von deren Beantwortung der Klageerfolg abhängen kann, bereits vorab im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu klären (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2004 – 4 C 11/03 – juris Rn. 20).
Zu den Rechten bzw. Interessen Dritter im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 3 WHG gehören auch Abwehrrechte gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen kommunaler öffentlicher Einrichtungen oder sonstiger Selbstverwaltungsbelange. Die Gemeinden sind insoweit nicht nur Träger öffentlicher Interessen. Sie können vielmehr in dieser Eigenschaft auch Träger eigener Rechte sein und das Wohl der Allgemeinheit insoweit verteidigen, als dieses durch ihre Selbstverwaltungsbefugnis qualifiziert ist. Die gemeindliche Selbstverwaltungsbefugnis vermittelt ein Abwehrrecht gegenüber erheblichen Beeinträchtigungen gemeindlicher Einrichtungen unabhängig von ihrer Größe und Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 29.5.2008 – 22 ZB 08.75 – juris Rn. 7). Aufgaben des eigenen Wirkungskreises sind dem Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden zugeordnet. Soweit sich eine Gemeinde gegen eine Beeinträchtigung dieser Aufgabenwahrnehmung wendet, nimmt sie eigene Rechte wahr.
Auch wenn den Bewirtschaftungszielen des § 27 WHG, die die Umweltziele des Art. 4 der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in nationales deutsches Recht umsetzen, unter Berücksichtigung ihres unionsrechtlichen Ursprungs kein drittschützender Charakter zukommt (vgl. VGH Hessen, U.v. 1.9.2011 – 7 A 1736/10 – juris), handelt es sich bei der der Klägerin übertragenen Unterhaltungslast für die renaturierten Bereiche des … gemäß Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 Alternative 1 BayWG um eine Aufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 57 Abs. 1 GO (vgl. Stimpfl, in: Praxis der Kommunalverwaltung – PdK – Bayern, Art. 22 BayWG, Erl. 2 – beckonline). Da eine Abflussminderung des … infolge der erlaubten Grundwässerbenutzung nicht auszuschließen ist, erscheint eine Erschwerung der der Klägerin obliegenden Unterhaltungslast für den … zumindest nicht offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise ausgeschlossen. Die durchgeführten Renaturierungsmaßnahmen am … und die im Zuge dessen übertragene Unterhaltungslast als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises vermögen daher die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis zu begründen.
Die Anfechtungsklage gegen die wasserrechtliche Erlaubnis vom 19. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 erweist sich auch im Übrigen als zulässig.
2.2. Die hilfsweise erhobene Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtene beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis vom 19. Mai 2015 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Im Rahmen einer Anfechtung einer wasserrechtlichen Gestattung können Drittbetroffene Verstöße gegen materielles Recht nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn gegen solche Vorschriften verstoßen wurde, deren Verletzung aufgrund einer drittschützenden Wirkung der jeweiligen Norm auch von Drittbetroffenen gerügt werden kann. Gemeinden, die sich unter Hinweis auf ihr Selbstverwaltungsrecht oder ihre sonstigen Belange gegen belastende Maßnahmen zur Wehr setzen, können im Rahmen der Anfechtung einer einem Dritten erteilten wasserrechtlichen Gestattung keine umfassende Rechtmäßigkeitsprüfung einfordern. Es ist ihnen auch unter Berufung auf ihr verfassungsrechtlich geschütztes Selbstverwaltungsrecht verwehrt, sich zum gesamtverantwortlichen Wächter des Natur- und des sonstigen Umweltschutzes aufzuschwingen und als solcher Belange der Allgemeinheit zu wahren, die nicht speziell ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2004 – 4 C 11/03 – juris). Die Klägerin ist somit entsprechend der subjektivrechtlichen Prägung des Rechtsschutzes darauf beschränkt, die speziell ihrem Selbstverwaltungsrecht zugeordneten Belange geltend zu machen.
2.2.1. Es kann vorliegend offenbleiben, ob die streitgegenständliche erlaubte Gewässerbenutzung zu einer Übernutzung des Grundwasserangebots und damit zu schädlichen Gewässerveränderungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 1 WHG führt. Denn § 12 Abs. 1 WHG stellt allein auf das Allgemeinwohl ab, so dass insoweit nicht von einer drittschützenden Norm ausgegangen werden kann. Der Klägerin ist es daher versagt, sich auf das Vorliegen von allein im öffentlichen Interesse stehenden Versagungsgründen im Sinne von § 12 Abs. 1 WHG zu berufen.
2.2.2. Mangels drittschützenden Charakters kann sich die Klägerin auch nicht auf die Einhaltung der Bewirtschaftungsziele des § 27 WHG in Umsetzung der WRRL und des darin enthaltenen Verschlechterungsverbots für oberirdische Gewässer berufen (vgl. VGH Hessen, U.v. 1.9.2011 – 7 A 1736/10 – juris Rn. 92).
