Europarecht

EU-Biosiegel – Äquivalenzabkommen – Auslegung einer Rechtsnorm unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes

Aktenzeichen  M 18 K 14.5345

Datum:
17.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO(EG) Nr. 834/2007 Art. 19 Abs. 2 lit b) ,
VO (EG) Nr. 834/2007 Art. 23

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
I. Bezüglich der Anträge auf Feststellung der Verkehrsfähigkeit des Produkts ist die als Feststellungsklage erhobene Klage unzulässig.
Mit den in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2012 unter Ziff. 2 gestellten Anträgen und unter Berücksichtigung der im Schriftsatz vom …. Juli 2012 erfolgten Klarstellung zu diesen Anträgen begehrt die Klägerin sinngemäß die Feststellung, dass B., jeweils als Bioprodukt mit dem geschützten EU-Hinweis auf den ökologischen Landbau, sowohl als Nahrungsergänzungsmittel, wie auch als diätetisches Lebensmittel und ferner mit dem Health-Claim “Eisen trägt zur normalen Bildung von roten Blutkörperchen bei“ verkehrsfähig ist.
Die Zulässigkeit dieser Anträge scheitert am Vorliegen eines streitigen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO bzw. an der Subsidiarität der Feststellungsklage gem. § 43 Abs. 2 VwGO gegenüber der ebenfalls erhobenen Anfechtungsklage.
1. Gem. § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat.
Unstreitig besteht zwischen den Parteien ein Rechtsverhältnis, das sich auf den Untersagungsbescheid der Landesanstalt für Landwirtschaft vom 18. Januar 2012 gründet. Unter einem Rechtsverhältnis im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO sind die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Norm ergebenden rechtlichen Beziehungen für das Verhältnis von natürlichen oder juristischen Personen zueinander oder einer Sache zu verstehen (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Januar 2010 – 8 C 19/09 m. w. N.). Daher kann Gegenstand einer Feststellungsklage nicht die Klärung einer allgemeinen Rechtsfrage sein, wie beispielsweise die umfassende Klärung der verschiedenen Voraussetzungen für das Inverkehrbringen eines Produkts (vgl. Eyermann, VwGO, § 43, Rn. 21; Kopp, VwGO, § 43, Rn. 14).
Weitere Voraussetzung ist ein aus dem Rechtsverhältnis resultierender Meinungsstreit zwischen den Parteien, aus dem heraus sich eine Seite berühmt, ein bestimmtes Tun oder Unterlassen der anderen Seite verlangen zu können (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. April 2015 – 4 C N 2/14). Ausgangspunkt ist stets der konkrete, überschaubare Sachverhalt, für den die Anwendung einer öffentlich-rechtlichen Norm streitig ist (vgl. Kopp, VwGO, § 43, Rn. 17). Regelungsobjekt des streitgegenständlichen Bescheids war das von der Klägerin zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses als Nahrungsergänzungsmittel mit dem Logo der Europäischen Union für ökologische/biologische Produktion (im Folgenden: EU-Biosiegel) in Verkehr gebrachte Produkt.
Bereits aus dem historischen Sachverhalt ergibt sich, was von den Beklagtenvertretern in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt wurde, dass mit dem Bescheid nur die Verwendung des EU-Biosiegels für das Produkt B. unterbunden werden sollte, unabhängig von der Einstufung des Produkts als Nahrungsergänzungs- oder diätetisches Lebensmittel. Dass es der Landesanstalt für Landwirtschaft nur darum ging, die weitere Verwendung des EU-Biosiegels zu unterbinden und keine weiterreichende Regelung mit dem Bescheid getroffen werden sollte, wird deutlich auch aus dem Tenor des Bescheids, der in Ziff. 1 nur die Entfernung des geschützten Siegels anordnet, darüber hinaus jedoch keine Regelung zur Verkehrsfähigkeit oder Vermarktung des Produkts trifft.
