Europarecht

Erkrankung, Vollziehung, Gesundheitszustand, Marke, Bescheid, Zwangsgeld, Wartezeit, Krankheit, Untersagung, Ermessensfehler, Tiere, Anordnung, Arzneimittel, Therapie, sofortige Vollziehung, aufschiebende Wirkung, kraft Gesetzes

Aktenzeichen  B 1 S 20.1035

Datum:
29.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51653
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 2
TierSchG § 2
TierSchG § 11 Abs. 8
Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang III Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I Nr. 1 b der VO (EG) 853/2004

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller führt zusammen mit Herrn S. K. einen landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchkuhhaltung in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR). Mit seinem Antrag wendet er sich gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung tierschutzrechtlicher Maßnahmen im Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 28. August 2020.
Im August 2020 hatte der Betrieb einen Bestand von insgesamt 469 Rindern (392 am Standort in K. und weitere 77 an einem Betriebsstandort in der …).
Mit Bescheid vom 28. August 2020 (zugestellt am 3. September 2020) wurde der Antragsteller verpflichtet, bei allen bei der täglichen Inspektion nicht auffälligen Rindern des Bestandes der auf dem Anwesen in K. gehaltenen Rinderherde alle 6 Monate eine fachgerechte funktionelle Klauenpflege durchführen zu lassen (Nr. 1.1), bei allen bei der täglichen Inspektion auffälligen Rindern eine tierärztliche Untersuchung mit entsprechender fachgerechter Versorgung der Klauen zu veranlassen und den tierärztlichen Behandlungsanweisungen vollumfänglich Folge zu leisten (Nr. 1.2). Nr. 1.3 enthält die Anordnung einer Dokumentationspflicht, die nach Nr. 1.4 dem Landratsamt monatlich vorzulegen ist. Gemäß Nr. 1.5 sind sämtliche milchgebende Kühe durch den Eutergesundheitsdienst (Einzelgemelksproben mit Leitkeimbestimmung) zu untersuchen und die Ergebnisse der Untersuchung dem Landratsamt vorzulegen (Nr. 1.6). Das Blut von mindestens 3 frischmelkenden Kühen ist durch den Hoftierarzt auf Stoffwechselprofil zu untersuchen (Nr. 1.7) und das Ergebnis dem Landratsamt vorzulegen (Nr. 1.8). Bei allen Milchkühen des Bestandes ist der ß-HB-Wert durch den Hoftierarzt am Tag 4 sowie am Tag 14 nach dem Abkalben messen zu lassen (Nr. 1.9 mit entsprechender Vorlagepflicht nach Nr. 1.10). Dem Antragsteller wurde aufgegeben, ein tierschutzbezogenes betriebliches Eigenkontrollsystem zu etablieren und durchzuführen. Hierfür hat er mindestens die Tierschutzindikatoren gemäß den KTBL-Vorgaben (siehe Anhang des Bescheids) zu erheben, die festgestellten Schäden in die Grade gering, mittel und schwer/hochgradig einzuteilen und seine Erhebungen, Bewertungen und unverzüglich eingeleiteten Maßnahmen analog der Gliederung der KTBL-Vorgaben zu dokumentieren (Nr. 1.11). Dies ist dem Landratsamt in einer übersichtlichen sowie auswert- und nachvollziehbaren Zusammenfassung vierteljährlich vorzulegen (Nr. 1.12). Eine tierärztliche Bestandsbetreuung mit Auswertung der aktuellen Daten der Milchleistungsprüfung (MLP), der Eutergesundheitsuntersuchungen sowie der Futtermittelzusammensetzung und -rationen ist durchzuführen (Nr. 1.13). Die Datenauswertungen sind dem Landratsamt ebenfalls vierteljährlich vorzulegen (Nr. 1.14). Der Antragsteller wurde verpflichtet in Abstimmung mit dem Hoftierarzt eine Selektionsliste zu erstellen, in der alle Rinder des Bestandes angeführt sind, die nicht mehr therapiewürdig sind (Nr. 1.15 mit Vorlagepflicht Nr. 1.16). Bei jedwedem Krankheitsverdacht oder offensichtlichen Abweichungen der Tiergesundheit sind unverzüglich Maßnahmen zur Absonderung in eine geeignete und hygienisch einwandfreie Haltungseinrichtung mit trockener und weicher Einstreu zu ergreifen (Nr. 1.17.1) und der Hoftierarzt zur Untersuchung der Krankheitsursache hinzuzuziehen (Nr. 1.17.2).
