Europarecht

Erlaubnis zur Hundehaltung zwecks Trauerverarbeitung

Aktenzeichen  Au 8 K 19.2004

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 18710
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 36 Abs. 1
LStVG Art. 37
KampfhundeV § 1 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit es übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.
II. Die Befristung in Nr. 1 des Bescheids vom 21. Oktober 2019, verlängert durch Bescheid vom 27. Februar 2020, wird aufgehoben.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten je zur Hälfte zu tragen.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die Klage ist insoweit begründet, als die Befristung im Bescheid vom 21. Oktober 2019, verlängert mit Bescheid vom 27. Februar 2020, rechtswidrig und insoweit aufzuheben ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Feststellungsklage ist demgegenüber bereits unzulässig.
I.
Das Verfahren hinsichtlich der anfangs auch beantragten Aufhebung des in Nr. 1 des Bescheids vom 21. Oktober 2019 festgesetzten Widerrufsvorbehalts war nach Aufhebung des Widerrufs durch die Beklagte einzustellen (§ 161 VwGO), nachdem die Beteiligten insoweit übereinstimmend die Erledigung erklärt haben.
II.
Die Klage hinsichtlich des Hauptantrags, festzustellen, dass die Klägerin für die Haltung des streitgegenständlichen Hundes … keiner Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG bedarf, ist bereits unzulässig.
1. Der Klageantrag ist zwar als Klageänderung nach § 91 VwGO zulässig.
Bei dem erstmals mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 gestellten Feststellungsantrag handelt es sich um eine Klageänderung, da der ursprüngliche Streitgegenstand – isolierte Anfechtung der Befristung des Erlaubnisbescheids – nachträglich durch einen anderen Streitgegenstand – negative Feststellungsklage – ausgetauscht bzw. im Hilfsverhältnis ergänzt worden ist.
Die Klageänderung ist nach § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig, da die Beklagte eingewilligt hat. Die Einwilligung ist nach § 91 Abs. 2 VwGO anzunehmen, wenn der Beklagte sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte dem Feststellungsantrag nicht widersprochen bzw. sich mit Schriftsatz vom 18. Mai 2020 und auch in der mündlichen Verhandlung inhaltlich darauf eingelassen.
2. Die Feststellungsklage ist jedoch unzulässig, weil die Klägerin kein Feststellungsinteresse bzw. kein Rechtsschutzbedürfnis geltend machen kann.
Nach § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts durch Klage begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Dabei ist ein Interesse nach allgemeiner Meinung dann berechtigt, wenn es rechtlicher oder schutzwürdiger tatsächlicher, insbesondere wirtschaftlicher oder ideeller Art ist (BVerwG, B.v. 20.12.2017 – 4 B 14/17 – juris). Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein, die Rechtsposition des Klägers zu verbessern (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 43 Rn. 30).
Es ist zwar davon auszugehen, dass es sich bei der Frage, ob die Klägerin für die Haltung des streitgegenständlichen Hundes … eine Erlaubnis nach Art. 37 Abs. 1 LStVG bedarf, um ein grundsätzlich feststellungsfähiges Rechtsverhältnis handelt. Im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin jedoch bereits im Besitz einer bestandskräftigen Erlaubnis nach Art. 37 LStVG. Diese Erlaubnis zur Haltung ihres Hundes „…“, erteilt in Nr. 1 des Bescheids vom 21. Oktober 2019, ist nicht Streitgegenstand. Mit der am 20. November 2019 erhobenen, hier streitgegenständlichen Klage wurde diese nicht angefochten und diese ist insoweit bestandskräftig. Die mit der Erlaubnis erteilte Befristung war im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch nicht abgelaufen und angefochten. Im Übrigen ist sie auch rechtswidrig und deshalb aufzuheben (vgl. dazu unten III). Welche weiteren Vorteile bzw. welches Interesse die Klägerin an der beantragten Feststellung, dass sie keiner Erlaubnis bedarf, derzeit haben könnte, konnte auch auf Nachfrage durch das Gericht in der mündlichen Verhandlung nicht präzisiert werden. Eine Verbesserung ihrer Rechtsposition ist somit nicht denkbar. Die Feststellungsklage dient jedoch nicht der Abgabe bloßer Rechtsgutachten. Die Gerichte sollen nicht mit Rechtsfragen befasst werden, mit der lediglich die Klärung einer Rechtsfrage aufgrund eines nur erdachten oder eines solchen Sachverhalts erreicht werden soll, dessen Eintritt noch ungewiss ist, insbesondere von einer in ihren tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen noch nicht übersehbar künftigen Entwicklung abhängig ist (Happ in Eyermann, VwGO, § 43 Rn. 21). Derzeit ist nicht absehbar, ob die Beklagte beabsichtigt, beispielsweise in einem Widerrufsverfahren nach Art. 49 BayVwVfG die Erlaubnis wieder aufzuheben.