2. Hinsichtlich der Verwendung des Health-Claims und des Inverkehrbringens des Produkts als diätetisches Lebensmittel hat der Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid keinerlei Regelung getroffen. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses wurde B. nur als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr gebracht und war dem Beklagten daher auch nur als solches bekannt. Somit konnte sich die Regelung auch nur hierauf beziehen. Die Anzeige als diätetisches Produkt gem. § 4a DiätV erfolgte erst nach Klageerhebung am …. Februar 2012. Soweit in den Gründen des Bescheids eine mögliche Zulässigkeit der Verwendung von Vitaminen und Eisengluconat bei einem diätetischen Lebensmittel bzw. für die Verwendung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben erörtert wird, geschieht dies nur unter dem Aspekt der Verwendung des EU-Biosiegels, nicht unter dem darüber hinausgehender Fragen wie der richtigen Einstufung des Produkts. Das von der Klägerin mit den unter Ziff. 2 gestellten Anträgen erhobene Feststellungsbegehren, ob B. als diätetisches Lebensmittel, mit dem Health-Claim (oder als Nahrungsergänzungsmittel), jeweils mit der Kennzeichnung als Bioprodukt, verkehrsfähig ist, geht über die im Bescheid getroffene Anordnung hinaus. Die Klägerin begehrt damit die Überprüfung und Klärung von Fragen, die der Bescheid nicht regelt und über die folgedessen auch kein Meinungsstreit mit dem Beklagten bestehen kann.
3. Soweit die Klägerin unter Ziff. 2a die Feststellung der Verkehrsfähigkeit von B. mit dem geschützten Logo als Nahrungsergänzungsmittel begehrt, ist die Klage wegen Subsidiarität gegenüber der erhobenen Anfechtungsklage unzulässig.
Nach § 43 Abs. 2 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Die Zulässigkeit einer Feststellungsklage setzt voraus, dass der mit der Klage verfolgte Zweck nicht mit einer Gestaltungsklage – vorliegend mit der Anfechtungsklage – ebenso erreicht werden kann. Da, wie oben ausgeführt, mit dem angefochtenen Bescheid nur die Entfernung des EU-Biosiegels bei der Etikettierung, Vermarktung, Kennzeichnung und Werbung angeordnet wurde, kann die Klägerin das Ziel, das streitgegenständliche Produkt weiterhin mit dem EU-Biosiegel in Verkehr zu bringen, durch die erhobene Anfechtungsklage erreichen. Bei Erfolg dieser Klage und Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2012 wäre die Klägerin berechtigt, das Produkt zunächst weiterhin als Bioprodukt mit der entsprechenden Kennzeichnung in Verkehr zu bringen.
Die Feststellungsklage ist daher insgesamt unzulässig.
II.
Die in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2012 unter Ziff. 1 erhobene Anfechtungsklage auf Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2012 ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 18. Januar 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, da es sich bei dem angefochtenen Bescheid aufgrund seines noch fortwährenden Regelungsgehalts um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt (vgl. Eyermann, VwGO, § 113, Rn. 48).
2. Rechtsgrundlagen für die streitgegenständliche Anordnung der Entfernung des geschützten Hinweises auf die ökologische/biologische Produktion in der Etikettierung des streitgegenständlichen Produkts sind Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes über die Zuständigkeiten und den Vollzug von Rechtsvorschriften im Bereich der Land- und Forstwirtschaft (ZuVLFG) und Art. 30 Abs. 1 der EU-Öko-VO.
a) Gem. Art. 14 Abs. 1 ZuVLFG kann die in Art. 7 dieses Gesetzes genannte Behörde im Rahmen ihrer dort geregelten Zuständigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Maßnahmen treffen, um Verstöße u. a. gegen das Recht für den ökologischen Landbau zu verhüten oder zu unterbinden oder durch solche Verstöße verursachte Zustände zu beseitigen. Sie kann nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 ZuVLFG insbesondere anordnen, dass bestimmte in der Landwirtschaft oder in der Fischerei gewonnene Erzeugnisse oder daraus hergestellte Produkte aus dem Markt zu nehmen sind, nur in einer bestimmten Weise be- und verarbeitet oder nur nach Erfüllung bestimmter Anforderungen in den Verkehr gebracht werden dürfen. Zuständige Behörde und auch Kontrollbehörde im Sinne der VO (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel ist die Landesanstalt für Landwirtschaft. Die Zuständigkeit gilt gem. Art. 16 ZuVLFG auch für die (Nachfolge) VO (EG) Nr. 834/2007, die EU-Öko-VO.
