Europarecht

Fluggastrecht, Kaufpreis, Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Berufung, Kaufvertrag, Fahrzeug, Abtretung, AGB, Zedent, Software, Kostenerstattung, Laufleistung, Vergleich, Vertragsschluss, Zug um Zug, gerichtliche Geltendmachung, analoge Anwendung

Aktenzeichen  21 U 1200/22

Datum:
18.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 17969
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

41 O 1745/18 2020-08-07 Endurteil LGINGOLSTADT LG Ingolstadt

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 07.08.2020, berichtigt durch zwei Beschlüsse vom 04.02.2021, Az. 41 O 1745/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1.1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
2.119,34 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.091,02 € vom 19.01.2019 bis 10.07.2019 und aus 2.119,34 € seit 11.07.2019 (Pkw Nr. 6)
1.187,50 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 7.136,12 € vom 19.01.2019 bis 28.05.2020, aus 6.100,95 € vom 29.05.2020 bis 26.08.2020 und aus 1.187,50 € seit 27.08.2020 (Pkw Nr. 7) 263,49 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.205,61 € vom 19.01.2019 bis 10.06.2019 und aus 263,49 € seit 11.06.2019 (Pkw Nr. 9)
4.732,90 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 10.230,27 € vom 19.01.2019 bis 28.5.2020, aus 8.832,11 € vom 29.05.2020 bis 20.05.2021 und aus 4.732,90 € seit 21.05.2021 (Pkw Nr. 11)
2.185,49 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 6.745,11 € vom 19.01.2019 bis 28.05.2020, aus 3.940,44 € vom 29.05.2020 bis 08.05.2022 und aus 2.185,49 € seit 09.05.2022 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Pkws mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …321 (Pkw Nr. 12)
zu zahlen.
1.2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
1.3. Von den Kosten des Verfahrens erster Instanz haben die Klägerin 85%, die Beklagten gesamtschuldnerisch 15% zu tragen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 94% die Beklagten gesamtschuldnerisch 6% zu tragen.
4. Das Urteil des Senats und das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, in der Fassung, die es durch den Senat erhalten hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 145.210,02 € festgesetzt. Der Streitwert für das Verfahren erster Instanz wird auf 166.495,76 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin, eine im Rechtsdienstleistungsregister eingetragene Inkassodienstleisterin, klagt aus abgetretenem Recht unter der Marke m.R. im eigenen Namen Rückabwicklungsansprüche von Käufern ein, die ein A.-Dieselfahrzeug mit dem Motor EA 189 vor Bekanntwerden der Dieselproblematik erworben haben und gegen die Beklagten deliktische Schadensersatzansprüche geltend machen.
Gegenstand des Rechtsstreits waren zu Beginn insgesamt 2.852 Ansprüche von Fahrzeugeigentümern. Im Berufungsverfahren waren es vor der Abtrennung von zehn Einzelverfahren noch ca. 2.500 Einzelansprüche mit einem von der Klägerin bezifferten Volumen von ca. 57 Mio. €. Zum Teil haben die Zedenten ihre Fahrzeuge bereits verkauft.
Die Abtretungen erfolgten treuhänderisch, mit dem Ziel, diese gesammelt geltend zu machen. Das Vertragsverhältnis zu den einzelnen Zedenten ist mittels AGB der Klägerin ausgestaltet und kommt durch einen einfachen Klick auf der Webseite der Klägerin zustande. Die Klägerin bestätigt die Annahme des Geschäftsbesorgungsvertrages i.d.R. durch eine E-Mail. Entsprechende Unterlagen zur Geltendmachung der Ansprüche sollen von den Zedenten online hochgeladen werden. In Ziffer 6.1. der AGB, Anlage B4, ist geregelt, dass die Klägerin zum Abschluss eines widerrufbaren Vergleichs in Bezug auf die Entschädigungsansprüche berechtigt ist, soweit die Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheint. Macht ein Zedent von seinem Widerrufsrecht Gebrauch, kann die Klägerin den Vertrag kündigen und beansprucht eine Vergütung, die bei Bestand des Vergleichs angefallen wäre.
Die Zedenten haben im Unterliegensfall kein Kostenrisiko und zahlen grundsätzlich nur im Erfolgsfall eine 35% ige Erfolgsprovision. Die Klägerin verfügt über eine Registrierung nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RDG und arbeitet mit einem Prozessfinanzierer (B. C.) zusammen, der wirtschaftlich hinter der Klägerin steht und eine erfolgsabhängige Vergütung erhält. Der Prozessfinanzierer hat keine Vetorechte und ist ein rein passiver Investor.
Die Beklagte zu 1) ist die Herstellerin der streitgegenständlichen A.fahrzeuge, die Beklagte zu 2) hat den streitgegenständlichen Motor EA 189 entwickelt und hergestellt, der auch in den Fahrzeugen der Beklagten zu 1) verbaut worden ist. Bereits im Jahr 2005/2006 erfolgte bei der Beklagten zu 1) durch das sog. Produkt-Strategie Komitee, dem Mitglieder des Vorstands und Mitglieder aus den Fachabteilungen angehörten, die Produktentscheidung Motoren des Typs EA 189 auch in Fahrzeugmodellen der Beklagten zu 1) einzusetzen. Die Beklagte zu 1) konnte auf die fertig bedateten Motorsteuerungsgeräte zum Verbau in den Fahrzeugen keinerlei Einfluss nehmen, weil die Software von den Entwicklern der Beklagten zu 2) auf dem Konzernserver verriegelt worden war und auf die Motorsteuerungsgeräte automatisch heruntergeladen wurde. Der Motor EA 189 enthielt bei Erwerb der Fahrzeuge durch die Zedenten eine Steuerungssoftware, die vom Kraftfahrt-Bundesamt als verbotene Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der VO (EG) Nr. 715/2007 qualifiziert worden ist. Die Software erkannte, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet, und schaltete in diesem Fall in einen Modus, bei dem verstärkt Abgase in den Motor zurück gelangten und sich so der Ausstoß an Stickoxiden verringerte. Im normalen Fahrbetrieb hingegen aktivierte eine solche Software einen anderen Modus, bei dem eine Abgasrückführung nur in geringerem Umfang stattfand. Sie ermittelte also aufgrund technischer Parameter die betreffende Betriebsart des Fahrzeugs (Prüfstandlauf oder Echtbetrieb) und aktivierte oder deaktivierte dementsprechend die Abgasrückführung, was unmittelbar die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems beeinträchtigte. Das Kraftfahrt-Bundesamt erließ in der Folge Nebenbestimmungen zu den EG-Typgenehmigungen, die die Beklagten durch Entwicklung eines Software-Updates umsetzten, welches vom Kraftfahrt-Bundesamt freigegeben wurde. Die Kunden wurden von den Beklagten und dem KBA darüber informiert, dass technische Maßnahmen für ihr Fahrzeug durchzuführen sind.
Zwischen den Parteien besteht insbesondere darüber Streit, ob die Klägerin aufgrund ihrer Erlaubnis als Inkassodienstleisterin befugt ist, die vorliegende Klage erheben zu können und berechtigt ist, die Ansprüche der jeweiligen Fahrzeugeigentümer im Wege einer umfangreichen Sammelklage geltend zu machen, zumal von vornherein eine gerichtliche Geltendmachung geplant war. Die Beklagten sehen insbesondere Verstöße gegen §§ 3 und 4 RDG und halten die Abtretungen nach § 134 BGB für nichtig. Die Beklagte zu 1) ist darüber hinaus der Ansicht, dass sie keine Haftung für den Motor EA 189 treffe, weil er nicht von ihr entwickelt worden sei und die maßgeblichen Repräsentanten keine Kenntnis von der verbauten Software gehabt hätten.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.
Das Landgericht Ingolstadt hat mit Urteil vom 07.08.2020 die Klage abgewiesen. Die Kammer kam zu dem Ergebnis, dass sich die für die Zedenten erbrachten Tätigkeiten der Klägerin nicht mehr im Rahmen der zulässigen Inkassodienstleistungen halten würden und die Rechtsdienstleistungsverträge sowie die Abtretungen daher nichtig seien. Das Landgericht nahm eine erweiternde Auslegung/ analoge Anwendung des § 4 RDG vor und sah in der AGB-Regelung zur Zahlung einer Vergütung bei Widerruf eines von der Klägerin geschlossenen Vergleichs einen schwerwiegenden Konflikt zwischen den Interessen der Klägerin und der Zedenten.
Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin.
Sie vertritt die Auffassung, dass ein Verstoß gegen § 4 RDG analog nicht vorliege. Die vom Bundesgerichtshof im sog. Lexfox-Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18, Rn. 213 geforderte Interessenkollision im engeren Sinne liege nicht vor. Die Vereinbarung eines Erfolgshonorars bewirke einen prinzipiellen Gleichlauf der Interessen, was in dem genannten Urteil ebenfalls festgestellt worden sei, Rn. 196. Dieser prinzipielle Gleichlauf sei auch bei einem Vergleich gegeben. Ist die Vergleichssumme niedrig, dann sei auch das Erfolgshonorar niedrig. Das primäre wirtschaftliche Interesse der Klägerin sei deshalb auch im Falle eines Vergleichs eine möglichst hohe Vergleichssumme zu erzielen. Ein Interessenskonflikt ergebe sich nicht daraus, dass der Inkassodienstleister einen Vergleich abschließen könne. Zudem läge allenfalls eine latente Interessenkollision vor, weil im Zeitpunkt der Abtretung der Ansprüche im Frühjahr/Sommer 2018 und teilweise noch früher nicht klar gewesen sei, ob die Beklagten überhaupt irgendwann Vergleiche schließen würden. Dass die Interessen eines Dienstleisters und eines Auftraggebers eines Dienstleisters nicht in jeder Phase der Auftragsabwicklung vollständig parallel liefen, liege in der Natur der Sache. Dies sei auch im Verhältnis Anwalt und Mandant nichts anderes. Gemäß Ziff. 6.1 der AGB könne die Klägerin auch nicht jeden Vergleich schließen, sondern nur, wenn die erzielbare Vergleichssumme nach gewissenhafter Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns als ausreichend erscheine. Dies sei keine unscharfe Vorgabe, wie das Landgericht meine, sondern eine Formulierung des Gesetzgebers in § 347 Abs. 1 HGB. Wenn sich die Klägerin hieran nicht halte, dann liege ein vertragswidriges Verhalten vor, das Schadensersatzansprüche auslöse. Das Risiko eines vertragswidrigen Verhaltens bestehe aber bei jedem Vertrag und könne nicht als Interessenkollision im engeren Sinn gesehen werden. Die Klägerin sei damit im Zusammenhang mit dem Abschluss eines Vergleichs nicht nur vertraglich verpflichtet im Interesse der Zedenten zu handeln, sondern werde dies auch in ihrem eigenen Interesse tun, da sie ansonsten zunächst ohne Erfolgshonorar dastehe. An einer möglichst raschen Durchsetzung ihrer Ansprüche dürften auch die Zedenten ein Interesse haben, weil sich ihr Schadensersatzanspruch durch eine zunehmende Laufleistung des Fahrzeugs verringert. Da die Klägerin im Fall eines widerrufenen Vergleichs bereits hohe Kosten gehabt und alle Risiken der Anspruchsdurchsetzung übernommen habe, sei es angemessen, dass ihr auch ein Anspruch auf Vergütung zustehe, wobei die Verpflichtung das volle Erfolgshonorar zu zahlen, jedoch nach ABG-Recht nichtig sei. Dieser Verstoß gegen AGB-Recht sei aber nicht mit einer Interessenkollision gemäß § 4 RDG gleichzusetzen. Schließlich liege auch keine Nichtigkeit des Kausalgeschäfts und der Abtretungen vor, weil hier das Verfassungsrecht und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten seien. Vorliegen müsse ein eindeutiger und nicht nur geringfügiger Verstoß, eine objektive Erkennbarkeit für einen verständigen Verbraucher und die Zumutbarkeit der Nichtigkeitsfolge für die Klägerin und die Zedenten (Lexfox-Urteil Rn. 91 ff.). Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Insbesondere sei für einen durchschnittlichen Verbraucher im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht eindeutig gewesen, dass ausgerechnet Ziff. 6.1. zu einer verbotenen Interessenkollision führe. Die Nichtigkeit der Abtretungen wäre für die Zedenten zudem unzumutbar, da sie ihre Ansprüche wegen zwischenzeitlicher Verjährung ganz verlieren würden. Die Möglichkeit eines Regresses sei keine ausreichende Kompensation. Als milderes Mittel hätte schlicht die Anwendung der §§ 306, 307 BGB mit der Rechtsfolge der teilweisen Nichtigkeit und Aufrechterhaltung des Inkassovertrags im Übrigen zur Verfügung gestanden. Nach dem hypothetischen Parteiwillen sowohl der Klägerin als auch der Zedenten wäre der Inkassoauftrag ohne diese Klausel vereinbart worden. Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht eine Gesamtnichtigkeit angenommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 19.11.2020, Bl. 1937 ff. d.A., Bezug genommen.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Inkassodienstleister A.D., BGH, Urteil „A.B.“ vom 13.07.2021, Az. II ZR 84/20. Die Beschränkung auf außergerichtliche Tätigkeiten bedeute lediglich, dass sich der Rechtsdienstleister nicht selbst an das Gericht wenden dürfe. Das sei schon bisherige Rechtsprechung des BGH und des BVerfG gewesen. Es stehe nunmehr fest, dass ein Sammel-Inkasso, wie es A.D., aber auch die Klägerin betreiben, nicht gegen die §§ 3, 4 RDG verstoßen würde. Die Drittfinanzierung führe zu keinem Interessenkonflikt, weil auch der Prozessfinanzierer bei einem guten Vergleich unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg teilnehme. Die Klägerin verweist insoweit auf die Rn. 47 ff., 53 ff. und 59 des genannten Urteils. Die Gefahr eines „schlechten“ Vergleichs sei allein eine vertragsrechtliche Frage, nicht aber eine des RDG, Rn. 60 ff. des BGH-Urteils. Dass der Prozessfinanzierer bei einem Unterliegen in erster oder zweiter Instanz neu über die Finanzierung entscheide, sei branchenüblich. Das Modell der Klägerin sei auch nicht wegen der hohen Zahl der Zedenten unzulässig. Auch dies ergebe sich aus dem A.B. Urteil, weil der BGH dort ein Sammel-Inkasso als zulässiges Geschäftsmodell qualifiziert habe. Die gebündelten Forderungen seien nicht heterogen, sondern beruhten alle auf einem im Wesentlichen gleichgelagerten Lebenssachverhalt (Kauf von Fahrzeugen aus der Produktion der Beklagten zu 1) mit einem von der Beklagten zu 2) hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motor EA 189 und den daraus resultierenden Folgen). Dass sich bei den geltend gemachten Forderungen unterschiedliche Rechtsfragen stellten, sei nicht entscheidend. Das Risiko, dass der auf den einzelnen Zedenten entfallende Betrag unter Umständen geringer ausfalle, weil seine Forderung mit Forderungen mit geringerer Durchsetzungsaussicht gebündelt geltend gemacht worden ist, führe nicht zu einem im Rahmen von § 4 RDG bedeutsamen Interessenkonflikt (A.B. Urteil, Rn. 55). Schließlich gebe es auch keine unterschiedliche Interessenlage bei der Klägerin und den Zedenten, weil jeder das Interesse habe, im Prozess oder in einem Vergleich einen möglichst guten Ertrag zu erzielen.
Dass es bei den Anlagen angesichts der enormen Anzahl geschädigter Kunden und der damals drohenden Verjährung vereinzelt zu Fehlern gekommen sei, sei bedauerlich, aber kein Alleinstellungsmerkmal von Sammelklagen. Aus den angeblichen Unzulänglichkeiten der klägerischen Anlagen könne kein Interessenkonflikt im Sinne von § 4 RDG konstruiert werden. Auch eine Verletzung von § 78 ZPO liege dadurch nicht vor. Es sei unerheblich, in welchem Umfang und wie gründlich der Rechtsanwalt selbst den Prozessstoff durchgearbeitet habe, denn aus Gründen der Rechtssicherheit sei ein von einem postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten unterschriebener Schriftsatz grundsätzlich wirksam.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 21.09.2021, Bl. 2516 ff. d.A., sowie vom 04.11.2021 Bezug genommen.
Zur streitigen Haftung der Beklagten zu 1) trägt die Klägerin vor, dass der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten zu 1) R. S. von dem Vorhandensein der Manipulationssoftware gewusst habe und dennoch die Übereinstimmungsbescheinigungen ausgestellt habe. Unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden M. W. sei die Entscheidung für die Entwicklung der Abgasmanipulation getroffen worden. Ein Ingenieur der Beklagten zu 1) habe an einen größeren Kreis von Managern der Beklagten zu 1) geschrieben, dass man es „ganz ohne Bescheißen“ nicht schaffen werde. Ingenieure der Beklagten zu 1) hätten den Betrug bei der Beklagten zu 2) maßgeblich unterstützt und begleitet. Auch die damaligen Entwicklungsvorstände S. K. und U. H. hätten von der Manipulation gewusst. Ingenieure der Beklagten zu 2) hätten das ursprüngliche Konzept der den Emissionszyklus mit zwei Modi überlistenden Software von A. beim Entwerfen der Abschalteinrichtung entlehnt. Auch das Vorhandensein einer Manipulationssoftware in den 3l-Motoren aus der Produktion der Beklagten zu 1) zeige, dass der Betrug System gehabt habe. Hinsichtlich der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird insoweit auf die Klage, Seite 509 ff., Bezug genommen.
