Europarecht

Erfolgloser Eilantrag eines minderjährigen Afghanen auf Zuständigkeitsübernahme

Aktenzeichen  AN 17 E 20.50269

Datum:
17.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 21320
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
Dublin III-VO Art. 8 Abs. 2, Art. 17 Abs. 2, Art. 22
Dublin-DVO Art. 5

 

Leitsatz

1. Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO verlangt eine Einzelfallprüfung und die Fähigkeit zur Sorge muss positiv bejaht werden, deshalb reicht für die gerichtliche Prüfung eine durch das BAMF selbst erklärte und gesetzlich so nicht vorgesehene Zustimmungsfiktion nicht aus. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Übernahmeersuchen eröffnet dem ersuchten Mitgliedstaat Ermessen, wobei eine Ermessensreduzierung auf Null nur dann anzunehmen ist, wenn über das regelmäßig bestehende Interesse von Kindern an einer Familienzusammenführung konkret und im Einzelfall Umstände vorliegen, die die Annahme einer besonderen Härte begründen und jede andere Entscheidung als eine Zusammenführung der genannten Personen als unvertretbar erscheinen ließen. (Rn. 39 – 41) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der minderjährige Antragsteller begehrt von Griechenland aus den Nachzug zu seinem in Deutschland lebenden und über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügenden Onkel väterlicherseits bzw. die Durchführung seines Asylverfahrens in Deutschland aufgrund der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III-VO).
Der Antragsteller ist eigenen Angaben nach … 2005 in …, Afghanistan, geboren und afghanischer Staatsbürger. Am 14. März 2019 stellte er nach seiner Einreise nach Griechenland in Athen über seine gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag. Derzeit, seit dem 12. Juni 2020, ist er in einer Unterkunft des griechischen Roten Kreuzes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Athen untergebracht und erhält 30 Euro pro Monat als wirtschaftliche Unterstützung. Seiner Aussage nach leben Vater, Mutter und drei Geschwister noch in Afghanistan. Ein weiterer Bruder im Alter von 19 Jahren lebt seit dem Jahr 2015 in Deutschland. Zudem lebt eine Tante des Antragstellers seit 30 Jahren in Deutschland, momentan in einem … Vorort.
Sein Onkel väterlicherseits, …, geboren … 1965, zu dem der Zuzug begehrt wird, ist deutscher Staatsbürger und lebt in … zusammen mit seiner Ehefrau und vier Kindern. Der Onkel ist nach Angaben des Antragstellers seit 1997 in Deutschland und übt derzeit eine geringfügige Beschäftigung aus, dessen Ehefrau arbeitet als Haushaltshilfe mit einem Einkommen von etwa 1.300 Euro pro Monat.
Der Antragsteller wurde am 11. April 2019 im Rahmen des „Best Interests Asssessment“ im Auftrag des griechischen Migrationsministeriums durch die Nichtregierungsorganisation „ARSIS – Association for the social support of youth“ zur Bestimmung der Zuständigkeit für die Prüfung seines Asylbegehrens nach der Dublin III-VO befragt und gab dort an, dass er mit dem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits etwa zwei bis dreimal pro Woche telefoniere und manchmal auch mit dessen Kindern über Social Media kommuniziere. Der letzte Besuch des Onkels beim Antragsteller und seiner Familie in Afghanistan sei etwa drei Jahre her. Der Onkel sei für ihn wie ein zweiter Vater, wenn er ihm am Telefon Ratschläge gebe. Sein Vater habe ihm zudem bei seiner Ausreise aus Afghanistan gesagt, er solle zum Onkel gehen; dies sei momentan sein einziges Ziel.
Am 5. Juni 2019 ersuchte Griechenland die Bundesrepublik Deutschland, die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrages des Antragstellers nach Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO zu übernehmen. Das Gesuch enthielt neben dem entsprechend ausgefüllten Formblatt u.a. eine Abschrift des Anhörungsbogens des „Best Interests Assessment“ vom 11. April 2019, in dem wiederum eine Aufstellung über die verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers enthalten war, die Herrn … als Onkel väterlicherseits und dessen fünf Kinder (namentlich …, …, …, …, …) als Cousins des Antragstellers aufführte. Weiterhin wurden Kopien des Reisepasses und des Personalausweises des Herrn … übersandt sowie eine Erklärung des Antragstellers vom 14. März 2019, dass dieser sich mit einer Prüfung seines Asylantrages durch die Bundesrepublik Deutschland einverstanden erkläre und seinen Wunsch äußerte mit dem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits, …, zusammengeführt zu werden und eine Erklärung des Herrn …, dass dieser mit einer Zusammenführung mit seinem Neffen, dem Antragsteller, in Deutschland einverstanden sei. Schließlich enthielt das Übernahmegesuch ein Attest vom 21. März 2019 im Original und englischer Übersetzung des „Associate Professor of Cardiology“ … des „Ippokratio General Hospital of Athens“, in dem dem Antragsteller eine „distention of the right heart cavities on atrial connection“ diagnostiziert wurde, die weiterer Untersuchung bedürfe.
Die Bundesrepublik Deutschland lehnte dieses Aufnahmegesuch der griechischen Behörden mit Schreiben vom 2. Juli 2019 mit der Begründung ab, dass die verwandtschaftliche Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem in Deutschland lebenden vermeintlichen Onkel nicht durch Dokumente nachgewiesen sei. Im Übrigen sei die Dublin III-VO nicht anwendbar, wenn die Person, zu der zugezogen werden soll, deutscher Staatsbürger ist. Am 23. Juli 2019 remonstrierten die griechischen Behörden gegen die ablehnende Entscheidung Deutschlands und teilten mit, dass ein DNA-Test zum Nachweis der Abstammung in Auftrag gegeben worden sei und die Resultate sobald als möglich zur Verfügung gestellt würden. Im Übrigen sei die Anwendung des Art. 8 Dublin III-VO unbestritten nicht ausgeschlossen, nur weil der Onkel des Antragstellers deutscher Staatsbürger ist. Auf diese Remonstration hin erfolgte zunächst keine Antwort Deutschlands. Mit weiterem Schreiben vom 15. November 2019 übersandten die griechischen Behörden das Ergebnis des DNA-Tests vom 4. November 2019, welches eine die verwandtschaftliche Beziehung des Antragstellers zu seinem in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits bestätigte („Due to the above it can be considered with certainty that … is paternal uncle of …“). Der DNA-Test wurde am 23. Juli 2019 durch die griechische Asylbehörde in Auftrag gegeben, am 29. Juli 2019 gab der Antragsteller im griechischen Labor (Forensic Service of Athens, Laboratory of DNA Analysis) eine DNA-Probe ab. Ebenfalls am 29. Juli 2019 gab der Onkel des Antragstellers eine DNA-Probe im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums … ab, deren Auswertung das griechische Labor am 6. September 2019 erreichte. Auf die Übersendung des DNA-Tests vom 15. November 2019 durch Griechenland hin lehnte die Bundesrepublik mit Schreiben vom 21. November 2019 die Zuständigkeitsübernahme für den Antragsteller erneut und endgültig ab und führte aus, dass Griechenland das Ergebnis des DNA-Tests außerhalb jeder Frist der Dublin III-VO zur Verfügung gestellt habe.
