Europarecht

Einstweilige Anordnung, Verwaltungsgerichte, Vorwegnahme der Hauptsache, Befähigung zum Richteramt, Antragsgegner, Gesundheitszeugnis, Sachbescheidungsinteresse, Glaubhaftmachung, Anordnungsanspruch, Anordnungsgrund, Streitwertfestsetzung, Angaben des Antragstellers, innergemeinschaftliches Verbringen, Prozeßkostenhilfeverfahren, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertkatalog, Streitwertbeschwerde, Hauptsacheverfahren, Beschwerdeschrift, Wert des Beschwerdegegenstandes

Aktenzeichen  W 8 E 20.2010

Datum:
11.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39887
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BmTierSSchV § 3
BmTierSSchV § 8
RL 2009/156/EG Art. 4 der
RL 2009/156/EG Art. 8 der

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein Gesundheitsattest für sein Pferd, um – zunächst – die Grenze nach Österreich mit ihm zu überschreiten.
Am 10. Dezember 2020 beantragte der Antragsteller zu Protokoll der Urkundsbeamtin:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, den Antragsteller unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 12. Dezember 2020 ein Gesundheitsattest für sein Pferd auszustellen.
Zur Begründung brachte der Antragstellerin im Wesentlichen vor: Er möchte mit seinem Pferd die Grenze nach Österreich übertreten und benötige dafür ein Gesundheitsattest für sein Pferd. Der Antragsgegner weigere sich allerdings ihm ein solches auszustellen. Der Antragsteller möchte sein Pferd nicht transportieren. Er möchte nur einen Grenzübertritt, wofür er ein Gesundheitszeugnis benötige, da dies die rechtliche Voraussetzung zum Grenzübertritt darstelle.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2020 beantragte der Antragsgegner:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antragsteller habe am 9. Dezember 2020 um 13:00 Uhr beim Veterinäramt angerufen und Informationen für einen am 12. Dezember 2020 geplanten Transport seines Pferdes nach Serbien erhalten wollen. Der Antragsteller sei dem Antragsgegner nicht als Pferdehalter bekannt gewesen. Der Antragsteller habe zunächst angegeben, das Pferd nach Serbien mitnehmen zu wollen, um dort mit seiner Lebensgefährtin zu leben. Er sei gebeten worden, sich über die Einfuhrbedingungen zu informieren, z.B. Blutuntersuchungen. Es sei ihm in Aussicht gestellt worden, einen Termin zu vereinbaren. Er möge sich rechtzeitig mit den nötigen Unterlagen und Angaben für die Ausstellung des Gesundheitszeugnisses melden. Der Antragsteller habe dann weiterhin mitgeteilt, dass er das Pferd zunächst nach Österreich bringen und dort eine Weile stehen lassen wolle. Aufgrund der Hinweise und dem Formular zur Anmeldung eines internationalen Transportes und auch unter Berücksichtigung der aktuellen Corona-Bestimmungen für Durchfuhrländer habe der Antragsteller am 10. Dezember 2020 erneut angerufen und angegeben, er wolle das Pferd gar nicht transportieren, sondern er sei Wanderreiter. Er wolle von Serbien über Rumänien nach Moldawien reiten. Aufgrund der unvollständigen, unplausiblen und widersprüchlichen Angaben zu einem offensichtlich spontan geplanten Wanderritt mit einem unbestimmten Ziel in- und außerhalb Europas um die Jahreszeit und in einer Zeit, in der ständig mit sich ändernden Bestimmungen bezüglich Corona zu rechnen sei, sei ihm das Zeugnis zum Schutz des Pferdes verweigert worden. Der Antragsteller habe dann erneut angerufen und mitgeteilt, dass er einen Wanderritt nach Russland antreten wolle. Für das innergemeinschaftliche Verbringen von Equiden sei ein EU-Zeugnis erforderlich. Da Serbien ein Drittland sei, handele es sich um eine Ausfuhr. Hierfür seien dem Veterinäramt die für das jeweilige Drittland aktuell erforderlichen Zeugnisvordrucke und sonstige Bestimmungen rechtzeitig vorzulegen, damit geprüft werden könne, ob die Einfuhrbedingungen erfüllt seien. Die Ausreise nach Österreich aus Bayern erfordere derzeit einen 14-tägige Corona-Quarantäne. Der Antragsteller müsste über diesen Zeitraum das Pferd dort unterbringen. Das erfordere eine entsprechende Meldung an die dortigen Veterinärbehörden. Es bestehe der begründete Verdacht, dass die mangelnde Planung der Ausreise letztlich auch zu tierschutzrelevanten Problemen führe.