Zu den streitgegenständlichen Einzelansprüchen trägt die Klägerin folgendes vor:
Der Zedent des mit dem Antrag zu 1. verfolgten Anspruchs S. R. habe den streitgegenständlichen A. A 4 2.0 TDI am 08.04.2013 zu einem Kaufpreis von 16.990,00 € bei einer Laufleistung von 63.397 km erworben. Der Kaufpreis sei anteilig durch ein Darlehen der Bank S. finanziert worden, wodurch Darlehenskosten i.H.v. 1.734,68 € entstanden seien, die sich aus Zinskosten i.H.v. 520,42 € und Versicherungsbeiträgen zusammensetzten. Am 03.09.2021 sei das Fahrzeug vom Zedenten zu einem Kaufpreis von 4.000,00 € bei einer Gesamtlaufleistung von 314.000 km verkauft worden. Der Zedent R. habe seine Ansprüche gegen die Beklagten mit Abtretungsvertrag vom 16.02.2017 an die Klägerin abgetreten.
Die Berufung zu Anträgen 2 und 3 wurde mit Schriftsatz vom 05.07.2022 zurückgenommen.
Die Berufung zu Antrag Nr. 4 wurde im Termin vom 09.05.2022 zurückgenommen.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 5. verfolgten Anspruchs A. G. habe den streitgegenständlichen A. A 4 Avant 2.0 TDI mit 105 kW am 08.02.2012 zu einem Kaufpreis von 14.600,00 € bei einer Laufleistung von 149.700 km erworben. Der Kaufpreis sei in Höhe von 7.000,00 € bar bezahlt worden und im Übrigen in Höhe von 7.600,00 € durch ein Darlehen der A. Bank finanziert worden, für das Darlehenskosten in Höhe von 378,77 € entstanden seien. Mit Kaufvertrag vom 21.03.2021 habe der Zedent das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 4.800,00 € bei einer Gesamtlaufleistung von 297.000 km verkauft. Der Zedent habe seine sich aus dem Fahrzeugkauf und dem Abschluss des Darlehensvertrags ergebenden Ansprüche gegen die Beklagten mit Abtretungsvertrag vom 23.02.2017 an die Klägerin abgetreten.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 6. verfolgten Anspruchs M. J. habe mit Kaufvertrag vom 01.02.2012 den streitgegenständlichen A. A 4 Avant mit 105 kW zu einem Kaufpreis von 14.950,00 € bei einer Laufleistung von 143.600 km erworben. Der Kaufpreis sei in Höhe von 3.000.00 € bar bezahlt worden und die restlichen 11.950,00 € durch ein Darlehen der Auto E. Bank finanziert worden, für das Darlehenskosten als Zinsen in Höhe von 3.090,20 € entstanden seien. Mit Kaufvertrag vom 11.07.2019 habe der Zedent das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 3.500,00 € bei einer Gesamtlaufleistung von 232.000 km verkauft. Der Zedent habe seine Ansprüche gegen die Beklagten mit Abtretungsvertrag vom 20.08.2018 an die Klägerin abgetreten.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 7. verfolgten Anspruchs S. D. habe die streitgegenständliche A. A 4 Limousine am 31.07.2013 zu einem Kaufpreis von 15.200,00 € bei einer Laufleistung von 140.000 km erworben. Den Kaufpreis habe der Zedent durch ein Darlehen der T. Bank finanziert, für das ihm letztlich Darlehenskosten als Zinsen in Höhe von 1.565,78 € entstanden seien. Mit Kaufvertrag vom 27.08.2020 habe der Zedent das Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 4.750,00 € bei einer Gesamtlaufleistung von 237.000 km verkauft. Die Ansprüche gegen die Beklagten habe der Zedent mit Abtretungsvertrag vom 16.02.2017 an die Klägerin abgetreten.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 9. verfolgten Anspruchs D. E. habe am 02.07.2012 den streitgegenständlichen A. A 3 2.0 TDI Sportback Ambition als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 15.995,00 € bei einer Laufleistung von 114.999 km erworben. Am 11.06.2019 habe der Zedent das Fahrzeug zu einem Preis von 3.500,00 € bei einer Gesamtlaufleistung von 180.000 km bei der J. Automobile D. GmbH in Zahlung gegeben. Die Ansprüche gegen die Beklagten habe der Zedent mit Abtretungsvertrag vom 08.03.2017 an die Klägerin abgetreten.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 11. verfolgten Anspruchs N. Sch. habe den streitgegenständlichen A. A 4 2.0 TDI am 20.12.2011 zu einem Kaufpreis von 17.702,00 € bei einer Laufleistung von 60.000 km erworben. Den Kaufpreis habe der Zedent durch ein Darlehen der A. Bank finanziert, für das ihm Darlehenskosten als Zinsen i.H.v. 1.815,92 € entstanden seien. Der Zedent habe das Fahrzeug am 21.05.2021 für 3.500,00 € bei einem Kilometerstand von 123.000 km verkauft. Seine aus dem Fahrzeugkauf und dem Abschluss des Darlehensvertrags ergebenden Ansprüche gegen die Beklagten habe der Zedent mit Abtretungsvertrag vom 26.06.2017 an die Klägerin abgetreten.
Der Zedent des mit dem Antrag zu 12. verfolgten Anspruchs T. B. habe den streitgegenständlichen A. A 4 Avant 2.0 TDI am 16.04.2013 zu einem Kaufpreis von 17.980,00 € bei einer Laufleistung von 119.006 km erworben. Zusätzlich habe der Zedent mit der A. A. Leasing D GmbH am 26.04.2013 eine Garantievereinbarung abgeschlossen. Den Kaufpreis habe der Zedent durch ein Darlehen der B. Bank finanziert, für das ihm Darlehenskosten als Zinsen i.H.v. 1.392,84 € entstanden seien. Der Zedent habe seine sich aus dem Fahrzeugkauf und dem Abschluss des Darlehensvertrags ergebenden Ansprüche gegen die Beklagten mit Abtretungsvertrag vom 13.06.2018 an die Klägerin abgetreten.
Wegen der Einzelheiten des klägerischen Vorbringens zu den abgetrennten Einzelansprüchen wird auf die Schriftsätze vom 23.12.2021 sowie vom 29.04.2022 samt Anlagen Bezug genommen.
Nach der Abtrennung des Verfahrens mit Beschluss vom 03.12.2021 aus dem Verfahren mit dem Az. 21 U 5563/20, beantragte die Klägerin zuletzt in der Berufung, das Urteil des Landgerichts im nachfolgend näher bestimmten Umfang aufzuheben und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin:
1. 14.724,68 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 18.724,68 Euro für den Zeitraum vom 08.04.2013 bis zum 03.09.2021 sowie aus 14.724,68 Euro für den Zeitraum nach dem 03.09.2021 zu zahlen.
2. (Berufungsrücknahme, Schriftsatz vom 05.07.2022)
3. (Berufungsrücknahme, Schriftsatz vom 05.07.2022)
4. (Berufungsrücknahme im Termin vom 09.05.2022)
5. 10.178,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.978,77 Euro für den Zeitraum zwischen dem 08.02.2012 und dem 21.03.2021 sowie aus 10.178,77 Euro für den Zeitraum nach dem 21.03.2021 zu zahlen.
6. 14.540,20 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 14.950,00 Euro für den Zeitraum vom 01.02.2012 bis zum 11.07.2019 sowie aus 14.540,20 Euro für den Zeitraum nach dem 11.07.2019 zu zahlen.
7. 12.015,78 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 16.765,78 Euro für den Zeitraum zwischen dem 31.07.2013 und dem 27.08.2020 sowie aus 12.015,78 Euro für den Zeitraum seit dem 27.08.2020 zu zahlen.
8. (Berufung umfasst diesen Antrag nicht)
9. 12.495,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 15.995,00 Euro für den Zeitraum vom 02.07.2012 bis zum 11.06.2019 sowie aus 12.495,00 Euro für den Zeitraum nach dem 11.06.2019 zu zahlen.
10. (zurückgenommen im erstinstanzlichen Verfahren)
11. 14.202,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2011 zu zahlen.
12. 19.372,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2013 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKWs mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …321 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen im Berufungsverfahren,
die Berufung zurückzuweisen und erheben die Einrede der Verjährung (Schriftsatz vom 12.04.2022, Bl. 2771 d.A.).
Sie verteidigen die Entscheidung des Landgerichts und sehen wie dieses eine schwerwiegende Interessenkollision, weil das Geschäftsmodell der Klägerin einen unzulässigen wirtschaftlichen Druck auf die Auftraggeber erzeuge, einen ggf. von ihnen nicht gewünschten Vergleich nicht zu widerrufen, um keine Vergütung an die Klägerin zahlen zu müssen. Es überzeuge nicht, die Problematik auf eine AGBrechtliche Fragestellung zu verengen und die Anwendung des RDG deshalb abzulehnen. § 4 RDG bezwecke die Verhaltenssteuerung des Rechtsdienstleisters bei seiner Rechtsdienstleistung, die er frei von Interessenkollisionen erbringen solle. Das AGB-Recht hingegen sei auf ein Mindestmaß an materieller Vertragsgerechtigkeit gerichtet. Die Schutzrichtung und Wirkungsweise der Regelungen seien damit verschieden. Die Klägerin und die einzelnen Auftraggeber hätten unterschiedliche Interessen. Das Interesse der Auftraggeber sei den erlittenen Schaden möglichst maximal zu liquidieren. Der Klägerin hingegen komme es auf den Einzelfall nicht an. Für sie könne eine vorzeitige Beendigung des Prozesses durch einen Vergleich bei einer Gesamtbetrachtung der vorzugswürdige Weg sein. Auch das Erfolgshonorar führe aus den dargelegten Gründen nicht zu einem Interessengleichlauf. Eine Parallele zur Rechtsbeziehung eines Rechtsanwalts zu seinem Mandanten gebe es nicht. Ein Rechtsanwalt sei seinem einzelnen Mandanten in dessen Einzelfall ausschließlich zu dessen Interessenvertretung verpflichtet. Für die Klägerin, mit ihrer auf Masse angelegten und rechtlich von Anfang an zweifelhaften Tätigkeit, spiele der Einzelfall jedoch praktisch keine Rolle. Den aus dem Geschäftsmodell der Klägerin resultierenden Gefahren könne nicht mit Schadensersatzansprüchen begegnet werden. Die Vertragsregelungen der Klägerin zu einem etwaigen Vergleichsschluss seien für ihre Auftraggeber nachteilig und undurchsichtig. Sie würden durch die rechtswidrige Vertragsregelung von einem Widerruf Abstand nehmen. Auch sei den Auftraggebern nicht bekannt, welche Sorgfaltspflichten die Klägerin konkret erfüllen müsse. Die Klägerin wolle mit der Struktur ihres Geschäftsmodells sicherstellen, dass der jeweilige Geschäftsbesorgungsvertrag mit den Auftraggebern nur nach einer Zahlung an sie beendet werden könne. Der vom Landgericht herausgearbeitete Interessenkonflikt habe im maßgeblichen Zeitpunkt der Forderungsabtretungen bereits vorgelegen. Ausreichend sei bereits die abstrakte Gefährdung. Das Geschäftsmodell der Klägerin sei wegen der praktischen Undurchführbarkeit der Sammelklage nicht auf ein gemeinsames Durchprozessieren der Ansprüche angelegt, weshalb die Regelungen zur vorzeitigen Beendigung entscheidende Bedeutung hätten. Der Klägerin und ihrem Prozessfinanzierer gehe es um eine hohe Eigenkapitalrendite, die auch ohne einen möglichst maximalen Schadensausgleich für die Auftraggeber kosten- und risikovermeidend erzielt werden könne. Ein Verstoß gegen § 4 RDG scheide nicht deshalb aus, weil den Auftraggebern bei vertragswidrigem Verhalten Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin zustehen. Dadurch würden Gefährdungen der Rechtsdienstleistung nicht ausgeschlossen.
Das Urteil sei aber auch aus anderen Gründen richtig. Das Geschäftsmodell der Klägerin sei vom RDG nicht legitimiert, weil es von vornherein auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet sei, die gegenüber den Auftraggebern beworben worden sei. Hieraus folge ein Verstoß gegen § 3 RDG, weil die Rechtsdienstleistung der Klägerin im gerichtlichen Bereich nicht gestattet sei. Daran ändere auch die Einbindung von Rechtsanwälten nichts. Das RDG sei auf das klassische Inkasso ausgerichtet und der Inkassobegriff dürfe nicht über Gebühr ausgedehnt werden.
Die Klägerin könne die Interessen der einzelnen Auftraggeber nicht optimal wahrnehmen, weil die Ansprüche jeweils individuelle Besonderheiten aufwiesen und heterogen, sowohl hinsichtlich des zugrunde liegenden Sachverhalts als auch der Erfolgsaussichten, seien. Aus ihrem Verhältnis zu den einzelnen Auftraggebern ergebe sich jeweils die Gefahr einer wechselseitigen Beeinflussung und Interessengefährdung i.S.v. § 4 RDG. Bei einem Vergleich würden einzelne Auftraggeber mit geringeren Erfolgsaussichten wirtschaftlich profitieren zulasten anderer Auftraggeber, deren Ansprüche bessere Erfolgsaussichten haben. Das Geschäftsmodell der Klägerin sei auch im Hinblick auf die Nutzungsentschädigung problematisch, weil der mit Zeitablauf steigende Nutzungsersatz sich zu Lasten der einzelnen Auftraggeber auswirke, die in alternativen Einzelverfahren schneller eine Entscheidung und Entschädigung hätten erhalten können. Die vorliegende Sammelklage sei praktisch undurchführbar. Eine weitere unzulässige Interessenkollision ergebe sich aus der Zusammenarbeit der Klägerin mit einem externen, gewerblichen Prozessfinanzierer. Die Pflichten der Klägerin gegenüber ihrem Prozessfinanzierer führten zu einer Gefährdung der Rechtsdienstleistung für ihre Auftraggeber. Die Klägerin müsse nämlich von Anfang an berücksichtigen, in welchem Umfang der Prozessfinanzierer bereit sei, finanzielle Mittel für den Prozess und ihre strukturellen Kosten zur Verfügung zu stellen. Da der Prozessfinanzierer nahezu sämtliche Kosten der Klägerin trage, sei seine faktische Einflussnahmemöglichkeit auf den Prozess, insbesondere auf einen etwaigen Vergleichsschluss und die Rechtsmitteleinlegung sehr hoch. Wegen der Entscheidungsfreiheit, ob die weitere Finanzierung von Rechtsmitteln erfolgt, bestehe ein faktisches Vetorecht. Ein Vergleichsschluss könne für den Prozessfinanzierer bereits bei einer niedrigen Summe rentabel sein. Die Nichtigkeitsfolge sei vom Landgericht rechtsfehlerfrei und zutreffend angenommen worden. Hierdurch werde auch nicht die Gefahr begründet, dass der Vertrauenstatbestand der Registrierung entwertet werde. Der Vertrauensschutz diene vorrangig den Rechtssuchenden insgesamt sowie dem Schutz des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen und nicht dem einzelnen Rechtssuchenden. Die Auftraggeber würden nicht das Risiko der Nichtigkeit aufgebürdet bekommen, weil den Auftraggebern, sollten sie Schäden erleiden, ein Anspruch gegen den Berufshaftpflichtversicherer der Klägerin zustehen würde. Eine Teilnichtigkeit, Umdeutung oder geltungserhaltende Reduktion komme nicht in Betracht. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 29.01.2021, Bl. 2324 ff. d.A., Bezug genommen.
Auch nach den Vorgaben des A.B.-Urteils des BGH vom 13.07.2021, Az. II ZR 84/20, sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert, weil sie abhängig sei von einem gewerblichen Prozessfinanzierer, sie heterogene Ansprüche gebündelt und keine Vorab-Gruppierung stattgefunden habe und weil eine Interessenkollision zwischen der Klägerin und den jeweiligen Auftraggebern vorliege. Der BGH habe nicht über das hier streitgegenständliche Geschäftsmodell entschieden und nicht ausnahmslos jedes „Sammel-Inkasso“ für zulässig erklärt. Anders als im A.B.-Urteil könne hier nicht davon ausgegangen werden, dass die Anspruchsinhaber ihre Ansprüche ansonsten aufgrund eines „rationalen Desinteresses“ nicht geltend gemacht hätten. Angesichts zigtausender Einzelklagen im Zusammenhang mit der Dieselthematik könne davon keine Rede sein. Entgegen der Vorstellung des II. Zivilsenats habe die Einbindung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die gerichtliche Geltendmachung unbegründeter Ansprüche nicht verhindern können, ca. 60 Prozent der geltend gemachten Ansprüche sei mängelbehaftet. Eine sorgfältige Sachverhaltsaufbereitung habe nicht stattgefunden. Die Ansprüche seien heterogen, weil sie sich durch Zeitablauf auseinander entwickeln würden, eine Einteilung nach Gleichartigkeitskriterien sei von Anfang an nicht möglich gewesen. Eine bestmögliche Forderungsdurchsetzung sei schon angesichts der Masse nicht möglich. Hinzu komme ein Verstoß gegen § 78 ZPO, weil die dem Rechtsanwalt zugedachten Prüf- und Kontrollpflichten nicht stattgefunden hätten. Das Abstellen allein auf die Unterschrift des Rechtsanwalts unter einen Schriftsatz greife zu kurz. Die Defizite des unterbreiteten Prozessstoffes gingen deutlich über das hinaus, was in einer Einzelklage an Versäumnissen empirisch zu beobachten und hinzunehmen sei. Auch zum Schutz der Gerichte dürfe das Geschäftsmodell der Klägerin nicht gebilligt werden. Abgesehen von den Unterschieden in der Sachverhaltsgestaltung sei das A.B.-Urteil im Kern unrichtig und stelle insgesamt eine unzulässige Rechtsfortbildung dar. Die vorwiegend gerichtliche Forderungsdurchsetzung durch außergerichtliche Rechtsdienstleister breche mit der Systematik des Rechtsdienstleistungsrechts. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 18.08.2021, Bl. 2488 ff. d.A., sowie vom 11.11.2021, Bl. 2435 ff. d.A., Bezug genommen.
