Europarecht

Dieselskandal

Aktenzeichen  23 O 228/18

Datum:
1.4.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 33739
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2 § 826, § 831
StVZO § 19 Abs. 2
StGB § 13 Abs. 1, § 263 Abs.1
ZPO § 709 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1. Im Zusammenhang mit dem sogenannten „Abgasskandal“ an einer vergleichbaren, am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt es. Der Kläger  müsste einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, konkret darlegen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 29.880,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet und war daher abzuweisen.
A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht D. für die Klage sachlich nach §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 32 ZPO: Ausgehend von der klägerischen Behauptung einer unerlaubten Handlung – nämlich Betrug bzw. sittenwidrige Schädigung, § 826 BGB – besteht ein deliktischer Gerichtsstand am Ort der Tatbegehung. Begangen ist die Tat sowohl an dem Ort, an dem der Täter gehandelt hat oder – bei Unterlassungsdelikten – hätte handeln müssen (Handlungsort), als auch an dem Ort, an dem in das geschützte Rechtsgut eingegriffen wurde (Erfolgsort). Wenn – wie hier – der Schadenseintritt selbst zum Tatbestand der Rechtsverletzung gehört, ist der Ort des Schadenseintritts Verletzungs- und damit Begehensort (vgl. Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 32. Auflage 2018, § 32 Rn. 16). Hierzu zählt auch der Wohnort des Klägers in …, der zum Landgerichtsbezirk D. gehört. Angesichts der gegebenen Zuständigkeit des Landgerichts D. kommt es auf den Umstand, dass sich die Beklagte im Termin vom 28.01.2019 überdies rügelos zur Sache eingelassen hat, § 39 S. 1 ZPO, nicht an.
B.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus keinem Rechtsgrund Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen (Rück-)Übereignung des streitgegenständlichen Pkw VW Passat. Die Frage, ob der Kläger sich im Rahmen des Vorteilsausgleiches gezogene Nutzungen in Gestalt der gefahrenen Kilometer anrechnen lassen muss, kann daher dahingestellt bleiben.
I.
Vertragliche Schadensersatzansprüche kommen vorliegend nicht in Betracht. Eine unmittelbare Vertragsbeziehung zwischen dem Kläger und der Beklagten als Herstellerin des von ihm erworbenen Gebrauchtfahrzeuges bestanden zu keinem Zeitpunkt; der Kläger hat das Fahrzeug bei einem Autohaus erworben. Auch unter dem Gesichtspunkt der §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB kommt ein Anspruch vorliegend nicht in Betracht. Nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Nicht-Vertragsparteien insbesondere dann, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das ist bei der Beklagten nicht der Fall. Sie war weder unmittelbar noch mittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt noch hatte sie als Herstellerin des Fahrzeuges ein über ihr allgemeines – durch die Lieferung des Fahrzeuges an den Händler ohnehin befriedigtes – Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Vertragsabschluss mit dem Kläger.
II.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. § 263 StGB auf Rückzahlung des Kaufpreises für das Fahrzeug.
1. Der klägerische Vortrag lässt bereits eine konkrete, an der Person des Klägers und dessen Vorstellungsbild orientierte Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des deliktischen Tatbestandes, insbesondere hinsichtlich von Täuschung und Irrtumserregung, vermissen. Im Rahmen der Klageschrift hat der Kläger seinen Anspruch ausdrücklich auf die von ihm behauptete sittenwidrige Schädigung, nach dem Verständnis des Gerichts damit auf § 826 BGB gestützt. Ausführungen zu einer Täuschungshandlung durch die Beklagte als Herstellerin des Motors sowie einem hierdurch in der Person des Klägers hervorgerufenen Irrtum hat der Kläger nicht gemacht; soweit im Rahmen der Replik Stellung zu den Ausführungen der Beklagtenseite zu §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB genommen wird, erfolgte dies unter Wiedergabe zahlreicher Judikate, jedoch ohne konkreten Bezug zu dem hiesigen Kläger. Konkrete Anhaltspunkte dahingehend, inwieweit der Kläger durch die – an dem gegenständlichen Vertragsschluss nicht beteiligte – Beklagte getäuscht worden ist, ergaben sich auch aus der informatorischen Anhörung des Klägers im Verhandlungstermin vom 28.01.2019 insoweit nicht (Bl. 187 d.A.).
2. Eine aktive Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber dem Kläger ist vorliegend weder vorgetragen (siehe oben B. II. 1) noch ersichtlich. Soweit der Kläger auf das Inverkehrbringen des Fahrzeugs ohne Hinweis auf die Manipulation abstellt (S. 4 der Klageschrift, Bl. 4 d.A.: „unter Verschweigen der gesetzeswidrigen Softwareprogrammierung“), sind das keine Handlungen der Beklagten, die gerade gegenüber dem Kläger vorgenommen worden sind. Denn der Kläger hat das Fahrzeug nicht von der Beklagten selbst gekauft, sondern als Gebrauchtfahrzeug von einem Fahrzeughändler.
