Europarecht

Dublin III-Verfahren (Griechenland): Erfolgreiches Eilverfahren aufgrund offener Erfolgsaussichten im Fall einer Ehe mit einem Begünstigten internationalen Schutzes

Aktenzeichen  AN 17 S 19.50953

Datum:
4.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 30749
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a
Dublin III-VO Art. 9, Art. 17 Abs. 1, Art. 23 Abs. 4
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Zur Zuständigkeit im Falle einer Ehe mit einem Begünstigen internationalen Schutzes (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. September 2019 im Verfahren AN 17 K 19.50954 gegen Ziffer 3. des Bescheids des Bundesamtes für … vom 10. September 2019 wird angeordnet.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … …, … für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gewährt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Griechenland im Zuge eines Dublin-Verfahrens und begehrt Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Eilverfahren.
Die … 1995 in …Irak geborene Antragstellerin ist irakische Staatsangehörige und nach eigenen Angaben kurdischer Volks- und yezidischer Glaubenszugehörigkeit. Sie reiste am 24. Juli 2019 in die Bundesrepublik Deutschland ein, äußerte am selben Tag ein Asylgesuch und stellte am 12. August 2019 einen förmlichen Asylantrag. Im Verfahren vor dem Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) legte die Antragstellerin eine Heiratsurkunde, ausgestellt durch das Personenstandsgericht in … der Irakischen Republik im Original vor, von dem die Antragsgegnerin eine Übersetzung ins Deutsche anfertigen ließ (Bl. 114 d. Bundesamtsakte). Danach ist beurkundet, dass die Antragstellerin und ein Herr … … … am … 2018 vor dem Personenstandsgericht die Ehe haben eintragen lassen, wobei der Übersetzung zu entnehmen ist, dass die Antragstellerin persönlich erschienen ist; hinsichtlich des Ehemannes heißt es in der Übersetzung: „Herr … … … und sein Vertreter Herr … … … sind vor Gericht erschienen.“.
Das Bundesamt befragte die Antragstellerin zunächst zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates und zur Zulässigkeit des gestellten Asylantrages sowie zu den Asylgründen vorsorglich am 22. August 2019. In den Anhörungen gab die Antragstellerin im Wesentlichen an, ihr Heimatland zuletzt am 16. Juli 2019 auf dem Landweg über die Türkei in Richtung Deutschland verlassen zu haben. Welche Länder sie im Einzelnen durchquert habe, wisse sie nicht. Die Reise habe ca. eine Woche gedauert. Ihr Ehemann halte sich in … auf. Dieser habe internationalen Schutz beantragt und zuerkannt bekommen. Sie sei auf die Unterstützung ihres Mannes angewiesen. Zur Zeit der Befragung sei sie weder schwanger noch leide sie an behandlungsbedürftigen Erkrankungen. Ihr einziger Grund, nach Deutschland zu kommen, sei der Umstand, dass ihr Ehemann hier lebe. Einen Asylantrag habe sie ansonsten noch in keinem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union gestellt. Sie sei Yezidin. Sie habe die Schule bis zur siebten Klasse besucht, diese aber nicht abgeschlossen. Sie sei Hausfrau und habe im Irak von ihrem Vater gelebt.
Die Ermittlungen des Bundesamtes in der EURODAC-Datenbank ergaben zwei Treffer der Kategorie 1 und 2 für Griechenland mit Datum der Abnahme der Fingerabdrücke am 29. Juni 2019 in Orestiada und am 2. Juli 2019 in Flyakio sowie jeweils Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz.
Die Antragstellerin erklärte gegenüber dem Bundesamt formularmäßig, an die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Familieneinheit zu wünschen. Eine schriftliche Erklärung dazu durch den von der Antragstellerin angegebenen Ehemann befindet sich nicht bei der Bundesamtsakte.
Auf das Aufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 26. August 2019 hin teilte die Hellenische Republik am 9. September 2019 mit, dass die Zuständigkeit Griechenlands anerkannt und die Antragstellerin nach Art. 18 Abs. 1 b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO) unter Zusicherung einer mit der RL 2013/13/EU (Aufnahmerichtlinie) konformen Unterbringung zugesichert werde. Weiter teilten die griechischen Behörden mit, dass das Asylgesuch der Antragstellerin noch nicht abschließend bearbeitet worden sei.
