Europarecht

Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Öffnung des E-Zigaretten-Geschäftes

Aktenzeichen  M 26 E 20.1343

Datum:
31.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6752
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
RL 2014/40/EU Art. 2 Nr. 4, Art. 20 Abs. 1
TabakErzG § 2 Nr. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die in M. ein Ladengeschäft mit E-Zigaretten betreibt, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zur Öffnung ihres Geschäftes.
Durch die Bayerische Verordnung über Infektionsschutzmaßnahmen anlässlich der Corona-Pandemie (Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung – BayIfSMV) vom 27. März 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 158 vom 27.03.2020) wird die Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art untersagt (§ 2 Abs. 4 Satz 1). Ausgenommen hiervon sind der Lebensmittelhandel, Getränkemärkte, Banken, Apotheken, Drogerien, Sanitätshäuser, Optiker, Hörgeräteakustiker, Filialen der Deutschen Post AG, Tierbedarf, Tankstellen, Reinigungen und der Online-Handel (Satz 2). Die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden können auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist (Satz 3).
Die Vorschrift des § 2 Abs. 4 der Verordnung trat mit dem heutigen Tag in Kraft und tritt mit Ablauf des 3. April 2020 außer Kraft (§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayIfSMV). Eine entsprechende Regelung war zuvor in der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 16. März 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 17. März 2020, enthalten.
Die Antragstellerin betreibt in M. ein Ladengeschäft mit elektronischen Zigaretten und nikotinhaltigen Flüssigkeiten zur Befüllung solcher elektronischen Zigaretten. (E-Zigaretten). Nach einer „Positivliste“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zur Auslegung der Allgemeinverfügung, welche im Internet unter der Überschrift „FAQ Corona-Krise und Wirtschaft“ veröffentlicht ist, ist die Öffnung von E-Zigaretten-Geschäften untersagt. Am 26. März 2020 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin eine Ausnahmegenehmigung, welche die Antragsgegnerin per Mail vom selben Tag mit Verweis auf die genannte Verlautbarung des Ministeriums ablehnte.
Mit Schriftsatz vom 26. März 2020 ließ die Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht M. beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, der Antragstellerin vorläufig die Öffnung ihres Ladengeschäftes des Einzelhandels mit elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern im Sinne des Tabakerzeugnisgesetzes zu erlauben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Anordnung sei dringlich. Durch die Schließung des Ladengeschäftes brächen der Antragstellerin 75% ihres Umsatzes weg. Eine Betriebsschließung bis Ostern, welche absehbar sei, würde die Antragstellerin wirtschaftlich voraussichtlich nicht überleben. Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß Ziffer 5 Satz 2 der Allgemeinverfügung. E-Zigaretten und Zubehör seien, wie Tabakwaren, Bestandteil der unbedingt notwendigen Grundversorgung der Bevölkerung. Sie seien auch als Lebensmittel im Sinne der Allgemeinverfügung einzustufen. Die Grundversorgung mit E-Zigaretten könne nicht über den Lebensmittelhandel, Tankstellen oder den Online-Handel sichergestellt werden. Andere europäische Staaten und andere Bundesländer hätten E-Zigaretten-Fachgeschäfte deshalb zu Recht von der Betriebsuntersagung ausgenommen. Gründe des Infektionsschutzes stünden im Falle der Antragstellerin nicht entgegen. Die Antragsgegnerin habe nicht erkannt, dass ihr bei Erteilung der Ausnahmegenehmigung ein Ermessen zu komme, sondern die Positivliste des Ministeriums ohne eigene Prüfung zugrunde gelegt. Das Ermessen, eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, sei hier auf Null reduziert.
Mit Schriftsatz vom 30. März 2020 beantragte die Antragsgegnerin,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei E-Zigaretten in Form sogenannter nicht nikotinhaltiger Liquids zwar um Lebensmittel handle. E-Zigaretten-Geschäfte seien aber in der Positivliste des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ausdrücklich von der Öffnungsuntersagung erfasst worden. Die Antragstellerin könne ihren Onlinehandel ausbauen und weiterhin auch andere Bestellungen, etwa solche per Telefon, ausführen. Bei dem Kundenkreis der Antragstellerin, ehemaligen Rauchern, handle es sich um besonders schutzbedürftige Personen. Die Grundversorgung mit E-Zigaretten sei durch Tankstellen, Getränkemärkte und Kioske weiterhin gewährleistet. Die Antragsgegnerin habe sich in Ausübung ihres Ermessens entschlossen, in Anbetracht der Zweckbestimmung der Betriebsuntersagung, der in der Positivliste zum Ausdruck gekommenen Intention des Ministeriums und im Sinne eines einheitlichen Vollzugs eine Ausnahmegenehmigung nur in besonders gelagerten Einzelfällen zu erteilen. Ein solcher liege hier nicht vor.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Akten Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 123 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache, auch schon vor Klageerhebung, zur Regelung eines vorläufigen Zustands eine einstweilige Anordnung in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung, § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage hätte eine Verpflichtungsklage der Antragstellerin in der Hauptsache auf Erteilung einer Erlaubnis bzw. Ausnahmegenehmigung zur Öffnung ihres Ladengeschäftes keine Aussicht auf Erfolg.
