Europarecht

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag gegen Ablehnung der Beihilfefähigkeit für sensomotorische Einlagen

Aktenzeichen  14 ZB 19.2497

Datum:
14.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36129
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBhV § 21
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4

 

Leitsatz

1. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, den umstrittenen sensomotorischen Einlagen fehle die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung i.S.v. § 21 BayBhV, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. (Rn. 2 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besondere Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO können sich nicht allein aus dem abstrakten Kriterium der Überdurchschnittlichkeit gegenüber dem Üblichen ergeben; vielmehr können auch alltägliche Rechtsstreitigkeiten kompliziert sein, wenn im konkreten Fall eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits im Berufungszulassungsverfahren nicht möglich ist. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwar kann die Abweichung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung eines nicht i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO divergenzfähigen Oberverwaltungsgerichts eine Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen; allerdings gilt dies nicht, wenn sich die entscheidungserhebliche Rechtsfrage einer Klärung durch das höchste Fachgericht entzieht (wie hier die Auslegung des bayerischen Landesbeihilferechts). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 12 K 18.1339 2019-10-22 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 299,16 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Soweit Zulassungsgründe i.S.v. § 124 Abs. 2 VwGO ausdrücklich oder sinngemäß geltend gemacht werden, sind sie nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
1. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
1.1. Für ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt es nicht darauf an, ob ein Obsiegen der die Berufungszulassung beantragenden Partei im Berufungsverfahren wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.2009 – 2 BvR 758/07 – BVerfGE 125, 104/140; B.v. 16.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 171 Rn. 32 m.w.N.). Vielmehr ist schon dann nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, B.v. 8.12.2009 a.a.O. S. 139 f.) und sich das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis offensichtlich richtig erweist (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542/543; vgl. BVerfG, B.v. 07.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 30 m.w.N.). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die „gesicherte Möglichkeit“ ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19). Der nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erforderliche Darlegungsaufwand im Einzelfall hängt wesentlich von der Begründungstiefe der jeweils angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ab (vgl. VGH BW, B.v. 22.5.2007 – 13 S 152/07 – juris Rn. 2 m.w.N. [insoweit nicht abgedruckt in NVwZ-RR 2007, 633]; BayVGH, B.v. 30.1.2020 – 14 ZB 19.1367 – juris Rn. 8 m.w.N.). Dabei ist es für eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung eines oder mehrerer Berufungszulassungsgründe nicht notwendig, ausdrücklich einen der in § 124 Abs. 2 VwGO normierten Zulassungsgründe oder die dort angeführten tatbestandlichen Voraussetzungen zu benennen; auch eine unrichtige Benennung schadet nicht, solange durch Auslegung eindeutig ermittelt werden kann, auf welchen Zulassungsgrund der Antrag gestützt wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 25).
1.2. Keine ernstlichen Zweifel begründet die klägerische Rüge, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es sehr wohl auf die Frage an, ob hier ein Hilfsmittel nach Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV vorliege. Das Verwaltungsgericht hat offengelassen (UA S. 13 erster Absatz), ob die hier umstrittenen sensomotorischen Einlagen überhaupt „Einlagen (orthopädische)“ im Sinne dieser Anlage 4 sind, weil es insoweit an der wissenschaftlichen Anerkennung fehle, die es gemäß § 21 BayBhV für erforderlich hält, weil nach dieser Vorschrift Aufwendungen für Gegenstände mit geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Der Kläger vertritt dagegen die Auffassung, sensomotorische Einlagen seien (orthopädische) Einlagen i.S.v. Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV, weswegen es sich aus systematischen und logischen Gründen verbiete, diese als Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen zu qualifizieren (Antragsbegründung S. 4). Diesem klägerischen Argumentationsansatz steht der klare Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 BayBhV entgegen; denn Halbsatz 2 dieser Norm schließt die Beihilfefähigkeit gerade auch für ärztlich verordnete Gegenstände nach Halbsatz 1 aus. Gerade auch dann, wenn einer der in Anlage 4 (i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1) BayBhV aufgeführten Typen von Gegenständen und eine ärztliche Verordnung vorliegt, soll die Beihilfefähigkeit nach Halbsatz 2 ausgeschlossen sein, wenn einer der beiden dort genannten Ausschlussgründe – nämlich zum einen „geringer oder umstrittener therapeutischer Nutzen“ (Halbsatz 2 Alternative 1) oder Zugehörigkeit zur „allgemeinen Lebenshaltung“ (Halbsatz 2 Alternative 2) – vorliegt.
