Europarecht

Dublin-Zuständigkeit nach Eheschließung

Aktenzeichen  M 11 S 19.50075

Datum:
6.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 9110
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29, § 34a Abs. 2, § 75 Abs. 1, § 80
VwGO § 80 Abs. 5
Dublin III-VO Art. 2 lit. g, Art. 3 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2, Art. 9, Art. 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1
AufenthG § 25 Abs. 2
GG Art. 6 Abs. 1
EGBGB Art. 13
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1 Die Zuständigkeit Schwedens besteht auch nach dem negativen Abschluss des dort durchgeführten Asylverfahrens fort. Schweden ist zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet. Die Zuständigkeit nach der Dublin III-VO geht der Annahme eines Zweitantrages vor. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates ist von der Situation auszugehen, die zum Zeitpunkt des ersten Antrags auf internationalen Schutz bestand. Ein Familienverhältnis, das erst nach diesem Zeitpunkt entsteht, ist für Art. 9 Dublin III-VO irrelevant. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Es gibt keine Anhaltspunkte für systemische Mängel oder Schwachstellen des Asylverfahrens in Schweden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
4 Art. 6 GG gebietet es regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach ehelichem und familiärem Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn er oder sein Ehegatte hier nicht seinen Lebensmittelpunkt gefunden haben; letzteres kann nur angenommen werden, wenn der Verbleib im Bundesgebiet aufenthaltsrechtlich auf Dauer gesichert ist oder ein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht besteht. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen seine Überstellung nach Schweden im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller, afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben am 26. November 2018 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 27. November 2018 schriftlich Kenntnis erlangte. Am 18. Dezember 2018 stellte der Antragsteller einen förmlichen Asylantrag.
Eine Eurodac-Abfrage am 27. November 2018 ergab für den Antragsteller einen Eurodac-Treffer der „Kategorie 1“, wonach der Antragsteller am 25. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Schweden gestellt hat.
Bei seiner Befragung und Anhörung durch das Bundesamt am 18. Dezember 2018 und am 22. Januar 2019 sowie durch die Regierung … (Zentrale Ausländerbehörde) am 10. Januar 2019 gab der Antragsteller an, dass er sein Heimatland im April 2015 verlassen habe und dann über den Iran, die Türkei und Griechenland auf der Balkanroute, Deutschland und Dänemark bis nach Schweden gereist sei. In Schweden habe er am 25. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und sich dort drei Jahre aufgehalten. Sein Antrag sei in Schweden abgelehnt worden und er befürchte, bei einer Rückkehr nach Afghanistan abgeschoben zu werden. Weiter trug der Antragsteller vor, dass er verheiratet sei. Seine Ehefrau lebe mit zuerkanntem Flüchtlingsstatus in Deutschland, sodass er in Deutschland bleiben wolle. Hierzu legte der Antragsteller eine vom afghanischen Generalkonsulat in … am … Januar 2019 ausgefertigte Heiratsurkunde vor, aus der sich ergibt, dass der Konsul die Ehe zwischen dem Antragsteller und Frau P. … in Anwesenheit zweier Zeugen vollzogen habe und die Ehe rechtskräftig sei.
Das Bundesamt richtete am 23. Januar 2019 ein Aufnahmegesuch an Schweden, dem die schwedischen Behörden mit Schreiben vom 29. Januar 2019 mit dem Hinweis zustimmten, dass der Antrag in erster Instanz abgelehnt worden sei.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2019, zugestellt am 1. Februar 2019, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Schweden an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf drei Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Am 6. Februar 2019 hat der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid erhoben (M 11 K 19.50074) und zugleich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wurde unter Vorlage entsprechender Unterlagen erneut vorgetragen, dass der Antragsteller am 17. Januar 2019 im afghanischen Generalkonsulat in … mit der afghanischen Staatsangehörigen Frau P. … die Ehe eingegangen sei und diese eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 2 AufenthG besitze. Aktuell wolle der Antragsteller die Umverteilung beantragen, um mit seiner Ehefrau gemeinsam leben zu können. Bis zur Eheschließung seien sie verlobt gewesen. Mangels behördlicher Heirat gemäß Art. 3 EGBGB sei der Antragsteller nach Bayern verteilt worden. Auch im Rahmen des Dublin-Verfahrens müssten die Mitgliedstaaten den Schutz der Familieneinheit waren. Dies ergebe sich schon aus dem Recht auf Achtung des Familienlebens aus Art. 7 EU-Grundrechtscharta und Art. 8 EMRK, Art. 6 GG i.V.m. Art. 9 Dublin-III VO. Aufgrund dessen fänden sich auch in der Dublin-Verordnung besondere Regelungen, die gewährleisten würden, dass Asylsuchende zur Durchführung ihres Asylverfahrens mit ihren Familienangehörigen zusammengeführt würden. Aus dem Wortlaut des Art. 9 Dublin III-VO gehe insbesondere hervor, dass für den Familienschutz nicht der Bestand der familiären Bindung bereits im Heimatland Voraussetzung sei. Bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände überwiege daher das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin.