Dem Antragsteller wird untersagt, Rohmilch von Kühen in Verkehr zu bringen, wenn bzw. solange in der Einzelgemelksprobe eine Zellzahl von größer 1.000.000 Zellen/ml nachgewiesen wurde oder werde (Nr. 2.1.); Rohmilch von Kühen in Verkehr zu bringen, die nachweislich Krankheitserreger aufweisen, die Euterentzündungen hervorrufen (Nr. 2.2) oder die aufgrund einer Erkrankung mit entzündungshemmenden Arzneimitteln oder sonstigen Arzneimitteln behandelt werden, auch wenn die Wartezeit dieser Arzneimittel mit „null Tagen“ angegeben ist (Nr. 2.3).
Für einen Verstoß gegen die Nrn. 1.1 bis 1.17 und 2 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 100 EUR (Verstoß gegen Nr. 1.1), 200 EUR (Nrn. 1.3, 1.4, 1.6, 1.8, 1.10, 1.12, 1.14 und 1.16), 250 EUR (Nrn. 2.1, 2.2 und 2.3), 300 EUR (Nrn. 1.5, 1.7, 1.9, 1.13, 1.15 und 1.17.1), 500 EUR (Nrn. 1.2, 1.17.2) sowie 800 EUR (Nr. 1.11) pro Verstoß oder nicht vollumfänglicher Umsetzung angedroht.
Herr S. K. habe die durch Nrn. 1.1. bis 1.17 und 2.1 bis 2.3 angeordneten Maßnahmen zu dulden (Nr. 4), für einen Verstoß wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 EUR pro Verstoß angedroht (Nr. 5). Entsprechende Regelungen wurden für Herrn J. K. – Sohn des Antragstellers (Nr. 6 und 7) und für Frau C. K. – Ehefrau des Antragstellers (Nr. 8 und 9) angeordnet. Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1.1 bis 1.17, 2.1 bis 2.3, 4 und 6 wurde angeordnet (Nr. 10).
Zur Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass der Betrieb schon seit dem Jahr 2005 wegen tierschutz- und lebensmittelrechtlicher Verstöße auffällig gewesen sei. Es seien bereits Anordnungen zur Behebung von tierschutzrechtlichen Mängeln ergangen, welche aber nicht vollumfänglich umgesetzt worden seien. Im August 2020 seien dem Landratsamt 2 Sektionsberichte mit tierschutzrelevanten Befunden übermittelt worden. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle am 12. August 2020 seien gravierende Missstände in der Tierhaltung sowie lebensmittelrechtliche Verstöße festgestellt worden. Es werde auf den Sektionsbericht, die Bilddokumentation der Kontrolle sowie die Betriebsanalyse des Bestandsbetreuers, die am 21. Juli 2020 vorgelegt worden sei, Bezug genommen. Die Maßnahmen würden auf § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 TierSchG gestützt. Es lägen objektive Anhaltspunkte vor, dass die Betriebsweise in absehbarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zu (weiteren) tierschutzwidrigen Vorgängen führen werde. Die Betriebsinhaber hätten gegen das in § 2 Nr. 1 TierSchG enthaltene Gebot zur angemessenen Pflege der gehaltenen Tiere verstoßen. Insbesondere sei gegen die gebotenen Maßnahmen der Gesundheitsfürsorge für die am 29. Juni bzw. am 13. April 2020 verendeten Rinder verstoßen worden. Hierzu wurde der Wortlaut des Sektionsberichts wiederholt. Für weitere vier Rinder sei ebenfalls keine Heilbehandlung im Krankheitsfall erfolgt. Die Amtstierärztin habe am Tag der Kontrolle ein Rind mit aufgezogenem Rücken, erheblicher Umfangsvermehrung der vorderen linken Gliedmaße und einem Lahmheitsgrad von 3-4, ein Rind mit deutlich sicht- und tastbaren Euterknoten, ein Rind mit extrem vernachlässigter Klauenpflege, gerötetem, geschwollenem und entzündlich verändertem Kronsaum an den beiden hinteren Gliedmaßen und ein Rind mit erheblicher Umfangsvermehrung der beiden vorderen Gliedmaßen sowie der hinteren linken Gliedmaße vorgefunden. Der Antragsteller habe keinen Tierarzt gerufen. Bei verschiedenen Tieren sei keine fachgerechte Klauenpflege durchgeführt worden. Zudem seien keine konsequenten Maßnahmen ergriffen worden, um ein weiteres Ausbreiten des bei 39 Kühen des Bestandes nachgewiesenen hochansteckenden Erregers S. aureus auf die übrigen Milchkühe des Bestandes zu verhindern, obwohl im Bericht des Bestandsbetreuers bereits im November 2019 ein positives Testergebnis für diese Kühe vorgelegen habe. Er habe somit alle Milchkühe des Bestandes der Gefahr ausgesetzt, sich beim Melken mit dem genannten Erreger zu infizieren und in der Folge an einer akuten oder chronischen subklinischen Mastitis zu erkranken. Den Betriebsinhabern seien immer wieder