3. In Betracht kommt daher lediglich eine Täuschung hinsichtlich der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es steht zwar fest, dass die Beklagte das Motorsteuergerät des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung i.S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen hat – auf den Bescheid vom 21.07.2016 (beklagtenseits vorgelegt im Rahmen des nicht nummerierten Anlagenkonvoluts) wird insoweit ergänzend Bezug genommen. Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, für die es jedoch an einer Garantenstellung der Beklagten i.S. von § 13 Abs. 1 StGB fehlt.
a. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2007, 398, 399 m.w.N.), der das Gericht folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d.h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Diese Grundsätze sind auch auf europäische Rechtsakte übertragbar.
Das Kraftfahrt-Bundesamt hat mit Bestätigung vom 21.07.2016 das Software-Update für Fahrzeuge des Typs VW Passat freigegeben (Anlagenkonvolut Beklagte) und bestätigt, dass die technische Lösung in Form des Software-Updates hinsichtlich der Abgasemissionen und Dauerhaltbarkeit emissionsmindernder Einrichtungen die gesetzlichen Vorgaben einhält, ferner dass Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen ebenso unverändert bleiben wie die Motorleistung. Jedenfalls nicht nach Durchführung des Software-Updates droht eine Betriebsuntersagung nicht.
b. Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraus, d.h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolges einzustehen hat. Soweit es um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 – 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Für die vertraglich nicht mit dem Käufer verbundene Beklagte – die Herstellerin des von dem Kläger als Gebrauchtwagen erworbenen Fahrzeuges – muss das erst recht gelten.
(1) Eine Aufklärungspflicht der Beklagten würde gleichwohl dann bestehen, wenn infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung des Gerichts sind damit aber nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden kann, dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“.
(2) Dass aber die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein von der Genehmigungsbehörde freigegebenes Software-Update zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Dies gilt insbesondere für den behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts (Bl. 3 d.A.: „massiver Wertverlust“). Für den Fall eines sogenannten Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeuges als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 – VIII ZR 330/06). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeuges bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht. Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sogenannten „Abgasskandal“ an einer vergleichbaren, am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt. Der Kläger müsste einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen. Ein Preisverfall, der darauf beruht, dass Diesel-Fahrzeuge aufgrund der seit einigen Jahren geführten öffentlichen Diskussion – gleich ob berechtigt oder nicht – „in Verruf geraten“ oder generell aus anderen Gründen, die nicht mit der gegenständlichen Software in Zusammenhang stehen, in der Käufergunst gesunken sind, wäre nicht ausreichend. Ein dahingehender Sachvortrag wäre dem Kläger, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z.B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z.B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Substantiierten Sachvortrag hat der Kläger, der sich auf die Angabe beschränkt, der Einsatz der Software verursache einen „massiven Wertverlust“ des Fahrzeuges um mindestens 30 % (Bl. 3 d.A.), insoweit nicht vorgebracht; auch ist er dem Vorbringen der Beklagten nicht entgegengetreten, wonach die Verkaufswerte der Fahrzeuge mit Motor des Typs EA 189 seit über knapp zwei Jahren stabil geblieben seien (S. 8 der Klageerwiderung; zur Darlegungslast betreffend die Behauptung eines merkantilen Minderwerts vgl. jeweils aus LG Braunschweig, Urteil vom 14.02.2018 – Az. 3 O 1915/17; LG Deggendorf, Urteil vom 15.02.2018 – 32 O 127/17; OLG Dresden, Urteil vom 01.03.2018 – 10 U 1561/17, jeweils für den Fall der Minderung ohne vorherige Fristsetzung).
(3) Eine Garantenpflicht zugunsten des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m.w.N.). Den Erwägungsgründen der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.
c. Eine deliktische Haftung der Beklagten würde in jedem Fall voraussetzen, § 31 BGB, dass im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses Vorstandsmitglieder der Beklagten von der verbauten Manipulationssoftware Kenntnis hatten. Dies hat der Kläger nicht annähernd substantiiert dargelegt.
(1) Die Beklagte haftet gemäß § 31 BGB nur für das Verhalten von Vorstandsmitgliedern. Substantiiertes und mit Beweisangeboten unterlegtes Vorbringen der Klagepartei, welches (namentlich zu benennende) Vorstandsmitglied zu welchem Zeitpunkt von welchen Vorgängen Kenntnis gehabt haben soll, ist aber nicht erfolgt. Dies ist indes unverzichtbar, weil nicht auf die Feststellung verzichtet werden kann, ob der damalige Vorstand der Beklagten (oder ein sonstiger verfassungsmäßiger Vertreter i.S.d. § 31 BGB) die objektiven und subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (BGH v. 28.06.2016, VI ZR 536/15 – NJW 2017, 250 Rn. 27).