Eine Haftung der Beklagten zu 1) sei nicht gegeben, weil diese den Motor EA 189 nicht entwickelt habe und die Repräsentanten der Beklagten zu 1) keine nähere Kenntnis von der darin enthaltenen Motorsteuerungssoftware gehabt hätten. Technische Details der streitgegenständlichen Software seien im Produkt-Strategie-Komitee nicht erörtert worden. Dies könnten die Zeugen Dr. Sch. und C. bezeugen. Eine Kenntnis aufgrund der Verbundenheit der Beklagten im Konzern sowie personeller Verflechtungen zwischen den Konzerngesellschaften komme nicht in Betracht. Auch aus der Entwicklung von V-TDI Motoren durch die Beklagte zu 1) könne nicht auf die Kenntnis von der durch die Beklagte zu 2) weiterentwickelten, konkreten Software für den EA 189 Motor geschlossen werden. Beide Motorentypen unterschieden sich erheblich. Dass ein Spannungsverhältnis zwischen geringen CO₂- und NOx-Emissionen bestehen mag, könne keine Kenntnis konkreter Personen von der konkret in den streitgegenständlichen Fahrzeugen verbauten Umschaltlogik begründen. Im Einzelnen wird hierzu auf den Schriftsatz der Beklagten vom 12.04.2022, dort Seiten 102 ff., Bl. 2863 ff. d.A., Bezug genommen.
Hinsichtlich der zehn abgetrennten Einzelansprüche bestreiten die Beklagten jeweils sowohl die Abtretungs- als auch die Erwerbssachverhalte mit Nichtwissen.
Beim Zedenten R. (Pkw Nr. 1) sei nicht ersichtlich, dass der Kunde den Kaufpreis tatsächlich gezahlt habe und damit ein Schaden entstanden sei. Auch fehlten hinreichende Nachweise zum Anfall der behaupteten Darlehenskosten, die im Übrigen nur dann ersatzfähig seien, wenn kein alternativer Fahrzeugerwerb festgestellt werden könnte. Versicherungsprämien seien nicht ersatzfähig. Bestritten wird ferner die Weiterveräußerung zu dem genannten Preis. Im Übrigen müsse der Frontschaden am Fahrzeug anspruchsmindernd berücksichtigt werden. Schließlich sei der Schaden hier durch die Gesamtlaufleistung von 314.000 km vollständig kompensiert.
Hinsichtlich des Pkws Nr. 5 bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen, dass der Zedent A. G. das Fahrzeug zu den genannten Bedingungen erworben habe. Sie bestreiten auch, dass der Kunde seine sich aus dem Fahrzeugkauf und dem Abschluss des Darlehensvertrages ergebenden Ansprüche gegen die Beklagten mit Abtretungsvertrag vom 23.02.2017 an die Klägerin abgetreten habe und dass er das Fahrzeug weiterverkauft habe. Mangels Vorlage eines hinreichenden Zahlungsnachweises sei ein Schadenseintritt nicht belegt. Auch fehle es an Nachweisen zur Darlehensrückführung und letztlich den angefallenen Darlehenskosten. Darüber hinaus müsse sich die Klägerin Darlehenskosten anrechnen lassen, die bei ihrem Kunden auch bei einem alternativen Fahrzeugerwerb angefallen wären. Kosten für eine Zusatzgarantie seien nicht ersatzfähig. Gleiches gelte für einen zusätzlichen Reifensatz. In der Kaufsumme seien Kosten für gewöhnliche Unterhaltungsmaßnahmen enthalten, die nicht angesetzt werden könnten. Zudem seien Schäden am Fahrzeug anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
Zum Pkw mit der Nr. 6 bestreiten die Beklagten – wie in allen anderen Fällen – den Erwerbs- und Weiterveräußerungsvorgang sowie die Abtretung der Ansprüche an die Klägerin. Die Wirksamkeit der Weiterveräußerung sei wegen der vereinbarten aufschiebenden Bedingung nicht ersichtlich. Auch sei die Weiterveräußerung unter Wert erfolgt. Eine DAT-Abfrage bestätige den auffällig niedrigen Veräußerungserlös von nur 3.500,00 Euro. Der vorgelegte Darlehensantrag belege keine Finanzierung, die Zinsforderung sei unschlüssig.
Beim Pkw mit der Nr. 7 bestreiten die Beklagten neben dem Erwerbsvorgang, dass der Zedent den Kaufpreis durch ein Darlehen der T.bank finanziert habe und hierfür die geltend gemachten Darlehenszinsen entstanden seien. Ferner bestreiten sie den Abtretungsvertrag mit der Klägerin. Kosten für eine vereinbarte Zusatzgarantie seien nicht ersatzfähig und Schäden am Fahrzeug anspruchsmindernd zu berücksichtigen.
In Bezug auf den Vorgang mit der Pkw-Nr. 9 bestreiten die Beklagten den Erwerbsvorgang mit Nichtwissen und ebenso die Abtretungsvereinbarung mit der Klägerin. Die Weiterveräußerung des Fahrzeugs sei mangels eines hinreichenden Veräußerungsdokuments nicht belegt. Der Zustand des Fahrzeugs zu diesem Zeitpunkt werde nicht vorgetragen, so dass möglicherweise Schäden am Fahrzeug zu Lasten der Klägerin zu berücksichtigen seien.
Auch zu Pkw-Nr. 11 bestreiten die Beklagten mit Nichtwissen, dass der Zedent das streitgegenständliche Fahrzeug zu den genannten Bedingungen erworben und der Kaufpreis durch ein Darlehen finanziert worden sei. Ferner wird die Abtretungsvereinbarung mit der Klägerin ebenfalls mit Nichtwissen bestritten.
Die gleichen Einwände erheben die Beklagten auch zu dem Pkw mit der Nr. 12. Kosten für eine Zusatzgarantie seien hier nicht ersatzfähig, weil sich die aufgewendeten Garantiekosten schon voll amortisiert hätten.
Die Beklagten vertreten ferner die Auffassung, dass die Kunden der Klägerin das jeweilige streitgegenständliche Fahrzeug auch bei entsprechender Kenntnis der verbauten Software erworben hätten.
Hinsichtlich der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Schriftsatz der Beklagten vom 12.04.2022, Bl. 2762 ff. d.A., Bezug genommen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat über den Ausgangsrechtsstreit, Az. 21 U 5563/20, am 15.11.2021 mündlich verhandelt. Im Einverständnis der Parteien wurde die Verhandlung gemäß § 146 ZPO vorerst auf die Frage der Aktivlegitimation der Klagepartei beschränkt.
Mit Beschluss vom 03.12.2021 wurde das Verfahren hinsichtlich der ersten 10 im Berufungsverfahren gestellten Anträge betreffend der Einzelansprüche von Zedenten gegen die Beklagten abgetrennt, was den Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet. Über diese Einzelansprüche hat der Senat am 09.05.2022 verhandelt und im Rahmen einer Beweisaufnahme die jeweiligen Zedenten als Zeugen vernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Die Parteien hatten schriftlich die Gelegenheit zum Beweisergebnis Stellung zu nehmen, wovon beide Parteien Gebrauch gemacht haben, vgl. Schriftsatz der Klagepartei vom 10.06.2022, Bl. 3019 ff. d.A., und Schriftsatz der Beklagten vom 13.06.2022, Bl. 3029 ff. d.A.
II.
Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 07.08.2020 hat in der Sache teilweise Erfolg.
1. Das Urteil des Landgerichts ist formal ordnungsgemäß ergangen. Zwar hat das Erstgericht die Verhandlung ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung erster Instanz auf die Frage des Vorliegens der Aktivlegitimation der Klägerin gemäß § 146 ZPO beschränkt und letztlich ohne Aufhebung der Beschränkung ein Endurteil erlassen. Dies war aber möglich, weil nach Auffassung des Landgerichts der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif war, vgl. Thomas, Putzo, ZPO, Auflage 43, Rn. 5 zu § 146 ZPO.
2. Die Klage und auch die Berufung wurden durch die Prozessbevollmächtigten der Klägerin wirksam erhoben. Selbst wenn ein Verstoß gegen die nach § 78 ZPO dem Rechtsanwalt obliegenden Pflichten vorliegen sollte, so führt dies nicht zur Unzulässigkeit der Prozesshandlung, sondern allenfalls zu Schadensersatzansprüchen gegen den Rechtsanwalt. Die von den Beklagten zitierten Entscheidungen des BGH vom 11.02.2021, Az. V ZR 137/20, vom 26.01.20201, Az. VI ZR 354/19 Rn. 3 und vom 14.03.2017, Az. VI ZB 34/16, betreffen andere Sachverhaltskonstellationen. Im Beschluss vom 11.02.2021, Az. V ZR 137/20 hat der Bundesgerichtshof seine höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigt, dass die Unterzeichnung der Berufungsbegründung durch einen postulationsfähigen Rechtsanwalt nicht nur eine bloße Formalität darstellt, sondern zugleich äußerer Ausdruck für die von dem Gesetz geforderte eigenverantwortliche Prüfung des Inhalts der Begründungsschrift durch den Anwalt ist, vgl. auch BGH, NJW 2005, 2709 m.w.N. Die Berufungsbegründung und auch die Klage müssen das Ergebnis der geistigen Arbeit des Anwalts sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit begnügt sich das Gesetz jedoch hinsichtlich dieser Anforderungen mit dem äußeren Merkmal der Unterschrift und fordert keinen darüber hinausgehenden Nachweis, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes tragen will. Für ein Gericht besteht daher kein Anlass, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung oder einer Klage darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat. Ausnahmen werden nur für zwei Fallgruppen anerkannt, die hier beide nicht vorliegen. Weder hat sich der Anwalt durch einen Zusatz von dem unterschriebenen Schriftsatz distanziert, noch steht außer Zweifel, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz ohne eigene Prüfung, also unbesehen, unterschrieben hat. Die von den Beklagten diesbezüglich vorgetragenen Mängel und Unstimmigkeiten bei der Aufarbeitung des Prozessstoffes reichen dafür nicht aus. Auch bei Einzelklagen treten gerade in diesen Massenverfahren Fehler im Sachvortrag auf, die dann zwar unter Umständen zur Unschlüssigkeit des Klagevortrags und ggf. zur Klageabweisung führen, nicht aber dazu, dass die Klage unzulässig wäre. Die Qualität der Klageschrift, die von den Beklagten massiv bemängelt wird, hat aus den oben dargelegten Gründen somit keinen Einfluss auf die Zulässigkeit der Prozesshandlungen. Es werden hier von den Beklagten keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der die Klageschrift unterzeichnende Rechtsanwalt nicht die volle Verantwortung für die Klageschrift übernehmen wollte. Solche Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich.
3. Die Klägerin ist für die vorliegende Sammel-Inkassoklage, über die der Senat hier nur zum Teil entscheidet, aktivlegitimiert. Alle vom Senat vernommenen Zeugen haben in Bezug auf die hier streitgegenständlichen Einzelfälle bestätigt, dass sie ihre jeweiligen Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb des Fahrzeugs, einschließlich etwaiger Ansprüche aus abgeschlossenen Darlehensverträgen, an die Klägerin abgetreten haben. Den Zeugen wurden jeweils die von der Klägerin als Anlagen eingereichten Abtretungsvereinbarungen vorgelegt und alle Zeugen bestätigten ihre Unterschriften. Die Aussagen der Zeugen hält der Senat für glaubhaft und die Zeugen für glaubwürdig. Anhaltspunkte für unwahre Angaben haben sich nicht ergeben. Verstöße gegen §§ 3 oder 4 des RDG liegen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht vor. Die Forderungsabtretungen und die zugrunde liegenden Geschäftsbesorgungsverträge sind damit auch nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen gemäß § 134 BGB i.V.m. §§ 3, 4 RDG nichtig.
a) Die Voraussetzungen einer Nichtigkeit nach § 134 BGB i.V.m. § 3 RDG sind nicht gegeben.
(1) Das als Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts vom 12.12.2007 verabschiedete und am 01.07.2008 in Kraft getretene Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen dient dazu, die Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Deshalb ist nach § 3 RDG die Rechtsdienstleistung nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetzes erlaubt wird. Hält sich die Rechtsdienstleistung, namentlich die Forderungseinziehung nicht im Rahmen des Erlaubnistatbestands, ist sie gemäß § 3 RDG nicht zulässig und unterfallen die mit ihr im Zusammenhang stehenden Rechtsgeschäfte damit grundsätzlich der Nichtigkeit nach § 134 BGB, vgl. Lexfox-Urteil des BGH vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18 Rn. 76.
(2) Allein die Tatsache, dass die Klägerin unstreitig ein registrierter Rechtsdienstleister ist, führt nicht dazu, dass ein Verstoß gegen das RDG und die Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB grundsätzlich ausgeschlossen wäre, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 83. Andererseits bedeutet aber nicht jede – auch geringfügige – Überschreitung der Inkassodienstleistungsbefugnis stets die Nichtigkeit der auf die Verletzung des RDG gerichteten Rechtsgeschäfte nach § 134 BGB. Es ist vielmehr eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände aus der objektivierten Sicht eines verständigen Auftraggebers unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des RDG vorzunehmen, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 91. Allgemeingültige Maßstäbe lassen sich hier nicht aufstellen, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 109. Zu berücksichtigen sind neben den Zielsetzungen des RDG auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes, namentlich die Berufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters nach Art. 12 Abs. 1 GG, die zugunsten der Kunden der Klägerin zu berücksichtigende Eigentumsgarantie, Art. 14 Abs. 1 GG, sowie der Grundsatz des Vertrauensschutzes, wobei auch die Veränderungen der Lebenswirklichkeit in den Blick zu nehmen sind und ihnen Rechnung zu tragen ist, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 110, 133. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Inkassoerlaubnis Außenwirkung hat und sich der Rechtsverkehr damit grundsätzlich darauf verlassen kann, dass solche Unternehmen, die wie die Klägerin registriert sind, Forderungen in eigenem oder in fremden Namen einziehen können, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 127.
(3) Unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts mit Beschluss vom 20.02.2002, NJW 2002, 1190, kommen sowohl der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs im Lexfox-Urteil als auch der II. Senat des Bundesgerichtshofs im sog. A.B.-Urteil, Az. II ZR 84/20, zu dem Ergebnis, dass der Inkassobegriff weit auszulegen ist und jede Einschränkung des Begriffs einen Eingriff in den Schutzbereich der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährten Berufsausübungsfreiheit des Inkassounternehmens darstellt, vgl. A.B.-Urteil Rn. 23, LexFox-Urteil, Rn. 111 ff. Hinsichtlich weiterer Entscheidungen wird auf Ziffer III. dieses Urteils Bezug genommen.
(4) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Inkassodienstleistung nicht nur auf eine vorgerichtliche Tätigkeit oder eine als „Annex“ anzusehende gerichtliche Tätigkeit beschränkt, vielmehr umfasst der Inkassobegriff auch Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen, vgl. A.B.-Urteil Rn. 22. Explizit führt der BGH insoweit weiter aus, dass dies regelmäßig auch dann gilt, wenn das Geschäftsmodell eine Bündelung einer Vielzahl von Einzelforderungen vorsieht. Mit dieser Textpassage beschränkte sich der BGH nicht auf den zur Entscheidung anstehenden Einzelfall, der nur sieben Einzelansprüche umfasste, sondern äußerte sich ganz grundsätzlich zu Sammel-Inkassomodellen, wie den Lkw-Kartellen oder dem Modell der Klägerin, vgl. auch Aufsatz in der NJW 17/2022, S. 1200 „Das Sammelinkasso im Lichte der BGH-Rechtsprechung und der RDG Reform“ der Rechtsanwälte Dr. A. P. und Dr. C. U. Dem Wortlaut der §§ 1 Abs. 1 S.1, 3, 2 Abs. 2 S. 1 RDG lässt sich keine dahingehende Einschränkung entnehmen, dass Geschäftsmodelle, die von vornherein auf eine gerichtliche Forderungsdurchsetzung abzielen, nicht dem Inkassobegriff unterfallen. Vielmehr setzt § 79 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 4 ZPO die rechtliche Zulässigkeit der gerichtlichen Geltendmachung voraus. Eine entsprechende Differenzierung wäre auch nicht sachgerecht, weil die Notwendigkeit der gerichtlichen Durchsetzung vom Verhalten des Schuldners abhinge. Die Zahlungsmoral des Schuldners würde geschwächt anstatt gestärkt werden, wenn er durch die kontinuierliche Verweigerung außergerichtlicher Einigungsversuche dem Zessionar die Rechtsdienstleistungsbefugnis entziehen könnte.