Nachdem das Bundesamt mit E-Mails vom 13. März 2020 durch eine weitere Rechtsanwältin der Kanzlei des Antragstellerbevollmächtigten gebeten wurde, trotz der Ablehnung gegenüber den griechischen Behörden die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers zu erklären und hierauf keine Reaktion erfolgte, stellte der Antragsteller durch am 25. März 2020 beim Verwaltungsgericht Hamburg eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten einen Antrag nach § 123 VwGO, der zunächst auch den Onkel des Antragstellers als weiteren Antragsteller (zu 1)) umfasste. Sie beantragten zunächst,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung gem. § 123 VwGO zu verpflichten, die ergangene Ablehnung im Dublin-Aufnahmeersuchensverfahren vom 21.11.2019 zurückzunehmen/aufzuheben und sich für den Asylantrag des Antragstellers zu 2. als Familienangehöriger des Antragstellers zu 1. für zuständig zu erklären.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO für eine Zuständigkeitsübernahme hinsichtlich des Antragstellers zu 2) vorlägen. Mittlerweile liege auch der DNA-Test vor, der beweise, dass es sich um Onkel (väterlicherseits) und Neffe handele. Diesbezüglich sei zu berücksichtigen, dass ein solcher DNA-Abgleich nicht innerhalb der durch die Dublin III-VO vorgesehenen Fristen zu organisieren sei und überdies die zeitliche Verzögerung den griechischen Behörden anzulasten sei. Im Übrigen sei der in Deutschland lebende Onkel des Antragstellers nach seinen persönlichen und finanziellen Verhältnissen bestens geeignet für dessen Wohl zu sorgen. Seine Ehefrau arbeite in Vollzeit und er in Teilzeit, weswegen einerseits eine stabile finanzielle Situation gegeben sei und andererseits der Onkel aufgrund seiner Teilzeitbeschäftigung die Zeit habe sich um den Antragsteller zu kümmern und ihn mit dessen Herzkrankheit zu unterstützen. Beide hätten bereits eigene Kinder großgezogen und könnten daher ein liebesvolles soziales Umfeld bieten. Ausreichend Wohnraum stehe zur Verfügung. Zudem handele es sich um einen minderjährigen unbegleiteten Flüchtling, der erheblich erkrankt und damit erhöht schutzbedürftig sei. Das ergebe sich aus dem beigefügten Attest des „General Hospital of Athens Ippokratio“ vom 20. Dezember 2019, in dem dem Antragsteller eine „congenital heart disease, secondary atrial communication and coexisting dilation of the right heart cavities” diagnostiziert werde. Die zur Behandlung erforderliche Operation werde darin als nicht unmittelbar eilig erachtet und könne in der näheren Zukunft vorgenommen werden. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus dem Gesundheitszustand des Antragstellers zu 2) und der aktuellen Lage in Griechenland sowie der Corona-Pandemie.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt sie aus, dass nicht alle erforderlichen Beweise innerhalb der vorgegebenen Frist eingereicht worden seien und deshalb die Bundesrepublik Deutschland nicht zuständig sei. Insbesondere hätte Griechenland einen DNA-Test schon ab dem 14. März 2019 veranlassen können, nachdem der Antragsteller an diesem Tag ein erstes Asylgesuch in Griechenland geäußert habe. Nach Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO sei bei der Bestimmung des nach Art. 7 bis Art. 15 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaats von der Situation auszugehen, die im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf internationalen Schutz in einem Mitgliedstaat gegeben sei. Die Fristen nach der Dublin III-VO seien zur eindeutigen Zuständigkeitsbestimmung einzuhalten. Darüber hinaus scheide auch ein Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO aus. Hierfür sei die Bundesrepublik Deutschland bereits die falsche Antragsgegnerin, der Antragsteller müsse sich an Griechenland wenden, da nach Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO Griechenland ein Übernahmeersuchen stellen müsse. Davon abgesehen liege bereits keine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO vor. Anders als bei Art. 16 Dublin III-VO beinhalte der weiter gefasste Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO kein intendiertes Ermessen, sondern biete mit dem Begriff der humanitären Gründe Raum zur Auslegung. Wenn nun schon bei Art. 16 Dublin III-VO die Trennung eines minderjährigen Kindes von seinen Eltern allein kein ausreichender Grund für eine Zusammenführung sei, sei kein Grund ersichtlich, warum im Rahmen von Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO das Vorliegen verwandtschaftlicher Beziehungen und die Bejahung humanitärer Gründe zu einer Ermessensreduzierung auf Null führen sollten. Auch aus den Erwägungsgründen 13 bis 17 der Dublin III-VO folge nicht, dass den Belangen Kindeswohl, Achtung des Familienlebens und Familieneinheit im Konfliktfall über den Wortlaut der Verordnung hinaus stets Vorrang einzuräumen wäre. Schließlich bestünden auch andere Möglichkeiten zur Familienzusammenführung, etwa nach Flüchtlingsanerkennung des Antragstellers in Griechenland durch das Freizügigkeitsrecht. Abschließend handele es sich bei dem vorliegenden Antrag um eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.