(2) Die Ausführung auf S. 3 und 4 der Klageschrift (= Bl. 3/4 d.A.) erfüllen nicht die Anforderungen an einen substantiierten Klägervortrag. Zwar wird dort der Zeuge W…, der immerhin im fraglichen Zeitraum Mitglied des Vorstands der Beklagten war, mehrfach zum Beweis angeboten. Dies erfolgt allerdings zum einen für den Umstand, dass der Zeuge eine merkantile Wertminderung der betroffenen Fahrzeuge von bis zu 30 % in Kauf genommen hätte. Dieser Vortrag ist sichtlich ins Blaue hinein erfolgt. Zwar führt der Kläger zunächst aus, die Manipulationssoftware „sei nicht ohne Kenntnis des Vorstandes“ verbaut worden. Es ist aber nicht nachvollziehbar, was das „Inkaufnehmen“ eines merkantilen Minderwerts durch W… mit der „Nicht-ohne-Kenntnis“ der Softwareverwendung seitens eines nicht namentlich benannten Mitglieds „des Vorstandes“, der aber doch aus mehreren Personen besteht, zu tun hat. Dass der Zeuge W… (also nicht etwaige Mitarbeiter, sondern W… selbst) zum anderen die „Schummelsoftware“ weiterentwickelt hat, würde – wenn es zuträfe – kein Beleg dafür sein, dass sie auch zum Einsatz gebracht wurde, und vor allem nicht dafür, dass dies mit Wissen eines Vorstandsmitglieds geschehen ist. Insgesamt fehlt daher dem Vorbringen des Klägers jegliche Substantiierung nach Inhalt, Ort und Zeit der behaupteten Vorgänge. Vor diesem Hintergrund liefe eine Vernehmung des Zeugen W… auf eine bloße Ausforschung hinaus.
III.
Deliktische Ansprüche des Klägers gegen die Beklagten aufgrund der Verletzung eines Schutzgesetzes, § 823 Abs. 2 BGB, kommen vorliegend nicht in Betracht.
1. Der Kläger kann auch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 38 Abs. 1 BlmSchG keine Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte herleiten. § 38 Abs. 1 BlmSchG dient bereits nach seinem Wortlaut dem „Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen“ und sieht daher vor, dass Kraftfahrzeuge so beschaffen sein müssen, dass ihre Emissionen die zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen einzuhaltenden Grenzwerte nicht überschreiten. Die Norm dient daher in erster Linie dem Schutz der Umwelt, allenfalls noch dem Schutz der Gesundheit des Einzelnen, sie bezweckt aber in keinster Weise den Schutz des Vermögens des Klägers. § 38 Abs. 1 BlmSchG stellt daher kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.
2. Entsprechendes gilt für § 823 II BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 II BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf den Inhalt und den Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die – wie hier die EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier der Richtlinie 2007/46/EG – an. Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll.
IV.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die geltend gemachte Kaufpreisrückzahlung aus §§ 826, 31 BGB.
1. Für eine Haftung aus §§ 826, 31 BGB reicht allein der – feststehende – Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 – II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m.w.N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt, dient die verletzte EG-Verordnung Nr. 715/2007 aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen. Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m.w.N.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) ausgeführt, trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu (jeweils Landgericht Braunschweig, Urteil vom 10.01.2018, Az. 3 O 622/17, Urteil vom 17.01.2018, Az. 3 O 3447/16, Urteil vom 06.02.2018, Az. 11 O 1175/17, Urteil vom 14.02.2018, Az. 3 O 1915/17, Urteil vom 27.10.2017, Az. 3 O 136/17; jeweils Landgericht Deggendorf, Urteil vom 15.02.2018, Az. 32 O 127/17, und Urteil vom 20.02.2018, Az. 31 O 140/16).
2. Hinsichtlich der Frage der Zurechnung nach § 31 BGB wird im Übrigen auf obige Ausführungen (siehe oben B.II.2.c.) verwiesen.
V.
Mangels erfüllter deliktischer Haftungstatbestände vermag schließlich auch § 831 BGB den Klageantrag nicht zu begründen.
VI.
Nachdem ein Anspruch des Klägers bereits dem Grunde nach nicht gegeben ist, kann vorliegend dahinstehen, ob ein Anspruch aufgrund der mit der erfolgten Finanzierung des Fahrzeuges einhergehenden Sicherungsübereignung entfiele. Der Kläger hat insoweit innerhalb nachgelassener Schriftsatzfrist mitgeteilt, dass die Finanzierung mit Schlussrate vom 01.03.2019 beendet worden sei.
VII.
Mangels Verpflichtung zur Rücknahme des Fahrzeugs befindet sich die Beklagte insoweit auch nicht in Annahmeverzug. Der dahingehende Feststellungsantrag des Klägers (Ziffer 2 der Anträge) ist deshalb ebenfalls unbegründet.
VIII.
Mangels Erfolges der Klage in der Hauptsache besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen (Zinsen und Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten).
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 S. 1, S. 2 ZPO. Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO: Nebenforderungen bleiben gemäß § 4 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt, der Antrag auf Feststellung des Annahmeverzuges (Ziffer 3) ist ohne wirtschaftlichen Wert.
Verkündet am 01.04.2019


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