b) Nach Art. 30 Abs. 1 Unterabs. 1 der EU-Öko-VO stellt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle bei der Feststellung einer Unregelmäßigkeit hinsichtlich der Einhaltung der Vorschriften dieser Verordnung sicher, dass in der Kennzeichnung und Werbung für die gesamte von der Unregelmäßigkeit betroffene Partie oder Erzeugung kein Bezug auf die ökologische/biologische Produktion erfolgt, wenn dies in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde sowie zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit steht. Nach Unterabs. 2 dieser Vorschrift untersagt die Kontrollbehörde oder Kontrollstelle dem betreffenden Unternehmer bei der Feststellung eines schwerwiegenden Verstoßes oder eines Verstoßes mit Langzeitwirkung die Vermarktung von Erzeugnissen mit einem Bezug auf die ökologische/biologische Produktion in der Kennzeichnung und Werbung für eine mit der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedsstaats vereinbarte Dauer. Die Zuständigkeit der Landesanstalt für Landwirtschaft für die erlassene Anordnung war damit gegeben, dass Einschreiten war auch begründet, da ein Verstoß im Sinne von Art. 30 Abs. 1 der EU-Öko-VO vorlag, der das Einschreiten der Vollzugsbehörde erforderte und die getroffene Anordnung rechtfertigte.
3. Die Anordnung des Beklagten, den geschützten Hinweis auf die ökologische-biologische Produktion in der Etikettierung, Kennzeichnung, Werbung und Vermarktung des Erzeugnisses B. zu entfernen, ist – unabhängig davon, ob das Produkt als Nahrungsergänzungsmittel oder als diätetisches Lebensmittel in Verkehr gebracht wird – rechtmäßig, da die Verwendung des EU-Biosiegels gegen Art. 23 der EU-Öko-VO verstößt.
a) Gem. Art. 23 Abs. 1 EU-Öko-VO gilt ein Erzeugnis im Sinne dieser Verordnung als mit Bezug auf die ökologische/biologische Produktion gekennzeichnet, wenn in der Etikettierung, der Werbung oder den Geschäftspapieren das Erzeugnis, seine Zutaten oder die Futtermittelausgangserzeugnisse mit Bezeichnungen versehen werden, die dem Käufer den Eindruck vermitteln, dass das Erzeugnis, seine Bestandteile oder die Futtermittelausgangserzeugnisse nach den Vorschriften dieser Verordnung gewonnen wurden. Insbesondere dürfen die im Anhang aufgeführten Bezeichnungen, daraus abgeleitete Bezeichnungen oder Verkleinerungsformen wie „Bio-„ und „Öko-„, allein oder kombiniert, in der gesamten Gemeinschaft und in allen ihren Amtssprachen bei der Kennzeichnung von Erzeugnissen und der Werbung für sie (nur) verwendet werden, wenn diese Erzeugnisse die mit dieser Verordnung oder im Einklang mit ihr erlassenen Vorschriften erfüllen.
Auf Grundlage dieser Bestimmung hat die Kommission in Art. 27 Abs. 1 und im Anhang VIII der DVO-Öko das beschränkte Verzeichnis von Stoffen erstellt, die bei der Verarbeitung als ökologisch/biologisch vermarkteter Lebensmittel verwendet werden dürfen.
Nach Art. 23 Abs. 4a lit. i der EU-Öko-VO dürfen Bezeichnungen mit Bezug auf die ökologische-biologische Produktion in der Verkehrsbezeichnung eines verarbeiteten Lebensmittels nur verwendet werden, wenn die verarbeiteten Lebensmittel die Anforderungen des Art. 19 EU-Öko-VO erfüllen. Gem. Art. 19 Abs. 2 lit. b EU-Öko-VO dürfen Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromastoffe, Wasser, Salz, Zubereitungen aus Mikroorganismen und Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine sowie Aminosäuren und andere Mikronährstoffe in Lebensmitteln, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, verwendet werden, sofern diese gem. Art. 21 EU-Öko-VO für die Verwendung in der ökologischen/biologischen Produktion zugelassen worden sind. Damit die Verwendung eines Stoffes zugelassen werden kann, dürfen nach den in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 1 lit. i und ii aufgeführten Kriterien keine gem. Titel III Kap. 4 zugelassenen Alternativen zur Verfügung stehen und muss ohne den Stoff die Herstellung oder Haltbarmachung des Lebensmittels oder die Einhaltung ernährungsspezifischer Anforderungen, die aufgrund des Unionsrechts festgelegt wurden, unmöglich sein.
b) Nach Art. 27 Abs. 1 lit. f DVO-Öko dürfen Mineralstoffe und Vitamine nur verwendet werden, soweit ihre Verwendung in den Lebensmitteln, denen sie zugefügt werden, gesetzlich vorgeschrieben ist.