Mit Schriftsatz vom 7. Juli 2020 nahm der Antragstellerbevollmächtigte den Antrag für den Antragsteller zu 1) (Onkel) zurück. Mit Beschluss vom 10. Juli 2020 (7 AE 1463/20) erklärte sich das Verwaltungsgericht Hamburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die beigezogene elektronische Akte des Antragstellers beim Bundesamt sowie die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist zulässig (2.), aber unbegründet (3.). Das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach ist für die Entscheidung hierüber auch zuständig (1.).
1. Nachdem sich das Verwaltungsgericht Hamburg mit Beschluss vom 10. Juli 2020 (7 AE 1463/20) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach verwiesen hat, ist dieses nach § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hieran gebunden und somit örtlich und sachlich zuständig.
2. Der Antrag nach § 123 VwGO ist zulässig. Der Antragssteller ist entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt, wofür die Geltendmachung einer möglichen Verletzung eines subjektiven Rechts ausreicht. Eine solche ergibt sich für den Antragsteller jedenfalls aus der humanitären Ermessensklausel des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, auch soweit er sich aus dem Ausland auf sie beruft (VG Freiburg, B.v. 18.6.2020 – A 3 K 1718/20 – juris Rn. 27; VG Ansbach, B.v. 26.11.2019 – AN 18 E 19.50958 – juris Rn. 23; VG Berlin, B.v. 15.3.2019 – 23 L 706.18 A – juris Rn. 20; s.a. BVerwG, B.v. 2.7.2019 – 1 AV 2/19 – juris Rn. 12). Ebenfalls kann der Antragsteller eine mögliche Verletzung des sowie einen möglichen Anspruch aus Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO geltend machen (VG Münster, B.v. 20.12.2018 – 2 L 989/18.A – juris Rn. 21), da er selbst ein unbegleiteter Minderjähriger im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO und sein in Deutschland mit deutscher Staatsbürgerschaft lebender Onkel ein Verwandter im Sinne des Art. 2 Buchst. h Dublin III-VO ist, von dem jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass er für den Antragsteller sorgen könnte.
Der Antrag nach § 123 VwGO ist auch nicht aus anderen Gründen unstatthaft. Zwar sieht die Dublin III-VO in deren Art. 27 nur Rechtsmittel gegen Überstellungsentscheidungen vor, allerdings ist im Lichte des Art. 47 GRCh als Primärrecht (Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 EUV) auch ein Rechtsbehelf für die vorliegende Konstellation bereitzustellen. Ein Verweis auf die griechischen Gerichte trägt insofern nicht, als diese nicht das Bundesamt als Behörde der Bundesrepublik zur Zuständigkeitsübernahme verpflichten könnten (so VG Berlin, B.v. 15.3.2019 – 23 L 706.18 A – juris Rn. 21; a.A. etwa VG Bayreuth, B.v. 17.02.2020 – B 8 E 19.50589, BeckRS 2020, 15734 Rn. 50 ff.; offenlassend VG Düsseldorf, B.v. 28.1.2020 – 15 L 3299/19.A – BeckRS 2020, 1383 Rn. 35). Dies überzeugt auch angesichts der Erwägungsgründe der Dublin III-VO, insbesondere der Erwägungsgründe 13, der die Mitgliedstaaten insbesondere auf die Berücksichtigung der Belange von Minderjährigen verpflichtet, 14, der die Achtung des Familienlebens als vorrangige Erwägung bei der Anwendung der Dublin III-VO definiert, 15, der eine gemeinsame Bearbeitung der Anträge von Familienmitgliedern zur Vermeidung einer Trennung anmahnt, sowie 16 und 17, die das Fundament für die Art. 8 ff. und 17 Abs. 2 Dublin III-VO legen. Zudem ist, auch wenn sich der Europäische Gerichtshof soweit ersichtlich noch nicht explizit zur Frage der Rechtsschutzmöglichkeit gegen eine ablehnende Übernahmeentscheidung des Zielstaates auf Basis der Art. 8 ff. Dublin III-VO geäußert hat, angesichts seiner Entscheidungen zum drittschützenden Charakter sowohl der in Kapitel III der Dublin-III VO festgelegten Zuständigkeitskriterien (Art. 7 ff. Dublin III-VO) sowie des Ablaufs von Antrags-, Antwort- und Überstellungsfristen nach der Dublin III-VO, etwa nach Art. 21 Abs. 1 oder Art. 29 Dublin III-VO, und der Möglichkeit sich im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung hierauf zu berufen (EuGH, U.v. 7.6.2016 – Ghezelbash, C-63/15 – NVwZ 2016, 1157; EuGH, U.v. 7.6.2016 – Karim, C-155/15 – NVwZ 2016, 1155; EuGH, U.v. 25.10.2017 – Shiri, C-201/16 – NVwZ 2018, 43 Ls. 2 u. Rn. 35 ff.; EuGH, U.v. 26.7.2017 – Mengesteab, C-670/16 – NVwZ 2017, 1601; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 29 AsylG Rn. 42 m.w.N.), davon auszugehen, dass der Europäische Gerichtshof die rechtswidrige Ablehnung eines auf die Art. 8 ff. Dublin III-VO gestützten Übernahmegesuchs ohne die Möglichkeit des Rechtsschutzes hiergegen nicht akzeptieren würde.
3. Der Antrag ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragsteller vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO; sog. Regelungsanordnung). Der streitige Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind jeweils glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und den Antragstellern nicht schon in vollem Umfang, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnten. Im Hinblick auf das Gebot eines wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gilt dieses Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache dann nicht, wenn die sonst zu erwartenden Nachteile des Antragstellers unzumutbar sowie in einem Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären und ein hoher Wahrscheinlichkeitsgrad für einen Erfolg in der Hauptsache spricht (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3/13 – juris).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Antragsteller hat schon keinen Anordnungsanspruch (a)) glaubhaft gemacht.
a) Ein Anordnungsanspruch folgt weder aus Art. 8 Abs. 2 noch aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO und auch nicht aus einem Zuständigkeitsübergang nach Art. 22 Dublin III-VO i.V.m. Art. 5 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) 1560/2003 (Dublin-DVO).
aa) Aus Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Übernahme der Zuständigkeit gegen die Antragsgegnerin. Zwar vermittelt die Norm dem Antragsteller nach dem oben unter 2. Gesagten ein subjektives Recht (ausführlich VG Münster, B.v. 20.12.2018 – 2 L 989/18.A – juris Rn. 27 ff.). Allerdings sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO mangels Glaubhaftmachung nicht in Gänze erfüllt.