(5) Die Zahl der Abtretungen und damit der geltend gemachten Forderungen lag im vorliegenden Fall bei anfangs ca. 3.000 Forderungen und zuletzt bei noch ca. 2.500 Forderungen und damit weit höher als in der Entscheidung des BGH zum Inkassodienstleister A.D. Allein die Menge der einzelnen zu einer Sammelklage zusammengefassten Ansprüche kann jedoch kein Kriterium zur Beurteilung sein, ob eine Inkassodienstleistung erlaubt ist oder nicht. § 260 ZPO regelt keine Obergrenze. Zudem dürfte schwer zu entscheiden sein, ab welcher Zahl von einer nicht mehr erlaubten Inkassotätigkeit auszugehen ist. Hinzu kommt, dass die Zedenten, die sich beteiligen, nicht wissen, wie viele andere Verbraucher sich vor ihnen bereits beteiligt haben und auch nicht wissen, ob nun die Grenze schon erreicht ist oder nicht. Ein sog. „Windhundrennen“ der Verbraucher kommt nicht in Betracht.
(6) Der BGH führte weiter aus, dass der Normzweck des RDG, den Rechtssuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Dienstleistungen zu schützen, durch die Registrierung und die Einschaltung eines Rechtsanwalts bei der gerichtlichen Durchsetzung gewahrt werde, vgl. A.B.-Urteil Rn. 25 ff.
Den auch hier von den Beklagten vorgebrachten Einwand, dass durch die Bündelung der Ansprüche der Blick auf die Besonderheiten des Einzelfalls verloren gehen könnte, ließ der BGH nicht durchgreifen, A.B.-Urteil Rn. 29. Jedenfalls dann nicht, wenn der Rechtssuchende ohne die Zuhilfenahme der hier streitigen Geschäftsmodelle aus rationalem Desinteresse von einer Rechtsverfolgung Abstand nehmen würde, vgl. BVerfG NJW 2002, 1190 f. Letzteres ist auch hier gegeben. Nach dem im Internet frei verfügbaren und damit offenkundigen Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen, S. 4, waren insgesamt 2,5 Mio. Fahrzeuge des VW-Konzerns in Deutschland und 8,5 Mio. Fahrzeuge EUweit von der Abgasmanipulation betroffen. Bis Oktober 2019 hatten aber „lediglich“ 206.000 Käufer unter Zuhilfenahme ihrer Rechtsschutzversicherung individuell Ansprüche gegen die Beklagten geltend gemacht, mehr als 45.000 Verfahren wurden mittels des Klagevehikels einer prozessfinanzierten Inkassozession anhängig gemacht, vgl. Aufsatz von H., Sch. „Ein Vorabentscheidungsverfahren beim BGH“, NJW 2021, 3023, Rn. 5. Der Senat kann aus eigener Gerichtserfahrung bestätigen, dass hinter den Einzelklagen in der Regel Rechtsschutzversicherungen stehen und Einzelklagen von Verbrauchern ohne eine solche Versicherung selten sind. Deshalb ist auch hier davon auszugehen, dass betroffene Verbraucher ohne finanzielle Unterstützung durch eine Versicherung ihre Ansprüche nicht geltend gemacht hätten.
(7) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist vorliegend weiter nicht davon auszugehen, dass die gesammelt geltend gemachten Ansprüche so heterogen sind, dass eine gemeinsame Geltendmachung inakzeptabel wäre oder dies gar zu einer Nichtigkeit der Abtretungen oder der Verneinung der Aktivlegitimation der Klägerin führen würde. Es sind zwar nach heutigem Stand der Rechtsprechung in jedem Einzelfall Entscheidungen zu treffen, ob die Abtretung an die Klägerin formell in Ordnung ist, der Zedent auch Anspruchsinhaber ist, ob eine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegt, ob das Fahrzeug inzwischen verkauft worden ist, ob es in der Zwischenzeit Schäden erlitten hat, die gegebenenfalls durch Versicherungsleistungen kompensiert worden sind, ob ein Leasingvertrag vorliegt, wie viel Kilometer mit dem Fahrzeug gefahren wurden und anderes. Zugrunde liegt allen Fallgestaltungen aber ein gemeinsamer Grundsachverhalt, nämlich der Erwerb eines von der Beklagten zu 1) hergestellten Fahrzeugs, in dem sich ein von der Beklagten zu 2) entwickelter und hergestellter Motor vom Typ EA 189 befindet, der eine Steuerungssoftware enthielt, die erkennt, ob sich das Fahrzeug in einem Prüfzyklus zur Ermittlung der Emissionswerte befindet und in diesem Fall den Ausstoß an Stickoxiden verringerte während dies im normalen Straßenbetrieb nicht der Fall war. Alle Zedenten hatten ihre Fahrzeuge auch zu einem Zeitpunkt erworben als die Dieselthematik noch nicht in der Öffentlichkeit und den Medien bekannt geworden war. Später entschied der Bundesgerichtshof in der grundlegenden Entscheidung vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, dass die sog. Umschaltlogik als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz a der VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist und die Beklagte zu 2) das KBA getäuscht sowie letztlich die Verbraucher durch die Implementierung dieser Software sittenwidrig geschädigt hat. Mit den Urteilen des Bundesgerichtshofs vom 25.11.2021, Az. VII ZR 238/20, 243/20, 257/20 und 38/21, steht inzwischen bei entsprechendem Parteivortrag weiter fest, dass auch die Beklagte zu 1) den Fahrzeugerwerbern deliktisch nach § 826 BGB haftet. Als die Klägerin ihr Modell im Jahr 2008 auf dem Markt etabliert hat, war zudem nicht absehbar, dass die Rechtsprechung neben der Frage, ob das Merkmal der Sittenwidrigkeit bejaht und dem Fahrzeug-/Motorhersteller ein vorsätzliches Verhalten vorgeworfen werden kann, besondere Fallkonstellationen herausbilden würde, wie z.B. Leasingverträge, die gesondert zu beurteilen sind. Aus heutiger Sicht mag eine andere „Feinbündelung“ der Ansprüche sinnvoll sein, aus damaliger Sicht muss der Klägerin aber zugestanden werden, dass jedenfalls ein gleich gelagerter Grundsachverhalt vorlag.
(8) Wie das A.B.-Urteil zeigt, können zudem auch schwierigere Rechts- und Tatsachenfragen mit einem Sammelinkasso geltend gemacht werden. Eine Beschränkung der Geltendmachung von Ansprüche auf einfach gelagerte Sachverhalte, wie die Durchsetzung von Fluggastrechten, erfolgt durch die Rechtsprechung des BGH ebenfalls nicht. Im A.B.-Urteil stellte sich nämlich die Frage, ob die Fluggesellschaft insolvent war und ein Insolvenzantrag schuldhaft verspätet gestellt worden ist. Dies sind durchaus komplexe und schwierige Rechts- und Tatsachenfragen, die unter Umständen nur mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens geklärt werden können. Dass ein Verschulden der Fluggesellschaft schon anderweitig festgestellt worden wäre (z.B. in einem Strafverfahren) ist den Ausgangsentscheidungen, LG Berlin, Urteil vom 30.07.2019, Az. 26 O 355/18, und Kammergericht Berlin, Urteil vom 03.04.2020, Az. 14 U 156/19, und auch der BGH-Entscheidung nicht zu entnehmen.
(9) Dass die Klage wegen der hohen Anzahl der Zedenten und der angeblichen Diversität der zugrunde liegenden Lebenssachverhalte nicht justiziabel ist, teilt der Senat nicht. Die vorliegende Sammelklage kann zwar bei einer Durchentscheidung im Ganzen – ohne die hier vorgenommene Abtrennung einzelner Fälle – nicht mehr sinnvoll in angemessener Zeit erledigt werden. Der Bundesgerichtshof hat diesbezüglich aber bereits im A.B.-Urteil ausgeführt, dass die insgesamt höheren Verfahrenszahlen bei den Zivilgerichten keinen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG rechtfertigen. Sie betreffen § 260 ZPO und sind mit den zur Verfügung stehenden zivilprozessualen Mitteln, etwa § 145 ZPO, zu bewältigen, vgl. Rn. 33 a.E. Schließlich lehnt auch der BGH einen Schutz der Gerichte ab, vgl. A.B.-Urteil Rn. 32. Dieser sei durch die zwingende Beteiligung eines Rechtsanwalts sichergestellt.
(10) Schließlich liegt keine Umgehung von anwaltlichen Berufspflichten vor, weil eine analoge Anwendung der BRAO-Vorschriften ausscheidet. Der Bundesgerichtshof hat ferner im A.B.-Urteil ausgeführt, dass keine strukturellen Wettbewerbsnachteile der Anwaltschaft bestehen, weil die Rechtsanwaltschaft als Ganzes nicht betroffen ist, A.B.-Urteil, Rn. 41.
b) Ein Verstoß gegen § 4 RDG direkt oder analog ist ebenfalls zu verneinen.
(1) Eine andere Leistungspflicht, deren Erfüllung zu einem strukturellen Interessenskonflikt bei der Klägerin führen würde, ist vorliegend nicht ersichtlich.
Nach § 4 RDG dürfen Rechtsdienstleistungen, die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer anderen Leistungspflicht haben können, nicht erbracht werden, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringung der Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Voraussetzung ist, dass durch die Ausführung einer rechtsbesorgenden Tätigkeit eine eigene Leistungspflicht der Klägerin inhaltlich beeinflusst werden könnte, vgl. Lexfox-Urteil Rn. 191. Das ist nicht bei jeder Form einer möglicherweise bestehenden Interessenkollision gegeben, sondern nur dann, wenn die Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der bereits begründeten Hauptleistungspflicht des Leistenden haben kann, wobei gerade hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistung gefährdet sein muss, Lexfox-Urteil Rn. 195.
(2) Eine andere Leistungspflicht im Sinne des § 4 RDG wird zwar dadurch begründet, dass die Klägerin ihren einzelnen Auftraggebern jeweils zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forderungen verpflichtet ist. Die von der Klägerin zu erbringende Rechtsdienstleistung ist indes nicht mit diesen anderen Leistungspflichten unvereinbar, vgl. A.B.-Urteil Rn. 49. Es ist nach der konkreten Ausgestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Kunden nicht feststellbar, dass die von der Klägerin zu erbringende Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der gegenüber den übrigen Kunden zu erbringenden Leistungspflichten dergestalt ausüben kann, dass hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet wäre. Es liegen vielmehr grundsätzlich gleichlaufende wirtschaftliche Interessen vor, weil sowohl die Klägerin als auch die einzelnen Anspruchsinhaber ein Interesse an der Verurteilung der Beklagten bzw. einem möglichst hohen Vergleichsabschluss haben. Nur dann erzielt die Klägerin ein entsprechend hohes Erfolgshonorar und werden die Zedenten angemessen befriedigt. Soweit die gebündelte Durchsetzung der Forderungen möglicherweise unter Berücksichtigung der Interessen der anderen Kunden zu einer nur anteiligen Befriedigung führt, folgt daraus kein im Rahmen des § 4 RDG bedeutsamer Interessenkonflikt auf Seiten der Klägerin. Prinzipiell sind nicht nur die Interessen des einzelnen Kunden und der Klägerin, sondern auch aller Kunden untereinander gleichgerichtet, nämlich darauf, eine möglichst hohe Befriedigung aller Forderungen zu erhalten. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass der einzelne Kunde durch z.B. einen Vergleichsschluss, der mehrere an die Klägerin abgetretene Forderungen umfasst, möglicherweise das Risiko übernimmt, dass der auf ihn entfallende Anteil der Vergleichssumme deshalb geringer ausfällt, weil die Klägerin Forderungen mit geringerer Durchsetzungsaussicht gebündelt geltend gemacht hat. Diesem Risiko stehen jedoch erhebliche Vorteile einer gebündelten Geltendmachung im Vergleich zu einer jeweils individuellen Anspruchsdurchsetzung gegenüber, etwa die Nutzbarmachung der Gebührendegression bzw. -deckelung, die Streuung des Kostenrisikos einer etwaigen vorausgegangenen Beweisaufnahme und eine erhebliche Stärkung der Verhandlungsposition gerade im Hinblick auf einen Vergleichsschluss, vgl. A.B.-Urteil Rn. 55. Soweit die Beklagten darauf verweisen, dass sich der mit Zeitablauf steigende Nutzungsersatz zu Lasten der einzelnen Auftraggeber auswirke und die Zedenten in alternativen Einzelverfahren schneller eine Entscheidung und Entschädigung erhalten hätten, kann hieraus nicht der Schluss einer Interessenskollision gezogen werden. Im Übrigen war zu Beginn der Welle an Klagen überhaupt nicht klar, ob es zu einem Abzug einer Nutzungsentschädigung kommen würde und weiter konnte jeder Zedent frei entscheiden, ob er seine Ansprüche individuell mit den entsprechenden Kostenrisiken oder gebündelt über ein Inkasso geltend machen möchte.
Zwar wird dem Zedenten nach Ziffer 6.1. der AGB der Klägerin, Anlage B 4, zunächst die Entscheidungsfreiheit beim Vergleichsabschluss genommen, weil dem Inkassodienstleister eine Vollmacht zum Abschluss eines Vergleichs eingeräumt wird und eine Zustimmung des Auftraggebers nicht vorgesehen ist. Der Zedent kann nach der AGB-Regelung lediglich den Vergleichsabschluss nachträglich verhindern, hätte dann aber die Vergütung zu tragen als hätte der Vergleich Bestand. Unabhängig davon, dass diese Regelung nach § 308 Nr. 7 BGB nichtig ist, wird aber durch diese Vereinbarung der prinzipielle Gleichlauf der Interessen zwischen Zedenten, Inkassodienstleister und Prozessfinanzierer nicht aufgehoben, weil alle an einer möglichst vollständigen Forderungsdurchsetzung interessiert sind. Die Unterstellung, der Inkassodienstleister schließe „vorschnell“ einen Vergleich ab, sobald er ein angemessenes „return of investment“ erzielt habe, greift zu kurz. Zudem ist zu bedenken, dass jeder Vergleich auch immer unter Berücksichtigung des beiderseitigen Prozessrisikos zustande kommt. Es darf daher nicht unterstellt werden, dass allein der Vergleichsabschluss zu einem Vermögensschaden auf Seiten des Zedenten führt. Vielmehr kann von einem Vermögensschaden erst dann die Rede sein, wenn der Vergleich das Prozessrisiko unzutreffend abbildet. Insoweit ist dem Inkassodienstleister aber ein gewisser Beurteilungsspielraum zuzubilligen, der hier mit der Formulierung wie in § 347 Abs. 1 HGB mit der gewissenhaften Beurteilung eines sorgfältig handelnden Kaufmanns näher präzisiert wird. Wenn der Inkassodienstleister diesen Rahmen überschreitet, liegt eine Pflichtverletzung des Rechtsverfolgungsvertrags vor, die grundsätzlich zum Schadensersatz verpflichtet, vgl. Air Berlin-Urteil Rn. 64. Für die Annahme eines allgemeinen Tätigkeitsverbots ist indessen kein Raum, vgl. Deckenbrock/Henssler, Rechtsdienstleistungsgesetz, 5. Auflage 2021, § 4, Rn. 28 f, und BGH, NJW-RR 2017, 1459 Rn. 18.
Wie bereits eingangs ausgeführt, kommt hier noch hinzu, dass die von der Klägerin in ihren AGB getroffene Regelung nichtig ist und deshalb objektiv zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht einmal eine Interessensgefährdung bestand. Nach dem maßgeblichen hypothetischen Parteiwillen ist davon auszugehen, dass der Vertrag ohne die Regelung in Ziffer 6.1. geschlossen worden wäre.
Selbst wenn Kunden die AGB-Vorschriften vor Vertragsschluss gelesen und deren Konsequenzen verstanden haben sollten, so hätten sie, wenn sie darin einen wirtschaftlichen Druck zu einem möglichen Vergleichsschluss gesehen hätten, von einer Zession der Ansprüche von vornherein abgesehen. Würden die Kunden von der Regelung erst im Rahmen eines Vergleichsschlusses erfahren, würden sie auch kaum überblicken, ob der Vergleichsschluss vorteilhaft ist oder nicht, vgl. A.B.-Urteil Rn. 64,
(3) Ein Verstoß gegen § 4 RDG lässt sich weiter nicht damit begründen, dass die Klägerin mit ihren AGB ein Erfolgshonorar und zugleich die Freihaltung der Kunden von etwaigen Kosten der Rechtsdurchsetzung vereinbart hat, vgl. A.B.-Urteil Rn. 47. Hier fehlt es bereits an dem Merkmal einer anderen Leistungspflicht. Bei der Kostenfreihaltung handelt es sich nicht um eine eigenständige, von der Pflicht zur Forderungseinziehung abtrennbare Pflicht. Sie ist vielmehr Bestandteil der Inkassodienstleistung der Klägerin, steht aber jedenfalls mit der von der Klägerin betriebenen Forderungseinziehung in einem so engen Zusammenhang, dass sie auch aus Sicht des Kunden, dessen Schutz als Rechtsuchender die Vorschrift dienen soll, nicht als eine andere Leistungspflicht im Sinne des § 4 RDG angesehen werden kann, vgl. A.B.-Urteil Rn. 48.
