Europarecht

Fehlende Darlegung des Kausalzusammenhangs im Dieselskandal

Aktenzeichen  27 U 5086/19

Datum:
10.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14856
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2
BGB § 826

 

Leitsatz

Wie allgemein aus der öffentlich zugänglichen, umfangreichen Medienberichterstattung bekannt ist, hat der Autohersteller Volkswagen die Öffentlichkeit im September 2015 im Rahmen einer Presseinformation sowie einer Ad hoc-Mitteilung davon unterrichtet, dass weltweit rund 11 Millionen Fahrzeuge mit Motoren ihres Konzerns vom Typ EA 189 von den bereits zuvor in den USA beanstandeten auffälligen Abweichungen zwischen Prüfstandswert und realem Fahrbetrieb betroffen sind. Was folgte, war eine umfassende mediale Aufarbeitung der Abgasthematik in sämtlichen regionalen, überregionalen und internationalen Medien. Soweit ein Käufer pauschal einwendet, er habe dennoch keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ gehabt, genügt dies nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 U 5086/19 2019-12-17 Hinweisbeschluss OLGMUENCHEN OLG München

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30.07.2019, Aktenzeichen 082 O 3617/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.700,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Beschluss des Senats vom 17.12.2019 verwiesen.
Ergänzend wird bezüglich des Berufungsvortrags auf den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 09.03.2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 30.07.2019, Aktenzeichen 082 O 3617/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorangegangenen Hinweis des Senats vom 17.12.2019 Bezug genommen.
Die Stellungnahme des Klägers vom 09.03.2020 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Der Kläger wiederholt insoweit seine in der Berufungsbegründung vorgetragenen Rechtsansichten und Tatsachendarstellungen.
Lediglich ergänzend ist daher auszuführen wie folgt:
1. Ein Anspruch aus § 826 BGB scheitert vorliegend jedenfalls am erforderlichen haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen Irrtum und Abgabe der für den Kauf des Fahrzeugs maßgeblichen Willenserklärung und damit den Eintritt einer“ Rechtsgutsverletzung.
Für diesen Kausalzusammenhang ist die Klagepartei darlegungs- und beweisbelastet (MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl. 2017, BGB § 826 Rn. 51).
Vorliegend wird die Klagepartei jedoch bereits ihrer Darlegungslast nicht gerecht.
Wie allgemein aus der öffentlich zugänglichen, umfangreichen Medienberichterstattung bekannt ist (Musielak/Voit, 16. Auflage 2019, ZPO, § 291 Rn. 1), hat die Beklagte zu 1) die Öffentlichkeit im September 2015 im Rahmen einer Presseinformation sowie einer Ad hoc-Mitteilung davon unterrichtet, dass weltweit rund 11 Millionen Fahrzeuge mit Motoren ihres Konzerns vom Typ EA 189 – und damit auch der streitgegenständliche – von den bereits zuvor in den USA beanstandeten auffälligen Abweichungen zwischen Prüfstandswert und realem Fahrbetrieb betroffen sind. Was folgte, war eine umfassende mediale Aufarbeitung der Abgasthematik in sämtlichen regionalen, überregionalen und internationalen Medien. Gegenstand der Berichterstattung war dabei insbesondere auch die Erstreckung der Problematik auf die Konzernmarken der Beklagten zu 2) und die Möglichkeit der Information auf den entsprechenden Websiten.
Die Klagepartei hat insoweit nur ausgeführt, dass der Kläger keine Kenntnis von der Betroffenheit seines Fahrzeugs vom „Dieselskandal“ hatte.
Diese Darstellung genügt im Hinblick auf die vorliegenden allgemeinkundigen Tatsachen, d.h. die umfassende – alle Medien betreffende – Aufbereitung der Dieselthematik, auf die die Beklagtenseite bereits in ihrem Schriftsatz vom 15.02.2019 hingewiesen hat, nicht den Anforderungen an einen substantiierten Vortrag.
Der Kläger führt hierbei nicht einmal selbst nicht ins Feld, vor Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages von Pressemitteilungen der V. AG keine Kenntnis erlangt zu haben.
Dieser Sachvortrag der Klagepartei trägt vor dem Hintergrund der Ausführungen der Beklagten zu den erfolgten Verbraucherinformationen nicht die Behauptung, dass die Klagepartei noch von einem Irrtum getragen die Kaufentscheidung getroffen hatte.
Vielmehr liegt es bei dieser Sachlage nahe, dass die Frage einer etwaigen Betroffenheit des gekauften Kraftfahrzeugs vom „Dieselskandal“ beim Abschluss des streitgegenständlichen Kaufvertrages im Oktober 2016 gerade keine entscheidende Rolle gespielt hat,
2. Bezüglich des behaupteten Thermofensters wird ergänzend darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf dessen kontrovers diskutierte Zulässigkeit es bereits – sein Vorhandensein unterstellt – an einer sittenwidrigen Handlung fehlt. Denn ein Verhalten, dass auf einer noch vertretbaren, wenn auch möglicherweise falschen Auslegung des Gesetzes fußt, kann nicht als besonders verwerflich angesehen werden. Gleichfalls fehlt es am erforderlichen subjektiven Tatbestand (OLG München, Beschluss vom 10.02.2020 – 3 U 7524/19 -, juris m.w.N.; OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019 – 10 U 134/19 -, juris; OLG Dresden, Urteil vom 09.07.2019 – 9 U 567/19 -, juris).
III.
Die Entscheidung erging nach § 522 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und eine Entscheidung des Revisionsgerichts weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
Es handelt sich vielmehr um eine Einzelfallentscheidung auf der Basis gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung. Maßgebend für die Entscheidung des Senats war insoweit vorliegend die im Einzelfall zu beurteilende Frage der Kausalität. Entsprechend führt auch die Entscheidung des OLG Hamm, Urteil vom 10.09.2019, Az.: 13 U 149/18 nicht zu einer anderen Bewertung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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