Der europäische Gerichtshof hat in der Vorabentscheidung vom 05. November 2014 zur Auslegung der Regelung des Art. 27 Abs. 1 lit. f DVO-Öko entschieden, dass die Verwendung eines Stoffes nur dann gesetzlich vorgeschrieben im Sinne dieser Vorschrift ist, wenn eine Vorschrift des Unionsrechts oder eine mit ihm im Einklang stehende Vorschrift des nationalen Rechts unmittelbar vorschreibt, dass dieser Stoff einem Nahrungsmittel hinzuzufügen ist, damit es überhaupt in Verkehr gebracht werden kann. Dies sei bei dem streitgegenständlichen Produkt nicht der Fall.
Da die Zugabe von nichtbiologischen Vitaminen und Eisencluconat bei B. nicht ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist, sondern freiwillig erfolgt, verstößt die Verwendung des EU-Biosiegels durch die Klägerin gegen die Kennzeichnungsvorschrift des Art. 23 EU-Öko-VO.
4. Die bisher so erfolgte Kennzeichnung wird auch nicht dadurch rechtmäßig, dass ein dem streitgegenständlichen entsprechendes Produkt, das nach Angaben des Klägerbevollmächtigten aus den Vereinigten Staaten importiert wird und nach den dortigen Vorschriften als „organic“, d. h. als ökologisches/biologisches Produkt bewertet und mit dem USDA (United States of America) – Siegel zertifiziert wird, (auch) in der Europäischen Union mit deren Biosiegel vermarktet werden darf, wenn das amerikanische Produkt Stoffe enthält, die zwar einer Zertifizierung als „organic“ in den USA nicht entgegenstehen, wohl aber einer solchen für in den Mitgliedsstaaten der EU hergestellte Produkte.
Dem Klägerbevollmächtigten ist nicht darin zu folgen, dass das Tatbestandsmerkmal „gesetzlich vorgeschrieben“ des Art. 27 Abs. 1 lit. f DVO-Öko im Hinblick auf eine Gleichbehandlung der Mitgliedsstaaten mit den USA bzw. auf eine mögliche Diskriminierung von Mitgliedsstaaten gegenüber Drittländern, mit denen entsprechende Abkommen geschlossen wurden, so auszulegen ist, dass die Klägerin ihr in Deutschland hergestelltes Produkt mit dem EU-Biosiegel versehen darf, auch wenn dies aufgrund der Beifügung von synthetischen Vitaminen und von Eisencluconat an sich nach den Vorschriften der EU-Öko-VO nicht zulässig ist.
a) Die Tatsache, dass es der Klägerin untersagt wurde, B. wegen des Zusatzes von synthetischen Vitaminen und Eisengluconat mit dem EU-Biosiegel in der Gemeinschaft in Verkehr zu bringen, der Zusatz dieser Stoffe der Verwendung des Siegels bei einem aus den USA eingeführten Bioprodukt jedoch nicht entgegensteht, verstößt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Gem. Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist ein Grundprinzip des Unionsrechts und besagt, dass gleiche Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. EuGH, Urteile vom 05. Oktober 1994 – C-280/93, vom 17. Oktober 2013 – C-101/12; vom 11. Juli 2006 – C-313/04).
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes durch eine ungerechtfertigte unterschiedliche Behandlung setzt voraus, dass die betreffenden Sachverhalte im Hinblick auf alle Merkmale, die sie kennzeichnen, gleich sind (vgl. EuGH, Urteil vom 16. Dezember 2008 – C-127/07). Die Beurteilung, ob von einem gleichen Sachverhalt auszugehen ist, orientiert sich eng an den tatsächlichen Gegebenheiten. Danach ist bei Bioprodukten, die in einem Mitgliedsstaat hergestellt, letztverarbeitet oder verpackt werden und einem entsprechenden Produkt aus einem Drittland – hier den USA – nach Auffassung des Gerichts von unterschiedlichen Sachverhalten auszugehen, die dementsprechend unterschiedlich zu behandeln und zu beurteilen sind, auch wenn die Produkte auf demselben Markt in Verkehr gebracht werden.