(4) Aus der Einschaltung eines Prozessfinanzierers folgt kein Verstoß gegen § 4 RDG. Hier ist ebenfalls von einem prinzipiellen Interessengleichlauf auszugehen, denn auch der Prozessfinanzierer ist an einer möglichst umfassenden Durchsetzung der im Raum stehenden Forderungen oder einem guten Vergleich interessiert, weil er über das vereinbarte Erfolgshonorar unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg teilnimmt. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber den Inkassodienstleister bewusst von dem Verbot der Vereinbarung einer Kostenübernahme ausgenommen hat, folgt zugleich, dass er die sich aus einer Kostenübernahme unter Umständen ergebenden Abhängigkeiten zu einem Prozessfinanzierer grundsätzlich nicht als relevant ansieht, vgl. Deckenbrock/Henssler, Rechtsdienstleistungsgesetz, 5. Auflage, § 4, Rn. 28 a ff., ebenso BeckOK Grunewald/Römermann § 4 RDG, Stand 01.04.2022, Rn. 30. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn dem Prozessfinanzierer hier sehr weitgehende Einflussnahmemöglichkeiten, wie etwa Vetorechte, im Hinblick auf Verfahrenshandlungen zugestanden worden wären. Dies ist aber vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin trägt vor, dass B. Capital nur ein passiver Investor sei und lediglich gelegentlich Beratungsgespräche geführt würden. Dem sind die Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten, so dass der Vortrag als zugestanden gilt. So sprechen die Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 11.11.2021, Seite 3, auch nur von einem „faktischen“ Vetorecht. Dass der Prozessfinanzierer über die weitere Finanzierung eines Rechtsmittels entscheiden kann, ist branchenüblich und führt nicht zu einer Interessenskollision. Zur angeblich fehlenden finanziellen Ausstattung des Prozessfinanzierers hat die Klägerin entsprechende Jahresabschlüsse vorgelegt, zu denen die Beklagten keine Stellung mehr genommen haben. Ein Sachvortrag bedarf aber der Ergänzung, wenn er infolge der Einlassung des Gegners unklar wird oder nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt, vgl. BGH, Urteil vom 20.09.2002, Az. V ZR 170/01.
Insgesamt sieht der Senat daher – anders als das Landgericht – weder den direkten noch den analogen Anwendungsbereich des § 4 RDG berührt. Ein schwerwiegender Interessenskonflikt liegt nach Überzeugung des Senats hier nicht vor.
4. Eine Nichtigkeit der Abtretungen nach § 138 BGB scheidet gleichfalls aus. Von einer einseitigen Risikoverlagerung auf die Beklagten in Bezug auf die Kostenerstattung kann angesichts der mit den Jahresabschlüssen belegten finanziellen Ausstattung des hinter der Klägerin stehenden Prozessfinanzierers nicht ausgegangen werden. Zudem fehlt es an der Darlegung einer verwerflichen Gesinnung der Zedenten.
5. Die von den Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch, weil die Verjährung durch Erhebung der vorliegenden Klage wirksam gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gehemmt worden ist.
6. a) Die Haftung der Beklagten zu 2) steht aufgrund der Grundsatzentscheidung des BGH mit Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, außer Frage.
Mitarbeiter der Beklagten zu 2) haben den streitgegenständlichen Motor EA 189 entwickelt und letztlich in großem Umfang in Verkehr gebracht. Der Senat ist dabei auch hier im vorliegenden Verfahren überzeugt davon, dass der damalige Chef der Motorenentwicklung, der als verfassungsmäßig berufener Vertreter i.S.v. § 31 BGB gehandelt hat, von den illegalen Praktiken in Bezug auf die unzulässige Abschalteinrichtung Kenntnis erlangt und diese gebilligt hat, vgl. BGH aaO Rn. 30 ff. Im eigenen Kosten- und Gewinninteresse erfolgte eine bewusste und gewollte Täuschung des KBA und letztlich der Verbraucher, weil die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels der Betrugssoftware nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher und die Gefahr, dass bei einer Aufdeckung des Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren. Dies gilt auch, wenn es sich um den Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs handelt, vgl. BGH aaO, Rn. 16.
b) Der Senat ist aber auch überzeugt, dass die Beklagte zu 1) aufgrund eigenen deliktischen Handelns nach § 826 BGB haftet. Dabei kann zugunsten der Beklagten zu 1) unterstellt werden, dass sie die u.a. in den streitgegenständlichen Fahrzeugen eingesetzten Motoren EA 189 samt Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt hat. Sie handelte durch die ihr zuzurechnenden Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB sittenwidrig nach § 826 BGB, indem sie entschied, Motoren EA 189 in Kenntnis der dazu programmierten Umschaltlogik als Software zur Erschleichung der Typgenehmigung in die von ihr hergestellten Fahrzeuge serienweise einzubauen, um diese anschließend in Verkehr zu bringen. Der Senat ist überzeugt davon, dass mindestens ein Repräsentant der Beklagten zu 1) i.S.v. § 31 BGB die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat.
Die maßgeblichen Anforderungen für die deliktische Haftung der Beklagten zu 1), die den von ihrer Muttergesellschaft hergestellten und mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Dieselmotor in von ihr hergestellte Fahrzeuge verbaut hat, hat der BGH grundlegend in seinem Urteil vom 08.03.2021, Az. VI ZR 505/19 aufgestellt.
Demnach ist grundsätzlich erforderlich, dass nicht nur bei der den Motor zuliefernden Konzernmutter, der V.-AG, sondern auch bei der Fahrzeugherstellerin selbst, hier der Beklagten zu 1), eine auf arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamtes und damit der Fahrzeugerwerber gerichtete Strategieentscheidung getroffen wurde oder für die Fahrzeugherstellerin handelnde Personen an der von der Muttergesellschaft getroffenen Entscheidung zumindest beteiligt waren (BGH, Urteil vom 08.03.2021, aaO, Rn. 20). Dabei kann die Annahme eines sittenwidrigen Verhaltens auch damit begründet werden, dass „die für die Beklagte handelnden Personen wussten, dass die von der Muttergesellschaft gelieferten Motoren mit einer auf arglistige Täuschung des KBA abzielenden Prüfstandserkennungssoftware ausgestattet waren, und die von der Beklagten hergestellten Fahrzeuge in Kenntnis dieses Umstands mit diesem Motor versehen und in den Verkehr gebracht wurden“ (BGH, aaO, Rn. 21). Zu dieser Feststellung kann grundsätzlich auch die Annahme einer sekundären Darlegungslast der Fahrzeugherstellerin führen, wenn der Kläger keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (BGH, aaO, Rn. 27).
Die Überzeugungsbildung von dem Vorliegen der kenntnisbasierten arglistigen Täuschung der Beklagten zu1) kann aber auch durch die Würdigung verschiedener Indizien gewonnen werden, vgl. die Urteilsserie des BGH vom 25.11.2021, VII ZR 283/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21 sowie Beschlüsse vom 09.02.2022, Az. VII ZR 26/11, VII ZR 258/20 und VII ZR 255/20. Sie kann – wie oben bereits ausgeführt – zudem bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte im Parteivorbringen durch die Auslösung einer sekundären Darlegungslast der Beklagten zu 1) festgestellt werden, vgl. Urteil des BGH vom 15.09.2021, Az. VII ZR 52/21. Der Senat hat hier von beiden Möglichkeiten Gebrauch gemacht und stützt darauf seine Überzeugung.
(1) Das Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einem Motor, der über eine nicht offen gelegte Abschalteinrichtung bzw. Umschaltlogik verfügt, stellt eine konkludente Täuschung der Zedenten durch die Beklagte zu 1) dar, weil die Käufer der bemakelten Fahrzeuge, gleichgültig, ob sie das Fahrzeug neu oder gebraucht erwarben, arglos davon ausgingen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Die Käufer durften darauf vertrauen, dass das erworbene Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt und die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren rechtmäßig durchlaufen worden sind. Tatsächlich enthielt der Motor der streitgegenständlichen Fahrzeuge jedoch zum Zeitpunkt des Kaufs eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007, weil der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb gezielt durch den Einsatz einer entsprechenden Motorsteuerungssoftware reduziert worden ist. Die Technik war nicht nur zweifelsfrei unzulässig, sie diente vielmehr der gezielten Täuschung über die Einhaltung der zulässigen Abgaswerte. Dies hatte zur Folge, dass die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde bestand und ein weiterer Betrieb der Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr möglicherweise nicht (mehr) möglich war, vgl. BGH Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19.
(2) Durch diese Täuschung entstand den Zedenten als Käufer eines vom sog. Dieselabgasskandal betroffenen Fahrzeugs ein Schaden, der in dem Abschluss des Kaufvertrags als ungewollte Verbindlichkeit zu sehen ist. Dieser Schaden ist auch nicht durch das später durchgeführte Software-Update entfallen, vgl. BGH aaO vom 25.05.20, Rn. 44 ff.
(3) Das Verhalten der Beklagten zu 1) war sittenwidrig, auch wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass sie den Motor EA 189 samt Motorsteuerungssoftware nicht entwickelt oder mitentwickelt hat.
Sittenwidrig ist nach der nunmehr auch speziell in Bezug auf Dieselfälle seitens des BGH gefestigten Rechtsprechung ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft, vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche nach § 826 BGB geltend macht. Ob ein Verhalten sittenwidrig im Sinne des § 826 BGB ist, ist dabei eine Rechtsfrage, ständige Rechtsprechung des BGH, Urteil vom 08.03.2021, VI ZR 505/19, Rn. 17 ff., Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, Rn. 14 ff. sowie Urteil vom 15.09.2021, VII ZR 52/21, Rn. 16.
Ein Automobilhersteller handelt gegenüber dem Fahrzeugkäufer sittenwidrig, wenn er entsprechend seiner grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, Fahrzeuge mit einer Motorsteuerung in Verkehr bringt, deren Software bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgaswerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden, und damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde abzielt. Ein solches Verhalten steht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich, BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.
Bereits die objektive Sittenwidrigkeit des Herstellens und des Inverkehrbringens von Kraftfahrzeugen mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Verhältnis zum Fahrzeugerwerber setzt voraus, dass es in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer – billigend in Kauf genommenen – Unrechtmäßigkeit geschieht, BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az. VI ZR 505/19, Rn. 21, Beschluss vom 19.01.2021, Az. VI ZR 433/19, Rn. 19, vom 09.03.2021, Az. VI ZR 889/20, Rn. 28.
Der BGH hat bereits zur Beklagten zu 2), die das streitgegenständliche Aggregat EA 189 maßgeblich entwickelt hat, entschieden, dass ihr Verhalten im Verhältnis zu den Endkunden sittenwidrig ist, vgl. die oben genannten Urteile sowie Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 5/20, Rn. 33.
Die dort angestellten Erwägungen treffen nicht nur auf den Mutterkonzern, die Beklagte zu 2), sondern gleichermaßen auf die Beklagte zu 1) zu, auch wenn zu ihren Gunsten angenommen wird, dass sie an der Entwicklung der streitgegenständlichen Software nicht beteiligt war. Der Senat geht nämlich, wie im Folgenden auszuführen sein wird, davon aus, dass mindestens ein Repräsentant der Beklagten zu 1) i.S.v. § 31 BGB Kenntnis von der Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware inklusive der sog. Umschaltlogik hatte, als die Entscheidung gefasst wurde, den Motor EA 189 auch massenhaft in von der Beklagten zu 1) hergestellte Fahrzeuge einzubauen und damit die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklichte.
Nicht nur das Verhalten der V.-AG, sondern auch der hiesigen Beklagten zu1) ist objektiv als sittenwidrig zu qualifizieren, weil auch die beklagte A.-AG auf der Grundlage einer strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse Fahrzeuge in den Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgaswerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Damit ging eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden einher und es bestand die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung der betroffenen Fahrzeuge. Ein solches Verhalten ist im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
(4) Die Überzeugung des Senats von dem Vorliegen der kenntnisbasierten arglistigen Täuschung der Beklagten zu 1) ergibt sich zunächst durch die Würdigung verschiedener Indizien gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO. Dabei verkennt der Senat nicht, dass nach allgemeinen Grundsätzen derjenige, der einen Anspruch nach § 826 BGB geltend macht, die volle Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. sowohl für die Umstände, die die Schädigung und deren Sittenwidrigkeit in objektiver Hinsicht begründen, als auch für den zumindest bedingten Vorsatz des Schädigers hinsichtlich des Vorliegens dieser Umstände trägt und grundsätzlich über bestrittenen, entscheidungserheblichen Vortrag – soweit angeboten – Beweis zu erheben ist. Eine Beweisaufnahme war jedoch nicht veranlasst, weil bereits das unstreitige oder nachgewiesene Parteivorbringen und der Verfahrensstoff für die Überzeugungsbildung des Senats ausreichend ist.
Der Beklagten zu 1) als Motorenherstellerin war, wie auch anderen Automobilherstellern, der damalige allgemein diskutierte Zielkonflikt zwischen Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte und einer kostengünstigen Produktion bekannt. Sie war mit der Problematik der Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte unter Berücksichtigung des Verbots von Abschalteinrichtungen als Motorenentwicklerin und -herstellerin vertraut. Die Einhaltung der relevanten Stickoxidgrenzwerte für den Motor EA 189 stellte unter Berücksichtigung des oben angeführten Verbots von Abschalteinrichtungen eine Herausforderung dar, die jedem Kraftfahrzeughersteller, der sich wie die Beklagte zu1) selbst mit der Entwicklung von Dieselmotoren befasste, bewusst war. Die Beklagte zu 1) räumt insoweit selbst ein, dass bei der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 finanzielle Aspekte einbezogen wurden.
Soweit die Beklagte zu 1) darauf verweist, dass die von ihr hergestellten V6 und V8 Motoren zu dem Motor vom Typ EA 189 grundverschieden seien, so verfängt dieses Argument nicht. Zwar mögen diese Motoren leistungsstärker und die Zylinder anders angeordnet sein. Das grundlegende Problem der Entstehung von Stickoxiden aufgrund hoher Verbrennungstemperaturen stellt sich aber bei jedem Dieselverbrennungsmotor, vgl. Seite 6 des mit Anlage BB 24 vorgelegten Berichts der Untersuchungskommission „Volkswagen“. Mit dem Verweis auf die Verschiedenheit der Motoren wird zudem nicht in Abrede gestellt, dass der oben dargestellte Zielkonflikt auch bei den von der Beklagten zu 1) entwickelten Dieselmotortypen aufgetreten ist. Das Spannungsverhältnis zwischen kostengünstiger Produktion und Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte stellte sich bei sämtlichen Dieselmotoren, zumindest mit der hier streitgegenständlichen Schadstoffnorm EU 5, die unstreitig auch von der Beklagten zu 1) produziert wurden. Für alle diese Motoren galten die gleichen gesetzlichen Stickoxidgrenzwerte. Zur Beklagten zu 1) wird ferner ausgeführt, dass diese schon vor der Verwendung der Motoren EA 189 von der Beklagten zu 2) Motoren vom Typ EA 188 erworben habe und letztere den Motortyp EA 188 weiterentwickelt und die Technik von der Pumpe-Düse-Einspritzung auf die innovative Common Rail-Einspritzung mit dem Ergebnis des Motortyps EA 189 umgestellt habe, Bl. 2870 d.A. Die Einspritzcharakteristik ist aber wesentlich für die Optimierung des Verbrennungsprozesses und steht damit im Zusammenhang mit der Abgasreinigung durch Abgasrückführung.
Zu berücksichtigen ist weiter, dass es sich bei dem Motor um das „Kernstück des Fahrzeugs“ handelt und nicht nur um ein untergeordnetes Zulieferteil. Dies bestätigen auch die Ausführungen der Beklagten, wonach die Entscheidung über den in einen neuen Fahrzeugtyp einzusetzenden Motor im Rahmen des 60-monatigen Zeitraums zur Entwicklung eines neuen Fahrzeugmodells einen „Meilenstein“ darstellt, Bl. 2868 d.A. Die Entscheidung über die Verwendung stellt eine grundlegende, eine Vielzahl von Fahrzeugen betreffende Strategieentscheidung dar, die auch eine große Haftungsrelevanz nach sich zieht. Bei den Emissionswerten eines Fahrzeugs handelt es sich nicht um bloße technische Details und Fragen von untergeordneter Bedeutung, im Gegenteil ging es hier vor allem um die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und damit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Typgenehmigung und Zulassung der Fahrzeuge. Aufgrund der eigenen Befassung der Beklagten zu 1) mit der Motorenentwicklung waren ihr auch die grundlegenden Aspekte der Abgasreinigung bekannt.
Die Ausführungen der Beklagten zu 1) dazu, dass in dem sog. Produkt-Strategie Komitee, das sich aus einzelnen Mitgliedern des Vorstandes und Mitgliedern aus Fachabteilungen zusammensetzte, lediglich finanzielle und zeitliche Planungsaspekte entschieden, nicht jedoch technische Details besprochen worden seien, überzeugen vor dem obigen Hintergrund daher nicht. Insofern ist der Senat überzeugt davon, dass wenigstens ein Repräsentant der Beklagten i.S.v. § 31 BGB bei der Entscheidung über den Einsatz von Motoren EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten von der – evident unzulässigen – Umschaltlogik gewusst hat, unabhängig von der Frage der ausdrücklichen Besprechung der Umschaltlogik innerhalb der Erörterungen des Produkt-Strategie-Komitees.
Auch angesichts des beschriebenen ausgeklügelten Systems von Kontroll- und Berichtspflichten erscheint es nicht plausibel, dass diese sämtlich gerade bei der hier inmitten stehenden Kenntnis von der Umschaltlogik, einer Software, die die Zulassungsfähigkeit hinsichtlich einer maßgeblichen Eigenschaft des Motors, nämlich seiner Abgasemissionen zumal bei Kenntnis der Schwierigkeit zur Lösung des Problems, überhaupt erst ermöglichte, versagt haben sollen.
Die Beklagte zu 1) hat ihren Vortrag zur von ihr behaupteten Unkenntnis in Bezug auf die Umschaltlogik von Personen, deren Handeln sie sich nach § 31 BGB zurechnen lassen muss, vertieft, indem sie auf interne Untersuchungen verweist, die mittlerweile abgeschlossen seien. Danach hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, dass Vorstände im aktienrechtlichen Sinn bzw. andere Repräsentanten die für eine Haftung nach § 826 BGB maßgeblichen Kenntnisse gehabt hätten.