Bei dem Antragsteller, einem Jungen von aktuell 15 Jahren, handelt es sich um einen unbegleiteten Minderjährigen. Minderjährig im Sinne des Art. 2 Buchst. i Dublin III-VO, weil er unter 18 Jahre alt ist, wobei dahinstehen kann, ob es auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung (Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO) oder einen späteren Zeitpunkt, etwa den des Übernahmeersuchens von Griechenland an Deutschland oder gar den der gerichtlichen Entscheidung, ankommt, da der Antragsteller zu allen Zeitpunkten minderjährig war und ist. Der Antragsteller ist auch gemäß Art. 2 Buchst. j Dublin III-VO unbegleitet, da er nach seinen durch die Antragsgegnerin nicht widerlegten Angaben ohne Begleitung eines für ihn nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates verantwortlichen Erwachsenen nach Griechenland eingereist ist und sich derzeit auch nicht in Obhut eines solchen Erwachsenen befindet. Daran ändert auch die durch das „Prosecutor’s Office of Piraeus“ als „temporary guardian“ des Antragstellers am 2. Dezember 2019 der griechischen Rechtsanwältin … übertragene Befugnis im Rahmen des Asylverfahrens inklusive Familienzusammenführung im Namen des Antragstellers rechtlich zu handeln und ihn zu vertreten, nichts. Diese übernimmt zwar die Vertretung in rechtlichen Angelegenheiten, nimmt den Antragstellers aber nicht in ihre Obhut oder übt gar die elterliche Sorge (abgesehen von rechtlichen Angelegenheiten) aus.
Der in Deutschland lebende Onkel des Antragstellers, …, ist als Onkel väterlicherseits des Antragstellers dessen Verwandter im Sinne der Art. 8 Abs. 2, Art. 2 Buchst. h Dublin III-VO und verfügt als deutscher Staatsbürger über einen rechtmäßigen Aufenthaltsstatus in Deutschland.
Allerdings ist gemäß Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO anhand einer Einzelfallprüfung festzustellen, ob der Verwandte (hier der Onkel) für den Antragsteller sorgen kann. Dies konnte der Antragsteller nicht glaubhaft machen. Für die Bejahung des Sorgenkönnens genügt nicht bereits die unbeantwortete Aufforderung des Bundesamtes an die Zentrale Ausländerbehörde der Stadt Hamburg vom 7. April 2020, in der bis 23. April 2020 um Mitteilung gebeten wurde, ob aus Sicht der Ausländerbehörde oder des Jugendamtes Bedenken gegen eine Familienzusammenführung hinsichtlich des Kindeswohls des Antragstellers bestünden. Erfolge keine Mitteilung bis zum 23. April 2020 werde seitens des Bundesamtes von einer Zustimmung ausgegangen. Da Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO eine Einzelfallprüfung verlangt und die Fähigkeit zur Sorge positiv bejaht werden muss (OVG Bremen, B.v. 7.10.2019 – 1 LA 213/19 – juris Rn. 15; Vogt/Méndez de Vigo, JAmt 2019, 122, 125: keine Regelvermutung), kann für die gerichtliche Prüfung eine durch das Bundesamt selbst erklärte und gesetzlich so nicht vorgesehene Zustimmungsfiktion nicht ausreichen. Der Begriff des „Sorgens“ gemäß Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO ist in der Verordnung nicht näher definiert, jedenfalls ist davon die Personensorge im Sinne des § 1631 Abs. 1 BGB umfasst, also die Pflicht (und das Recht), das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (Thomann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Ed. 1.7.2020, Art. 8 Dublin III-VO Rn. 17) . Mit „Pflege“ sind auch die Unterbringung, die Verpflegung, Bekleidung und die Gesundheitssorge gemeint (Veit in Hau/Poseck, BeckOK BGB, 54. Ed. 1.11.2019, § 1631 Rn. 3). Hinsichtlich des Aspektes der Unterbringung ist das Vorhandensein von Wohnraum glaubhaft zu machen, der wenigstens bestimmten Mindestanforderungen genügt; es darf insbesondere nicht zu einer sozialunverträglichen Überbelegung von Wohnraum kommen (VG Freiburg, B.v. 5.2.2020 – A 13 K 4642/19 – juris Rn. 29). Hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des aufnehmenden Verwandten, die zumindest für die Dauer des Asylverfahrens gegeben sein muss, ist zu beachten, dass Ansprüche des Minderjährigen auf Sozialleistungen zu berücksichtigen sind (VG Freiburg, B.v. 5.2.2020 – A 13 K 4642/19 – juris Rn. 29; Thomann in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, 5. Ed. 1.7.2020, Art. 8 Dublin III-VO Rn. 17).