1.3. Aus dem gleichen Grund (siehe 1.2.) geht auch die Rüge ins Leere, die Ablehnung der Beihilfeleistungen könne nicht auf einen „allgemeinen Grundsatz des Beihilferechts“ gestützt werden (Antragsbegründung S. 3). Denn wie gezeigt hat das Verwaltungsgericht das für sein Urteil zentrale Kriterium der „wissenschaftlichen Anerkennung“ hier explizit auf die – gerade für Hilfsmittel geltende und hierfür spezielle Voraussetzungen aufstellende – Vorschrift des § 21 BayBhV gestützt (UA S. 13 oben; siehe 1.2.), woran sich nichts dadurch ändert, dass es für den Bereich außerhalb des § 21 BayBhV das Erfordernis wissenschaftlicher Anerkennung als allgemeinen Grundsatz angesehen hat, der in § 7 Abs. 5 BayBhV zum Ausdruck komme (UA S. 12 unten). Weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung klar auf § 21 BayBhV gestützt hat, kommt es auf die Frage, ob auch der ebenfalls vom Verwaltungsgericht (UA S. 12 vorletzter Absatz) zitierte § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV mit dem Kriterium der medizinischen Notwendigkeit das Erfordernis „wissenschaftlicher Anerkennung“ umfasst (so BayVGH, U.v. 13.12.2010 – 14 BV 08.1982 – juris Rn. 54; vgl. S. 5 unten und S. 7 oben der Antragsbegründung zu Rn. 56 und 57 dieser Entscheidung), nicht an (vgl. hierzu Antragsbegründung S. 6 dritter Absatz bis S. 7 oben); denn jedenfalls § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV stellt – mit der Formulierung „…dies gilt nicht für Gegenstände von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen…“ – von seiner Rechtsfolge her eine ausdrückliche Ausschlussvorschrift im Sinne des ebenfalls vom Verwaltungsgericht (UA S. 12 vorletzter Absatz) zitierten § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBhV dar.
1.4. Unzutreffend ist dabei die klägerische These, das Erstgericht stütze seine Entscheidung auf § 7 Abs. 5 BayBhV (Antragsbegründung S. 4 drittletzter Absatz). Vielmehr ist auch hier ist zu sehen, dass das angegriffene verwaltungsgerichtliche Urteil sein Kriterium der wissenschaftlichen Anerkennung auf § 21 BayBhV stützt (siehe 1.2. und 1.3.). Deshalb bestehen auch keine ernstlichen Zweifel, soweit die Antragsbegründung (dort S. 5 zweiter Absatz) dem Verwaltungsgericht vorwirft, vorliegend sei nicht § 7 Abs. 5 BayBhV, sondern § 21 BayBhV einschlägig.
1.5. Aus dem gleichen Grund geht auch der klägerische Vorwurf ins Leere, das Erstgericht wende die Systematik zwischen § 7 Abs. 5 und Abs. 1 BayBhV nicht an, weil sensomotorische Einlagen in der Anlage 2 zu § 7 Abs. 5 BayBhV nicht aufgeführt seien und eine Ablehnung „unter Berufung auf § 7 Abs. 5 BayBhV“ erst zulässig sei, wenn ein Ausschluss oder eine Beschränkung tatsächlich normiert sei (Antragsbegründung S. 5 f.). Denn auch insoweit ist zu sehen, dass sich das Verwaltungsgericht gerade nicht direkt auf § 7 Abs. 5 BayBhV, sondern auf § 21 BayBhV gestützt hat (siehe 1.3.).
1.6. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, den umstrittenen sensomotorischen Einlagen fehle die allgemeine wissenschaftliche Anerkennung i.S.v. § 21 BayBhV (UA S. 13 bis 16), hält der klägerischen Kritik stand, und zwar unabhängig davon, dass zwischenzeitlich auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof die wissenschaftliche Anerkennung sensomotorischer Einlagen verneint hat (HessVGH, B.v. 30.6.2020 – 1 A 1287/16 – juris Rn. 31).