Dies überzeugt den Senat indessen nicht. Denn die Beklagte zu1) räumt ein, dass zu der Ebene der Bereichsleiter im Zeitraum von 2006 bis 2015 eine Vielzahl von Personen gehört hätten. Befragungen sämtlicher dieser Einzelpersonen seien aber weder erforderlich noch praktisch umsetzbar. Das teilt der Senat nicht, der nicht erkennen kann, dass die Anhörung dieser Personen zur Aufklärung dieses für die Beklagte zu 1) aus dem Tagesgeschäft herausragend bedeutsamen Sachverhalts nicht praktisch umsetzbar sein soll, zumal die Kanzlei J. D. Befragungen und Auswertungen in großem Umfang vorgenommen hat. Dies gilt umso mehr als die Beklagte zu 1) nach ihren eigenen Ausführungen streng hierarchisch organisiert war mit Berichts- und Kontrollpflichten. Die Beklagte zu 1) räumt ein, dass eine dem Tätigkeitsprofil der Vorstandsmitglieder angenäherte Funktion innerhalb ihrer Organisationsstruktur bei der unmittelbar dem Vorstand nachgelagerten Ebene in Betracht kommt, bei denen es sich um die sog. Bereichsleiter handelt, Bl. 2889 d.A. Die Notwendigkeit der Befragung der Bereichsleiter drängt sich vor diesem Hintergrund auf, zumal der BGH bereits in der Entscheidung vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, Rn. 33, dem restriktiven Begriffsverständnis des Repräsentanten i.S.v. § 31 BGB nicht gefolgt ist. Ob überhaupt wenigstens einzelne und ggf. welche Bereichsleiter befragt wurden, bleibt unklar.
Die Ausführungen der Beklagten zu 1) zur fehlenden Kenntnis ihrer Vorstände im aktienrechtlichen Sinne und sonstiger Repräsentanten, mit der Begründung, sie habe den Motor nicht entwickelt bzw. nicht mitentwickelt, verfangen nicht, weil der Senat in der Entscheidung über die Verwendung des Motors EA 189 in Kenntnis der Umschaltlogik das deliktische Handeln der Beklagten zu 1) sieht.
Diese Wertung liegt bereits den Entscheidungen des Senats zugrunde, zu denen durch den BGH unter dem 25.11.2021 bestätigende Entscheidungen, Az. VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21, ergangen sind. Der Senat hat hierauf mit Beschluss vom 25.04.2022 hingewiesen. Eine Ergänzung des Sachvortrags ist insoweit aber nicht erfolgt. Die Beklagte zu 1) hat nach wie vor nicht die in Bezug auf die streitgegenständlichen Fahrzeuge über den Zukauf des Motors inklusive Software entscheidenden Personen benannt und ebenso wenig konkret zu deren Kenntnisstand, ggf. nach Befragung im Rahmen der internen Ermittlungen vorgetragen. Auf den Hinweisbeschluss des Senats wird insoweit Bezug genommen.
Eine Indizwirkung im Sinne der Beklagten vermag der Senat nicht in dem Umstand zu sehen, dass die internen Ermittlungen nicht zu Schadenersatzansprüchen der Beklagten zu 1) gegen ihre Verantwortlichen bzw. zu weiteren staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren geführt hätten. Die Feststellungen der Staatsanwaltschaft München II bei der Verhängung des Bußgeldbescheides gegen die Beklagte zu 1) (Vortrag der Beklagten, Bl. 2886) und der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft Braunschweig kein Ermittlungsverfahren eingeleitet hat, lassen keinen Rückschluss zu auf die dort und bei der Beklagten zu 1) jeweils bestehenden Kenntnisse und Entscheidungsmotive. Überdies wird mit Anlage BB 27 das „Statement of Facts“ vorgelegt, aus dem sich ergibt, dass es im Hinblick auf die Vorgänge in den USA u.a. durch Angestellte der Beklagten zu 1) zur Vernichtung von Unterlagen gekommen ist mit dem Ziel der Vermeidung rechtlicher Konsequenzen (ebenda, Nr. 73).
(5) Soweit sich die Beklagte zu 1) auf Ergebnisse von Untersuchungen durch die Kanzleien J. D. und G. L. beruft, sprechen auch diese nicht gegen eine Kenntnis bei der Beklagten zu 1) von der Manipulationssoftware. Die Untersuchungen durch die Kanzlei J. D. sind schon deshalb nicht aussagekräftig, weil der Schwerpunkt im Bereich des Dieselmotors V6 3.0 TDI lag. Aber auch die Untersuchungen der Kanzlei G. L. führen nicht weiter. Zu allen Untersuchungen wird nicht mitgeteilt, welcher konkrete Auftrag vorgelegen hat und wie die Untersuchungen geführt worden sind. Inhalte und Ergebnisse werden nur pauschal offenbart und betont, dass bis heute keine Anhaltspunkte für eine Kenntnis vor dem Wochenende des 19./20.09.2015 bei den Vorstandsmitgliedern oder anderer Repräsentanten vorlägen, Bl. 2879 d.A. Insbesondere blieben die Angaben der Beklagten zu 1) zu ihren internen Ermittlungen, auf deren negatives Ergebnis sie sich beruft, unzureichend, jedenfalls im Hinblick auf die Befragung der Bereichsleiter.
(6) Darüber hinaus gelten die Behauptungen der Klagepartei, dass mindestens ein Organ oder Repräsentant der Beklagten zu 1) von der unzulässigen Steuerungssoftware Kenntnis gehabt habe und der flächendeckende Einsatz der Software mit Wissen und Wollen des Vorstandes erfolgt sei, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Die Beklagte zu 1) trifft hier, ebenso wie die VW-AG, hier Beklagte zu 2) (BGH, Urteil vom 25.05.2019, VI ZR 252/19, Rn. 34 ff., Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 397/19, Rn. 14 ff., BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az. VI ZR 505/19, Rn. 25 ff.) eine sekundäre Darlegungslast, der die Beklagte zu 1) nicht ausreichend nachgekommen ist.
Eine sekundäre Darlegungslast kommt hier zum Tragen, weil die an sich beweisbelastete Klagepartei keinen Einblick in die internen Entscheidungsvorgänge bei der Beklagten zu 1) hat und auch keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung. Der Beklagten zu 1) als Herstellerin der streitgegenständlichen Fahrzeuge und des darin verbauten Motors wäre es demgegenüber möglich und zumutbar, nähere Angaben insbesondere zum Wissenstand des Leiters der Entwicklungsabteilung, anderer mit der Motortechnik befassten Mitarbeiter und/ oder der teilnehmenden Repräsentanten im Produkt-Strategie-Komitee vorzutragen. Insoweit liegen hinreichende Anhaltspunkte im Parteivorbringen (BGH, Urteil vom 08.03.2021, Az. VI ZR 505/19, Rn. 28) dafür vor, dass mindestens ein Repräsentant der Beklagten zu 1) Kenntnis von der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung im Motor vom Typ EA 189 hatte, auch wenn die Software dort nicht entwickelt oder hergestellt worden ist.
Nach diesen Grundsätzen trägt die Beklagte die zu 1) die sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der Frage, wer die Entscheidung über den serienmäßigen Einsatz der Motoren EA 189 in Kenntnis der Umschaltlogik getroffen hat. Die Umstände, nach denen vorliegend eine Kenntnis der für die Beklagte handelnden und dieser zuzurechnenden Personen naheliegt, ergeben sich bereits aus den vorstehenden Ausführungen. Das Spannungsverhältnis zwischen der Herstellung kostengünstiger Motoren bei gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlich weiter verschärften Stickoxidgrenzwerte sowie des grundsätzlichen Verbots des Einsatzes von Abschalteinrichtungen war bei Automobilherstellern bekannt. Die Beklagte zu 1) selbst entwickelt Dieselmotoren. Damit waren der Beklagten zu 1) auch Aspekte der Funktion der Abgasreinigung bekannt. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten zu 1) betraf nicht nur ein untergeordnetes Zulieferteil, sondern den Motor als „Kernstück“ des Fahrzeugs; die Emissionseigenschaften des Fahrzeugs sind für dieses wesentlich und nicht bloß ein technisches Detail. Die Entscheidung über den serienweisen Einsatz der Motoren EA 189 in Fahrzeugen der Beklagten zu 1) war mit erheblichen, auch persönlichen, Haftungsrisiken der entscheidenden Personen verbunden. Eine Unkenntnis des Einsatzes der Umschaltlogik auf der Ebene von Personen, die der Beklagten zu 1) zuzurechnen sind nach § 31 BGB, erscheint ausgeschlossen. Die Beklagte zu 1) musste aufgrund der geltenden Compliance-Regelungen dafür Sorge tragen, dass in ihrem Unternehmen Strukturen vorhanden sind, die gewährleisten, dass der Vorstand alle wesentlichen Entscheidungen selbst trifft oder über sie informiert ist. Dies ergibt sich auch aus dem eigenen Vorbringen der Beklagten zu 1) zu ihrer Organisations- und Berichtsstruktur. Selbst die an der Spitze der zweiten Berichtsebene stehenden Bereichsleiter sind trotz ihrer hohen Positionen in der Unternehmenshierarchie den Weisungen und der Kontrolle des für das jeweilige Vorstandsressort zuständigen Vorstandsmitglieds im aktienrechtlichen Sinn unterstellt. Daher erscheint es ausgeschlossen, dass der Vorstand von Manipulationen, die die Rechtsgültigkeit der EG-Typgenehmigung der betroffenen Fahrzeuge gefährdeten und ein solches Ausmaß und eine solche Tragweite hatten, keine Kenntnis erlangte, zumal mit dieser Vorgehensweise – wie oben schon ausgeführt – ganz erhebliche persönliche Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen verbunden waren, BGH, Urteil vom 25.05.2019, VI ZR 252/19, Rn. 39 sowie BGH, Beschluss vom 15.09.2021, Az. VII ZR 52/ 21.
(7) Damit ist auch ein Schädigungsvorsatz zu bejahen, der ein Wissens- und Wollenselement enthält. Der Handelnde muss die Schädigung des Anspruchsstellers gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben und mindestens mit bedingtem Vorsatz gehandelt haben. Vorstandsmitglieder oder Repräsentanten, die in Kenntnis der Umschaltlogik den serienmäßigen Einsatz der Motoren in ihren Fahrzeugen anordnen oder nicht unterbinden, billigen ihn auch und sind sich der Schädigung der späteren Fahrzeugerwerber bewusst.
7. Zu den hier streitgegenständlichen Einzelansprüchen gilt Folgendes:
(1) Hinsichtlich des Zedenten mit der Pkw Nr. 1 besteht kein Anspruch der Klägerin. Der Zeuge R. hat zwar bei seiner Vernehmung am 09.05.2022 die Modalitäten des Kaufvertrags und des Verkaufsgeschäfts wie von der Klägerin vorgetragen bestätigt und ein Schadensersatzanspruch ist auch nicht durch den Verkauf des Fahrzeugs entfallen, vgl. BGH, Urteil vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20. Unter Zugrundelegung der glaubhaften Angaben des Zedenten, der den Sachvortrag der Klägerin glaubwürdig bestätigt hat, hat sich jedoch der Schadensersatzanspruch durch die gezogenen Nutzungen, die zu berücksichtigen sind, vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, vollständig aufgezehrt, vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020, VI ZR 354/19. Der Zedent St. R. hat das streitgegenständliche Fahrzeug bis zu einem Kilometerstand von 314.000 km selbst genutzt. Die Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs schätzt der Senat hier gemäß § 287 ZPO im Hinblick auf das Fahrzeugmodell, das Baujahr und den verbauten Motor auf 300.000 km und nicht, wie die Klägerin begehrt, auf 350.000 km. Dem steht nicht entgegen, dass der Zedent das Fahrzeug nach seiner glaubhaften Aussage mit dem Kilometerstand von 314.000 km noch für 4.000 € verkaufen konnte, weil die Rechtsprechung bei der Beurteilung der voraussichtlichen Gesamtlaufleistung nicht auf die maximal von einzelnen Fahrzeugen des fraglichen Typs erreichte Laufleistung abstellt, sondern darauf, mit welcher Laufleistung in der Regel zu rechnen ist (vgl. auch BGH vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 82). Auf die von der Klägerin hier vorgelegten Internetrecherchen, Anlage BKa 003, kommt es damit nicht an. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Mit der Schätzung von 300.000 km Gesamtlaufleistung bewegt sich der Senat innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzungen, vgl. BGH, Urteil vom 27.07.2021, Az. VI ZR 480/19, Rn. 26. Der Senat stellt in ständiger Rechtsprechung auf die nach den Urteilen des BGH gebilligte lineare Berechnung des Nutzungsersatzes ab. Aus der grundsätzlichen Billigung einer linearen Berechnungsmethode folgt zwar nicht zwingend, dass andere Berechnungsmethoden unzulässig wären, da dem Tatrichter nach § 287 ZPO ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird. Da der Schaden aber in dem ungewollten Vertragsschluss liegt, ist der vom BGH erfolgte Rückgriff auf die Wertung des Nutzungsersatzes nach § 346 Abs. 2 Nr. 2 BGB folgerichtig. Der Senat folgt ausdrücklich nicht dem Ansatz, den Wert der Nutzung eines Neuwagens höher anzusetzen als den eines älteren Fahrzeugs. Die lineare Berechnung ist dem Geschädigten zumutbar und entlastet die Schädigerin nicht unangemessen. Sie entspricht vom Wortlaut den „gezogenen Nutzungen“. Auch ist eine Ausweitung der Vorteilsanrechnung, etwa wegen Wertverlusts des Fahrzeugs, nicht angezeigt (BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 397/19, Rn. 36, vom 30.07.2020, Az. VI ZR 354/19, Rn. 15, vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20, Rn. 33, vom 16.09.2021, Az. VII ZR 192/20, Rn. 46.
Ausgehend von einem Kaufpreis in Höhe von 16.990,00 € und vom Zedenten R. gefahrenen Kilometern von 250.603 km (314.000 km – 63.397 km) und Anwendung der vom Bundesgerichtshof gebilligten Formel (Kaufpreis x gefahrene Strecke): erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt hätte sich schon ein Plus von 1.005,31 € ergeben. Hinzu kommt aber noch der Weiterverkaufserlös von 4.000,00 €, so dass sich ein Plus von 5.005,31 € ergibt. Darlehenszinsen können zwar an sich als Schadensposition verlangt werden, vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2021, VI ZR 274/20, im vorliegenden Fall werden aber auch diese durch den Verkaufserlös kompensiert, so dass der Klägerin zu Pkw Nr. 1 kein Anspruch zusteht.
Auf die Ausführungen der Beklagten insbesondere zu einem Alternativerwerb und einer diesbezüglichen Finanzierung kommt es vor diesem Hintergrund nicht an. Ebenso kann dahinstehen, ob die von der Klägerin daneben geltend gemachten Kosten für eine Ratenschutzversicherung, eine Kaufpreisversicherung und eine Reparaturkostenversicherung erstattungsfähig sind.
(2) In Bezug auf den Pkw Nr. 5 steht der Klägerin ebenfalls kein Schadensersatzanspruch zu. Wie bei dem Pkw mit der Nr. 1 ist der Senat überzeugt davon, dass ein Schadensersatzanspruch durch die gezogenen Nutzungen aufgezehrt worden ist. Der Zedent G. hat zwar ausgesagt, den Pkw am 08.02.2012 zum Kaufpreis von 14.600,00 € mit einem Kilometerstand von 147.795 km erworben zu haben, dies steht jedoch in Widerspruch zu der von der Klägerin vorgelegten Rechnung vom 08.02.2012, die einen Kilometerstand von 149.700 km aufweist. Letztlich ist jedoch unter Zugrundlegung beider Kilometerstände kein Anspruch in Bezug auf den Kaufpreis gegeben. Bei einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km, die der Senat gemäß § 287 ZPO zugrundelegt und dem dokumentierten Kilometerstand von 149.700 km ergibt sich nach der oben unter (1) dargelegten linearen Berechnungsweise der Nutzungsentschädigung, die vom BGH gebilligt worden ist, 14.334,23 € für gezogene Nutzungen und damit im Zeitpunkt des Verkaufs ein Erstattungsanspruch von lediglich 265,77 €. Hierauf ist aber der Weiterveräußerungserlös von 4.800 € anzurechnen, so dass kein Erstattungsanspruch aus dem Kaufpreis verbleibt. Bei Zugrundelegung eines Kilometerstandes von 147.795 km ergibt sich ebenfalls nur ein Erstattungsanspruch von 262,45 €, auf den der Weiterveräußerungserlös anzurechnen ist. In beiden Fällen werden hierdurch auch die geltend gemachten Finanzierungskosten in Höhe von 361,56 € (378,77 € minus Erstattungsbetrag von 17,21 €) kompensiert, die der Zeuge G. in dieser Höhe glaubhaft und glaubwürdig beziffert hat.
Da kein Anspruch der Klägerin besteht, kommt es auf die weiteren Einwände der Beklagten im Schriftsatz vom 13.06.22 nicht an.