Es fehlt an einer Glaubhaftmachung des ausreichenden Vorhandenseins von Wohnraum. Zwar ist glaubhaft vorgetragen, dass der Onkel des Antragstellers mit seiner Frau und vier weiteren Kindern im Alter von 19, 17 und zwei Mal 9 Jahren in einer Wohnung in der Straße … …, …, lebt. Allerdings wird nur pauschal behauptet, dass der Onkel über ausreichend Wohnraum zur Aufnahme des Antragstellers bei sich verfüge, was angesichts von – den Antragsteller mitgerechnet – dann sieben Bewohnern einer Wohnung einer konkreteren Darlegung bedurft hätte (s. etwa VG Bremen, B.v. 7.2.2020 – 5 V 2557/19 – juris Rn. 36, wo die Antragstellerin, zu der zugezogen werden sollte, vorgetragen hat, dass sie dem zuziehenden weiteren Antragsteller ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellen würde), die der Antragsteller jedoch trotz gerichtlicher Aufforderung (vom 17.7.2020 und vom 30.7.2020) näher zur Fähigkeit des Onkels für ihn im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO zu sorgen vorzutragen, nicht beibrachte. Dem neben der pauschalen Behauptung ausreichenden Wohnraumes angebotenen Beweis des Zeugnisses des Onkels des Antragstellers war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht nachzugehen. Zwar gilt auch im einstweiligen Rechtsschutz der Amtsermittlungsgrundsatz und ist eine Beweiserhebung grundsätzlich, soweit es die Eilbedürftigkeit zulässt, zulässig, gleichwohl steht es im Ermessen des Gerichts, ob und welche Beweismittel es erhebt (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 123 Rn. 24, 32). Denn umgekehrt kommt gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Mitwirkungspflichten des Antragstellers eine besondere Bedeutung zu (BayVGH, B.v. 15.3.2001 – 10 ZE 01.320 – NVwZ-RR 2001, 477). Auch ist das Gericht im Eilverfahren grundsätzlich nicht zu weiteren Ermittlungen und Hinweisen verpflichtet, mit Blick auf die Eilbedürftigkeit ergeht die Entscheidung aufgrund der innerhalb angemessener Zeit verfügbaren präsenten Beweismittel und von glaubhaft gemachten Tatsachen (HessVGH, B.v. 18.9.2015 – 3 B 1518/15 – NVwZ 2016, 88 Rn. 3; Kuhla in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 54. Ed. 1.7.2020, § 123 Rn. 68). Mit Blick auf die angebotene Zeugenvernehmung wird dies durch die Regelungen der § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO, § 294 Abs. 2 ZPO gestützt, nach der eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, unstatthaft ist, d.h. anders gewendet nur möglich wäre, wenn sowieso Termin zur mündlichen Verhandlung oder auch zu einem Augenschein bestimmt würde, weil dann keine weitere Verzögerung einträte (so auch Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 56; a.A. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 37. EL Juli 2019, § 123 Rn. 96).
Da zum einen der Antrag nach § 123 VwGO bereits am 25. März 2020, also vor etwa viereinhalb Monaten, beim Verwaltungsgericht Hamburg eingegangen ist, ist jede weitere Verzögerung der Entscheidung, wie sie durch eine Zeugenvernehmung entstehen würde, zu vermeiden. Nicht zuletzt können durch den Antragsteller angeregte längere Ermittlungen die im Rahmen des Anordnungsgrundes behauptete Dringlichkeit widerlegen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 123 VwGO Rn. 56). Zum anderen wird dem Antragsteller durch die Ablehnung einer Zeugeneinvernahme nicht die Garantie wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG sowie Art. 47 GRCh abgeschnitten. Denn er hätte die Möglichkeit und angesichts der Anhängigkeit bereits seit 25. März 2020 auch ausreichend Zeit zur Glaubhaftmachung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO auch durch andere, dann präsente Beweismittel im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO gehabt, etwa durch die Beibringung einer Versicherung an Eides statt des Onkels des Antragstellers, der im Übrigen vor Rücknahme des diesbezüglichen Antrages der Antragsteller zu 1) war, zu dem also Kontakt bestanden haben dürfte, jedenfalls möglich gewesen wäre, noch dazu sowohl der Antragstellerbevollmächtigte als auch der Onkel des Antragstellers in … leben bzw. der Kanzleisitz dort ist. Auch wäre die Vorlage des Mietvertrages bezüglich oder von Fotos der Wohnung des Onkels denkbar gewesen, um die räumlich ausreichenden Verhältnisse zu belegen. Wartet der Antragsteller mit der Glaubhaftmachung hingegen mehrere Monate zu, um dann – nach zweimaliger gerichtlicher Aufforderung – ein nicht präsentes Beweismittel anzubieten, ist es im Eilverfahren ermessensgerecht, dem Beweisangebot wegen der damit einhergehenden weiteren Verzögerung nicht nachzukommen.
bb) Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt auch nicht aus einem Ablauf der Antwortfrist gemäß Art. 22 Abs. 1, Abs. 7 Dublin III-VO oder einem Verstreichenlassen der Antwortfrist auf eine Remonstration des ersuchenden Staates gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 3 der VO (EG) 1560/2003 (Dublin-DVO).
Nach der Asylantragstellung in Griechenland am 14. März 2019 hat Griechenland die Bundesrepublik Deutschland am 5. Juni 2019 auf Basis des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO ersucht, die Zuständigkeit für den Antragsteller zu übernehmen. Das Aufnahmegesuch war entsprechend Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 1, Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO und Anhang II (Verzeichnis B) der Dublin-DVO inhaltlich ausreichend, da es sachdienliche Angaben und Indizien, wenn auch keine Beweise, zur Bestimmung der Zuständigkeit enthielt, wie etwa die Angaben zu den verwandtschaftlichen Beziehungen des Antragstellers zu seinem Onkel im Rahmen des „Best Interests Assessment“, Kopien des Reisepasses und des Personalausweises des Onkels sowie die wechselseitigen Einverständniserklärungen von Antragsteller und Onkel mit einer Familienzusammenführung in Deutschland. Ein grundsätzliches Erfordernis einen DNA-Abstimmungsnachweis zu erbringen, besteht nicht (s.a. Art. 22 Abs. 4 Dublin III-VO).