Hilfestellungen zur Verbesserung des Tierschutzes angeboten worden. Die Verstöße ließen darauf schließen, dass die Herde nicht genug beobachtet werde und das Wohlbefinden der Tiere nicht ausreichend erfasst werde. Die Maßnahmen nach Nr. 1.1 bis 1.17 seien geeignet, Verstöße gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen in Zukunft zu verhindern sowie das sich aus den Europaratsempfehlungen für das Halten von Rindern ergebende Pflegegebot zu beachten. Es gehe um die angemessene Gesundheitsvorsorge (Vermeidung von nachteiligen Klauenveränderungen sowie Euterentzündungen) und die Sicherstellung einer hinreichenden Gesundheitsvorsorge (insbesondere das frühzeitige Erkennen von Erkrankungen und Verletzungen sowie die Sicherstellung einer zeitnahen und adäquaten Heilbehandlung). Die Dokumentations- und Vorlagepflichten ermöglichten die Überwachung der Maßnahmen und seien die Basis für weiterführende behördliche Entscheidungen, zum Beispiel die Beibehaltung, Lockerung oder Verschärfung der Maßnahmen. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Es handle sich um Maßnahmen, zu denen der Antragsteller ohnehin kraft Gesetzes verpflichtet sei (§ 2 Nr. 1 TierSchG: Pflegegebot, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchutzNutztV sowie Art. 4 Nr. 2 der Europaratsempfehlungen für das Halten von Rindern: Maßnahmen bei Verhaltensänderungen, § 11 Abs. 8 TierSchG: Pflicht zur Eigenkontrolle). Die Dokumentationspflichten seien für die künftige Entscheidungsgrundlage erforderlich. Kontrollen hingegen würden nur eine Momentaufnahme liefern.
Die Nrn. 2.1 bis 2.3 stützten sich auf Art. 138 Abs. 1 Buchst. b der VO (EU) Nr. 2017/625. Bei der letzten Milchleistungsprüfung sei festgestellt worden, dass gegen Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I.1. Buchst. b der VO (EG) Nr. 853/2004 verstoßen worden sei. Rohmilch dürfe gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I.1. Buchst. b der VO (EG) Nr. 853/2004 nur von Tieren stammen, deren allgemeiner Gesundheitszustand gut sei. Als Bewertungskriterium für die Rohmilchqualität diene die Zellzahl, da anhand des Zellzahlgehalts der Milch die Eutergesundheit beurteilt werden könne. Bei festgestellter individueller Kuhzellzahl von über 250.000 Zellen/ml sei veterinärmedizinisch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass eine Infektion vorliege, die betroffene Kuh also krank sei und einem Tierarzt vorgestellt werden müsse. In diesem Fall sei das Tier als für die Lebensmittellieferung aktuell nicht geeignetes Tier einzustufen. Auch Milchkühe, die auf Grund anderer Erkrankungen, wie z.B. Entzündung der Klauen und Gelenke therapiebedürftig seien und mit jeglichen Arzneimitteln behandelt würden, hätten einen reduzierten Allgemeinzustand und seien aus amtstierärztlicher Sicht nicht als gesund einzustufen, auch wenn die Wartezeit der zu ihrer Behandlung verwendeten Arzneimitteln mit „Null Tagen“ angegeben sei. Die Zellzahl sei in der Vergangenheit überschritten worden, bei der letzten Milchleistungsprüfung habe die Zellzahl bei mehreren Kühen des Betriebs mehr als 1.000.000 Zellen/ml betragen. Die unter Nr. 2.1. bis 2.3 angeordneten Maßnahmen seien geeignet zu gewährleisten, dass keine Rohmilch von Kühen, deren allgemeiner Gesundheitszustand nicht gut sei und die somit keimbelastet und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachteilig verändert ist, an den Milchhof abgegeben werde. Auch hier seien keine milderen Maßnahmen ersichtlich, da sich der Antragsteller in der Vergangenheit immer wieder behördlichen Maßnahmen widersetzt habe. Die Pflicht bestehe ohnehin kraft Gesetzes gemäß Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Anhang II Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I.1. Buchst. b der VO (EG) Nr. 853/2004.
Gegen den Bescheid ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben, die unter dem Aktenzeichen B 1 K 20.961 geführt wird. Mit Schreiben vom 8. Oktober 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 12. Oktober 2020, ließ der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamts … vom 28. August 2020 wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben.
