Europarecht

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Aktenzeichen  12 O 8400/19

Datum:
9.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 58143
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 24.990,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München I örtlich zuständig, § 32 ZPO.
B.
Die Klage ist unbegründet. Schadensersatzansprüche der Kläger sind nicht ersichtlich.
I. Vertragliche Ansprüche kommen schon mangels Vertragsverhältnis der Parteien nicht in Betracht.
II. Die Kläger haben aber auch keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB.
Nach § 826 BGB ist der zum Schadensersatz verpflichtet, der einem anderen in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zufügt. Dabei muss sich der Vorsatz auch auf die Schädigung beziehen.
1. Die Behauptung, dass die Beklagte eine unzulässige Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Motor verbaut habe, ist eine Behauptung der Kläger ins Blaue hinein, so dass das angebotene Sachverständigengutachten (Bl. 15 d.A.) nicht zu erholen war.
Der klägerische Vortrag erschöpft sich in weiten Teilen in der Behauptung, das streitgegenständliche Fahrzeug sei von einer Abgasmanipulation betroffen, die mit den Manipulationsvorwürfen vergleichbar sei, die gegen den Volkswagenkonzern erhoben werden. Entsprechend besteht der Großteil des Vortrages aus einer Vielzahl von Medienberichten, die die Beklagte gar nicht oder nur am Rande betreffen und aus dem Zitieren zahlreicher gerichtlicher Urteile, die ganz überwiegend die Geschehnisse in Bezug auf den sogenannten Abgasskandal bei dem Volkswagenkonzern zum Gegenstand haben. Solches ist schon generell nicht geeignet, einen substantiierten Sachvortrag zu begründen (vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.2001 – V ZB 29/01, BeckRS 2001, 8564). Ein konkreter Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug ist nicht ersichtlich.
Aber auch die vorliegende Bezugnahme auf Studien genügt nicht, um eine Manipulation oder zumindest Hinweise auf eine solche in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug ausreichend plausibel zu belegen.
a. Soweit die Kläger auf eine Studie der Deutschen Umwelthilfe vom 05.12.2017 abstellen (Anlage K 6, S. 13), so genügt dies zur Plausibilisierung seines Vortrages schon deshalb nicht, weil in dieser unstreitig nicht der streitgegenständliche Motor geprüft wurde und es sich zudem auch um ein anderes Fahrzeugmodell mit einer anderen Abgasnorm handelte. Darüber hinaus ist das Kraftfahrtbundesamt in seiner Pressemitteilung vom 15.02.2018 den in der Studie aufgestellten Ergebnissen auch – zumindest gleichwertig – entgegen getreten. Es konnte insoweit keine unzulässigen Abschalteinrichtungen feststellen.
b. Soweit das Kraftfahrtbundesamt zeitlich nachgelagert tatsächlich einen Rückruf wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen angeordnet hat, so betrifft dieser unstreitig nicht den hier streitgegenständlichen Motor.
c. Soweit die Kläger auf Messungen der Technischen Universität Graz abstellen (Anlage K 7), so betreffen diese ebenso nicht das streitgegenständliche Fahrzeug. Aber auch dann wenn – wie vorgetragen – z.B. der dort untersuchte 318d ED mit dem Zulassungsjahr 2010 und der Abgasnorm Euro 5 den gleichen Motor enthielte, wie das streitgegenständliche Fahrzeug, so würde die vorgelegte Aufstellung nicht für einen substantiierten Vortrag genügen. Denn ausweislich der dort aufgeführten Testergebnisse überschreitet das geprüfte Fahrzeug den zulässigen Grenzwert der Stickstoffoxidemissionen nicht in jedem Fall. Für den Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) wird bei diesem Fahrzeug gerade keine Überschreitung festgestellt. Dieser dürfte aber für die Zulassung des Fahrzeuges maßgeblich sein. Welche Anforderungen im Detail dagegen den anderweitigen Messungen nach CADC oder ERMES zugrunde liegen, ist nicht bekannt und wird auch nicht vorgetragen. Weshalb sich aus den dort abgebildeten Ergebnissen der zwingende Schluss auf das Vorliegen einer Manipulationssoftware beim Kläger ableiten lässt, ist dann auch nicht nachvollziehbar.
d. Soweit die Kläger darauf abstellen, dass es unter den vorherrschenden technischen und physikalischen Bedingungen und der verwendeten Technik seit dem Jahr 2006 gar nicht möglich gewesen sei, Fahrzeuge zu bauen, welche die zulässigen Grenzwerte einhalten und gleichzeitig ohne dauerhafte Beeinträchtigung funktionsfähig bleiben (Bl. 6 ff. d.A.), so genügt dieser pauschale Vortrag zur Substantiierung gleichfalls nicht. Er disqualifiziert sich schon dadurch, dass die Kläger seitenweise Ausführungen zur sogenannten „AdBlue-Einspritzung“ im Rahmen der Verwendung eines SCR-Katalysators vortragen, obgleich das streitgegenständliche Fahrzeug – wie sie im Haupttermin einräumen mussten – über keine solche Abgasreinigung verfügt.
e. Im Ergebnis sind bei obiger Sachlage für das Gericht keinerlei belastbaren Hinweise dafür erkennbar, dass das streitgegenständliche Fahrzeug von einer Abgasmanipulation betroffen ist.