Das Aufnahmegesuch vom 5. Juni 2019 hat Deutschland am 2. Juli 2019 gegenüber den griechischen Behörden abgelehnt, also innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 22 Abs. 1 Dublin III-VO. Die Ablehnung erfolgte zwar mit der nur knappen Begründung, dass das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen dem Antragsteller und seinem Onkel nicht durch Dokumente nachgewiesen sei und der unzutreffenden Erwägung, dass die Dublin III-VO aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit des Onkels nicht anwendbar sei. Darin liegt jedoch noch keine bloß formale Antwort, die nicht genügt, um einen Fristablauf und Zuständigkeitsübergang nach Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO auszuschließen (EuGH, U.v. 13.11.2018 – C-47/17, C-48/17 – BeckRS 2018, 28173 Rn. 67; VG Freiburg, B.v. 18.6.2020 – A 3 K 1718/20 – juris Rn. 34). Im Übrigen wäre das Bundesamt auch dann nicht nach Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO verpflichtet gewesen, das Übernahmegesuch Griechenlands anzunehmen, wenn man oben unter 3. a) aa) von einem Sorgenkönnen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO ausgehen würde. Seitens der griechischen Behörden wurde im Aufnahmegesuch vom 5. Juni 2019 nämlich kein förmliches Beweismittel gemäß Art. 22 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Buchst. a Dublin III-VO und Verzeichnis A. I. 1. des Anhangs II der Dublin-DVO zum Nachweis der verwandtschaftlichen Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem Onkel übermittelt. In diesem Fall erkennt der ersuchte Mitgliedstaat, hier Deutschland, nach Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO seine Zuständigkeit an, „wenn die Indizien kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, um die Zuständigkeit zu begründen“. Mit dieser Vorschrift wird zumindest ein Beurteilungsspielraum des ersuchten Staates anerkannt, welche Indizien im konkreten Einzelfall kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, was auch in Art. 22 Abs. 3 Buchst. b, ii Dublin III-VO zum Ausdruck kommt, nach dem die Beweiskraft von Indizien „von Fall zu Fall bewertet“ wird. Dieser Spielraum wäre im vorliegenden Fall jedenfalls nicht derart verengt gewesen, dass keine andere Entscheidung als eine Zuständigkeitsübernahme denkbar gewesen wäre, weil die durch Griechenland im Aufnahmegesuch vom 5. Juni 2019 beigebrachten Indizien zwar durchaus plausibel waren, jedoch nicht so verdichtet, als dass sie vernünftigen Zweifeln Schweigen geboten hätten.
Auf die Remonstration Griechenlands vom 23. Juli 2019 hin, in der die Anfertigung eines DNA-Abstammungsnachweises angekündigt wurde, reagierte Deutschland zunächst nicht. Nachdem die griechischen Behörden am 15. November 2019 die positiven Ergebnisse des DNA-Tests übersandt hatten, lehnte das Bundesamt am 21. November 2019 die Zuständigkeitsübernahme endgültig ab mit Verweis auf die verspätete Übermittlung der Resultate des DNA-Tests. Damit wurde durch die Antragsgegnerin zwar gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Dublin-DVO verstoßen, nach der der ersuchte Mitgliedstaat binnen zwei Wochen eine Antwort auf die Remonstration erteilt. Allerdings folgt daraus nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kein Zuständigkeitsübergang auf den ersuchten Mitgliedstaat, hier Deutschland, sondern ist vielmehr der ersuchende Mitgliedstaat, hier Griechenland, als zuständig anzusehen (EuGH, U.v. 13.11.2018 – C-47/17, C-48/17 – BeckRS 2018, 28173 Rn. 90). Mit Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Dublin-III VO nämlich „soll der ersuchte Mitgliedstaat dazu bewegt werden, mit dem ersuchenden Mitgliedstaat loyal zusammenzuarbeiten, indem er innerhalb der nach dieser Vorschrift vorgesehenen Frist das Gesuch des letztgenannten Mitgliedstaats um Aufnahme oder Wiederaufnahme des Betroffenen neuerlich prüft; jedoch bezweckt diese Vorschrift nicht, eine Rechtspflicht zur Beantwortung eines Ersuchens um neuerliche Prüfung mit der Folge zu begründen, dass im Fall der Nichtbeantwortung die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz auf ihn überginge“ (EuGH, a.a.O. Rn. 77).
cc) Ein Anspruch auf Zuständigkeitsübernahme folgt auch nicht aus Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, weil das der Antragsgegnerin diesbezüglich zustehende Ermessen nicht auf Null reduziert ist.
Nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Dublin III-VO kann derjenige Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Art. 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betreffenden Personen müssen dem schriftlich zustimmen, Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 Dublin III-VO. Der so ersuchte Mitgliedstaat hat alle erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen, Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 Dublin III-VO. Nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 4 Dublin III-VO wird dem ersuchten Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen, wenn dieser dem Gesuch stattgibt. Es handelt sich also gerade nicht um einen Selbsteintritt, der in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO normiert ist. Vielmehr bedarf eines Übernahmeersuchens, welches dann angenommen werden kann. Es ist mithin eine Kooperation zweier Mitgliedstaaten nötig (so auch VG Berlin, B.v. 17.6.2019 – 23 K L 293.19.A – juris).
Ein entsprechendes, explizit auf Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gestütztes Ersuchen an die Bundesrepublik Deutschland liegt zwar nicht vor, da das Aufnahmegesuch Griechenlands vom 5. Juni 2019 nur Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO erwähnt. Allerdings lässt sich dem Aufnahmegesuch in erweiternder Auslegung im Rahmen des vorgetragenen Sachverhaltes der allgemeine Wille entnehmen, dass Deutschland die Zuständigkeit für das Asylverfahren des Antragstellers übernehmen soll, insbesondere, weil sich Art. 8 Abs. 2 Dublin III-VO und Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO im Aspekt der Familienzusammenführung tatbestandlich überschneiden. Da Griechenland im Übernahmegesuch unter „Sonstige zweckdienliche Angaben“ erwähnt hat, dass der Antragsteller sich alleine in Griechenland befinde und unter einer Herzkrankheit leide, hat es auch humanitäre Aspekte, familiäre und gesundheitliche, im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO angesprochen und diesen mit zur Prüfung gestellt.
Auch ist noch keine Erstentscheidung über den Asylantrag des Antragstellers in Griechenland gemäß Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ergangen und es liegt die schriftliche Zustimmung des Antragstellers und seines Onkels nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 Dublin III-VO vor.
Das Verwandtschaftsverhältnis zwischen dem Antragsteller (Neffe) und seinem Onkel ist durch den der Antragsgegnerin durch Griechenland am 15. November 2019 übersandten DNA-Test belegt. Im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO gelten die Fristen und Verfahrensabläufe der Art. 21 fff. Dublin III-VO und Art. 5 Dublin-DVO nicht, der Antrag kann vielmehr „jederzeit“ gestellt werden. Dies ergibt sich gesetzestechnisch daraus, dass Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO in den Unterabsätzen 2 und 3 eigene Verfahrensregeln und Fristen (und größtenteils eben keine Fristen) aufstellt. Für den Ablauf der Frist von zwei Monaten nach Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 3 Satz 1 Dublin III-VO sind gerade auch keine Folgen wie in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3, Art. 23 Abs. 3, Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO vorgesehen. Daher ist im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO auch nicht relevant, dass das Ergebnis des DNA-Tests nicht innerhalb der Dreimonatsfrist des Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 oder der Remonstrationsfrist des Art. 5 Dublin-DVO übermittelt wurde.