(3) In Bezug auf den Pkw Nr. 6 des Zedenten M. J. ergibt sich ein Anspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 2.119,34 €. Der Zeuge J. hat bei seiner Einvernahme vor dem Senat glaubhaft die Angaben der Klägerin bestätigt, dass er den streitgegenständlichen Pkw am 01.02.2012 für 14.950,00 € mit einem km-Stand von 143.600 km erworben hat. Ihm sei vom Händler eine Gebrauchtwagengarantie gegeben worden, die aber keine zusätzlichen Kosten verursacht habe. 3.000,00 € habe der Zeuge in bar bezahlt, den Rest durch ein Darlehen der V.-Bank finanziert, wofür bei der Abzahlung nach dem Tilgungsplan Kosten in Höhe von 3.090,20 € angefallen seien. Am 11.07.2019 habe der Zeuge das Fahrzeug für 3.500,00 € ohne Unfallschäden mit üblichen alters- und nutzungsbedingten Gebrauchsspuren mit einem km-Stand von 232.000 km verkauft und bei dem Händler im Gegenzug einen Nissan erworben. Mitverkauft worden seien auch die Winterreifen. Ein besserer Preis als 3.500,00 € hätte trotz harter Verhandlungen nicht erzielt werden können. Diese Angaben des Zeugen erachtet der Senat für glaubhaft und den Zeugen für glaubwürdig, zumal sich seine Aussage mit den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen deckt. Warum die Angabe des Zeugen, dass die Gebrauchtwagengarantie keine zusätzlichen Kosten verursacht hat, unzutreffend sein sollen, erschließt sich dem Senat nicht. Einen Erfahrungssatz dahingehend, dass für solche Zusatzleistungen stets Kosten anfallen, wie die Beklagte meint, teilt der Senat nicht. Vielmehr ist auch eine kostenlose Zugabe möglich und denkbar und nicht zwingend, dass Kosten im Kaufpreis enthalten sind.
Die Kosten für den Erwerb von Winterreifen, die in dem ursprünglichen Kaufpreis enthalten sind, sind erstattungsfähig, vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2021, Az. VI ZR 291/20, Rn. 10,11, zumal der Zedent glaubhaft angegeben hat, das Fahrzeug auch wieder mit Winterreifen verkauft zu haben. Insoweit kommt eine Zug-um-Zug Herausgabe nicht in Betracht. Dass die Winterreifen in dem Weiterverkaufsdokument keine explizite Erwähnung finden, ist unschädlich. So vermutete die Beklagte auch lediglich, dass bei einem Mitverkauf von Winterreifen diese aller Wahrscheinlichkeit nach erwähnt worden wären, was aber nicht zwingend ist. Ausschlaggebend ist die Aussage des Zeugen, die der Senat für glaubhaft ansieht. Anhaltspunkte für eine fehlende Glaubwürdigkeit des Zeugen haben sich nicht ergeben. Die Finanzierungskosten sind erstattungsfähig, weil der Zeuge auch bestätigt hat, dass er keinen Zeitdruck mit dem Kauf eines Fahrzeugs gehabt habe und sich ansonsten kein anderes Auto gekauft hätte, vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2021, VI ZR 274/20 Rn. 16, Urteil vom 25.05.2020, VI ZR 252/19, Rn. 82. Die Angriffe der Beklagten in Bezug auf die Glaubhaftigkeit dieser Angaben teilt der Senat nicht. Der geäußerte Verdacht, dass die Klägerseite in der Sitzungsunterbrechung auf die Zeugen eingewirkt hätte, entbehrt jeder Grundlage. Es bestehen hier keinerlei Anhaltspunkte, dass die Aussage des Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen soll. Die Aussage wirkte weder auswendig gelernt, noch konstruiert und auch ansonsten ergaben sich im Aussageverhalten keine Indizien für eine ausgedachte, nicht der Wahrheit entsprechende Aussage. Der Hinweis auf den Wagen der Schwiegermutter zeugt von Realitätsbezug und wirkt alles andere als konstruiert. Von einem Alternativerwerb samt Finanzierung im Sinne der Beklagten ist hier nicht auszugehen.
Was den vom Zeugen erzielten Verkaufspreis betrifft, so greifen die Einwände der Beklagten, dass dieser im Hinblick auf Preise in der DAT Datenbank oder Schwacke-Liste zu niedrig sei, nicht durch. Die Klägerin muss sich keinen höheren, tatsächlich nicht erzielten, Verkaufspreis anrechnen lassen, weil der Zeuge glaubhaft geschildert hat, dass ein höherer Preis trotz harter Verhandlungen nicht erzielbar gewesen sei. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist insoweit nicht ersichtlich. Der Senat hält die Bemühungen des Zeugen, einen marktgerechten Preis zu erzielen, für ausreichend und teilt die von der Beklagten geforderten (überspannten) Markterkundigungsobliegenheiten nicht. Aus dem von der Beklagten angeführten Urteil des BGH vom 20.07.2021, Az. VI ZR 575/20, Rn. 30, ergeben sich diese Anforderungen nicht. Es mag sein, dass die DAT-Bewertungen Durchschnittswerte angeben, wenn sich aber tatsächlich zu diesem ermittelten Preis kein Käufer findet, ist nicht im Sinne der Beklagten von anderen Preisen auszugehen.
Im Hinblick auf die im Vergleich zu den anderen Fahrzeuginhabern geringere jährliche Nutzung und unter Berücksichtigung des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps sowie des Baujahrs, nimmt der Senat hier gemäß § 287 ZPO eine Gesamtlaufleistung von 250.000 km an. Damit errechnet sich ein Erstattungsanspruch zum Verkaufszeitpunkt von 2.529,14 € zu dem die Finanzierungskosten in Höhe von 3.090,20 € hinzuzurechnen sind. Abzüglich des Weiterverkaufserlöses von 3.500 € ergibt dies einen Anspruch zugunsten der Klägerin von 2.119,34 €.
(4) Hinsichtlich des Pkws Nr. 7, Zedent D., ergibt sich ein Anspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.187,50 €.
Der Zeuge D. hat die von der Klägerin vorgetragenen Konditionen des Erwerbs des streitgegenständlichen Pkws vollumfänglich und glaubhaft bestätigt (Erwerb am 31.07.2013 für 15.200 € bei einem km-Stand von 140.000 km). Der Zedent hat auch bestätigt, den Kaufpreis mit einem Darlehen der T.bank finanziert zu haben, das er vorzeitig, statt nach sieben Jahren, bereits im Jahr 2017 abbezahlt habe. In welcher Höhe hierfür Darlehenszinsen angefallen sind, konnte der Zeuge hingegen nicht sagen. Nach der Einvernahme des Zeugen ließen sich die Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom Zeugen mitgebrachte Unterlagen übergeben und legten hieraus einen Schlusszahlungsplan vor, und erklärten, dass sich durch Addition der dort angeführten Zinsen der Betrag von 1.565,78 € ergebe, den die Klägerin zuletzt geltend machte. Die Beklagten bestritten, dass es sich bei dem Schlusszahlungsplan um ein Original handelt und rügten, dass die Zahlen nicht nachvollziehbar seien. Letzteres teilt auch der Senat, weil sich durch die Addition der Zinsbeträge nicht der Betrag von 1.565,78 € ergibt. Der Einwand der Beklagten zu einer Anrechnung der Kosten für die laut Rechnung vom 31.07.2013, Anlagenkonvolut Pkw 7, gewährte 1-Jahr Garantie Komfort Plus verfängt nicht. Es hätte Gelegenheit bestanden in der mündlichen Verhandlung den Zeugen zu diesbezüglichen Kosten zu befragen. Ausweislich der Rechnung sind solche nicht angefallen, so dass auf die obigen Ausführungen zu Pkw Nr. 6 verwiesen werden kann. Der Zeuge hat weiter bestätigt, das Fahrzeug am 27.08.2020 bei einem Kilometerstand von 237.500 km für 4.750,00 € verkauft zu haben. Auch hier muss sich die Klägerin keinen höheren Verkaufspreis anrechnen lassen, der nicht erzielt worden ist. Es mag sein, dass – wie die Beklagten behaupten – entsprechende Listen einen höheren Wert für erzielbar halten, der Zeuge erklärte aber glaubhaft, dass er ursprünglich sein Fahrzeug auf der Verkaufsplattform mobile.de für 7.000,00 € angeboten hatte, es für diesen Preis aber niemand habe kaufen wollen. Alle zwei Wochen sei er deshalb um 500,00 € mit dem Verkaufspreis heruntergegangen, bis es letztlich ein Händler für den Weiterverkauf ins Ausland zu dem genannten Preis von 4.750,00 € gekauft habe. Dem Zedenten und damit der Klägerin kann vor diesem Hintergrund nicht vorgeworfen werden, das Fahrzeug zu billig verkauft zu haben. Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ist nicht ersichtlich. Durch die Einvernahme des Zeugen konnte auch nicht festgestellt werden, dass dieser einen Alternativerwerb mit entsprechender Finanzierung vorgenommen hätte. Der Zeuge sagte insoweit glaubhaft aus, dass er sich dann nochmals hätte informieren müssen, welches Auto mit welchen Finanzierungsoptionen in Frage gekommen wäre. Warum diese Aussage nach Meinung der Beklagten nicht konsistent und auf eine Einwirkung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin zurückzuführen sein soll, erschließt sich dem Senat nicht, da der Zeuge ein vollkommen normales Kaufverhalten geschildert hat. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben hat der Senat keinerlei Zweifel.
Bei Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km gemäß § 287 ZPO (auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen) errechnet sich nach der vom BGH gebilligten linearen Berechnungsmethode ein Erstattungsanspruch von 5.937,50 € (Nutzungsentschädigung 9.262,50 €). Abzüglich des Verkaufserlöses von 4.750,00 € ergibt dies einen Schadensersatzanspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 1.187,50 €.
(5) In Bezug auf Pkw Nr. 9, Zedent D. E., besteht ein Anspruch in Höhe von 263,49 €.
Der Zeuge E. erklärte, den streitgegenständlichen Pkw als Gebrauchtwagen am 02.07.2012 für 15.995,00 € mit einem km-Stand von 114.999 km erworben zu haben. Soweit sich aus der mit Anlage Bka001 vorgelegten Rechnung ein Kilometerstand von 114.852 km ergibt, steht dies den Angaben des Zeugen nicht entgegen, weil sich insoweit lediglich eine Differenz von 147 km ergibt und der Zeuge einen höheren Kilometerstand einräumt. Trotz der geringfügigen Differenz bei der Laufleistung des Pkws im Zeitpunkt des Erwerbs, erachtet der Senat die Angaben des Zeugen für glaubhaft und den Zeugen selbst für glaubwürdig. Des Weiteren gab der Zeuge an, das Fahrzeug am 11.06.2019 für 3.500,00 € bei einem km-Stand von 180.000 km in Zahlung gegeben zu haben, wobei das Fahrzeug in einem technisch und optisch gutem Zustand gewesen sei. Schäden habe es keine gehabt. Soweit die Beklagten einwenden, dass der Zedent einen zu niedrigen Verkaufspreis erzielt habe, ist dem entgegenzuhalten, dass der Zeuge glaubhaft angab, sich auf den Händler seines Vertrauens verlassen zu haben, der ihm diesen Verkaufspreis gezahlt habe. Einen Mitverschuldensvorwurf trifft den Zedenten bzw. die Klägerin vor diesem Hintergrund nicht. Eine besondere Markterkundung, wie von der Beklagten gefordert, hält der Senat nicht für geboten.
Ob der Zedent ein anderes Fahrzeug erworben und finanziert hätte, ist hier nicht entscheidungserheblich, da Finanzierungskosten nicht geltend gemacht werden.
Angesichts der geringen Fahrleistung pro Jahr (ca. 9.000 km) legt der Senat hier gemäß § 287 ZPO eine Gesamtlaufleistung von 200.000 km zugrunde, so dass sich zum Verkaufszeitpunkt nach der linearen Berechnungsformel ein Erstattungsanspruch von 3.763,49 € bei einer anzurechnenden Nutzungsentschädigung von 12.231,51 € ergeben hätte. Abzüglich des erzielten Verkaufspreises von 3.500 € ergibt dies noch einen Schadensersatzanspruch von 263,49 €. Auf die obigen Ausführungen zur Schätzungsgrundlage und der Anwendung der linearen Berechnungsmethode wird Bezug genommen.
(6) In Bezug auf den Pkw Nr. 11, Zedent, N. Sch., ist ein Anspruch in Höhe von 4.732,90 € begründet.
Der Zeuge bestätigte den Vortrag der Klagepartei am 20.12.2011 den streitgegenständlichen Pkw für 17.702,00 € bei einem km-Stand von 60.000 km erworben zu haben. Der Kaufpreis sei komplett finanziert worden, wofür Darlehenskosten bei der A. Bank in Höhe von 1.815,92 € angefallen seien. Das Darlehen sei vollständig abbezahlt worden, was auch das mit Anlage BK a 002 vorgelegte Bestätigungsschreiben vom 04.03.2015 belegt. Der Zeuge gab weiter an, das Fahrzeug sei am 21.05.2021 für 3.500,00 € bei einem km-Stand von 213.000 km verkauft worden. Soweit im schriftlichen Vorbringen der Klagepartei zunächst von 123.000 km die Rede war, wurde dieser Vortrag durch das ausdrückliche zu eigen machen der Angaben der Zeugen, vgl. Schriftsatz vom 10.06.2022, Seite 2 ff., übernommen. Der Zeuge bestätigte zwar, dass für ähnliche Fahrzeuge auch 4.000 bis 4.500 € auf entsprechenden Verkaufsplattformen angeboten worden seien, sein Fahrzeug habe jedoch eine geringere Ausstattung und vor allem Roststellen im Lack gehabt, so dass diese Preise nicht erzielbar gewesen seien. Hingegen seien vorhandene Wildschäden an dem Fahrzeug beseitigt worden. Die Einwände der Beklagten in Bezug auf eine Verletzung der Schadensminderungspflicht greifen auch hier nicht durch. Dass die Rostflecken am Fahrzeug auf ein schuldhaftes Verhalten des Zeugen zurückzuführen sind, ist eine reine Vermutung der Beklagten, die durch nichts belegt ist. Im Gegenteil ergibt sich aus den Angaben des Zeugen, dass A. die Lackfehler nicht habe übernehmen wollen, dass der Zedent ein Verschulden bei der Beklagten zu 1) und damit einer mangelhaften Verarbeitung sieht. Im Übrigen ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Fahrzeug im Alter von 10 Jahren Rostflecken aufweist. Gleiches gilt für die reparierten Wildschäden. Auch hier spekuliert die Beklagte ohne greifbare Anhaltspunkte, dass den Zedenten an den Wildschäden, die im Übrigen vollständig repariert worden sind, ein Verschulden treffen könnte. Die Finanzierungskosten sind auch hier erstattungsfähig. Weshalb die Aussage des Zeugen dahingehend, dass er nicht sagen kann, ob er ein anderes Fahrzeug erworben hätte und dieses ebenfalls finanziert hätte, unglaubhaft sein soll, erschließt sich nicht. Dass der Mobilitätsbedarf der Zedenten immer nur durch ein Alternativfahrzeug mit einer entsprechenden Finanzierung gedeckt werden kann, wie die Beklagte meint, ist eine nicht zwingende Schlussfolgerung. Andere Alternativen, wie Carsharing, Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, eines Zweirades etc. sind durchaus denkbar.
Unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km (vgl. obige Ausführungen) wäre im Verkaufszeitpunkt eine Nutzungsentschädigung von 11.285,03 € angefallen und hätte ein Erstattungsanspruch vom Kaufpreis in Höhe von 6.416,98 € bestanden. Zuzüglich Finanzierungskosten in Höhe von 1.815,92 € wären dies 8.232,90 €. Hiervon ist aber der Verkaufserlös in Höhe von 3.500,00 € abzuziehen, so dass letztlich ein Anspruch in Höhe von 4.732,90 € verbleibt.
(7) Bezüglich des Pkws Nr. 12, Zedent T. B., ergibt sich ein Anspruch zugunsten der Klägerin in Höhe von 2.185,49 €. Der Zeuge bestätigte, das streitgegenständliche Fahrzeug mit verbindlicher Bestellung vom 14.04.2013 und Rechnung vom 16.04.2013 für 17.980,00 € bei einem km-Stand von 119.006 km erworben zu haben. Der Kaufpreis sei finanziert worden und dabei seien Darlehenszinsen angefallen. Das Darlehen sei vorzeitig abgelöst worden und in diesem Zusammenhang eine Zinsersparnis gewährt worden, die er der Höhe nach aber nicht beziffern könne. Das Fahrzeug sei nicht verkauft und werde weiter genutzt. Am Tag der Vernehmung vor dem Senat, dem 09.05.2022, habe der Kilometerstand 278.000 km betragen, wobei der Stand aber nicht konkret abgelesen worden sei. Im Jahr fahre der Zeuge mit dem Fahrzeug ca. 20.000 bis 30.000 km.
Unter Zugrundelegung des vom Zeugen mitgeteilten Kilometerstandes, der von den Beklagten nach Übernahme in den Klagevortrag unstreitig gestellt worden ist, ergibt sich nach der linearen Berechnungsmethode bei Zugrundelegung einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 300.000 km eine Nutzungsentschädigung von 15.794,51 €, die auf den Kaufpreis anzurechnen ist, so dass ein Erstattungsanspruch von 2.185,49 € verbleibt.
Die von der Klägerin geltend gemachten Finanzierungskosten können nicht berücksichtigt werden, da der Zeuge angab, eine Zinsersparnis gehabt zu haben, deren Höhe er aber nicht beziffern konnte. Damit ist der Vortrag der Klagepartei zu den Finanzierungskosten unschlüssig, woran auch die mit Schriftsatz vom 10.06.2022 von der Klägerin neu vorgelegten Unterlagen, Anlagen Bka 012, nichts ändern.