Im Übrigen ist die Feststellungsklage grundsätzlich auch nur subsidiär zulässig (§ 43 Abs. 2 VwGO). Die Klägerin hätte somit primär mit einer Anfechtungsklage gegen die im streitgegenständlichen Bescheid erteilte Erlaubnis die Frage klären können bzw. müssen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Hund tatsächlich um einen Kampfhund handelt. Des Weiteren besteht diese Möglichkeit auch noch (erneut), wenn die Beklagte tatsächlich einen Widerrufsbescheid erlässt.
III.
Die Klage ist jedoch zulässig und begründet, soweit sie sich im Hilfsantrag gegen die Befristung der Erlaubnis richtet.
1. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft, da eine isolierte Aufhebbarkeit der Befristung jedenfalls nicht offenkundig von vornherein ausscheidet (BVerwG, U.v. 22.11.2000 – 11 C 2.00 – BVerwGE 112, 221). Der (Haupt-)Verwaltungsakt, die Erlaubnis zur Haltung des Hundes, würde auch ohne die Nebenbestimmung der Befristung seinen Sinn nicht verlieren. Eine Versagung der beantragten Erlaubnis wäre bei der von der Beklagten getroffenen Annahme des Vorliegens eines berechtigten Interesses nicht möglich gewesen, da es sich insoweit um einen gebundenen Anspruch handelt.
2. Die Klage ist auch begründet, da die Nebenbestimmung der Befristung rechtswidrig ist.
Nach Art. 36 Abs. 1 BayVwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, nur mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn sie durch Rechtsvorschrift zugelassen ist oder wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Die Haltung eines Kampfhundes unterliegt der Erlaubnispflicht nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 LStVG. Die Erlaubnis darf gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 LStVG nur erteilt werden, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse nachweist, gegen seine Zuverlässigkeit keine Bedenken bestehen und Gefahren für Leben, Gesundheit, Eigentum oder Besitz nicht entgegenstehen. Bei der Erlaubnis handelt es sich um einen gebundenen Anspruch (Schwabenbauer in Möstl/Schwabenbauer, BeckOK, Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 10.11.2019, Art. 37 Rn. 92).