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die streitgegenständlichen Bescheidinhalte und Auflagen zu weit gingen. Nicht richtig sei, dass die Ehefrau des Antragstellers das Melken der Kühe durchführe. Dies werde von einer angestellten Melkerin gemacht, die nach den Feststellungen des Fachtierarztes Dr. T. hervorragende Arbeit verrichte. Der Antragsteller habe stets die Empfehlungen des Tierarztes Dr. M. befolgt, der ihm von der Amtstierärztin zugewiesen worden sei. Der Sachverständige Sch und der Fachtierarzt Dr. T. hätten nicht festgestellt, dass gravierende Missstände in der Tierhaltung existierten. Aus deren Sicht seien keine Tiere auffällig, es habe sich um einen üblichen Tierbestand gehandelt, bei dem ein krankes Tier, welches in einer Strohbox liege, etwas völlig Normales sei. Dem Antragsteller sei die Betriebsanalyse des Bestandsbetreuers nicht vorgelegt worden. Sie sei ihm bis heute nicht bekannt. Der Antragsteller wisse nichts von einer Vor-Ort-Kontrolle am 14. August 2020. Krankheitsauffällige Tiere seien einem Hoftierarzt vorgestellt worden, die notwendige Klauenpflege sei durchgeführt und dokumentiert worden. Lahmende Tiere würden durch den Antragsteller selbst gepflegt und bei Bedarf werde ein Hoftierarzt hinzugezogen. Die Empfehlungen des Dr. M., die Ausbreitungen des Erregers S. aureus zu unterbinden, hätten nicht zum Erfolg geführt. Auf Rat des Sachverständigen Sch sei eine Rückspülanlage eingebaut worden. Ab diesem Zeitpunkt seien die Zahlen und die Infektionsrate auffällig gesunken. Dies werde dadurch bewiesen, dass im November 2019 39 Kühe und am 31. August 2020 (so laut Bescheid) nur noch 14 Kühe betroffen gewesen seien. Diese positive Entwicklung habe auch der Fachtierarzt Dr. T. festgestellt. Aus der Praxis Dr. M. sei keine zeitgerechte und teilweise überhaupt keine Auswertung gekommen. Aus diesem Grund sei die Zusammenarbeit im August 2020 beendet worden. Es sei noch zu keiner Beanstandung seitens des Milchhofes und der Schlachthöfe gekommen.
Mit weiterem Schreiben vom 15. Oktober 2020 wurden Bescheinigungen des Dipl.-Ing. agr. Sch. vom 13. Oktober 2020 und vom 4. September 2020 vorgelegt. Diesen Schreiben sei eine positive Entwicklung zu entnehmen. Die Schreiben belegten, dass in absehbarer Zeit nicht mit tierschutzwidrigen Vorgängen zu rechnen sei. Es werde angeregt, eine Stellungnahme des im Betrieb tätigen Fachtierarztes Dr. T. einzuholen. Laut Briefkopf handelt es sich bei Herrn Sch um einen von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen bestellten und vereidigten Sachverständigen für Milch-, Kühl- und Fütterungstechnik. Er führt aus, dass der Betrieb bei seinem zweiten Besuch keine Anzeichen geboten habe, die man stirnrunzelnd oder/und mit erhobenem Zeigefinger zu bemängeln hätte. Der Bestand der Tiere sei im Vergleich zum März besser, wenn nicht sogar gut. Es gebe zwar vielleicht noch zwei/drei Kühe mit Technopathien an den Karpalgelenken, aber alle mit glattem glänzendem Fell, sauberem und aufmerksamen Habitus. Man könne von einem Normalzustand sprechen.
Das Landratsamt beantragte mit Schreiben vom 16. Oktober 2020,
den Antrag abzulehnen.
Es wurde auf die vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte hingewiesen. Die Verweise auf den Sachverständigen Sch seien in keiner Weise geeignet, die Beurteilung der Amtstierärztin in Frage zu stellen. Die Dokumentation der Amtstierärztin belege, dass der Antragsteller nicht alle Anordnungen umgesetzt und nicht alle kranken Tiere einem Hoftierarzt vorgestellt habe. Eine Kette von Verstößen rechtfertigten die Maßnahmen, auch wenn es teilweise zu einer kurzfristigen Verbesserung gekommen sein sollte.