Titel VI der EU-Öko-VO befasst sich mit dem Handel mit Drittländern, wobei unterschieden wird, zwischen der Einfuhr konformer Erzeugnisse (Art. 32) und solcher mit gleichwertigen Garantien (Art. 33).
Da die Produkte aus Drittländern aus unterschiedlichen Wirtschaftsräumen kommen, sind sie unterschiedlichen Rechtsordnungen, Gewohnheiten und Verbrauchererwartungen unterworfen. Schon die Bezeichnung als gleichwertig macht deutlich, dass es sich nicht um identische, in allen Merkmalen übereinstimmende Produkte handelt. Dementsprechend trifft die EU-Öko-VO für den Handel mit Drittländern zum Zwecke von Markterweiterungen und gegenseitigen Handelserleichterungen für die Anerkennung von importierten Produkten als ökologisch/biologisch eigene Regelungen.
Nach Art. 33 EG-Öko-VO darf ein Erzeugnis, das aus einem Drittland in die Europäische Union importiert wird, dessen Produktionsvorschriften und Kontrollmaßnahmen als denen der EU gleichwertig anerkannt wurden, in der Gemeinschaft als ökologisches/biologisches Erzeugnis in den Verkehr gebracht werden. Diese Privilegierung gilt entsprechend dem Erwägungsgrund 33 der Verordnung ausdrücklich nicht nur für Produkte, die den gemeinschaftlichen Anforderungen entsprechen, sondern auch für solche, die diesen gleichwertig sind. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Anforderungen, Rechtsvorschriften und Wertmaßstäbe auch in Drittländern, die über die gleichen technischen und faktischen Mittel verfügen, sich von denen in der Gemeinschaft unterscheiden und dass auch bei annähernd gleichem Standards im Detail aufgrund nationaler Unterschiede und Besonderheiten Abweichungen bestehen können, die zwar eine vollständige Harmonisierung (noch) verhindern, die jedoch einer gegenseitigen Anerkennung im Hinblick auf eine annähernd gleiche Qualität nicht entgegenstehen (sollen).
Die Anerkennung gleichwertiger Standards ist ein weltweit übliches Mittel für Markterweiterungen und den Abbau von Handelsschranken, wie beispielsweise die Regularien des WTO Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary measures (SPS Agreement) zeigen, die im Bereich des Gesundheitsschutz- und Pflanzenschutzrechts für den Fall, dass eine Harmonisierung nicht möglich ist, die Anerkennung gleichwertiger Standards durch bi- oder multilaterale Abkommen vorsehen, wenn zwischen Handelsteilnehmern, die ein gleiches Produkt vertreiben, zwar unterschiedliche Maßstäbe bzw. Maßnahmen bestehen, diese aber ein entsprechendes Niveau haben (Art. 4 des Abkommens).
Aufgrund der „wechselseitigen“ Anerkennung der Produktionsvorschriften und Kontrollmaßnahmen der USA und der Gemeinschaft als gleichwertig wurden die Vereinigten Staaten nach Abschluss des Äquivalenzabkommens am 15. Februar 2012 mit Geltung ab 01. Juni 2012 durch die Verordnung (EG) Nr. 126/2012 in das Verzeichnis der Drittländer mit gleichwertigen Garantien gem. Art. 7 der VO (EG) Nr. 1235/2008 aufgenommen.
Bereits aufgrund der Tatsache, dass sich das Unternehmen der Klägerin in einem Mitgliedsstaat befindet, ein mögliches Konkurrenzunternehmen aber in einem Drittland, befinden sich beide nicht in der gleichen Lage und ist nicht von einem gleichen Sachverhalt auszugehen (vgl. EuGH, Urteil vom 12.09.2006 – C – 479/04).
b) Selbst wenn man im Hinblick darauf, dass es bei den zertifizierten US-Bioprodukten und dem Produkt der Klägerin jeweils um die Kennzeichnung mit dem EU-Biosiegel und die Verkehrsfähigkeit auf dem EU-Binnenmarkt geht, von einem gleichen Sachverhalt ausginge, wäre eine Diskriminierung der Klägerin durch die unterschiedliche Behandlung zu verneinen, da diese sachlich gerechtfertigt ist, weil sie auf objektiven und angemessenen Kriterien beruht und in angemessenem Verhältnis zu dem damit verfolgten Ziel steht (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013 – C – 101/12). Zudem ist die unterschiedliche Intensität der Ungleichbehandlung zu berücksichtigen, je nachdem, ob es um eine Differenzierung wegen persönlicher Merkmale geht oder um eine sachbezogene wie hier.