Soweit die Antragsbegründung (dort S. 7) auf die Stellungnahme des behandelnden Arztes (dazu UA S. 14 Zeilen 4 bis 12) und auf die Herstellerangaben in der bereits erstinstanzlich vorgelegten Anlage B2 zur Wirkung des dort genannten Einlagenfabrikats (dazu UA S. 14 Zeilen 12 bis 20) verweist, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) für ernstliche Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil sie sich insoweit nicht ansatzweise mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts befasst, dass bei der Stellungnahme des behandelnden Arztes Nachweise und Begründungen vermisste und den Schluss von anerkannten Wirkmechanismen auf die Wirksamkeit der Einlagen kritisiert sowie den Herstellerangaben die Eignung als Nachweis wissenschaftlicher Anerkennung mangels Attestierung von dritter Seite abgesprochen hat. Es fehlt an der Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht genannten fachlichen Stellungnahmen, die durch eine bloße Aufzählung von – aus welchem Grund auch immer – zu anderen Ergebnissen gelangenden gerichtlichen Entscheidungen nicht ersetzt werden kann.
Gleiches gilt soweit die Antragsbegründung die Bedeutung der Stellungnahme des Beratungsausschusses Orthopädieschuhtechnik der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom April 2016 betont, sich dabei aber nicht mit der diesbezüglichen verwaltungsgerichtlichen Argumentation (UA ab S. 15 Mitte) befasst.
Mangels substantiierter Auseinandersetzung mit der spezifischen verwaltungsgerichtlichen Argumentation bei der Verneinung der wissenschaftlichen Anerkennung (UA S. 14 bis 16) genügt auch der Hinweis auf zusprechende Rechtsprechung im Bereich sensomotorischer Einlagen (Antragsbegründung S. 8 Mitte) den Darlegungsanforderungen für ernstliche Zweifel nicht. Dabei ist zu sehen, dass gerade nach der klägerseits in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg (VGH BW, B.v. 4.8.2016 – 2 S 902/16 – n.v. BA S. 7; vorangehend die ebenfalls klägerseits zitierte Entscheidung des VG Karlsruhe, U.v. 17.3.2016 – 9 K 2244/14 – juris) hinsichtlich der wissenschaftlichen Anerkennung das „individuelle Behandlungsziel“ maßgeblich sein soll, sich die Antragsbegründung aber mit der Frage der Vergleichbarkeit der „individuellen Behandlungsziele“ im vorliegenden Fall mit denjenigen in den von ihr zitierten Entscheidungen nicht ansatzweise befasst. Zu Recht weist die Beklagte in ihrer Antragserwiderung darauf hin, dass im besagten Fall des Verwaltungsgerichts Karlsruhe (und dem nachfolgenden Berufungszulassungsverfahren 2 S 902/16) der Sohn der dortigen Klägerin unter einem schmerzhaften Knickfuß beidseits mit Störung des Gangbildes und Umknicktraumata bei Koordinationsstörung und Außenbandinsuffizienz litt und die Verordnung sensomotorischer Einlagen erfolgt war, nachdem klassische Einlagen keine ausreichende Linderung gebracht hatten (VG Karlsruhe, U.v. 17.3.2016 – 9 K 2244/14 – juris Rn. 7), und dass im Fall des klägerseits benannten Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 4. Februar 2015 – 26 K 2233/14 – (juris Rn. 13 ff., 19 ff.) die Klage nur bezüglich desjenigen der beiden Kinder des Klägers begründet war, bei dem die jahrelange Versorgung mit herkömmlichen Einlagen nicht die gewünschte Wirkung gezeigt hatte. Inwieweit der vorliegende Fall mit diesen Sachverhaltskonstellationen vergleichbar ist, legt die Antragsbegründung nicht dar.
2. Die Berufung ist nicht wegen der klägerseits angenommenen besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
2.1. Besondere Schwierigkeiten können sich nicht allein aus dem abstrakten Kriterium der Überdurchschnittlichkeit gegenüber dem Üblichen (vgl. dazu BayVGH, B.v. 29.1.2009 – 14 ZB 07.1880 – juris Rn. 8; B.v. 3.11.2009 – 1 ZB 06.1842 – juris Rn. 12; B.v. 3.11.2011 – 8 ZB 10.2931 – BayVBl 2012, 147 Rn. 28 m.w.N.) ergeben; vielmehr können auch alltägliche Rechtsstreitigkeiten kompliziert sein, wenn im konkreten Fall eine Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits im Berufungszulassungsverfahren nicht möglich ist (NdsOVG, B.v. 24.3.1997 – 1 M 1463/97 – NVwZ 1997, 1229 mit Hinweis auf BT-Drs. 13/5098, zu Nr. 15; vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 107 ff. m.w.N.), wobei ein für eine Ablehnung der Berufungszulassung notwendiger erheblicher Begründungsaufwand in der Art eines Berufungsurteils ein Indiz für besondere rechtliche Schwierigkeiten sein kann (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BVR 814/09 – NJW 2009, 3642/3643). Der Umstand, dass Erkenntnisse über das in vergleichbaren Streitverfahren übliche Komplexitätsmaß für nicht-spezialisierte Rechtsanwälte nicht beschaffbar sind, wirkt sich dabei auf die Darlegungslasten aus (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163/1164). Soweit eine Sache in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht schon nach dem – nicht lediglich dem Bemühen, auf die Argumente des Unterlegenen möglichst vollständig einzugehen, dienenden (vgl. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 108) – Begründungsaufwand des erstinstanzlichen Urteils schwierig erscheint, kann der Darlegungslast mit erläuternden Hinweisen auf die einschlägigen Urteilspassagen genügt werden (BVerfG, B.v. 23.6.2000 a.a.O.). Soweit allerdings die Schwierigkeit in vom Verwaltungsgericht nicht oder unzutreffend behandelten Aspekten erblickt wird, müssen diese Gesichtspunkte nachvollziehbar dargestellt und ihr Schwierigkeitsgrad plausibel gemacht werden (BVerfG, B.v. 23.6.2000 a.a.O.).