Der Vortrag der Beklagten zur Anrechnung einer Gebrauchtfahrzeuggarantie verfängt nicht. Kosten für die Garantie ergeben sich aus dem Anlagenkonvolut Pkw 12 nicht. Auf die obigen Ausführungen kann Bezug genommen werden.
Die Kosten für TÜV und Dekra/AU sind aus dem Kaufpreis nicht herauszurechnen. Es handelt sich hier nicht um gewöhnliche Unterhaltsleistungen während der Besitz- und Nutzungszeit durch den Zedenten, sondern um einen Bestandteil des Kaufpreises. Die Erwägungen des BGH im Urteil vom 16.11.2021, Az. VI ZR 291/20, treffen auf vorliegende Fallgestaltung nicht zu. Vielmehr sind diese Kosten mit Zulassungs- und Überführungskosten vergleichbar, die der BGH als ersatzfähige Anschaffungskosten ansieht, Urteil vom 16.11.2021, VI ZR 291/20, Rn. 10. Ohne TÜV und AU wäre die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs im Straßenverkehr im Zeitpunkt des Erwerbs nicht gegeben.
(8) Alle vom Senat vernommenen Zeugen bestätigten weiter glaubhaft und glaubwürdig, dass sie das jeweilige Fahrzeug nicht erworben hätten, wenn sie gewusst hätten, dass darin eine unzulässige Software verbaut ist und eine Betriebsstillegung oder Betriebsuntersagung des Fahrzeugs gedroht hätte. Dies entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Erwerber keinen Pkw gekauft hätte, wenn er um die unzulässige Software und die davon ausgehende Gefahr der Betriebsuntersagung gewusst hätte, vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az. VI ZR 252/19, Rn. 47 ff. Zum Zeitpunkt der hier vorliegenden Käufe hätte noch nicht die Möglichkeit bestanden, mittels des erst später entwickelten Softwareupdates die Manipulation am Motor zu beseitigen. Der Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt erfolgte erst später.
8. Die ausgeurteilten Ansprüche sind ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, mithin ab 19.01.2019, vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 13.06.2022, Seite 13, §§ 291, 288 Abs. 1 S.2, 187 Abs. 1 BGB.
Bei Pkw Nr. 6 geht der Senat von einem Kilometerstand am 19.01.2019 von etwa 225.286 km aus, so dass sich ein Erstattungsanspruch von etwa 3.472,50 € ergeben hätte, zzgl. Finanzierungskosten von 3.090,20 €. Der Verkauf erfolgte am 11.7.2019. Der Senat hat für die Zeit zwischen Rechtshängigkeit und Verkauf des Fahrzeugs eine Zinsstaffel gebildet, die dem Umstand Rechnung trägt, dass der Zedent die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Verkauf des Fahrzeugs vor Schluss der mündlichen Verhandlung gezogen hat, BGH, Urteil vom 30.07.2020, Az. VI ZR 397/19, Rn. 38). Maßgeblich ist danach, in welcher Höhe unter Berücksichtigung der anzurechnenden Nutzungsvorteile bei Eintritt der Rechtshängigkeit eine verzinsliche Hauptforderung bestand und wie sich diese im Lauf des Verfahrens angesichts der fortlaufenden Nutzung des Fahrzeugs entwickelte, BGH, Urteil vom 20.07.2020, Az. VI ZR 354/19, Rn. 23. Dabei hat der Senat ein gleichmäßiges Nutzungsverhalten zur Schätzung der Fahrleistung zugrunde gelegt. Diese lineare Entwicklung berücksichtigt der Senat in der Weise, dass für die dazwischen liegenden Zinszeiträume ein Mittelwert (hier für den Zeitraum 19.01.2019 bis 10.07.2019) errechnet wird.
Bei Pkw Nr. 7 geht der Senat von einem Kilometerstand von ca. 215.707 km am 19.01.2019 aus und damit von einem Erstattungsanspruch von 8.007,83 € und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung 1. Instanz von einem Anspruch in Höhe von 6.264,40 €. Auch hier hat der Senat eine Zinsstaffel gebildet und Mittelwerte errechnet (vgl. Erläuterungen bei Pkw Nr. 6).
Bei Pkw Nr. 9, der am 11.06.2019 in Zahlung gegeben worden ist, geht der Senat von einem geschätzten Kilometerstand von 175.301 km zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus, was einen Erstattungsanspruch vor der Inzahlunggabe von 4.647,72 € ergibt. Für den Zeitraum vom 19.01.2019 bis 10.06.2019 wurde ein Mittelwert angesetzt (vgl. Pkw Nr. 6).
Beim Pkw Nr. 11 wurde gemäß § 287 ZPO zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit ein Kilometerstand von 175.088 km geschätzt, was eine verzinsliche Hauptforderung zu diesem Zeitpunkt von 11.029,22 € (Erstattungsanspruch 9.213,30 € plus 1.815,92 € Finanzierungskosten) ergeben hätte. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz wird ein geschätzter Kilometerstand von 196.752 km zugrunde gelegt, was zu einer Forderung von 9.431,32 € geführt hätte (Erstattungsanspruch 7.615,40 € plus Finanzierungskosten). Für den Zeitpunkt einen Tag vor dem Verkauf des Fahrzeugs (21.05.2021) errechnet sich eine verzinsliche Hauptforderung von 8.232,90 €. Ausgehend von diesen Beträgen wurden jeweils Mittelwerte gebildet (vgl. Pkw Nr. 6).
Bezüglich Pkw Nr. 12 wurde jeweils ausgehend von einer verzinslichen Hauptforderung am 19.01.2019 von 7.794,84 € (km-Stand geschätzt 221.534 km) und einer Hauptforderung von 5.695,38 € am 29.05.2020 (geschätzter Kilometerstand von 242.668 km) ebenfalls eine Zinsstaffel mit den Mittelwerten gebildet (siehe oben, Pkw Nr. 6).
III.
1. Die Kostenentscheidung erster Instanz beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Dabei waren die erhobenen Forderungen von Deliktszinsen zu Lasten der Klagepartei zu berücksichtigen, BGH, Urteil vom 24.03.2022, Az. VII ZR 266/20, Rn.32. Für die erste Instanz ergibt sich ausgehend von den gestellten Anträgen zu den streitgegenständlichen Pkws ein Streitwert von 166.495,76 €. Unter Berücksichtigung der geltend gemachten Deliktszinsen vor Rechtshängigkeit der Klage, die der Senat gemäß dem Schriftsatz der Beklagten vom 13.06.2022, Seite 13, auf 18.01.2019 datiert, ein fiktiver Streitwert von 211.470,24 €. Bei einem nach § 287 ZPO geschätzten Kilometerstand von 277.304 km zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 29.05.2020 hätte die Klägerin bei Pkw Nr. 1 einen Erstattungsanspruch von 1.629,75 € gehabt. Beim Pkw Nr. 2, der am 22.02.2020 verkauft worden ist, hätte sich ein Erstattungsanspruch von 589,09 € ergeben, bei Pkw Nr. 3 unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 200.000 km ein Erstattungsanspruch von 3.225,92. Bei Pkw Nr. 4 wäre kein Anspruch gegeben gewesen (kein EA 189 Motor). Für Pkw Nr. 5 hätte sich in erster Instanz bei einem nach § 287 ZPO geschätzten Kilometerstand zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz von 283.211 km ein Erstattungsanspruch von 1.992,43 € inkl. Darlehenskosten ergeben. Für Pkw Nr. 6, der vom Zedenten bereits am 11.07.2019 und damit vor der mündlichen Verhandlung erster Instanz verkauft worden ist, errechnet sich ein Erstattungsanspruch von 2.119,34 €. Bei Pkw Nr. 7 schätzt der Senat den Kilometerstand des Fahrzeugs zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz auf 234.059 km, so dass sich ein Erstattungsanspruch von 6.264,40 € ergeben hätte. In Bezug auf Pkw Nr. 9, der bereits am 11.06.2019 in Zahlung gegeben worden ist, ist ein Erfolg für die Klägerin in Höhe von 263,49 € anzusetzen. Bei Pkw Nr. 11 schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO den Kilometerstand am 29.05.2020 auf 196.752 km und setzt damit für die Kostenentscheidung einen Erstattungsanspruch von 9.431,32 € an (Erstattungsanspruch 7.615,40 € zzgl Darlehenskosten 1.815,92 €). Bei Pkw Nr. 12 schließlich schätzt der Senat den Kilometerstand des Fahrzeugs auf 242.668 km zum Zeitpunkt 29.05.2020 und damit den Erstattungsanspruch auf etwa 5.695,38 €. Insgesamt geht der Senat damit von gerundet 31.212,00 € aus, die in erster Instanz hätten zugesprochen werden müssen. Daraus errechnet sich eine Kostenquote von 15% zu Lasten der Beklagten und 85% zu Lasten der Klägerin.
Die Kostenentscheidung zweiter Instanz beruht auf §§ 97, 92 Abs. 1 S. 1 und 516 Abs. 3 ZPO. Hier war in Bezug auf die Kostenentscheidung von einem fiktiven Streitwert von 188.794,77 € unter Berücksichtigung der zu Unrecht geforderten deliktischen Zinsen auszugehen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
3. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
a) Die maßgeblichen Grundsätze zur rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Fallgestaltung in Bezug auf die Frage der Aktivlegitimation der Klägerin im Rahmen des hier vorliegenden Inkassomodells wurden vom BGH bereits in der sog. A.B.-Entscheidung, Urteil vom 13.07.2021, Az. II ZR 84/20 und in der sog. LexFox-Entscheidung, Urteil vom 27.11.2019, Az. VIII ZR 285/18 geklärt. Auch der VIII. Senat des BGH hat in zahlreichen Urteilen zur Aktivlegitimation eines registrierten Inkassodienstleisters, der Ansprüche des Mieters aus der sog. Mietpreisbremse im Wege der Abtretung verfolgt, eine weite Auslegung des Inkassobegriffs gefordert, vgl. Versäumnisurteile vom 30.03.2022, Az. VIII ZR 358/20, VIII ZR 279/21 und VIII ZR 283/21, VIII ZR 256/21, Rn. 43, sowie Urteile vom 30.03.2022, Az. VIII ZR 277/21, Rn. 42, Az. VIII ZR 121/21, Rn. 39, Urteil vom 19.01.2022, Az. VIII ZR 124/21, Rn. 26 und 47 sowie Urteile vom 18.05.2022, VIII ZR 382/21, VIII ZR 380/21, VIII ZR 343/21, VIII ZR 365/21 und VIII ZR 365/21. Verwiesen wurde auf die bisherige Rechtsprechung (Urteile vom 27.11.2019, VIII ZR 285/18; 08.04.2020, VIII ZR 130/19; 06.05.2020, Az. VIII ZR 120/19 und vom 27.05.2020, Az. VIII ZR 31/19, VIII ZR 45/19). Zuletzt hat schließlich der vom Präsidium des Bundesgerichtshofs vorübergehend als Hilfsspruchkörper eingerichtete VIa. Zivilsenat laut Pressemitteilung vom 13.06.2022, Nr. 091/2022 mit Urteil vom 13.06.2022 entschieden, dass ein Inkassodienstleister sich wirksam Schadensersatzforderungen abtreten lassen kann, deren sich Schweizer Erwerber von Kraftfahrzeugen gegen die dort beklagte V.-AG berühmen. Inhaltlich ging es auch dort um die Abtretung von über 2.000 Einzelforderungen. Die ablehnenden Entscheidungen der Ausgangsgerichte (LG und OLG Braunschweig) wurden aufgehoben und die Sache zur Prüfung der inhaltlichen Berechtigung der Forderung des dortigen Zedenten zurückverwiesen.
Der Senat entscheidet vorliegend auch im Einklang mit der überwiegenden Mehrheit anderer Oberlandesgerichte, vgl. u.a. OLG Nürnberg, Urteil vom 20.10.2021, Az 12 U 1432/20, Anlage BKa004, OLG Stuttgart, Teilversäumnis- und Endurteil vom 15.10.2021, Az. 5 U 173/21, BeckRS 2021, 44028, OLG Celle, Beschluss vom 30.09.2021, Az. 16 U 421/21, BeckRS 2021, 43537, OLG Dresden, Teilversäumnis- und Endurteil vom 15.10.2021, Az. 9 a U 1889/20, BeckRS 2021, 44029, OLG München, Urteil vom 20.01.2022, Az. 14 U 4415/21, Anlage BKa005, OLG Dresden, Urteil vom 24.03.2022, Az. 18a 2568/21, Anlage Bka008. Allein das OLG Schleswig hat mit Urteil vom 11.01.2020, Az. 7 U 130/21, eine gegenteilige Auffassung vertreten.
b) Auch die maßgeblichen Rechtsfragen zur Haftung von Dieselfällen, insbesondere im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal der Sittenwidrigkeit i.S.v. § 826 BGB wie auch die Anforderungen an den Vortrag der Parteien sind mittlerweile höchstrichterlich geklärt (deutlich u.a.: BGH, Beschluss vom 29.09.2021, Az.: VII ZR 223/20, Rdnr. 8, vom 15.09.2021, VII ZR 2/21, Rdnr. 4, 24). Dies gilt auch in Bezug auf eine Haftung der Beklagten zu 1) bei Fahrzeugen ihrer Herstellung mit Motoren EA189 (BGH, Urteil vom 25.05.2020, Az.: VI ZR 252/19, vom 08.03.2021, Az.: VI ZR 505/19, Beschluss vom 15.09.2021, Az.: VII ZR 52/21, Urteil vom 16.09.2021, Az.: VII ZR 192/20, Urteilsserie vom 25.11.2021: Az.: VII ZR 238/20, VII ZR 243/20, VII ZR 257/20 und VII ZR 38/21, Urteil vom 21.12.2021, Az.: VI ZR 875/20, Beschluss vom 12.01.2022, Az.: VII ZR 256/20, vom 27.01.2022, Az.: III ZR 195/20, vom 09.02.2022, Az.: VII ZR 255/20 und Az.: VII ZR 26/21, Urteil vom 24.03.2022, Az.: VII ZR 266/20, vom 26.04.2022, Az.: VI ZR 965/20). Es ist Aufgabe der Instanzgerichte, diese Rechtsgrundsätze auf den jeweils vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Divergierende Ergebnisse aufgrund der Würdigung des jeweils vorgetragenen Sachverhalts in tatsächlicher Hinsicht begründen indes keine Divergenz i.S. des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO. Von einer Divergenz in diesem Sinne ist vielmehr nur dann auszugehen, wenn den Entscheidungen sich widersprechende abstrakte Rechtssätze zugrunde liegen (BGH, Beschluss vom 09.07.2007, Az.: II ZR 95/06, Rdnr. 2, deutlich: Beschluss vom 13.10.2021, Az.: VII ZR 99/21, Rdnr. 28).
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten im Schriftsatz vom 05.07.2022 stellen sich keine weiteren Fragen von grundsätzlicher Bedeutung i.S.d. § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO.
Hinsichtlich des von den Beklagten gerügten Verstoßes gegen § 78 ZPO wird auf die Ausführungen unter II. 2. dieses Urteils samt Rechtsprechungsnachweisen Bezug genommen.
Es bedarf weiter keiner höchstrichterlichen Klärung, ob Darlehenskosten dann nicht erstattungsfähig sind, wenn ein alternativer Fahrzeugerwerb und eine alternative Darlehensfinanzierung festgestellt worden sind, weil solche Feststellungen im Hinblick auf die Aussagen der gehörten Zeugen hier nicht getroffen werden konnten.
Ein abschließende höchstrichterliche Klärung der Frage, wann ein Erwerber eines vom Dieselabgasskandals betroffenen Fahrzeugs im Rahmen des Mitverschuldens nach § 254 BGB für einen Mindererlös bei der Weiterveräußerung des Pkws einzustehen hat, ist ebenfalls nicht notwendig. Der Bundesgerichtshof hat in der auch von den Beklagten zitierten Entscheidung, Urteil vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20, Rn. 29, bereits entschieden, dass der Verkaufserlös „marktgerecht“ sein muss. Damit ist die abstrakte Rechtsfrage geklärt, der konkrete Einzelfall ist anhand der jeweiligen Tatsachenfeststellungen zu lösen.
Schließlich bedarf es auch keiner Entscheidung des Bundesgerichtshofs darüber, ob Leistungsbestandteile, die nur anlässlich des Fahrzeugerwerbs bzw. der Finanzierung miterworben wurden ebenfalls ersatzfähig sind, und zwar auch dann, wenn diese bereits aufgebraucht worden sind. Der Bundesgerichtshof hat in den Entscheidungen, Urteile vom 30.07.2020, Az. VI ZR 354/19, Rn. 24, vom 19.01.2021, Az. VI ZR 8/20, Rn. 16, vom 16.11.2021, Az. VI ZR 291/20, Rn. 10, und vom 22.02.2022, Az. VI ZR 415/20, Rn. 12, immer wieder entschieden, dass vom Schadensersatzanspruch lediglich die Kosten nicht umfasst sind, die bei der gewöhnlichen Nutzung des Fahrzeugs angefallen sind (z.B. Inspektions- und Wartungskosten, Gebühren für die Hauptuntersuchung, Verbrauchsmaterialien, Kosten für den Austausch von Verschleißteilen, Reparaturkosten). Die von den Beklagten angeführten sog. Leistungsbestandteile sind vom zu ersetzenden negativen Interesse umfasst, weil die ungewollte Verbindlichkeit in diesem Umfang eingegangen worden ist. Im Übrigen wird zu den konkret hier getroffenen Feststellungen auf die Ausführungen bei Pkw Nr. 6 Bezug genommen.
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 40 GKG.


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