Zwischenstaatliche Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung sind eine Regelungstechnik bzw. ein rechtliches Prinzip, wie bereits oben erwähnt vor allem im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts zum Abbau von Schranken und einer Liberalisierung des Handels. Entsprechende Vereinbarungen gibt es auch im Bereich von technischen Standards und bei der Anerkennung von Berufsqualifikationen.
Dem Unionsgesetzgeber, der das Abkommen geschlossen und die Vereinigten Staaten mit der VO (EG) Nr. 126/2012, geändert durch VO (EG) Nr. 931/2015, in das Verzeichnis gem. Anhang III der VO (EG) Nr. 1235/2008 aufgenommen hat, wird vom Europäischen Gerichtshof bei der Ausübung seiner Befugnisse ein weiter Spielraum in den Bereichen zugebilligt, in denen er politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen treffen und komplexe Beurteilungen vornehmen muss (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Oktober 2013, a. a. O.; Urteil vom 10. September 2015 – C – 687/13). Dies gilt insbesondere auch im Bereich der Agrarpolitik (vgl. EuGH, Urteil vom 05. Oktober 1994 – C – 280/93).
Der Abschluss von zwischenstaatlichen Verhandlungen zur Erreichung einer liberalisierten Wirtschafts- und Agrarpolitik ist ein sachlicher Grund für eine durch solche Vereinbarungen bedingte mögliche Ungleichbehandlung von Drittländern und Mitgliedsstaaten im Detail, bedingt durch abweichende Regularien der Vertragsparteien. Sie ist auch verhältnismäßig.
Ziel der Äquivalenzvereinbarung mit den USA ist der Abbau von Handelsschranken und Regularien und daraus sich ergebende Kosteneinsparungen, die beispielsweise durch doppelte Kontrollen und Qualitätsprüfungen entstehen. Dem Abschluss der Vereinbarung war eine umfassende Überprüfung und Datenauswertung gem. Art. VIII VO (EG) Nr. 1235/2008 vorangegangen, die zu dem Ergebnis kam, dass trotz teilweise abweichender Rechtsvorschriften ein gleiches Qualitätsniveau erreicht wird. Zusätzlich sind ein regelmäßiger Erfahrungsaustausch zur Fortentwicklung der Vereinbarung und eine angemessene Überwachung der Anerkennung vorgesehen, Art. 34 Abs. 2 Unterabs. 4 EG-Öko-VO, um langfristig eine Harmonisierung der Bio-Vorschriften zu erreichen. Zwar werden durch den Abschluss einer Äquivalenzvereinbarung wie vorliegend mit den USA zunächst gewisse Ungleichheiten im Interesse des Handels und der Wirtschaft in Kauf genommen, eine Auslegung der unionsrechtlichen Vorschriften im Sinne der Klägerin würde jedoch dazu führen, dass auch in der Union die US-amerikanischen Standards gelten würden, die europäischen Standards zunehmend aufgeweicht würden
Eine unterschiedliche Behandlung der Mitgliedsstaaten und der Drittländer ist daher sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung der genannten Ziele ist ein angemessenes Verhältnis zwischen Mittel und Zweck zu bejahen.
c) Im Übrigen ist auch für den Verbraucher aus dem EU-Biosiegel ersichtlich, in welchem Land ein Produkt zertifiziert worden ist. Zu den Angaben, die das Biosiegel enthalten muss, gehört nach Art. 24 Abs. 1 a der EG Öko-VO die Kennzeichnung der Kontrollstelle oder -behörde die für die Kontrolle des Unternehmers zuständig ist, der die letzte Erzeugungs- oder Aufbereitungshandlung vorgenommen hat. Gem. Art. 51 Abs. 1 DVO-Öko beginnt die Code-Nr. mit dem aus zwei Buchstaben bestehenden internationalen Kürzel des jeweiligen Mitgliedstaats oder Drittlands.