2.2. Soweit die Antragsbegründung (dort S. 9 unten) besondere rechtliche Schwierigkeiten annimmt, weil selbst bei Verneinung der wissenschaftlichen Anerkennung der Behandlung die Beihilfefähigkeit entgegen der zweifelhaften verwaltungsgerichtlichen Einschätzung nicht ausgeschlossen sei, überzeugt dies aus denselben Gründen nicht, aus denen ernstliche Zweifel insoweit verneint wurden (siehe 1., insbesondere 1.2.).
2.3. Soweit die Antragsbegründung (S. 10) auf unterschiedliche Rechtsprechung bayerischer Verwaltungsgerichte einerseits und einiger außerbayerischer Verwaltungsgerichte sowie des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg andererseits verweist, genügt sie nicht den Darlegungsanforderungen, weil sie insoweit nicht ansatzweise einen Bezug zu Passagen des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils (siehe 2.1.) herstellt, insbesondere nicht zur verwaltungsgerichtlichen Argumentation zur fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung. Außerdem ist zu sehen, dass die Antragsbegründung insoweit nicht auf die Frage der wissenschaftlichen Anerkennung als solche, sondern – zu ungenau – nur auf das Ergebnis, ob sensomotorische Einlagen im Ergebnis für beihilfefähig gehalten wurden, eingeht, was aber zu kurz greift, weil diese außerbayerischen Gerichte nicht die hier vom Verwaltungsgericht streitentscheidend zugrunde gelegte Vorschrift des § 21 BayBhV (siehe 1.2.) angewendet haben. Gleiches gilt erst recht, soweit die Antragsbegründung in diesem Kontext auf sozialgerichtliche Rechtsprechung aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung Bezug nimmt, zumal dort gerade besondere Umstände des Einzelfalls auschlaggebend waren.
3. Nicht zur Berufungszulassung führt auch die klägerseits angenommene grundsätzliche Bedeutung.
3.1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage im konkreten Rechtsstreit klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich ist, dass diese Frage sich als klärungsbedürftig, insbesondere nicht schon höchst- oder obergerichtlich geklärt und nicht direkt aus dem Gesetz zu beantworten erweist und dass ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 28.7.2010 – 14 ZB 09.422 – juris Rn. 8 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
3.2. Die für klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob es sich bei sensomotorischen Einlagen um orthopädische Einlagen im Sinne der Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV handelt (Antragsbegründung S. 11), führt nicht zur Berufungszulassung, weil die hier abermals klägerseits zur Begründung der Streiterheblichkeit herangezogene Erwägung, es sei unzulässig, den in der Anlage zu § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBhV genannten Gegenständen den therapeutischen Nutzen abzusprechen, dem Wortlaut des § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV widerspricht (siehe 1.2.); die Klärungsfähigkeit ist hier nicht hinreichend dargelegt, zumal auch insoweit keine hinreichend deutliche Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Argumentation zum Fehlen der allgemeinen wissenschaftlichen Anerkennung erfolgt (siehe 1.6.).
Aus dem gleichen Grund (siehe 3.2.) reicht auch der Hinweis auf die differierende Rechtsprechung (Antragsbegründung S. 12) nicht hin, um wegen dieser Frage eine Berufungszulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hinreichend darzulegen.