1. Ein Anspruch der Antragstellerin auf Öffnung ihres Ladengeschäftes ergibt sich nicht aus § 2 Abs. 4 Satz 2 BayIfSMV. Hiernach ist von der grundsätzlichen Untersagung der Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels jeder Art u.a. der Lebensmittelhandel ausgenommen. Die Antragstellerin bietet aber in ihrem Ladengeschäft keine Lebensmittel an. Elektronische Zigaretten und Nachfüllbehälter im Sinne des Tabakerzeugnisgesetzes sind keine Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 4 Satz 2 BayIfSMV. Für die Bestimmung der Erzeugnisse, die als Lebensmittel im Sinne dieser Bestimmung gelten, ist mangels spezieller Regelung in der Verordnung oder in ihrer Ermächtigungsgrundlage auf die allgemeinen Vorschriften des Lebensmittelrechts abzustellen.
§ 2 Abs. 2 Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB -) verweist zur Definition des Lebensmittelbegriffs auf Artikel 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (Abl. EG Nr. L 031 S. 1 – 24). Hiernach sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Nicht zu den Lebensmitteln gehören nach Art. 2 Unterabs. 3 Buchst. f Tabak und Tabakerzeugnisse im Sinne der Richtlinie 89/622/EWG des Rates (nunmehr Richtlinie 2014/40/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der RL 2001/37/EG (ABl. L 127, 1). Diese Richtlinie ist durch das TabakerzG in deutsches Recht umgesetzt worden.
Art. 2 Nr. 4 der RL 2014/40/EU definiert den Begriff des Tabakerzeugnisses als ein Erzeugnis, das konsumiert werden kann und das, auch teilweise, aus genetisch verändertem oder genetisch nicht verändertem Tabak besteht. Nicht erfasst von der Begriffsbestimmung des Tabakerzeugnisses werden zwar elektronische Zigaretten und nikotinhaltige Liquids. Elektronische Zigaretten sind in Art. 2 Nr. 16 der RL 2014/40/EU definiert als ein Erzeugnis, das zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks verwendet werden kann, oder jeden Bestandteil dieses Produkts, einschließlich einer Kartusche, eines Tanks, und des Gerätes ohne Kartusche oder Tank. Aus Art. 1 Buchst. f der Richtlinie ergibt sich aber, dass es sich bei elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern sowie pflanzlichen Raucherzeugnissen um den Tabakerzeugnissen verwandte Erzeugnisse handelt, die von den Regelungen der Richtlinie erfasst werden (vgl. insbesondere Erwägungsgründe 36 bis 48 sowie Art. 20 Abs. 1 RL 2014/40/EU) und den Tabakerzeugnissen gleichstehen.
Die deutsche Rechtsordnung unterwirft nikotinhaltige Liquids und E-Zigaretten vor diesem Hintergrund daher weitestgehend dem Regime des Rechts der Tabakerzeugnisse. So definiert § 2 Nr. 2 TabakErzG elektronische Zigaretten, Nachfüllbehälter und pflanzliche Raucherzeugnisse als den Tabakerzeugnissen verwandte Erzeugnisse und reguliert diese in den Abschnitten 3 und 4 des Gesetzes sowie in Abschnitt 2 der Tabakerzeugnisverordnung. Diese weitgehende rechtliche Gleichstellung mit Tabakerzeugnissen setzt sich in der übrigen Rechtsordnung fort. So unterwirft § 10 JuSchG (vgl. insb. § 10 Abs. 4) elektronische Zigaretten insgesamt denselben Vorgaben und Beschränkungen zum Zwecke des Jugendschutzes, wie sie für Tabakwaren gelten.
Damit ergibt sich, dass E-Zigaretten und Zubehör, wie Tabakerzeugnisse auch, nicht dem allgemeinen Lebensmittelrecht unterfallen, sondern als mit den Tabakerzeugnissen verwandte Erzeugnisse im Wesentlichen dem Rechtsregime der Tabakerzeugnisse unterworfen sind.