Mit angegriffenem Bescheid vom 10. September 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag der Antragstellerin als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Griechenland an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung. In den Gründen des Bescheids ist u.a. ausgeführt, dass der Vortrag der Antragstellerin zu ihrem Ehemann keine schützenswerte Ehegemeinschaft belege. Es habe sich um den Abschluss einer Stellvertreterehe auf Seiten des Ehemannes gehandelt, was aus der vorgelegten Eheurkunde hervorgehe. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Feststellungen und Gründe verwiesen.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin in den Räumen der Zentralen Aufnahmeeinrichtung Zirndorf gegen Empfangsbestätigung am 17. September 2019 bekanntgegeben.
Hiergegen erhob die Antragstellerin durch Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 24. September 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach per Telefax am selben Tag eingegangen, Klage (Verfahren AN 17 K 19.50954), über die noch nicht entschieden ist, und stellte zugleich einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung. Zur Begründung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes trägt der Antragstellerbevollmächtigte vor, das griechische Asylsystem leide an systemischen Mängeln. Die Asylzentren in Griechenland seien hoffnungslos überfüllt. Auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in der Rechtssache „Jawo“ werde verwiesen. Ebenso werde auf Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen. Es sei zudem nicht ausreichend die bestehende Ehe der Antragstellerin berücksichtigt worden. Der Ehemann der Antragstellerin sei bereits seit 2015 als Flüchtling anerkannt.
Die Antragstellerin lässt beantragen (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO):
Die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen Ziffer 3. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 10. September 2019 wird angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2019 hat sich die Antragsgegnerin geäußert und beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsgegnerin verteidigt den angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe. Zum Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung hat sich die Antragsgegnerin nicht geäußert.
Nach gerichtlichem Hinweis teilte der Antragstellerbevollmächtigte mit weiterem Schriftsatz vom 4. Dezember 2019 mit, dass die Antragstellerin und ihr Ehemann schriftlich ihren Wunsch zur Wahrung der Familieneinheit bekunden, was durch Vorlage des entsprechenden Schreibens belegt werde. Die Antragstellerin halte sich auch bei ihrem Ehemann auf. Die Antragstellerin habe sich auch in ärztlicher Behandlung befunden, was ebenfalls durch ein Attest belegt werde.
Auf weitere Anfrage des Gerichts teilte die Antragsgegnerin unter dem 23. Januar 2020 mit, am streitgegenständlichen Bescheid werde festgehalten. Das Bundesamt teile nicht die Rechtsansicht, dass eine Stellvertreterehe für das Dublin-Verfahren beachtlich sei.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die in elektronischer Form vorgelegte Behördenakte (Az. …) verwiesen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 3. des Bescheides des Bundesamtes vom 10. September 2019 ist zulässig und begründet. Die Entscheidung ergeht durch den Berichterstatter als Einzelrichter gemäß § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung ist statthaft, weil die gleichzeitig erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG. Klage und Eilantrag sind fristgerecht innerhalb der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt worden. Sonstige Zulässigkeitsbedenken bestehen ebenfalls nicht.
Der Antrag ist im Rahmen einer Folgenabwägung aufgrund offener Erfolgsaussichten begründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses der Antragstellerin gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle. Sind diese als offen zu bewerten, hat das Gericht eine Folgenabwägung durchzuführen.
Die Prüfung der Sach- und Rechtslage führt hier noch nicht zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben oder erfolgreich sein wird. Ob sich die in Ziffer 3. des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylG) als rechtmäßig erweist, ist offen.