2.2.3. Die Klägerin kann somit lediglich eine rücksichtnehmende Beachtung ihrer Belange im Rahmen der Entscheidung in Ausübung des Bewirtschaftungsermessens nach § 12 Abs. 2 WHG beanspruchen. Dabei kann die Klägerin zwar eine Berücksichtigung der ihr als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises nach Art. 57 Abs. 1 GO übertragenen Unterhaltungslast für den … in den renaturierten Bereichen verlangen. Im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der getroffenen Ermessensentscheidung der Behörde ist vorliegend jedoch nicht ersichtlich, dass die insoweit bestehenden Belange der Klägerin unzureichend oder fehlgewichtet worden wären. Eine Verletzung der klägerischen Aufgabenwahrnehmung als Bestandteil des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts durch die angefochtene beschränkte wasserrechtliche Erlaubnis vom 19. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 ist wegen der Geringfügigkeit der Auswirkungen der erlaubten Grundwasserentnahme auf den … entsprechend der überzeugenden fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes als amtlichem Sachverständigen nicht gegeben.
Bei der Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung für eine bestimmte Gewässerbenutzung ist die Wasserbehörde einem Entscheidungsprogramm unterworfen, das ihr – wie insbesondere §§ 6 Abs. 1 Nr. 3, 13 Abs. 1 WHG belegen – auch aufgibt, auf die Interessen Dritter, die von der angestrebten Gewässerbenutzung in qualifizierter und individualisierter Weise betroffen werden, Rücksicht zu nehmen. Gegenüber wasserrechtlichen Gestattungen ergibt sich ein Abwehrrecht aus dem Gebot der Rücksichtnahme, wenn sich die erteilte Gestattung als Ermessensentscheidung im Hinblick auf die Belange eines Dritten nicht nur als objektiv defizitär, sondern darüber hinaus als rücksichtslos darstellt (vgl. VGH Hessen, U.v. 1.9.2011, a. a. O.).
Die getroffene Ermessensentscheidung ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar, ob die Behörde von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist, die für und gegen den Kläger sprechenden Belange berücksichtigt, keine sachfremden Erwägungen angestellt und die berührten Belange schließlich in nicht zu beanstandender Weise gewichtet hat. Rechtsfehler sind insoweit nur beachtlich, wenn diese mit einer Verletzung der Klägerin in eigenen subjektivöffentlichen Rechten verbunden wären.
Eine Rücksichtnahme auf lediglich geringfügige und daher zumutbare Nachteile von Dritten ist nicht geboten (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2007 – 22 B 06.3236 – juris Rn. 29; BVerwG, B.v. 6.9.2004 – 7 B 62/04 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 14.9.2006 – 22 ZB 06.2199 – juris Rn. 5). Die gerichtliche Anfechtung einer wasserrechtlichen beschränkten Erlaubnis durch einen Dritten muss dann erfolglos bleiben, wenn die Nachteile der gestatteten Gewässerbenutzung für ihn nur geringfügig und daher zumutbar sind. Denn sinnvolle Gewässerbenutzungen wären kaum denkbar, wenn die Gestattung von Gewässerbenutzungen bereits dann unterbleiben müsste, wenn diese geringfügige Beeinträchtigungen verursachten (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2006, a. a. O.).
Nach diesen Maßstäben ist die Kammer unter Würdigung der Aussagen der beteiligten Sachverständigen und insbesondere der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes als dem amtlichen Sachverständigen zu der Überzeugung gelangt, dass für die Unterhaltungspflicht der Klägerin für den … in den renaturierten Bereichen durch die erlaubte Grundwasserentnahme keine erheblichen, unzumutbaren nachteiligen Wirkungen zu erwarten sind.
Amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes kommt nach ständiger Rechtsprechung eine besondere Bedeutung zu, weil sie auf jahrelanger Bearbeitung eines bestimmten Gebietes und nicht nur auf der Auswertung von Aktenvorgängen im Einzelfall beruhen und damit grundsätzlich ein wesentlich größeres Gewicht haben als Expertisen von privaten Fachinstituten. Den amtlichen Auskünften und Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes kommt entsprechend seiner Stellung als wasserwirtschaftlicher Fachbehörde nach Art. 63 Abs. 3 Satz 1 und 2 BayWG eine besondere Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 7.6.2016 – 8 A 14.40011 – juris Rn. 31; B.v. 22.5.2009 – 22 ZB 08.1820 – juris Rn. 19; B.v. 7.3.2016 – 8 ZB 14.2628 – juris Rn. 8). In der Rechtsprechung ist außerdem geklärt, dass sich ein Tatsachengericht ohne einen Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht grundsätzlich auf gutachtliche Stellungnahmen anderer Behörden stützen kann, und zwar auch dann, wenn sie von der federführenden Behörde bereits im Verwaltungsverfahren eingeholt wurden (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2011 – 8 ZB 10.2312 – BayVBl. 2012, 47/48; B.v. 26.2.2007 – 8 ZB 06.879 – juris). Die Notwendigkeit einer Abweichung und einer eventuellen Einholung weiterer Gutachten zur Aufhellung des Sachverhalts ist lediglich dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängen muss, dass das Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes unvollständig, widersprüchlich oder aus sonstigen Gründen nicht überzeugend ist, wenn es auf unzutreffenden tatsächlichen Annahmen beruht, wenn Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Sachverständigen bestehen, wenn ein anderer Gutachter über neuere oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn die Erkenntnisse, die in dem Gutachten ihren Niederschlag gefunden haben, durch substantiierte Einwände der Beteiligten ernsthaft in Frage gestellt erscheinen (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2011, a. a. O.).