Der Antragsteller ließ noch ausführen, dass er eine Fachfrau eingestellt habe, die sich um das Herdenmanagement im Landwirtschaftsbetrieb kümmere. Es wurde auf die Feststellungen des Tierarztes Dr. T. im Schreiben vom 2. September 2020 und auf den Bestandsbesuch am 10. September 2020 verwiesen. Am 31. August 2020 seien von allen laktierenden Kühen Viertelanfangsgemelkproben entnommen worden. Dr. T. habe festgestellt, dass bei den Probeentnahmen der Euterbereich der überwiegenden Anzahl der Tiere sauber gewesen sei. Bei der Analyse der Proben sei aufgefallen, dass nur zwei Kühe aus der Melkstandgruppe mit dem Erreger S. aureus infiziert gewesen seien, während es in der Robotergruppe 14 von 51 gewesen seien. Die Maßnahme, dass die Kühe im Melkstand gemolken würden, habe somit absolut gefruchtet. Es sei offensichtlich, dass die Infektionen durch den Melkroboter verbreitet würden. Ein Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids läge somit nicht vor. Der E-Mail von Dr. T. vom 2. September 2020 an den Betrieb könne entnommen werden, dass folgende Sofortmaßnahmen getroffen werden müssten: Melken der Kühe im Melkstand, Einrichten einer S. aureus Gruppe, Kühe ohne Heilungsaussichten und nicht tragende Kühe mit langer Laktation sollten abgehen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Vortrag der Beteiligten, die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei dieser Entscheidung hat es entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der vorliegende Antrag abzulehnen, da die Klage nach summarischer Überprüfung keine Aussicht auf Erfolg haben wird und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angefochtenen Bescheides schwerer wiegt als das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
Das Gericht nimmt auf die Gründe des angefochtenen Bescheides, denen es folgt, Bezug und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend ist folgendes auszuführen:
a) Ermächtigungsgrundlage für die Nr. 1.1 (Klauenpflege), Nr. 1.2 (tierärztliche Untersuchung), Nr. 1.5. (Untersuchung durch den Eutergesundheitsdienst), Nr. 1.7 (Untersuchung des Blutes von drei frischmelkenden Kühen), Nr. 1.9 (Bestimmung des ß-HB-Wertes durch den Hoftierarzt), Nr. 1.11 (Errichtung eines Eigenkontrollsystems), Nr. 1.13 (tierärztliche Bestandsbetreuung), Nr. 1.15 (Erstellung einer Selektionsliste in Abstimmung mit dem Hoftierarzt) und Nr. 1.17 (Maßnahmen bei Krankheitsverdacht) ist jeweils § 16a Abs. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG i. V. m. § 2 TierSchG. Gemäß § 16a TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen (Abs. 1 Satz 1); sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen (Abs. 1 Satz 2 Nr. 1).
Nach § 2 TierSchG muss, wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat, das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen (Nr. 1), darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden (Nr. 2), und muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen (Nr. 3). Rechtsgrundlage für die Anordnung der betrieblichen Eigenkontrolle ist zudem § 11 Abs. 8 Satz 1 TierSchG, wonach wer Nutztiere zu Erwerbszwecken hält durch betriebliche Eigenkontrolle sicherzustellen hat, dass die Anforderungen des § 2 eingehalten werden. Insbesondere hat er nach § 11 Abs. 8 Satz 2 TierSchG zum Zwecke seiner Beurteilung, dass die Anforderungen des § 2 erfüllt sind, geeignete tierbezogene Merkmale (Tierschutzindikatoren) zu erheben und zu bewerten.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die (summarische) Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist – unabhängig von der Frage, ob es sich bei einzelnen Anordnungen der Ordnungsverfügung um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt – der des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids als der letzten behördlichen Handlung in diesem Verfahren. Auf nachträgliche Entwicklungen der tatsächlichen Lage kommt es insoweit an dieser Stelle nicht an. Sonst könnte sich ein Adressat einer tierschutzrechtlichen Anordnung durch vorübergehende Anpassung der Tierhaltung der möglichen Durchsetzung der Anordnung entziehen. Das ist mit dem Schutzzweck und der Effektivität des Tierschutzgesetzes nicht vereinbar. Zur Verhütung künftiger Verstöße gegen das Tierschutzrecht kann eine Anordnung vielmehr auch erforderlich i. S. v. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG sein, wenn der Antragsteller den Anforderungen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nachgekommen sein sollte (BayVGH, B.v. 9.8.2017 – 9 ZB 15.2487 – juris Rn. 13).