Der Antrag sei zumindest unbegründet. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die nötigen Voraussetzungen für die Ausstellung des Gesundheitszeugnisses seien nicht gegeben. Grundlegende Voraussetzung für alle Anträge im Verwaltungsverfahren sei die hinreichende Erkennbarkeit des Antragsgegenstandes. Aus den Anrufen des Antragstellers sei nicht klar hervorgegangen, welches das Zielland für die Verbringung des Pferdes sein solle. Dies sei aber im Hinblick auf die zu erteilende Bescheinigung und die notwendigen Voraussetzungen für eine Erteilung notwendig. Das übersandte Formular sei nicht ausgefüllt worden und auch andere Unterlagen für die vorgebrachte Verbringung in andere EU-Länder seien nicht vorgelegt worden. Insoweit sei der Antrag schon nicht vollständig gewesen. Im weiteren Verlauf seien die Angaben immer widersprüchlicher geworden und es seien Zweifel aufgekommen, ob der Antragsteller von einem erteilten Gesundheitszeugnis überhaupt Gebrauch machen könnte. Aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation und sonstigen Verhältnisse sei es nicht möglich als Wanderreiter die Grenze zu übertreten. Insofern fehle dem unklaren und unvollständigen Antrag auch das Sachbescheidungsinteresse.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Es ist schon fraglich, ob der Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässig ist. Auf jeden Fall ist der Antrag unbegründet, da der Antragsteller weder einen Anordnungsgrund, noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Eine Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sich als überwiegend wahrscheinlich darstellt.
Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
Vorliegend besteht zudem die Besonderheit, dass die Verpflichtung des Antragsgegners zur Ausstellung des vom Antragsteller begehrten Attestes zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führen würde. Denn selbst bei einem Obsiegen in der Hauptsache könnte der Antragsteller nicht mehr zugesprochen bekommen, als was er ausgehend von dem gestellten Antrag sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens begehrt. Eine Vorwegnahme der Hauptsache widerspricht grundsätzlich dem Wesen und dem Zweck der einstweiligen Anordnung. Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einem Antragsteller nicht schon im vollen Umfang, wenn auch nur unter Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was er nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG, welcher einen effektiven Rechtsschutz gewährleistet, ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit auch für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123 Rn. 13 f.). Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss demnach offensichtlich erfolgreich erscheinen.
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.
Es fehlt schon an einem Anordnungsgrund.
Der Antragsteller hat die Eilbedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Er hat nur angegeben, dass er bis zum 12. Dezember 2020 das Gesundheitsattest für sein Pferd brauche, um die Grenze nach Österreich zu überschreiten. Aber warum dies eilbedürftig ist, hat der Antragsteller nicht dargelegt. Insbesondere hat er keinerlei Ausführungen dazu gemacht, warum er unbedingt zum jetzigen Zeitpunkt sofort das Gesundheitsattest benötigt und welche Nachteile oder Gefahren entstünden, wenn sich die Ausstellung des Attestes verzögern würde.
Des Weiteren hat der Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Eine Behauptung ist dann glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft (Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 294 Rn. 2; Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 51).
Der Antragsteller hat schon nicht vorgetragen, dass er rechtzeitig einen entsprechenden Antrag beim Antragsgegner gestellt und die erforderlichen Dokumente vorgelegt hat – er hat sich erst am 9. Dezember 2020 gegen 13:00 Uhr an das Veterinäramt gewendet -, warum dieser den Antrag abgelehnt hat und warum aus seiner Sicht die Weigerung der Ausstellung der Gesundheitsbescheinigung rechtsfehlerhaft sein sollte. Insbesondere hat er nicht dargelegt, dass die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausstellung der begehrten Bescheinigung vorliegen. Der Antragsteller hat lediglich den Pferdepass vorgelegt. Ansonsten fehlen dem Gericht jegliche Angaben als Basis, um die Voraussetzung des Bestehens eines Anspruchs überhaupt prüfen zu können. Auch der Antragsgegner hat auf die Unvollständigkeit und auch die Widersprüchlichkeit der Angaben des Antragstellers hingewiesen, auch zu den betreffenden Staaten innerhalb und außerhalb der EU, die unterschiedliche Anforderungen an die jeweilige Bescheinigung verlangen.