Ein Anspruch aus § 2 Abs. 4 Satz 2 BayIfSMV ist damit ausgeschlossen, da sich eine weite Auslegung des Begriffs des Lebensmittelhandels, die neben den Lebensmitteln auch Tabakprodukte oder die mit diesen verwandten E-Zigaretten erfasst, vor dem Hintergrund des Zwecks der Regelung des § 2 Abs. 4 Satz 2 BayIfSMV, neben der Vermeidung von Ansteckungen in den Ladengeschäften selbst auch den allgemeinen Besucherverkehr in den Innenstädten zu reduzieren, verbietet.
2. Die Antragstellerin kann auch aus § 2 Abs. 4 Satz 3 BayIfSMV keinen Anspruch auf Öffnung ihres Ladengeschäfts herleiten. Hiernach können die zuständigen Kreisverwaltungsbehörden auf Antrag Ausnahmegenehmigungen für andere, für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendige Geschäfte erteilen, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Die Regelung ist nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck eng auszulegen. Der Verordnungsgeber hat bereits selbst grundsätzlich abschließend die Bereiche genannt, die von der Betriebsuntersagung ausgenommen sind. Darüber hinaus bleibt nur in besonders gelagerten Einzelfällen Raum für eine Ausnahmegenehmigung, um den Sinn und Zweck der Regelung, die körperlichen Kontakte, zu denen es typischerweise in den Ladengeschäften des Einzelhandles kommt, zur Eindämmung des Corona-Virus auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken, nicht zu konterkarieren.
Das Ladengeschäft der Antragstellerin, in dem sie E-Zigaretten samt Zubehör verkauft, ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin kein für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendiges Geschäft. Zwar ist ihr zuzugeben, dass die Versorgung der Bevölkerung mit E-Zigaretten und Zubehör auch in Anbetracht der Corona-Pandemiegrundsätzlich notwendig ist, nicht zuletzt, damit diese nicht auf Tabakprodukte zurückgreifen müssen, was gesundheitspolitisch nicht wünschenswert wäre. Diese Versorgung kann aber einerseits durch das Angebot der von der Öffnungsuntersagung ausgenommenen Ladengeschäfte des Einzelhandels, andererseits auch insbesondere durch die Antragstellerin im Rahmen alternativer Verkaufsmodelle sichergestellt werden, sodass die Öffnung ihres Ladengeschäftes für Kunden für die Versorgung der Bevölkerung mit E-Zigaretten nicht unbedingt notwendig ist.
2.1 Es ist davon auszugehen, dass die Bevölkerung sich in ausreichender und zumutbarer Weise in den von der Öffnungsuntersagung ausgenommenen Einzelhandelsgeschäften und über den Onlinehandel mit E-Zigaretten und Zubehör versorgen kann. Tankstellen, Supermärkte und Kioske halten nach Auffassung des Gerichts ein ausreichendes Angebot an einschlägigen Produkten vor, wenn auch, worauf die Antragstellerin hinweist, dieses Angebot nicht so vielfältig wie das von spezialisierten Fachgeschäften sein und eine Fachberatung in den meisten Fällen fehlen wird. Dass aber der Grundbedarf an E-Zigaretten durch die genannten Geschäfte nicht annähernd befriedigt werden könnte, ist nicht hinreichend dargelegt oder sonst ersichtlich.
2.2 Auch die Antragstellerin selbst kann, worauf die Antragsgegnerin zu Recht hinweist, weiterhin zur Grundversorgung der Bevölkerung mit E-Zigaretten und dem einschlägigen Zubehör beitragen. Es bleibt ihr weiterhin auch ohne Ausnahmegenehmigung möglich, per Onlinehandel oder nach telefonischer Bestellung ihre Kunden mit den einschlägigen Produkten zu versorgen. Dass dem unüberwindbare faktische Hindernisse entgegenstünden, ist nicht überzeugend vorgetragen.
3. Schließlich folgt auch aus den Grundrechten der Antragstellerin, insbesondere aus ihrer Berufsfreiheit, Art. 12 GG, sowie aus dem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG kein Anspruch auf Öffnung ihres Ladengeschäftes oder auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.