Zwar hat die Antragsgegnerin einen zutreffenden rechtlichen Maßstab im angegriffenen Bescheid zugrunde gelegt. Danach ist unter Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO) zu prüfen, ob ein anderer Mitgliedsstaat für die Behandlung des Asylantrages der Antragstellerin zuständig ist. Soweit Anhaltspunkte ergeben, dass die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates vorrangig besteht, das entsprechende Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverfahren fristgerecht durchgeführt wurde und die Bereitschaft des anderen Mitgliedsstaates besteht, die Antragstellerin (wieder) aufzunehmen, sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG erfüllt und hat das Bundesamt – soweit es eben nicht von einem Selbsteintrittsrecht Gebrauch macht – den Asylantrag als unzulässig abzulehnen und eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG zu erlassen. Anhaltspunkte für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsstaates können sich dabei aus Beweisen und Indizien im Sinne der Art. 22 Abs. 2 u. 3, 23 Abs. 2 Dublin III-VO ergeben, wobei in einem Wiederaufnahmeverfahren bei erneuter Antragstellung in einem anderen Mitgliedsstaat vorrangig auf die Treffermeldung aus der EURODAC-Datenbank abzustellen ist.
Im vorliegenden Sachverhalt ergeben sich für das Gericht aus der Behördenakte keine Zweifel, dass die Antragstellerin bereits in Griechenland einen Asylantrag gestellt hat, über den noch nicht abschließend entschieden wurde. Das folgt aus der Treffermeldung aus der EURODAC-Datenbank und dem Ergebnis des Wiederaufnahmeverfahrens, wie es das Bundesamt form- und fristgerecht durchgeführt hat. Dem gegenüber ist der Angabe der Antragstellerin in ihrer Anhörung vor dem Bundesamt, sie habe sich nicht in Griechenland aufgehalten und dort keinen Asylantrag gestellt, keine vorrangige Bedeutung beizumessen.
Dass die Abschiebungsanordnung im beklagten Bescheid darüber hinaus tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist, ist bislang weder dezidiert vorgetragen worden, noch für das Gericht offensichtlich gegeben. Soweit eine rechtliche Unmöglichkeit der Überstellung der Antragstellerin nach Griechenland im Hinblick auf mögliche systemische Mängel in Griechenland behauptet wird mit der Folge, dass sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin aus Art. 3 Abs. 2 UAbs. 2 Dublin III-VO bzw. aufgrund eines möglichen Anspruchs auf Selbsteintritt nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben könnte, lässt das Gericht die dahingehenden Fragen dahingestellt. Jedenfalls hat die hier zur Entscheidung berufene Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach sich mit der Frage des Vorliegens systemischer Mängel im griechischen Asylsystem bislang nur im Zusammenhang mit Klagen junger, gesunder und lediger Männer befasst (vgl. VG Ansbach, B.v. 14.9.2020 – 17 S 19.50793 – BeckRS 2020, 24952). Ob diese Rechtsprechung auf Fallkonstellationen der vorliegenden Art zu übertragen ist, bedarf im hier zu entscheidenden Eilverfahren keiner abschließenden und vorgreiflichen Bewertung.
Wohl nichtzutreffend dürfte sich dagegen der Entscheidungsmaßstab der Antragsgegnerin zur Beachtlichkeit der von der Antragstellerin vorgetragenen Ehe mit einem in Deutschland seit 2015 anerkannten Flüchtling erweisen. Beachtlich kann diese vorgetragene Eheschließung, die ausweislich der vorgelegten Übersetzung der Eheurkunde jedenfalls seit dem 3. Juni 2018 und damit vor der erstmaligen Antragstellung in Griechenland am 29. Juni 2019 besteht, für die Kriterien des III. Kapitels der Dublin III-VO sein. Insoweit beruft sich die Antragstellerin auch auf die Anwendung des Art. 9 Dublin III-VO. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Zuständigkeit eines Mitgliedsstaates danach, ob der Antragsteller einen Familienangehörigen – ungeachtet der Frage, ob die Familie bereits im Herkunftsland bestanden hat -, der in seiner Eigenschaft als Begünstigter internationalen Schutzes in einem Mitgliedstaat aufenthaltsberechtigt ist, hat, wenn die betreffenden Personen diesen Wunsch schriftlich kundtun. Ob die Voraussetzungen dieser Zuständigkeitsnorm für das Asylverfahren der Antragstellerin im Einzelnen erfüllt sind, kann nicht abschließend beurteilt werden. Auch soweit davon auszugehen sein sollte, dass die von der Antragstellerin vorgetragene Stellvertreter-Ehe als beachtliche Familieneinheit im Sinne der Art. 9 und 2 Buchst. g) erster Spiegelstrich Dublin III-VO zu berücksichtigen wäre, ist doch noch ungeklärt, ob auch das Zustimmungserfordernis des Art. 9 Dublin III-VO hier gewahrt ist. Die schriftliche Zustimmung des (behaupteten) Ehemannes der Antragstellerin wurde erstmals im anhängigen Gerichtsverfahren mit Schriftsatz des Antragstellerbevollmächtigten vom 4. Dezember 2019 vorgelegt. Dahingehend hat der Einzelrichter der 17. Kammer des Verwaltungsgerichts Ansbach bereits in einem anderen Verfahren entschieden, dass auch das Zustimmungserfordernis in Artikel 9 Dublin III-VO der Sperrklausel des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO unterliegt (vgl. VG Ansbach, B.v. 20.11.2019 – 17 S 19.51066 – BeckRS 2019, 29391), so dass sich hier die Vorlage der Zustimmung des Ehepartners als verspätet und unbeachtlich erweisen könnte. Auf der anderen Seite entspricht diese Rechtsauffassung nicht allseits gefestigter Meinung in der Kommentarliteratur und Rechtsprechung (vgl. BeckOK MigR/Thomann, 6. Ed. 1.10.2020, VO (EU) 604/2013 Art. 9 Rn. 8; VG Hannover, B.v. 19.4.2018 – 12 B 2392/18 – BeckRS 2018, 8424). Überdies wäre u.U. auch beachtlich, dass ausweislich der Behördenakte der Antragsgegnerin die Antragstellerin nicht über die Voraussetzungen des Art. 9 Dublin III-VO im Einzelnen belehrt wurde. Die sich in der Behördenakte befindenden Informations- und Belehrungsblätter (Bl. 6 u. 7 d. BAMF-Akte) belehren gerade nicht explizit dahingehend, dass auch der Ehepartner der Antragstellerin eine schriftliche Zustimmungserklärung vorlegen muss. Schließlich dürfte es auch an einer hinreichenden Information des ersuchten Staates – Griechenland – über die Prüfungsvoraussetzungen im Sinne des Art. 23 Abs. 4 UAbs. 1 Dublin III-VO in Form sachdienlicher Angaben aus der Erklärung der Antragstellerin fehlen, so dass die Hellenische Republik die Möglichkeit einer Prüfung des Art. 9 Dublin III-VO nicht ohne Weiteres in Betracht zu ziehen hatte (vgl. Bl. 107 – 109 d. BAMF-Akte).
Damit ist derzeit nicht abschließend beurteilbar, ob sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin aus Art. 9 Dublin III-VO oder ggf. auch aus Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergibt. Soweit der Europäische Gerichtshof im Zusammenhang mit dem Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin III-VO entschieden hat, dass sich der Antragsteller in dem zweiten Mitgliedsstaat, in dem er einen weiteren Asylantrag stellt, regelmäßig nicht auf Art. 9 Dublin III-VO berufen kann (vgl. EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – BeckRS 2019, 4643), gilt dies allerdings nicht absolut. Denn nach diesem Urteil kann sich ein Antragsteller im Rahmen eines Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO in einem von Art. 20 Abs. 5 dieser Verordnung erfassten Fall ausnahmsweise auf dieses Zuständigkeitskriterium berufen, soweit der Drittstaatsangehörige der zuständigen Behörde des ersuchenden Mitgliedstaats Informationen vorgelegt hat, die eindeutig belegen, dass er gemäß diesem Zuständigkeitskriterium als der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat anzusehen ist. Das ist im vorliegenden Fall jedenfalls nicht fernliegend.
Da diese Rechtsfragen der Klärung in einem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen, ist im Ergebnis eine Folgenabwägung durchzuführen. Hierbei erachtet es das Gericht als ermessensgerecht, zunächst der Antragstellerin ein Bleiberecht bis zur Entscheidung ihrer Klage (im Rahmen des § 80b Abs. 1 VwGO) zuzubilligen und das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin dem gegenüber vorläufig zu dispensieren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Der Antragstellerin war, nachdem sie die dafür erforderlichen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft gemacht hat, auch ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu gewähren. Die Voraussetzungen der Vorschriften § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO liegen vor. Die Anwaltsbeiordnung ergibt sich aus § 121 Abs. 2 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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