Gemessen hieran sind die gutachterlichen Äußerungen des Wasserwirtschaftsamtes … plausibel, nachvollziehbar und überzeugend. Zwar hat das Wasserwirtschaftsamt … mit Gutachten vom 3. März 2015 ausgeführt, dass aufgrund der ohnehin geringen Wasserführung des … eine negative Auswirkung auf das Gewässer nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Nach der fachlichen Einschätzung mit Stellungnahme vom 12. Oktober 2015 ist nach einer groben Abschätzung eine Abflussminderung um ca. 10% bei der Quelle unter Annahme eines im Kluftgrundwasserleiter üblichen Erschließungsfaktors von 50% bis 60% und einer Betroffenheit des Einzugsgebietes des Quelltopfes von ca. einem Viertel möglich. Eine Abflussminderung in den Bereichen, die durch die Klägerin renaturiert wurden und für die der Klägerin die Unterhaltungslast obliegt, ist unter Berücksichtigung der Entfernung von ca. 4 km zur Grundwasserentnahme und einer Entfernung zum Quellbereich von mindestens 1,5 km im Abstrom, sowie insbesondere unter Berücksichtigung der Speisung des … aus weiteren Zuflüssen in diesem Verlauf als gering einzuschätzen. Nach der fachlichen Einschätzung des Wasserwirtschaftsamtes können schädliche und nachhaltige Veränderungen für den … ausgeschlossen werden.
Der Einwand von Klägerseite, genaue Angaben hinsichtlich der Auswirkungen auf den … im weiteren Verlauf seien wegen fehlender Untersuchungen nicht möglich, vermag eine Rechtsverletzung der Klägerin ebenso wenig zu begründen wie eine weitere Aufklärungspflicht. Denn Erkenntnislücken hinsichtlich der konkreten Auswirkungen von Gewässerbenutzungen sind häufig unvermeidbar und mit verhältnismäßigem, dem konkreten Konflikt angemessenem Aufwand nicht zu schließen. In diesem Fall ist es gerechtfertigt, sich mit Sachverständigenabschätzungen zu begnügen (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2002 – 22 ZB 02.1206 – juris Rn. 9).
Vorliegend ist auch unter Berücksichtigung seiner geringen Wasserführung der … von der erlaubten Grundwasserentnahme allenfalls in seinem Quellgebiet in geringem Umfang möglicherweise betroffen. Die Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Auswirkung im weiteren Verlauf, insbesondere in dem zumindest 1,5 km stromabwärts befindlichen renaturierten Bereich der Klägerin ist so gering, dass sich hier keine weiteren detaillierten Untersuchungen aufdrängen mussten. Unter Berücksichtigung der fachlich prognostizierten Geringfügigkeit der Auswirkungen auf den … genügt vorliegend der unter Ziffer 6) des angefochtenen Bescheids ausgesprochene Widerrufsvorbehalt für den Fall einer beachtlichen Verringerung des Abflusses des …, um auch außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, schädliche Auswirkungen auszuschließen. Eine weitergehende Rücksichtnahme auf lediglich geringfügige, unwahrscheinliche Nachteile in Form von drittschützenden Nebenbestimmungen war nicht geboten.
Nach den fachlich überzeugenden Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes sind somit durch die erlaubte Grundwasserentnahme keine gravierenden oder unzumutbaren Nachteile für die Gewässerunterhaltung der Klägerin für den … in den renaturierten Bereichen zu erwarten. Die erlaubte Gewässerbenutzung mit Bescheid vom 19. Mai 2015 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11. Juli 2016 verletzt damit die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3. Die Klage war daher mit der Kostenfolge der §§ 154 Abs. 1, Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Dabei entsprach es billigem Ermessen, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Klägerin aufzuerlegen, da seitens der Beigeladenen das Verfahren gefördert wurde und diese sich mit der Antragstellung in ein Kostenrisiko begeben haben.
4. Die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
5.
Gründe für die Zulassung einer Berufung nach § 124a Abs. 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
gez.gez.gez.
………
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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