Mangels ausreichenden Anhaltspunkten brauchte das Gericht dem Beweisangebot des Klägers auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut sei, nicht nachzugehen. Es ist gerade nicht die Aufgabe des Gerichts im Zivilprozess aufgrund eines vagen Verdachtes einen möglichst umfassenden Beweisbeschlusses zu erlassen, damit dann gezielt nach vermeintlichen Mängeln gesucht werden kann. Bei diesem Beweisangebot handelt es sich um einen reinen Ausforschungsbeweis, der erst dazu dienen sollen, eine unsubstantiierte Klage substantiiert zu machen. Gleiches gilt für die klägerseits benannten Zeugen, die an der „Entwicklung der Abgasreinigung bei der Beklagten zwischen 2006 und 2014“ tätig waren. Die Einvernahme des Zeugen konnte schon deshalb unterbleiben, weil nach eigenem Klägervortrag das bei der Beklagten als „14/15-V Funktion“ bekannte Modul nur eine „ähnliche Funktion wie die Abschalteinrichtung bei Volkswagen“ habe. Dass aber die verschiedenen, in Konkurrenz befindlichen, Fahrzeughersteller technisch ähnliche Lösungen verwenden, liegt auf der Hand. Damit nicht gesagt ist, dass es sich hierbei um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt.
2. Selbst, wenn eine unzulässige Abschalteinrichtung vorläge, ist nicht ersichtlich, woraus sich ein Vorsatz der Beklagten in Form von Kenntnis ihres Vorstands, bzw. leitender Angestellter ergeben soll. Auf eine mögliche sekundäre Darlegungslast der Beklagten kommt es nicht an, weil es schon an der Erstdarlegung der Kläger fehlt. Welches Vorstandsmitglied oder sonstige Mitarbeiter der Beklagten wann und wo von welchen Handlungen oder Unterlassungen genau Kenntnis gehabt haben und dennoch nicht gehandelt haben soll, haben die Kläger, auch nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vom 10.11.2019 nicht vorgetragen.
3. Darüber hinaus wäre ein kausaler Schaden der Klagepartei, auf den sich gleichfalls ein Vorsatz der Beklagten beziehen müsste, nicht ersichtlich.
Die Kläger behaupten, dass sie das Fahrzeug nicht erworben hätten, wenn sie von einer – ihrer Meinung nach vorhandenen – Abschalteinrichtung Kenntnis gehabt hätten.
Dennoch ist ein Schaden der Klagepartei nicht ersichtlich, weil die Klagepartei für ihren Kaufpreis ein Fahrzeug erhalten hat, das sie im Straßenverkehr nutzen kann und nach ihren Angaben bis heute auch nutzt. Die Leistung, die die Klagepartei für ihren Kaufpreis erhalten hat, ist für sie deshalb bis heute voll brauchbar.
Auch eine Wertminderung des Fahrzeugs ist nicht ersichtlich und wäre zudem von einem unterstellten Vorsatz nicht gedeckt. Denn ginge man davon aus, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist, und der Vorstand der Beklagten davon Kenntnis hatte, so hätte er sicher nicht gewollt oder auch nur in Betracht gezogen, dass eine etwaig verbaute unzulässige Abschalteinrichtung aufgedeckt wird. Deren Aufdeckung wäre aber Voraussetzung für eine Wertminderung und damit einen Schaden der Kläger.
III. Nach obigen Ausführungen kommt auch eine widerrechtliche Schadenszufügung i.S.d. § 831 BGB nicht in Betracht, zumal die Kläger nicht schlüssig vortragen, wer Verrichtungsgehilfe im Sinne der Norm gewesen sein soll.
IV. Die Kläger können ihren Anspruch auch nicht auf § 823 Abs. 2 BGB iVm §§ 6, 27 EG-FGV stützen. Es fehlt schon an der Charakterisierung als Schutzgesetz. § 27 EG-FGV statuiert das Erfordernis einer gütigen Übereinstimmungsbescheinigung nur für neue Fahrzeuge. Die Kläger haben das streitgegenständliche Fahrzeug aber schon nicht als Neuwagen, sondern als Gebrauchtwagen mit einem nicht unerheblichen Kilometerstand, erworben. Darüber hinaus bezweckt das EG-Typengenehmigungsverfahren das Funktionieren des Binnenmarktes bei gleichzeitiger Verbesserung und Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr, der Umwelt und am Arbeitsplatz (vgl. EuGH, Urteil vom 15.06.2017, Az. C-513-15).
Es hat daher einen sehr allgemeinen Schutzzweck. Voraussetzung für ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB ist es aber, dass das jeweilige Gesetz die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruches gerade erstrebt. Solches ist hier nicht erkennbar.
V. Die Kläger haben gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB.
Ein Anspruch der Klagepartei aufgrund vorstehender Norm scheitert – unterstellt eine unzulässige Abschalteinrichtung läge vor und auch ein entsprechender Vorsatz der bei der Beklagten Verantwortlichen läge vor – bereits an einer Stoffgleichheit. Ein eventueller Schaden (in Form einer Wertminderung) der Klagepartei ist jedenfalls nicht die Kehrseite eines von der Beklagten angestrebten Vorteils: Durch die Zahlung des Kaufpreises an die Verkäuferin des streitgegenständlichen Fahrzeugs erlangt die Beklagte keinen Vorteil.
VI. Mangels Hauptforderung haben die Kläger keinen Anspruch auf Zinsen.
VII. Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen haben die Kläger bereits mangels Anspruchs in der Hauptsache nicht, zumal der Antrag trotz Hinweis in der mündlichen Verhandlung bis zuletzt unschlüssig und unbeziffert geblieben ist.
VIII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.
C.
Der Streitwert war nach § 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 ZPO in Höhe der Klageforderung festzusetzen.


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