Aus diesem Grund können die vom Antragsteller nach Bescheiderlass dargestellten Verbesserungen durch den Dipl. Ing. Sch., den Tierarzt Dr. T. und den Tierarzt Dr. J (Schreiben vom 28. Oktober 2020) an dieser Stelle keine Berücksichtigung mehr finden. Zudem ist anzumerken, dass der Dipl. Ing. agr. Sch. Sachverständiger für Milch-, Kühl- und Fütterungstechnik ist, weshalb ihm eine sachverständige Beurteilung der Gesundheit der Tiere nicht möglich ist. Auch Dr. T. weist in den Schreiben vom 2. und 10. September 2020 auf die Infektionen mit S. aureus und Mängel im Management hin. Das Schreiben vom Dr. J vom 28. Oktober 2020 setzt sich nicht substantiiert mit den Feststellungen der Veterinäre des Landratsamts auseinander (welche im Folgenden dargestellt werden).
Die Missstände im Betrieb des Antragstellers wurden von Amtstierärzten festgestellt und sind als nicht tierschutzgerecht gewertet worden. Diesen Feststellungen und fachlichen Beurteilungen kommt ein besonderes Gewicht zu, da beamteten Tierärzten bei der hier maßgeblichen Frage, ob die Anforderungen des § 2 TierSchG erfüllt sind, vom Gesetz eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt wird (st. Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.2694 – juris Rn. 10 m.w.N.). Bloßes Bestreiten der fachlichen Beurteilung ist dabei regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9), welches hier nicht ersichtlich ist.
Der Dokumentation der veterinärrechtlichen Kontrolle am 21. Januar 2019 ist zu entnehmen, dass zwei Kälber in Iglus gehalten wurden, die nur für die Besetzung mit einem Kalb ausgelegt sind. Es wurde eine hochgradige Verschmutzung der Kälber festgestellt, was auf eine nicht regelmäßige Entmistung mit Einstreu zurückzuführen war. Die Tränkeinrichtungen wiesen Altverschmutzung auf. Im überdachten Jungrinderstall mit 20 Jungrindern war die Liegefläche nicht ausgemistet und nur teilweise eingestreut, es sammelten sich Urin und Ausscheidungen. Der Krankenstall war dunkel, stark verschmutzt und überbelegt. Eine schwerwiegend erkrankte Kuh (Marke …) war hochgradig abgemagert und hatte entzündliche Gliedmaßen. Sie wurde ohne tierärztliche Behandlung in einem ungeeigneten Abteil zwischen 11 anderen Rindern gehalten. Bei den Kühen mit der Marke …, … und … wurde keine Klauenpflege durchgeführt und auch kein Tierarzt beauftragt. Im Milchviehstall mit Melkstand wurden 80 bis 90 Kühe gehalten (wobei nur 73 Liegeboxen zur Verfügung standen). Die Liegeflächen wiesen massive Verschmutzungen auf.
Bei der Kuh mit der Marke … waren Druckstellen zu sehen, die auf mangelnde Einstreu hinwiesen, bei der Kuh mit der Marke … wurde eine Klauenentzündung festgestellt. Die Großraumiglus wurden nicht ausreichend ausgemistet.
Bei einem weiteren Besuch der Amtstierärzte am 10. April 2019 wurden ebenfalls abgemagerte Tiere sowie Tiere mit Klauen- und Gelenksentzündungen vorgefunden sowie die Wasserversorgung bemängelt. Auf den dabei gefertigten Bildern sind ebenfalls verschmutzte Stallungen zu erkennen.
Die Kontrolle der Amtstierärzte am 7. Oktober 2019 ergab, dass 11 Kälbern kein trockener Liegeplatz zur Verfügung stand, bei einigen Kühen wurden Krankheiten festgestellt. Im Schreiben vom 23. Oktober 2019 wurde zusammengefasst, dass bei 12 Rindern Entzündungen der Klauen und Gelenke und Dekubitusstellen festgestellt worden seien. Es lägen Informationen vor, dass 60% der Kühe chronisch erhöhte Zellzahlen aufwiesen.
Der pathologische Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 10. August 2020 (Kuh mit der Ohrmarke …) ergab Hinweise auf einen schlechten Ernährungszustand, Pneumonie mit viraler und bakterieller Beteiligung. Nach dem Gutachten der Veterinärin S. vom 10. August 2020 habe es sich um einen hochgradigen Endoparasitenbefall gehandelt. Der schlechte Ernährungszustand mache deutlich, dass es sich um eine chronische Erkrankung gehandelt habe. Die durch die Pneumonie verursachten Atmungsbeschwerden hätten einem verantwortungsvollen Tierhalter auffallen müssen, ein Tierarzt sei nicht hinzugezogen worden.