Mit Schreiben vom 1. März 2019 teilte das Bundesamt mit, dass aufgrund des bislang vorgelegten Dokuments des afghanischen Konsulats allenfalls von einer traditionellen Eheschließung ausgegangen werden könne, was nach deutschem Recht unbeachtlich sei. Mangels zivilrechtlich wirksamer Ehe sei Frau … keine Familienangehörige i.S.d. Art. 2 Buchst. g) Dublin III-VO. Eine Trennung stelle daher keinen Verstoß gegen den der Dublin III-VO zugrunde liegenden Grundsatz des Erhalts der Familieneinheit oder gegen Art. 7 Grundrechtscharta und Art. 8 EMRK dar. Zudem sei es grundsätzlich zumutbar, dass Antragsteller, die eine Eheschließung anstreben würden, getrennt seien für die Zeit der Prüfung des Asylantrags im zuständigen Mitgliedsstaat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte des Bundesamts Bezug genommen.
II.
Der zulässige – nach Auslegung (§§ 122, 88 VwGO) gegen die Abschiebungsanordnung in Ziff. 3 des Bescheids gerichtete – Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 34 a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO) hat in der Sache keinen Erfolg.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Maßgebliche Bedeutung kommt dabei den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu.
An der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen bei summarischer Prüfung keine Zweifel. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG).
Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
1. Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.06.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat ge-prüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Ausgehend von den Eurodac-Daten und dem Vortrag des Antragstellers ist vorliegend Schweden für die Prüfung des Asylantrags i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG zuständig, nachdem der Antragsteller unbestritten seinen ersten Asylantrag in Schweden stellte und dort bereits ein Asylverfahren durchlaufen hat. Diese Zuständigkeit Schwedens besteht auch nach dem vom Antragsteller vorgetragenen negativen Abschluss eines dortigen Asylverfahrens fort. Schweden ist in diesem Fall nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet. Im Übrigen ist das Bundesamt gehalten, vor Annahme eines Zweitantrags vorrangig die Zuständigkeit nach der Dublin III-VO zu prüfen (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16, juris Rn. 18).
Eine vorrangig zu beachtende Zuständigkeit nach Art. 9 Dublin III-VO besteht nicht. Zwar hat der Bevollmächtigte des Antragstellers zu Recht darauf hingewiesen, dass Art. 9 Dublin III-VO – abweichend von der allgemeinen Regelung des Art. 2 Buchst. g) Dublin III-VO – gerade nicht voraussetzt, dass die Familieneinheit bereits im Herkunftsland bestanden hat. Auch geht das Gericht in Ansehung von Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 2 EGBGB jedenfalls im Eilverfahren davon aus, dass die zwischen den beiden afghanischen Staatsangehörigen durch den afghanischen Konsul in … geschlossene Ehe rechtswirksam ist. Allerdings ist bei der Bestimmung des nach den Kriterien der Dublin III-VO zuständigen Mietgliedstaates von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt (vgl. Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO). Hiervon wird auch durch Art. 9 Dublin IIIVO nicht abgewichen, sodass vorliegend das Personalstatut zum Zeitpunkt der erstmaligen Stellung des Antrags in Schweden am 25. November 2015 maßgeblich ist. Ein Familienverhältnis, das erst nach diesem Zeitpunkt entsteht, ist für Art. 9 irrelevant (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-VO, Stand 1.2.2014, Art. 9, Kommentierung K1). Soweit Art. 7 Abs. 3 Dublin III-VO eine weitergehende Berücksichtigungspflicht von Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen vorsieht, wird Art. 9 Dublin III-VO in dieser Bestimmung nicht genannt; im Übrigen würde es auch an den Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 3 Dublin III-VO fehlen, da über den früheren Antrag des Antragstellers bereits entschieden wurde und Schweden der Wiederaufnahme zugestimmt hat.
Nachdem das Wiederaufnahmegesuch fristgerecht innerhalb von zwei Monaten erfolgte, trat ferner kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ein. Die schwedischen Behörden waren daher innerhalb der offenen sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller wieder aufzunehmen und haben dementsprechend auch der Rückübernahme des Antragstellers zugestimmt.
2. Besondere Umstände, die eine ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO begründen würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG), der eine zutreffende Beurteilung der Sach- und Rechtslage enthält.
Auch unter Auswertung neuerer Erkenntnismittel bestehen demnach im gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsteller im Falle seiner Rücküberstellung nach Schweden auf Grund dort vorhandener systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber eine menschenunwürdige oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK drohen würde. Solche ergeben sich insbesondere nicht aus der behaupteten dortigen Ablehnung des Asylantrags des Antragsstellers, da von der Beachtung unions- und völkerrechtlicher Verpflichtungen in Bezug auf die Nichtzurückweisung durch Schweden auszugehen ist. Der Antragsteller selbst hat keine Argumente vorgetragen, die auf systemische Mängel bzw. Schwachstellen im Asylverfahren in Schweden schließen lassen, von denen er individuell betroffen sein könnte.
3. Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO notwendig machen, sind nicht ersichtlich. Der Abschiebung stehen zudem weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse entgegen, sodass die Abschiebung auch im Sinne des § 34 a AsylG durchgeführt werden kann.
Eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO oder ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis (§ 60 a Abs. 2 AufenthG) ergibt sich insbesondere nicht aus der familiären Situation des Antragstellers. Vorliegend gebieten weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK von der Abschiebung des Antragstellers nach Schweden abzusehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. etwa BVerfG, B.v. 31.8.1999 – 2 BvR 1523/99; B.v. 4.12.2007 – 2 BvR 2341/06; B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – jew. juris) gewährt Art. 6 GG grundsätzlich keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt. Das Grundgesetz überantwortet die Entscheidung, in welcher Zahl und unter welchen Voraussetzungen der Zugang zum Bundesgebiet ermöglicht werden soll, weitgehend der gesetzgebenden und der vollziehenden Gewalt. Allerdings verpflichtet die in Art. 6 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat Ehe und Familie zu schützen und zu fördern hat, Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren, die bestehenden ehelichen Bindungen an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, angemessen und mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen. Das Schutzgebot für Ehe und Familie ist daher in verhältnismäßiger Weise mit den öffentlichen Interessen abzuwägen. Art. 6 GG gebietet es regelmäßig nicht, dem Wunsch eines Ausländers nach ehelichen und familiären Zusammenleben im Bundesgebiet zu entsprechen, wenn er oder sein Ehegatte hier nicht seinen Lebensmittelpunkt gefunden haben. Letzteres kann generell nur angenommen werden, wenn der Verbleib im Bundesgebiet aufenthaltsrechtlich auf Dauer gesichert ist oder ein Anspruch auf Einräumung eines Daueraufenthaltsrechts besteht (vgl. BVerfG B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – juris Rn. 114). Ein nur verfahrensbegleitendes Aufenthaltsrecht genügt nicht (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand 98. Ergänzungslieferung 2013, § 27 a, Rn. 75 f; VG Düsseldorf, B.v. 8.4.2015 – 13 L 914/15.A – juris). Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG zudem nicht schon auf-grund formalrechtlicher familiärer Bindungen, entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Dabei ist grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten, bei der auf der einen Seite die familiären Bindungen zu berücksichtigen sind, auf der anderen Seite aber auch die sonstigen Umstände des Einzelfalls. Auch aus Art. 8 EMRK folgt nicht grundsätzlich die Pflicht eines Konventionsstaates, die von einem Ehepaar getroffene Wahl eines gemeinsamen Wohnsitzes zu achten und dem ausländischen Ehegatten den Aufenthalt zu ermöglichen (vgl. BVerfG, B.v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 – juris Rn. 165 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR).
Mit Blick auf das geltend gemachte Asylbegehren und die diesbezüglichen Regelungen der Dublin III-VO ist zu berücksichtigen, dass ein erhebliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland daran besteht, sich an dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zu beteiligen, das eine anhand von einheitlichen Zuständigkeitskriterien erfolgende Verteilung von Asylbewerbern vorsieht, hierbei familiäre Belange berücksichtigt (vgl. insbes. Erwägungsgründe 13 ff., Art. 9 bis 11 und 16 der Dublin III-VO) und darüber hinaus ein rechtsmissbräuchliches Verhalten wie Scheinehen oder ein sog. „asylum-shopping“ verhindern soll. Kommt es einem Ausländer darauf an, ein oder – wie hier – mehrere Asylverfahren zu durchlaufen, so muss er angesichts des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems grundsätzlich in Kauf nehmen, dass das Asylverfahren in einem (zuständigen) anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt wird. Dies ist jedenfalls dann nicht unzumutbar, wenn die Trennung der Ehegatten bzw. Familie nur vorübergehend ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.4.2015 – A 11 S 57/15 – juris Rn. 45; VG Minden, U.v. 17.8.2015, – 10 K 536/15.A – juris Rn. 29; VG Düsseldorf, B.v. 20.1.2014 – 13 L 2363/13.A – juris Rn. 19 ff). Eine vorübergehende Trennung bis zum Abschluss eines laufenden Asylverfahrens dürfte dabei regelmäßig nur dann unzumutbar sein, wenn im Einzelfall weitere besondere Umstände vorliegen (vgl. VG München, B.v. 26.2.2019 – M 11 S 19.50061 – juris; VG Augsburg, U.v. 23.2.2015 – Au 5 K 14.50254 – juris Rn. 33).
Dies zugrunde gelegt ist es dem Antragsteller vorliegend zuzumuten, sein Asylverfahren in Schweden zu betreiben und den dortigen Ausgang abzuwarten. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Antragsteller und seine jetzige Ehefrau in den vergangenen Jahren in tatsächlicher familiärer Lebensgemeinschaft gelebt haben. Der Antragsteller hielt sich seit November 2015 in Schweden auf, seine jetzige Ehefrau reiste ungefähr zur gleichen Zeit mit ihrer Mutter und Geschwistern in Deutschland ein. Den Eheleuten ist es daher zumutbar, den Kontakt – wie offenbar bereits in den vergangenen Jahren – über Telefon oder Internet aufrechtzuerhalten.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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