Da eine Zulassung durch Rechtsvorschrift nicht ersichtlich ist, kommt es vorliegend darauf an, ob die Befristung die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes sicherstellen soll. Eine Nebenbestimmung ist insoweit nur zulässig, wenn sie sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts erfüllt werden, nicht hingegen dann, wenn sie nur sicherstellen soll, dass die Voraussetzungen erfüllt bleiben. Dies gilt jedenfalls für solche Nebenbestimmungen, die – wie auflösende Bedingung, Befristung oder Widerrufsvorbehalt – darauf zielen, die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts zu beseitigen (BVerwG, U.v. 9.12.2015 – 6 C 37/14 – juris Rn. 17, 20). Die Behörde soll demnach eine Nebenbestimmung beifügen dürfen, die es ihr ermöglicht, einen begünstigenden Verwaltungsakt zu erlassen, obwohl noch nicht sämtliche vom Fachrecht hierfür aufgestellten Voraussetzungen erfüllt oder nachgewiesen sind. Die Nebenbestimmung ist ein Mittel, das Fehlen von Voraussetzungen für den Erlass des Verwaltungsakts zu überbrücken. Einen begünstigenden Verwaltungsakt unter Beifügung einer Nebenbestimmung zu erteilen, ist vielfach das mildere Mittel gegenüber seiner sonst erforderlichen Ablehnung. Wären insoweit auch Nebenbestimmungen zulässig, welche sicherstellen sollen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts auch künftig erfüllt bleiben, würden die differenzierten Regelungen über den Widerruf rechtmäßig erlassener Verwaltungsakte nach Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG unterlaufen. Bei einer Vielzahl begünstigender Verwaltungsakte besteht die Möglichkeit, dass seine ursprünglich gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen aufgrund einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage entfallen. Dieser Möglichkeit hat der Gesetzgeber in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 3 und 4 BayVwVfG Rechnung getragen, dabei aber dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes besonderes Gewicht verliehen.
Im vorliegenden Fall waren im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides die Voraussetzungen vorgelegen, nachdem die Beklagte davon ausgegangen ist, dass ein berechtigtes Interesse für die Haltung des Hundes vorliegt.
Soweit dies in der Rechtsprechung in Einzelfällen anders gesehen wird, wäre auch dann eine Nebenbestimmung nur zulässig, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung bereits konkret zu erwarten ist, dass die anspruchsbegründenden Voraussetzungen alsbald wegfallen werden (VG Münster, U.v. 9.3.2012 – 1 K 1597/11 – juris Rn. 41). Im vorliegenden Verfahren war jedoch nicht (konkret) absehbar, ob und wann das angenommene berechtigte Interesse der Klägerin an der Haltung des Hundes wegfallen wird. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vom 19. Juli 2019 ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin zukünftig einmal nicht mehr auf den Hund zur Trauerbewältigung angewiesen sein wird, bzw. wann genau dies der Fall sein wird. Der der Befristung von der Beklagten zugrunde gelegte Zeitraum von einem Jahr entspricht zwar der landläufig vertretenen Auffassung eines „Trauerjahres“. Dafür, dass die Klägerin ebenfalls genau ein Jahr für die Verarbeitung ihrer Trauer benötigen werde, finden sich jedenfalls keine konkreten Hinweise. Ob die Voraussetzungen im Laufe der Zeit noch vorliegen, wäre in einem evtl. Widerrufsverfahren zu prüfen (gewesen).
Im Übrigen steht die Entscheidung, ob und welche Nebenbestimmung erlassen wird, im Ermessen der Behörde, wie sich aus der Formulierung „darf“ ergibt (Stelkens in Bonk/Stelkens/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 36 Rn. 120, 143). Weder aus der Tenorierung noch aus der Begründung des Bescheids lässt sich jedoch erkennen, dass die Beklagte erkannt hat, dass eine Ermessensentscheidung getroffen worden ist und welche Ermessenserwägungen angestellt worden sind. Insoweit liegt ein Ermessensausfall vor. Insofern ist auch eine Ergänzung der Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO nicht möglich. Im Anwendungsbereich des § 114 Satz 2 VwGO liegen nämlich die Fälle, in welchen bei einem Ermessensverwaltungsakt unvollständige Ermessenserwägungen ergänzt wurden, nicht hingegen solche, in denen es an Ermessenserwägungen bisher fehlte, das Ermessen also noch gar nicht ausgeübt wurde oder wesentliche Teile der Ermessenserwägungen ausgetauscht oder erst nachträglich nachgeschoben wurden (Schenke in Kopp/ Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 50).
IV.
Die Kostenaufteilung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 VwGO, wonach die Kosten verhältnismäßig zu teilen sind, wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt. Das Interesse an der beantragten Feststellung und die Aufhebung der Befristung der Erlaubnis stehen im gleichen Verhältnis. Die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils fallen nicht entscheidend ins Gewicht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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