Damit liegt in der begehrten Familienzusammenführung mit dem Onkel ein grundsätzlich geeigneter humanitärer Grund im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO. Dieser führt für die humanitären Gründe exemplarisch und insbesondere solche an, die sich aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen (Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 Dublin III-VO). Der darin zum Ausdruck kommende Grundgedanke der Wahrung der Familieneinheit und des Kindeswohls ist auch in den Erwägungsgründen 13 bis 17 der Dublin III-VO angelegt. Darüber hinaus ist die diagnostizierte Herzerkrankung des Antragstellers als humanitärer Belang zu berücksichtigen, insbesondere da er sich als unbegleiteter Minderjähriger alleine, wenn auch in Obhut einer Einrichtung des griechischen Roten Kreuzes speziell für unbegleitete Minderjährige, in Griechenland befindet.
Allerdings räumt Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO, wie sich bereits aus der Überschrift „Ermessensklauseln des Art. 17 Dublin III-VO ergibt, dem ersuchten Mitgliedstaat einen Ermessensspielraum ein, ob er die Zuständigkeit für den Antragsteller übernimmt (etwa VG Ansbach, B.v. 6.4.2020 – AN 17 E 20.50103 – juris Rn. 23, 29 ff.). Dieses hat die Antragsgegnerin zunächst nicht pflichtgemäß ausgeübt, da in den ablehnenden Entscheidungen des Bundesamtes vom 2. Juli 2019 und vom 21. November 2019 bis auf den in der ersten Ablehnungsentscheidung monierten unzureichenden Nachweis der Verwandtschaftsverhältnisse keine Erwägungen zu Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO angestellt wurden.
Jedoch führt ein Antrag nach § 123 VwGO, hier in Form einer Regelungsanordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO, nicht schon dann zum Erfolg, wenn ein Ermessensfehler der Behörde vorliegt, sondern nach herrschender Meinung erst und nur dann, wenn eine Ermessensreduzierung auf Null glaubhaft gemacht wird (BayVGH, B.v. 3.6.2002 – 7 CE 02.637 – NVwZ-RR 2002, 839; nur berichtend, aber a.A. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 123 Rn. 158 ff. m.w.N.). Dies glaubhaft zu machen gelingt dem Antragsteller hier nicht.
Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nur anzunehmen, wenn über das regelmäßig bestehende Interesse von Kindern an einer Familienzusammenführung konkret und im Einzelfall Umstände vorliegen, die die Annahme einer besonderen Härte begründen und jede andere Entscheidung als eine Zusammenführung der genannten Personen als unvertretbar erscheinen ließen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte spielen dabei insbesondere das Alter des Kindes, der Umfang der Bindung des Kindes zu Familienmitgliedern, zu denen nachgezogen werden soll, sowie der Umstand, ob das Kind unabhängig von seiner Familie eingereist ist, eine Rolle (vgl. EGMR, U.v. 30.7.2013 – Nr. 948/12 – BeckRS 2014, 80974 Rn. 56 [engl.]). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Schutzwürdigkeit eines minderjährigen Kindes aufgrund seines Lebensalters sowie die Frage, wie lange dieses in einem anderen Staat als seine Familienangehörigen gelebt hat, zu werten, wobei der EuGH in diesem Zusammenhang eine Altersgrenze von zwölf Jahren gebilligt hat (EuGH, U.v. 27.6.2006 – C-540/03 – NVwZ 2006, 1033 Rn. 73-75, allerdings zur Familienzusammenführungs-RL 2003/86/EG).
Diesen Maßstab zugrunde gelegt kann für den Antragsteller nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO ausgegangen werden. Der Antragsteller war zum Zeitpunkt des Übernahmegesuchs Griechenlands an Deutschland am 5 Juni 2019 14 Jahre alt und ist heute 15 Jahre alt; da Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO sich außerhalb deren Kapitels III befindet, greift nicht die sogenannte Versteinerungsklausel des Art. 7 Abs. 2 Dublin III-VO mit dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der ersten Antragstellung auf internationalen Schutz (Hruschka/Maiani in Hailbronner/Thym, EU Immigration and Asylum Law, 2. Ed. 2016, Art. 7 Dublin III-VO Rn. 4). Zwar kann im Alter von 14 oder 15 Jahren davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller grundsätzlich noch auf die Fürsorge von Erwachsenen angewiesen ist. Hier wird allerdings der Nachzug zu einem seit mehr als 20 Jahren in Deutschland lebenden Onkel väterlicherseits begehrt, der die Familie des Antragstellers in Afghanistan zwar alle zwei bis drei Jahre besucht hat, mit dem aber nie eine Lebensgemeinschaft bestanden hat. Momentan besteht der Kontakt über zwei bis dreimalige wöchentliche Telefonate und mit den Kindern des Onkels (Cousins des Antragstellers) gelegentlich über Social Media Kanäle. Das Verhältnis zwischen Antragsteller und Onkel mag also gut sein, besteht aber – von den damaligen Besuchen in Afghanistan abgesehen – nur auf räumliche Distanz. Zudem ist gegen eine Ermessensreduzierung auf Null anzuführen, dass der Antragsteller seine Heimat Afghanistan alleine, ohne seine noch dort lebenden Eltern, verlassen hat und weiter eigenen Angaben nach in Istanbul einen nicht näher beschriebenen Cousin getroffen und dort sechs Monate als Schneider (wohl als Näher) in einer Fabrik gearbeitet hat, um dann wiederum alleine nach Griechenland weiterzureisen. Damit ist nicht mit der für eine Ermessensreduzierung auf Null nötigen Dringlichkeit dargelegt, dass der Antragsteller gerade auf den in Deutschland lebende Onkel väterlicherseits als Betreuungsperson angewiesen ist. Im Übrigen ist hinsichtlich der derzeitigen humanitären Situation des Antragstellers festzustellen, dass er, ausweislich der durch seinen Prozessbevollmächtigten zu den Akten gereichten Bestätigung des griechischen Roten Kreuzes vom 28. Juli 2020, in einer Schutzeinrichtung für unbegleitete Minderjährige des Roten Kreuzes in Athen untergebracht ist und zusätzlich zur Unterbringung 30 Euro pro Monat als