5. Ein Ermessen stand dem Beklagten bezüglich der Anordnung zur Entfernung des geschützten Hinweises nicht zu, da die Behörde bei der Feststellung von Unregelmäßigkeiten oder Verstößen in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften der EU-Öko-VO zum Einschreiten verpflichtet ist und dafür zu sorgen hat, dass die geschützten Hinweise auf die ökologische/biologische Produktion in der Kennzeichnung und Werbung entfernt werden, bei schwerwiegenden Verstößen sogar die Untersagung der Vermarktung des Erzeugnisses vorgesehen ist.
Die Anordnung steht in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Vorschrift, gegen die verstoßen wurde und zu der Art und den besonderen Umständen der Unregelmäßigkeit. Da aus den genannten Gründen die Verwendung des EU-Biologos für das Produkt B. gegen die Kennzeichnungsvorschriften der EU-Öko-VO verstieß, konnte nur durch Anordnung der Entfernung des Biosiegels für die Zukunft sichergestellt werden, dass die Vorschriften der Verordnung eingehalten werden und das Produkt nicht weiterhin mit dem geschützten Siegel in Verkehr gebracht wird. Der Beklagte hat sich auch im Verhältnis zu einer Untersagung der Vermarktung für das mildere Mittel der Entfernung des Biosiegels entschieden.
6. Die auf Art. 63 Abs. 2 c DVO-Öko beruhende Anordnung zur schriftlichen Information der Käufer des Produkts und die Anordnung, die Landesanstalt für Landwirtschaft entsprechend zu informieren, um den Vollzug der Anordnung überprüfen zu können, sind notwendige Folge der in Ziff. 1 des Bescheides angeordneten Maßnahmen zu deren Durchsetzung und Überwachung.
7. Einwendungen gegen die Zwangsgeldandrohung sind nicht vorgebracht und auch nicht ersichtlich. Die angedrohten Zwangsgelder stehen in angemessenem Verhältnis zu dem angestrebten Zweck.
III.
Der Hilfsantrag auf Feststellung der Verkehrsfähigkeit des Produkts mit dem EU-Biosiegel in der Gemeinschaft für den Fall, dass es in den USA unter Beachtung des dortigen Biorechts hergestellt würde, ist unzulässig.
Es handelt sich hierbei um eine Feststellungsklage, die sich auf ein mögliches künftiges Rechtsverhältnis zwischen den Parteien bezieht. Eine solche vorbeugende Feststellungsklage ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig, da die Feststellungsklage keine allgemeine Auskunftsklage über die (künftige) Rechtslage ist (BayVGH, Beschluss vom 04. Februar 2016 – 4 ZB 15.2506). Zwar kann grundsätzlich eine vorbeugende Feststellungsklage vor dem Hintergrund, Dispositionssicherheit zu erlangen, zulässig sein, es muss jedoch ein hinreichend bestimmbarer und überschaubarer Sachverhalt gegeben sein (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. November 1989, NJW 90, 1866).
Daran fehlt es vorliegend. Es ist weder ersichtlich, dass die Klägerin tatsächlich plant, eine Produktionsstätte in den Vereinigten Staaten zu eröffnen noch ist absehbar bzw. geplant, in welcher Form (beispielsweise in Zusammenarbeit oder durch eine amerikanische Firma, die gegebenenfalls das streitgegenständliche Produkt herstellen würde). Damit begehrt die Klägerin gerichtliche Rechtsauskunft ob für den völlig ungewissen Fall, dass das Produkt in den USA unter Beachtung der Vorschriften des US-Bio-Rechts hergestellt und zertifiziert werden würde es in der Europäischen Union mit Kennzeichnung mit dem EU-Biosiegel verkehrsfähig wäre. Die Klage war auch im Hilfsantrag abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht sah sich aus den oben genannten Gründen nicht veranlasst, die Frage eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen, zumal es gemäß Art. 267 AEUV hierzu nicht verpflichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs.1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 f ZPO.
Die Berufung war gem. § 124 a Abs. 1 VwGO i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen im Hinblick auf die Möglichkeit einer abweichenden Beurteilung der vom Europäischen Gerichtshof nicht einbezogenen Problematik des Äquivalenzabkommens mit den Vereinigten Staaten und die sich daraus ergebenden Fragen der Gleichbehandlung von Mitgliedsstaaten der EU mit den Vereinigten Staaten.


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