Möglicherweise begehrt der Antragsteller eine Bescheinigung nach § 3 BmTierSSchV, wonach Tiere, wie auch das Pferd, innerhalb der Europäischen Union in einen anderen Mitgliedsstaat genehmigungsfrei verbracht werden dürfen, wenn sie von einer gemeinschaftlich gemäß Anlage 3 vorgesehenen Bescheinigung begleitet sind (vgl. § 8 BmTierSSchV). Die Bescheinigungen müssen gemäß § 3 BmTierSSchV gewisse formale und inhaltliche Voraussetzungen erfüllen. Sie dürfen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BmTierSSchV nur ausgestellt werden, wenn alle für die betreffenden Tiere vorgesehenen Anforderungen erfüllt sind. Nach Art. 4 der RL 2009/156/EG des Rates vom 30. November 2009 zur Festlegung der tierseuchenrechtlichen Vorschriften für das Verbringen von Equiden und für ihre Einfuhr aus Drittländern (RL 2009/156/EG) müssen Equiden bei der Inspektion unter anderem frei von klinischen Anzeichen einer Krankheit sein. Die Inspektion darf nicht früher als 48 Stunden vor der Verladung erfolgen. Des Weiteren muss der amtliche Tierarzt zusätzliche Vorgaben überprüfen und bestätigen. Weitere Regelungen finden sich in Art. 5 und 8 der RL 2009/156/EG. Tiere müssen das betreffende Dokument bei sich führen. Für die Durchfuhr durch einen Mitgliedsstaat sowie für die Ausfuhr und die Einfuhr in einen Nichtmitgliedsstaat gelten gegebenenfalls weitergehende Bestimmungen.
Des Weiteren hat der Antragsgegner in seiner Erwiderung vom 11. Dezember 2020 nachvollziehbar und zutreffend ausgeführt, dass die nötigen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Gesundheitszeugnisses nach der RL 2009/156/EG nicht gegeben seien. Aus den Angaben des Antragstellers sei schon nicht klar hervorgegangen, welches das Zielland für die Verbringung sein solle. Dies sei aber im Hinblick auf die zu erteilende Bescheinigung und die notwendigen Voraussetzungen für eine Erteilung notwendig. Die übersandten Antragsformulare seien nicht ausgefüllt worden und auch andere Unterlagen für die vorgebrachte Verbringung in Nicht-EU-Länder seien nicht vorgelegt werden. Insoweit sei der Antrag schon nicht vollständig. Im weiteren Verlauf seien die Angaben immer widersprüchlicher geworden und es seien ernsthafte Zweifel aufgekommen, ob der Antragsteller von einem erteilten Gesundheitszeugnis überhaupt Gerbrauch machen könnte. Aufgrund der derzeitigen Pandemiesituation, der daraus resultierenden Reisebeschränkungen und der winterlichen Witterungsverhältnisse erscheine es nicht möglich, als Wanderreiter die Grenzen zu übertreten, unabhängig davon, ob es sich um EU- oder Nicht-EU-Länder handele. Insoweit fehle dem unklaren und unvollständigen Antrag auch das Sachbescheidungsinteresse.
Dem schließt sich das Gericht auch aufgrund der von den Beteiligten geschilderten Sachlage an. Der Antragsteller gab vor Gericht an, er wolle das Pferd nicht transportieren. Dem Gericht erschließt sich nicht, wie der Antragsteller dann das Pferd nach Österreich und gegebenenfalls weiter in andere Länder bringen will, zumal er offenbar sich selbst nicht festgelegt hat. Der Antragsteller hat gegenüber dem Antragsgegner vorgebracht, er wolle als Wanderreiter das Pferd gar nicht transportieren, er wolle eventuell in Österreich bleiben, dann aber weiter nach Serbien und von Serbien über Rumänien nach Moldawien. Ein andermal gab er an, nach Russland reiten zu wollen.
Je nach Zielland sind indes wie schon ausgeführt unterschiedliche Anforderungen zu erfüllen sowie gegebenenfalls unterschiedliche Bescheinigungen erforderlich. Die dafür notwendigen ausgefüllten Formulare und Dokumente hat der Antragsteller – abgesehen vom Pferdepass – nicht vorgebracht.
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass dem Antragsteller aufgrund seines Begehrens nach beschleunigtem Rechtsschutz verstärkte Mitwirkungspflichten obliegen, auch und gerade durch Vorlage geeigneter Unterlagen zur Glaubhaftmachung seines Anspruchs. Daran fehlt es sowohl schon im behördlichen, als auch im gerichtlichen Verfahren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung findet seine Grundlage in § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da der Antragsteller wie dargestellt eine Vorwegnahme der Hauptsache begehrt, war gemäß Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs keine Halbierung des Streitwerts vorzunehmen und der volle Auffangstreitwert von 5.000,00 EUR festzusetzen.


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