Nach dem pathologischen Bericht des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 20. Mai 2020 litt die Kuh mit der Ohrmarke … an einer chronischen Bursitis praecarpalis mit Arthritis, Tendovaginitis und Pyämie(folge). Das Mindestalter der Bursitis praecarpalis sei mit drei Wochen anzugeben. Nach dem Gutachten der Veterinärin S hätte diese chronische Erkrankung (also die Schwellung der Karpalgelenke und Lahmheit) auffallen müssen. Die Pyämie mit nachfolgender Pneumonie zeige, dass keine ausreichenden Maßnahmen durchgeführt worden seien, um eine Ausbreitung der Entzündung im Gesamtorganismus zu verhindern. Dies habe länger andauernde Schmerzen verursacht.
Die Großtierpraxis Dr. M. übersandte dem Landratsamt Listen über Eutergesundheit, Lahmheit, Wirtschaftlichkeit und Rationsberechnungen Er weise darauf hin, dass er von den Betriebsinhabern keine Meldungen über Abgänge und durchgeführte Behandlungen erhalten habe. Er wisse nicht, wie er die Listen weiterführen und Auswertungen vornehmen solle (E-Mail vom 14. Mai 2020). Die Listen enthalten Selektionsempfehlungen aufgrund Krankheit oder Wirtschaftlichkeit (hierbei unter anderem Eintragungen wie S. aureus, Lahmheit, Strep. uberis und chronische Eutererkrankung). Eine tierärztliche Betriebsanalyse des Dr. M. ergab (Schreiben vom 21. Juli 2020), dass die Analyse der Gesamtzellzahl und vor allem der Zellklassen zeige, dass die Eutergesundheit der Herde seit längerer Zeit deutliche Defizite aufweise und sich tendenziell weiter verschlechtere. Am 4. November 2019 habe eine Untersuchung von Viertelgemelksproben von 150 laktierenden Kühen ergeben, dass bei 39 Kühen eine Infektion mit S. aureus vorgelegen habe. Es wurde empfohlen, den Bestand zu reduzieren sowie gewisse Tiere einer zeitnahen Therapie zuzuführen. Für die Herde seien Stoffwechselerkrankungen ein großes Problem und ursächlich für weitere Gesundheitsprobleme. Der Betrieb sei mehrfach aufgefordert worden, Therapien und Laboruntersuchungen zeitnah zu übermitteln, damit ein Plan fortlaufend geführt werden könne. Die Tiere seien bislang nicht wie vorgeschlagen therapiert und nachuntersucht worden, bzw. es lägen keine Rückmeldungen vor.
Diesen ausführlichen Darstellungen ist der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten. Die mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 29. Oktober 2020 eingereichten Belege des Maschinenrings über eine durchgeführte Klauenpflege in den Jahren 2018, 2019 und 2020 sind nicht geeignet, die Feststellungen der Veterinärin über das Vorliegen von Klauenentzündungen der Tiere zu entkräften. Darüber hinaus bestanden noch weitere Mängel betreffend die Gesundheit der Tiere.
Die angeordneten Maßnahmen sind geeignet sicherzustellen, dass die Vorschriften des § 2 TierSchG und des § 4 Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltener Tiere bei ihrer Haltung (TierSchutzNutztV) eingehalten werden. Mildere Maßnahmen oder Ermessensfehler bei der Anordnung sind nicht ersichtlich.
b) Die angeordneten Dokumentationspflichten und Vorlagepflichten an das Landratsamt (Nr. 1.3, 1.4, 1.6, 1.8, 1.10, 1.12, 1.14 und 1.16) dienen dazu, die Einhaltung der Maßnahmen kontrollieren und gegebenenfalls einschneidendere Maßnahmen vornehmen zu können. Der Antragsteller hat in der Vergangenheit mehrfach den Empfehlungen des Landratsamts zuwidergehandelt, weshalb davon auszugehen ist, dass eine Kontrolle erforderlich ist.
c) Die Anordnungen unter Nr. 2.1 bis 2.3 erweisen sich ebenfalls als rechtmäßig.
Nach Art. 3 Abs. 1 VO (EG) 853/2004 (Lebensmittel tierischen Ursprungs-Hygiene-VO vom 26.7.2019) müssen Lebensmittelunternehmer die einschlägigen Vorschriften der Anhänge II und III erfüllen. In Anhang III Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I Nr. 1 b muss Rohmilch von Tieren stammen, deren allgemeiner Gesundheitszustand gut ist, die keine Anzeichen von Krankheiten aufweisen, welche eine Kontamination der Milch und des Kolostrums zur Folge haben könnten, und die insbesondere nicht an eitrigen Genitalinfektionen, an Magen-Darm-Erkrankungen mit Durchfall und Fieber oder an einer sichtbaren Euterentzündung leiden.
Gemäß Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I Nr. 4 darf Rohmilch und Kolostrum von Tieren, die die Anforderungen der Nummern 1 bis 3 nicht erfüllen nicht zum menschlichen Verzehr verwendet werden.
Gemäß § 39 Abs. 1 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) ist die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes über Erzeugnisse und lebende Tiere im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 Aufgabe der zuständigen Behörden. Gemäß § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB treffen die zuständigen Behörden die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie können insbesondere gemäß Satz 2 Nr. 1 anordnen, dass derjenige, der ein Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt, a) eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung mitteilt. Zudem können sie gemäß § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken.
Die Untersagung in Nr. 2.1 des Bescheids (Rohmilch von Kühen in Verkehr zu bringen, wenn und solange in deren Einzelgemelksprobe eine Zellzahl von größer 1.000.000 Zellen/ml nachgewiesen wurde) und in Nr. 2.2. (Rohmilch von Kühen in Verkehr zu bringen, die nachweislich Krankheitserreger aufweisen, die Euterentzündungen hervorrufen) ist rechtmäßig, da der Gesundheitszustand der Kühe im Sinne des Anhangs III Abschnitt IX Kapitel I Ziffer I Nr. 1 b der VO (EG) 853/2004 in diesen Fällen nicht „gut“ ist und sie dann Krankheiten aufweisen, die eine Kontamination der Milch zur Folge haben können. Angemerkt wird, dass nach den Tierschutzindikatoren (KTBL), die dem Bescheid beigefügt sind, ausgeführt wird, dass „eutergesunde“ Kühe einen Zellgehalt von weniger als 100.000/ml aufweisen. In der Bescheidbegründung wird darauf abgestellt, das bei festgestellter Kuhzellzahl von über 250.000 Zellen/ml von einer Infektion und einer kranken Kuh auszugehen ist. Die Anordnung in Nr. 2.1 des Bescheids ist somit für den Antragsteller sogar weniger belastend.
Auch Nr. 2.3 des Bescheids (Untersagung des Inverkehrbringens von Rohmilch von Kühen, die auf Grund einer Erkrankung mit entzündungshemmenden Arzneimitteln oder sonstigen Arzneimitteln behandelt werden, auch wenn die Wartezeit dieser Arzneimittel mit „null Tagen“ angegeben ist) ist rechtmäßig. Dadurch, dass auf das Vorliegen einer Erkrankung abgestellt wird, ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Gesundheitszustand der Kühe in diesen Fällen nicht „gut“ ist. Die Verpflichtungen in Nr. 2.1 bis 2.3 bestehen bereits kraft der (auch für den Antragsteller) geltenden Verordnung. Die Anordnungen sind aber zudem erforderlich, da in der Vergangenheit Verstöße festgestellt wurden. In der Betriebsanalyse der Großtierpraxis Dr. M. vom 21. Juli 2020 wurde festgestellt, dass die Analyse der Gesamtzellzahl und vor allem der Zellklassen ergab, dass die Eutergesundheit der Herde seit längerer Zeit deutliche Defizite aufwies. Am 4. November 2019 habe eine Untersuchung von Viertelgemelksproben von 150 laktierenden Kühen ergeben, dass bei 39 Kühen eine Infektion mit S. aureus vorgelegen habe.
Die Maßnahmen sind verhältnismäßig. Sie sind geeignet, das Inverkehrbringen von Rohmilch durch erkrankte Tiere zu unterbinden. Mildere Maßnahmen sind nicht ersichtlich, Ermessensfehler nicht erkennbar.
d) Gegen die Rechtmäßigkeit der angedrohten Zwangsgelder in Nr. 3 des Bescheides bestehen keine Bedenken. Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohungen sind die Art. 18, 29, 31 und 36 VwZVG. Den gewählten Formulierungen lässt sich hinreichend konkret entnehmen, unter welchen Voraussetzungen ein Zwangsgeld fällig wird. Für jede Verpflichtung wurde jeweils ein eigener Betrag festgesetzt. Auch die Höhe der angedrohten Zwangsgelder ist nicht zu beanstanden.
2. Schließlich begegnet die Anordnung und Begründung des Sofortvollzugs keinen Bedenken. Das Landratsamt hat hinreichend und bezogen auf den Einzelfall dargelegt, weshalb ein weiteres Zuwarten bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache nicht möglich ist. Im Übrigen werden regelmäßig die Erwägungen, die einer tierschutzrechtlichen Anordnung zugrunde liegen, zugleich für die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, sodass auch nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs eine weitergehende Begründung nicht zu fordern ist (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 5.10.2016 – 9 CS 16.1257 – juris). Insgesamt überwiegt daher auch bei der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden eigenständigen Interessenabwägung des Gerichts das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids.
3. Nach alledem ist der Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung basiert auf §§ 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 35.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Der Wert ist im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.


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