3.3. Die zweite aufgeworfene Frage, ob sensomotorische Einlagen beihilfefähig sind, ist zu allgemein gehalten, um einer allgemeinen Klärung zugänglich sein zu können, zumal in der Rechtsprechung – einschließlich des klägerseits für zutreffend gehaltenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2016 – 2 S 902/16 – (n.v.; dort BA S. 7) wie bereits dargestellt (siehe 1.6.) – die Beihilfefähigkeit wenn überhaupt dann nicht pauschal, sondern nur unter Berücksichtigung der im jeweiligen Einzelfall verfolgten „individuellen Behandlungsziels“ bejaht werden kann.
3.4. Schließlich führt auch die klägerseits behauptete Abweichung des angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteils vom aktenkundigen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 4. August 2016 – 2 S 902/16 – (n.v.) nicht zur Berufungszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung.
Zwar kann die Abweichung eines verwaltungsgerichtlichen Urteils von einer Entscheidung eines nicht i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO divergenzfähigen Oberverwaltungsgerichts eine Berufungszulassung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO rechtfertigen (BVerfG, B.v. 26.1.1993 – 2 BvR 1058 u.a. – NVwZ 1993, 465 zu bundesrechtlichen Fragen des Asylrechts, die seinerzeit von Oberverwaltungsgerichten unterschiedlich bewertet wurden). Allerdings gilt dies nicht, wenn sich die entscheidungserhebliche Rechtsfrage einer Klärung durch das höchste Fachgericht entzieht (BVerfG, B.v. 26.1.1993 a.a.O. S. 466), wovon vorliegend auszugehen ist, weil es um die Auslegung des bayerischen Landesbeihilferechts geht. Unabhängig davon sind auch inhaltlich die bayerischen Beihilfevorschriften nicht mit den baden-württembergischen identisch und betrifft die besagte baden-württembergische Entscheidung (dort BA S. 2 letzter Absatz) allein Vorschriften der baden-württembergischen Beihilfeverordnung (BVO BW), nämlich § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Nr. 2.1 der Anlage zur BVO BW, wobei insbesondere § 6 Abs. 1 Nr. 4 BVO BW keine dem § 21 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBhV entsprechende Formulierung vorsieht. Es ist vor diesem Hintergrund weder dargelegt noch ersichtlich, dass im angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Urteil ein Rechtssatz zu einer Norm aufgestellt worden wäre, der von einem der Rechtssätze abweichen könnte, die der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg im besagten Beschluss zu den dort streitentscheidenden Vorschriften des baden-württembergischen Landesrechts aufgestellt hat. Jedenfalls wäre, selbst wenn man die übergreifende Frage der wissenschaftlichen Anerkennung aus dem engeren normativen Zusammenhang herauslösen wollte, außerdem zu sehen, dass der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg seinerzeit den dortigen Berufungszulassungsantrag der Beihilfeverwaltung mangels hinreichender „Darlegung“ ernstlicher Zweifel abgelehnt hatte, weil die damals geltend gemachte Kritik fehlender allgemeiner wissenschaftlicher Anerkennung nicht auf das damals zentrale Argument des dortigen Verwaltungsgerichts eingegangen war, die damals streitgegenständlichen Einlagen dienten nicht der allgemeinen Haltungskorrektur, sondern zielten in erster Linie auf die Unterstützung des Skeletts und nicht auf eine Veränderung der Muskelspannung ab (VGH BW, B.v. 4.8.2016 – 2 S 902/16 – BA ab S. 4 unten), wobei die damals als nicht klärungsbedürftig verneinte Frage der Verwaltung (VGH BW, B.v. 4.8.2016 a.a.O. S. 6) vorliegend klägerseits so schon nicht aufgeworfen ist und auch insoweit für den Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg das „individuelle Behandlungsziel“ maßgeblich war (VGH BW, B.v. 4.8.2016 a.a.O. S. 7), womit sich wiederum die Antragsbegründung nicht befasst und insoweit § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt.
4. Die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens trägt der Kläger, der dieses Rechtsmittel vorliegend ohne Erfolg eingelegt hat (§ 154 Abs. 2 VwGO).
Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG aus der im Berufungszulassungsverfahren allein noch streitgegenständlichen Differenz zwischen dem ursprünglich eingeklagten und dem vom Verwaltungsgericht zugestandenen Beihilfebetrag (759,71 € – 460,55 € = 299,16 €).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird die angegriffene Entscheidung rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, hinsichtlich des Streitwertbeschlusses nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, unanfechtbar.


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