Die Antragstellerin hat die vorübergehende Einschränkung ihrer Berufsausübungsfreiheit, die § 2 Abs. 4 BayIfSMV beinhaltet, zum Zwecke des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung vor der raschen Ausbreitung des Corona-Virus als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes bei der derzeitigen Situation hinzunehmen (vgl. zu der bis zum 30.3.2020 befristeten Vorläuferregelung in der Allgemeinverfügung VG München, Beschlüsse v. 20.03.2020 – M 26 E. 20.1209 und M 26 S 20.1222; BayVGH, B.v. 30.3.2020 – 20 CS 20.611). Die dortigen Erwägungen zur Verhältnismäßigkeit greifen auch bei der in der nunmehrigen Rechtsverordnung gewählten Befristung bis zum 3. April 2020 weiterhin Platz, zumal der Verordnungsgeber mit der neuerlichen, kurzen Befristung dokumentiert, dass er die Erforderlichkeit und Wirksamkeit der Regelung – wie es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert – weiterhin fortlaufend überprüfen wird. Im Übrigen trifft die Untersagung die Antragstellerin nicht unverhältnismäßig, da sie, wie bereits oben ausgeführt, alternative Vertriebsmöglichkeiten nutzen kann und auch eine etwaig notwendige Beratung – etwa per Telefon – ohne weiteres möglich erscheint.
Die Anwendung des § 2 Abs. 4 Satz 2 BayIfSMV verletzt die Antragstellerin auch nicht in ihrem Grundrecht auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG.
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet der normsetzenden Verwaltung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten, wobei aber – ähnlich wie im Bereich der Gesetzgebung – auch hier eine Typisierung und Generalisierung zulässig ist (BVerfGE 78, 214/227), wenn der Normsetzer ihrer anders nur schwer Herr werden kann (BVerfGE 100, 138/174; 103, 310/319). Zulässig ist die Bildung von Gruppen, einschließlich der dadurch für Grenzfälle bedingten Härten in Einzelfällen (BVerfGE 77, 308/338; BAG, DB 84, 1528). Eine Typisierung muss aber die meisten Fälle zutreffend erfassen (BVerwG, NVwZ 83, 290) und muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren (BVerfGE 122, 39/59). Die tatsächlichen Anknüpfungspunkte der Typisierung müssen im Normzweck angelegt sein (BVerfGE 133, 377 Rn.87). Auch müssen Typisierungen das vom Gesetzgeber verfolgte Regelungskonzept folgerichtig umsetzen (BVerfGE 122, 39/59). Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr verbundenen Ungleichheit stehen (BVerfGE 120, 1/ 30; 123, 1/19; 133, 377 Rn.88). Bei komplexen Sachverhalten ist übergangsweise eine gröbere Typisierung möglich (BVerfGE 100, 59/101). Schließlich sind die praktischen Verwaltungserfordernisse zu berücksichtigen (BVerfGE 84, 348/360).
Gemessen an diesen Vorgaben ist die vom Verordnungsgeber vorgenommene Auswahl der generell für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendigen Geschäfte, die von der Untersagung ausgenommen sind, nicht zu beanstanden. Er hat hierbei aus Gründen der Praktikabilität und Rechtsklarheit in nicht zu beanstandender Weise davon abgesehen, die Ausnahmen anhand abstrakter Merkmale festzulegen, sondern konkrete Bereiche aufgezählt. Diesen Bereichen ist gemeinsam, dass sie bei typisierender Betrachtung die für die Versorgung der Bevölkerung und für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens existenzwichtigen Waren und Dienstleistungen anbieten. Für etwaige nicht genannte – etwa aufgrund der Eilbedürftigkeit der Regelung von ihm übersehene – Bereiche hat er die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung der zuständigen Kreisverwaltungsbehörden vorgesehen. Dabei durfte er in typisierender Weise etwa generell Lebensmittelhändler von der Betriebsuntersagung ausnehmen, auch wenn dies im Einzelfall bedeutet, dass beispielsweise Wein- und Spirituosengeschäfte von der Betriebsuntersagung ausgenommen sind, obwohl sich von diesen schwerlich sagen lässt, dass sie für die Versorgung der Bevölkerung unbedingt notwendig sind.
Aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung kann die Antragstellerin nicht die Erlaubnis zur Öffnung ihres Ladengeschäfts ableiten. Die Antragsgegnerin hat hierzu ausgeführt, dass sie gerade im Sinne eines einheitlichen Verwaltungsvollzuges die Positivliste des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege als wesentlichen Entscheidungsmaßstab ansieht, wonach E-Zigaretten-Geschäfte, ausgenommen der Onlinehandel, vom generellen Öffnungsverbot erfasst sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass laut Positivliste auch die Öffnung der dem Geschäft der Antragstellerin wesentlich vergleichbaren Tabakgeschäfte untersagt ist. Dass die Antragsgegnerin in gleichheitswidriger Weise das Geschäft der Antragstellerin anders behandelt als andere E-Zigaretten-Geschäfte oder vergleichbare Einzelhändler, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
4. Damit war der vorliegende Antrag mangels Erfolgsaussichten der Hauptsache abzulehnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 analog des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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