wirtschaftliche Hilfe erhält. Auch die durch ein ärztliches Attest vom 20. Dezember 2019 belegte Herzerkrankung vermag den Ermessensspielraum der Antragsgegnerin im Rahmen des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO nicht auf Null zu verengen. Darin wurde dem Antragsteller eine „congenital heart disease, secondary atrial communication and coexisting dilation of the right heart cavities” diagnostiziert und eine Behandlung durch eine „closure of atrial communication“ angeraten. Im selben Attest wurde jedoch auch festgestellt, dass die empfohlene Operation nicht als dringend angesehen werde und in der nahen Zukunft geplant werden könne („This operation is not considered urgent and can be planned in the near future“). Da das „General Hospital of Athens Ippokratio“ und der behandelnde Arzt in der Lage waren, die genannte Krankheit zu diagnostizieren, ist auch davon auszugehen, dass diese in Griechenland behandelt werden könnte, insbesondere, da es sich um ein Krankenhaus in der Hauptstadt Athen handelt, welches als Universitätskrankenhaus bezeichnet ist („University Heart Clinic“). Im Allgemeinen ist laut der zur medizinischen Versorgung in Griechenland vorliegenden Erkenntnismittel von einem kostenlosen Zugang zu notwendiger Gesundheits- und Krankenhausversorgung für (vulnerable) Asylbewerber auszugehen, wenn auch in der Praxis das öffentliche Gesundheitswesen angesichts von Sparmaßnahmen unter Druck steht und der Zugang eingeschränkt sein kann. Alle Einwohner des Landes und Asylbewerber haben rechtlich Anspruch auf eine medizinische Notfallversorgung unabhängig vom Rechtsstatus, wobei Notfälle oder komplexere Fälle in Krankenhäuser überwiesen werden (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Griechenland, letzter Stand 19.3.2020, S. 24 ff.). In einer Zusammenschau aller für die humanitären Gründe im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO relevanten Umstände, insbesondere der bislang nicht gelebten Gemeinschaft von Antragsteller und in Deutschland lebendem Onkel, der geschützten Unterbringung des Antragstellers in einer Einrichtung des griechischen Roten Kreuzes sowie des – zumindest nicht in einem für die Glaubhaftmachung erforderlichen Maß widerlegten – Zugangs zu medizinischer Versorgung in Griechenland, ergibt sich keine Ermessensreduzierung auf Null und damit kein Anspruch des Antragstellers gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Zuständigkeitsübernahme. Und selbst wenn man oben der Gegenansicht beitreten würde, dass für den (Verpflichtungs-)Anordnungsanspruch im Rahmen des § 123 VwGO keine Ermessensreduzierung auf Null erforderlich ist, so verlangt diese für einen Anspruch auf ermessenfehlerfreie Neubescheidung im Rahmen einer Regelungsanordnung, dass die Neubescheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu der vom Antragsteller beantragten Verwaltungsmaßnahme führt (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 123 Rn. 161b). Auch das ist nach dem eben Ausgeführten nicht der Fall.
b) Darüber hinaus ist die Glaubhaftmachung (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO) des Anordnungsgrundes unzureichend. Der Antragsteller bringt hierzu vor, dass die Entscheidung mit Blick auf die aktuelle Lage in Griechenland sowie die Corona-Pandemie eilbedürftig sei, sowie angesichts seines Gesundheitszustandes und der medizinischen Versorgungslage in Griechenland bei einem weiteren Zuwarten schwere unzumutbare Nachteile zu gewärtigen seien.
Der Vortrag erweist sich hinsichtlich der aktuellen Lage in Griechenland zu vage, weil nicht ersichtlich wird, welche konkreten Aspekte der aktuellen Lage eine Eilbedürftigkeit auslösen sollen. Auch bezüglich des Corona-Virus SARS-CoV-2 wird kein gesteigertes und unmittelbares Risiko für Griechenland dargelegt, welches nach einer sofortigen Entscheidung verlangen würde. Da auch in Deutschland als gewünschtem Zielland des Antragstellers das Risiko einer Ansteckung bestünde, kann keine Eilbedürftigkeit erkannt werden. Was die medizinische Versorgungslage angeht ist die unter 3. a) cc) geschilderte Erkenntnislage durch den antragstellerischen Vortrag nicht in einem die besondere Eilbedürftigkeit rechtfertigenden Maße erschüttert. Schließlich leidet der Antragsteller zwar an einer ernsthaften Herzerkrankung, jedoch ist im Antragschriftsatz und weiteren Vortrag nicht hinreichend dargelegt, dass das griechische Gesundheitssystem insbesondere für die vulnerable Gruppe der unbegleiteten Minderjährigen nicht zugänglich und zur Behandlung in der Lage wäre, obgleich bereits eine differenzierte Diagnose erfolgte.
Die einen Anordnungsgrund grundsätzlich rechtfertigende Gefahr eines unmittelbar drohenden Rechtsverlustes in Form des Herausfallens aus den Regeln zur Familienzusammenführung der Dublin III-VO durch den Fortgang des Asylverfahrens in Griechenland und eine mögliche Anerkennung des Antragstellers wird nicht vorgebracht. Der bislang erfolgte Vortrag zum Vorliegen des Anordnungsgrundes stellt nämlich im Schwerpunkt auf den gesundheitlichen Zustand des Antragstellers und eine mögliche Verschlechterung durch weiteres Zuwarten ab und damit letztlich auf das Interesse an einer medizinischen (Weiter) Behandlung in Deutschland. Die individuelle Interessenlage des Antragstellers wiederum kann für die Verneinung eines Anordnungsgrundes ausschlaggebend sein (Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 38. EL Januar 2020, § 123 Rn. 82a), wenn wie hier das vorgebrachte Interesse keine Eilbedürftigkeit trägt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
5. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Rechtsanwaltes … … war mangels hinreichender Erfolgsaussichten gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen.
6. Die Entscheidung ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben