Europarecht

Folgen der Nichtdurchführung des persönlichen Gesprächs im Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  M 11 S 20.50051

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7954
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VO (EU) 604/2013
AsylG § 29, § 34a, § 83b

 

Leitsatz

Die Nichtdurchführung des persönlichen Gesprächs nach Art. 5 Abs. 1 S. 1 Dublin-III-Verordnung führt jedenfalls dann nicht zur Rechtswidrigkeit des Dublin-Bescheids, wenn die darin enthaltene Entscheidung auch bei Durchführung des Gesprächs nicht anders ausgefallen wäre. (Rn. 15 – 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen seine Überstellung nach Italien im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.
Der Antragsteller, nach eigenen Angaben Staatsangehöriger Sierre Leones, reiste nach seinen Angaben am 20. Oktober 2019 in das Bundesgebiet ein und äußerte ein Asylgesuch, von dem das Bundesamt für … (im Folgenden: Bundesamt) am 21. Oktober 2019 schriftlich Kenntnis erlangte.
Eine Eurodac-Abfrage am 21. Oktober 2019 ergab einen Eurodac-Treffer der „Kategorie 1“, wonach der Antragsteller am 26. September 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Italien gestellt hat.
Bei seiner Befragung durch die Regierung von Oberbayern (Zentrale Ausländerbehörde Oberbayern – ZAB) am 5. November 2019 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, dass er über Italien und Frankreich (Transit) nach Deutschland gereist sei. In Italien habe er sich nach seiner Ankunft ca. 2 Jahre aufgehalten und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der abgelehnt worden sei. Nach 6 Monaten in einem Camp auf Sardinien habe er dieses verlassen müssen und dann in Napoli auf der Straße gelebt. Mit dem Bus sei er dann über Frankreich nach Deutschland gereist.
Eine Befragung oder Anhörung des Antragstellers durch das Bundesamt fand nicht statt. In der Akte finden sich zwei Aufforderungen zur Asylantragstellung für den 20. November 2019 und den 15. Januar 2020 sowie eine Ladung zur Aktenanlage für den 7. Januar 2020. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf diese Schreiben Bezug genommen.
Das Bundesamt richtete am 10. Dezember 2019 ein Wiederaufnahmegesuch nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der VO (EU) Nr. 604/2013 an Italien, dem die italienischen Behörden mit Schreiben vom … 2019 unter Bezugnahme auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) der VO (EU) Nr. 604/2013 zustimmten.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2020, zur Post gegeben am 15. Januar 2020, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 2), ordnete die Abschiebung nach Italien an (Nr. 3) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 4). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 16. Januar 2020 (Bl. 86 d.BA) bat der Antragsteller um einen neuen Termin zur Aktenanlage.
Am 27. Januar 2020 hat der Antragsteller zur Niederschrift beim Verwaltungsgericht München Klage gegen den Bescheid erhoben (M 11 K 20.50050) und zugleich beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung anzuordnen.
Zur Begründung nahm der Antragsteller auf seine Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug und führte ergänzend aus, dass die Lebensverhältnisse in Italien sehr schlecht seien und ihm bei einer Rückkehr sicher weder Unterkunft noch Verpflegung zur Verfügung stünden.
Das Bundesamt hat sich im Gerichtsverfahren bislang nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte des Bundesamts in diesem Verfahren und im Verfahren der Hauptsache Bezug genommen.
II.
Der nach § 34 a Abs. 2 Satz 1 und § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 VwGO zulässige und insbesondere noch fristgerecht erhobene Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da sich der streitgegenständliche Bescheid bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung als voraussichtlich rechtmäßig erweist. Das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung überwiegt daher das Interesse des Antragstellers, vorläufig im Bundesgebiet bleiben zu dürfen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Asylgesetz – AsylG).
1. Zunächst führt die Nichtdurchführung des persönlichen Gesprächs nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 v. 29.06.2013, S. 31) – im Folgenden: Dublin III-VO – voraussichtlich nicht zur Rechtswidrigkeit des auf § 29 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG gestützten Bescheids.
Nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO führt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat ein persönliches Gespräch mit dem Antragsteller, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern. Dieses Gespräch soll auch das richtige Verständnis der dem Antragsteller nach Art. 4 Dublin III-VO bereitgestellten Informationen ermöglichen (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO). Nach Art. 5 Abs. 3 Dublin III-VO wird das persönliche Gespräch zeitnah geführt, in jedem Fall aber, bevor über die Überstellung des Antragstellers in den nach Art. 26 Abs. 1 Dublin III-VO zuständigen Mitgliedstaats ergeht.
Die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Anhörung sind in der Dublin III-VO nicht ausdrücklich geregelt. Teils wird vertreten, dass ein formeller Fehler generell zur Rechtswidrigkeit des Dublin-Bescheids führe (vgl. VG Berlin, U.v. 22.2.2018 – 28 K 152.17 A – juris Rn. 23 ff). Andere Gerichte haben demgegenüber schon früh auf die Rechtsprechung des EuGH in Zusammenhang mit Verletzungen des unionsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör verwiesen (vgl. VG Cottbus, B.v. 11.10.2016 – 5 L 387/16.A – juris Rn. 9 ff.). Danach ist eine Verletzung des unionsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör nur dann von verfahrensrechtlicher Relevanz, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. EuGH, U.v. 10.9.2013 – C-383/13 – Rn. 38 m.w.N.). Dass die Dublin III-VO über diese allgemeine Fehlerfolge beim Gehörsverstoß hinausgehe und die bloß abstrakte Rüge eines Verstoßes gegen Art. 5 der Dublin III-VO für die Aufhebbarkeit genügen lasse, finde weder in den Erwägungsgründen (Erwägungsgrund 18) noch im Wortlaut eine Stütze. Die Vorschrift des Art. 5 Dublin III-VO solle in erster Linie das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats unterstützen (vgl. VG Cottbus, B.v. 11.10.2016 – a.a.O. – juris Rn. 10). Das Bundesverfassungsgericht hat sich hierzu in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2017 nicht abschließend geäußert, jedoch ausgeführt, dass manches dafür spreche, dass das persönliche Gespräch mit dem Asylbewerber für die Frage der Rechtmäßigkeit des Bescheids beachtlich sei. Denn in einem solchen Gespräch könnten sowohl die Voraussetzungen für vorrangige Zuständigkeitsgründe nach Art. 8 ff. Dublin III-VO als auch für eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Dublin III-VO geklärt werden (BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 20). Mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur beschränkten Prüfungstiefe in Wiederaufnahmeverfahren (EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – juris) konnte sich das Bundesverfassungsgericht dabei noch nicht auseinandersetzen. Zur Frage der Anwendbarkeit des § 46 VwVfG verweist das Bundesverfassungsgericht darauf, dass die Frage aufgeworfen sei, inwieweit Art. 5 Dublin III-VO mit der in Absatz 2 enthaltenen Normierung von Fallgruppen, in denen von dem Gespräch abgesehen werden dürfe, eine spezielle und insoweit abschließende Regelung des Verfahrens darstelle (BVerfG, B.v. 17.1.2017 – 2 BvR 2013/16 – juris Rn. 20).
In einer Entscheidung vom 22. Mai 2019 (11 A 330/19.A – juris m.w.N.) hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen die Rechtsfolgen einer fehlerhaften Information sowie die Folgen von Verfahrensfehlern in Zusammenhang mit dem persönlichen Gespräch unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH als geklärt angesehen (OVG NRW, B.v. 22.5.2019 – 11 A 330/19.A – juris m.w.N.). Es führt hierzu mit überzeugender Argumentation aus, dass die unzureichende Information eines Antragstellers wie auch Mängel bei der Durchführung des persönlichen Gesprächs im Dublin-Verfahren nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit der nachfolgenden Verwaltungsentscheidung führen, sondern nur dann, wenn sie sich auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt haben. Um die praktische Wirksamkeit der zu seinen Gunsten ergangenen unionsrechtlichen Bestimmungen sicherzustellen, dürfe dem Antragsteller die Beweislast für diesen Kausalzusammenhang jedoch nicht aufgebürdet werden. Umgekehrt dürfe die praktische Wirksamkeit der Dublin III-VO, durch die ein Gemeinsames Europäisches Asylsystem verwirklicht und in diesem Zusammenhang vor allem eine wirksame Rückkehr- und Rückübernahmepolitik gewährleistet werden solle, nicht dadurch beeinträchtigt werden, dass Fehler, die das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst hätten, zu ihrer Rechtswidrigkeit führen würden mit der Folge der Begründung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats, der nach den Zuständigkeitsregeln der Verordnung nicht zuständig sei. Es sei daher im Einzelfall Sache des Gerichts, unter Berücksichtigung der Schwere des geltend gemachten Fehlers und des gesamten Akteninhalts zu beurteilen, ob die angegriffene Entscheidung ohne den vom Antragsteller geltend gemachten Fehler nicht anders ausgefallen wäre.
Dies zugrunde gelegt, spricht nach Auffassung des Gerichts vieles dafür, dass der Entscheidung über die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats jedenfalls in formell-rechtlicher Hinsicht nicht entgegen gehalten werden kann, wenn ein persönliches Gespräch deshalb unterbleibt, weil ein Antragsteller trotz ordnungsgemäßer Ladung zu dem Termin unentschuldigt nicht erscheint (vgl. auch VG München, B.v.23.7.2018 – M 3 S 18.51683; VG Berlin, a.a.O., juris Rn. 22). Andernfalls hätte es der Antragsteller in der Hand, durch sein bewusstes Fernbleiben eine Entscheidung über die Überstellung hinauszuzögern oder gar zu verhindern. Dies lässt sich mit dem Ziel der Dublin III-VO, eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu ermöglichen (vgl. Erwägungsgrund 5) offensichtlich nicht vereinbaren.
Vorliegend ist der Antragsteller am 24. Oktober 2019 schriftlich aufgefordert worden, im Rahmen eines Termins am 20. November 2019 persönlich bei der Außenstelle des Bundesamts seinen Asylantrag zu stellen. Es wurde darauf hingewiesen, dass er im Rahmen einer Anhörung Gelegenheit erhalte, seinen Asylantrag zu begründen. Der Antragsteller wurde weiter darüber belehrt, dass er den Termin unbedingt wahrnehmen oder die Außenstelle des Bundesamts oder die Aufnahmeeinrichtung unverzüglich benachrichtigen solle, wenn er den Termin nicht wahrnehmen könne. Wenn er den Asylantrag nicht persönlich zu dem oben genannten Termin bei der Außenstelle des Bundesamtes stelle, gelte das Asylgesuch als zurückgenommen und es werde kein Asylverfahren durchgeführt. Ausweislich seiner Unterschrift wurde dem Antragsteller das entsprechende Formblatt ins Englische rückübersetzt und ausgehändigt. Weitere Informationen oder Vermerke zum Termin am 24. Oktober 2019 enthält die Akte nicht. Vielmehr wurde dem Antragsteller am 5. Dezember 2019 eine gleichlautende Aufforderung für einen Termin am 15. Januar 2020 rückübersetzt und ausgehändigt. Daneben erhielt der Antragsteller mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 eine Ladung zur Aktenanlage für den 7. Januar 2020, die ihm am 18. Dezember 2019 zugestellt wurde.
Im Rahmen der summarischen Prüfung erscheint sehr zweifelhaft, ob in diesen Schreiben eine ordnungsgemäße Ladung bzw. eine den Vorgaben der Dublin III-VO entsprechende Information nach Art. 4 Dublin III-VO (vgl. gemeinsames Merkblatt) gesehen werden kann. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss vom 22. Mai 2019 (a.a.O – juris Rn. 18 ff.) ausgeführt, dass eine Information, die hinter den Anforderungen des Art. 4 Dublin III-VO zurückbleibt, unzureichend ist. Auf das Prozedere der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates wird in den o.g. Schreiben und Belehrungen mit keinem Wort eingegangen. Maßgeblich abgestellt wird auf die förmliche Antragstellung bzw. die Aktenanlage. Insoweit ist klarzustellen, dass ein Antrag auf internationalen Schutz nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als gestellt gilt, wenn der mit der Durchführung der sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen betrauten Behörde ein Schriftstück zugegangen ist, dass von einer Behörde erstellt wurde und bescheinigt, dass ein Drittstaatsangehöriger internationalen Schutz ersucht hat (EuGH, U.v. 26.7.2017 – C-670/16 – juris). An anderer Stelle der Akte (vgl. Bl. 14 d.BA) wie auch im Wiederaufnahmeersuchen wird dementsprechend richtigerweise von einer Antragstellung am 21. Oktober 2019 ausgegangen.
Obwohl den Vorgaben des Art. 4 und Art. 5 Dublin III-VO seitens des Bundesamts damit voraussichtlich nicht hinreichend Rechnung getragen wurde – insbesondere fehlt es auch an den Tatbestandsvoraussetzungen eines Verzichts für das persönliche Gespräch nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. b Dublin III-VO – ist dem Gericht vorliegend nicht ersichtlich, dass sich das unterbliebene persönliche Gespräch auf die vom Bundesamt getroffene Entscheidung zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ausgewirkt haben kann bzw. die Durchführung eines Gesprächs zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.
So hat der Antragsteller im Rahmen seiner Befragung durch die zentrale Ausländerbehörde Oberbayern (ZAB) insbesondere Angaben zum Reiseweg, seinem Aufenthalt in Italien, dem dortigen Asylverfahren und dem Nichtvorhandensein von Angehörigen in Deutschland/ Europa gemacht, die in Zusammenschau mit dem vorliegenden EURODAC-Treffer und der Zustimmungserklärung Italiens keinen Zweifel daran lassen, dass es sich bei Italien um den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedsstaat handelt (s. dazu unten). Soweit der Antragsteller im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens darauf verwiesen hat, dass er nicht nach Italien zurückkehren wolle, weil die Lebensverhältnisse dort sehr schlecht seien und er keine Unterkunft und Verpflegung erhalten werde, wurde in der Sache das Vorliegen „systemischer Mängel“ des Asylsystems in Italien geltend gemacht (s. dazu unten), was das Bundesamt von Amts wegen aufgrund aktueller Erkenntnismittel geprüft und im streitgegenständlichen Bescheid bereits berücksichtigt hat.
2. Nach summarischer Prüfung bestehen auch keine materiell-rechtlichen Bedenken gegen den die Abschiebungsanordnung. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung des Ausländers in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) an, sobald feststeht, dass diese durchgeführt werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
2.1 Die Antragsgegnerin ist zutreffend davon ausgegangen, dass Italien der zuständige Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers ist.
Ausgehend von den Eurodac-Daten und dem Vortrag des Antragstellers und der Zustimmungserklärung Italiens ist vorliegend Italien für die Prüfung des Asylantrags i.S.v. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG zuständig. Im Wiederaufnahmeverfahren ist der zuständige Staat – anders als im Aufnahmeverfahren nicht nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO zu bestimmen. Die Prüfung beschränkt sich viel-mehr im Grundsatz darauf, ob der andere Mitgliedstaat nach Art. 20 Abs. 5 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) bis d) Dublin III-VO dazu verpflichtet ist, den Antragsteller wiederaufzunehmen (vgl. EuGH, U.v. 2.4.2019 – C-582/17, C-583/17 – juris Rn. 58 ff.). Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Antragsteller bereits einen Asylantrag in Italien gestellt hat, der abgelehnt wurde. Letzteres ergibt sich insbesondere aus der Zustimmung Italiens, die auf die Regelung des Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO gestützt wurde.
Das Wiederaufnahmeverfahren wurde korrekt durchgeführt. Insbesondere trat kein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 3 Dublin III-VO ein, weil das Wiederaufnahmegesuch fristgerecht innerhalb von zwei Monaten nach der Antragstellung und Eurodac-Treffermeldung erfolgte. Die italienischen Behörden sind daher gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. d) Dublin III-VO innerhalb der offenen sechsmonatigen Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller wieder aufzunehmen.
2.2 Besondere Umstände, die die ausnahmsweise Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO begründen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann der Antragsteller seiner Überstellung nach Italien nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Italien systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EU-Grundrechtscharta) mit sich bringen, sodass eine Überstellung nach Italien unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Dublin III-VO).
Dabei ist unerheblich, ob es zum Zeitpunkt der Überstellung, während des Asylverfahrens oder nach dessen Abschluss dazu kommt, dass die betreffende Person aufgrund ihrer Überstellung an den zuständigen Mitgliedsstaat einem ernsthaften Risiko ausgesetzt wäre, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren; auch gravierend defizitäre Lebensbedingungen für anerkannte Schutzberechtigte können daher je nach den Umständen des Einzelfalles einer Abschiebung entgegenstehen und zu einem Übergang der Zuständigkeit führen (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 76 ff.).
Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Antragsteller bzw. international Schutzberechtigten in jedem einzelnen Mitgliedstaat den Vorschriften der EU-Grundrechtscharta wie auch der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) entspricht. Diese Vermutung ist nicht unwiderleglich. Die nationalen Behörden und Gerichte sind aber nur bei Vorliegen von Anhaltspunkten, die auf ein ernsthaftes Risiko von Verstößen gegen Art. 4 EU-Grundrechtecharta hindeuten, verpflichtet, auf der Grundlage objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Hinblick auf den durch das Unionsrecht gewährleisteten Schutzstandard der Grundrechte zu würdigen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen. Die Vermutung ist dabei nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt (vgl. BVerwG v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris). Die hohe Schwelle der Erheblichkeit nach Art. 4 EU-Grundrechtecharte kann nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofs erreicht sein, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden eines Mitgliedstaats zur Folge hätte, dass eine vollständig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person sich unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befände, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre. Diese Schwelle ist daher selbst in durch große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betreffenden Person gekennzeichneten Situationen nicht erreicht, sofern diese nicht mit extremer materieller Not verbunden sind, aufgrund deren sich diese Person in einer solch schwerwiegenden Lage befindet, dass sie einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-163/17 – juris Rn. 89 ff.).
Ausgehend von diesen Maßstäben ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. des nach Inhalt und Tragweite gleichbedeutenden Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Das Gericht schließt sich insoweit der Bewertung des umfangreichen aktuellen Erkenntnismaterials in der ganz überwiegenden verwaltungsgerichtlichen, auch obergerichtlichen Rechtsprechung an (vgl. ausführlich etwa VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19; OVG Lüneburg, B.v. 21.12.2018, 28.5.2018 und 4.4.2018 – 10 LB 201/18, 10 LB 202/18 und 10 LB 96/17; OVG NRW, B.v. 7.1.2019 – 13 A 888/18.A; VG Düsseldorf, GB v.27.1.2020 – 22 K 13275/17.A – jew juris; VG München, B.v. 18.12.2019 – M 22 S 19.51059) und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Bescheids (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Zusammenfassend ist festzustellen, dass Italien über ein im Wesentlichen richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches auch unter Würdigung der vor Ort tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass ein rücküberstellter Asylbewerber nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen i. S. d. Art. 4 EU-Grundrechtscharta bzw. Art. 3 EMRK rechnen muss. Die durchaus vorhandenen und keineswegs nur geringfügigen Defizite und Unzulänglichkeiten der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in Italien stellen sich danach im Ergebnis jedenfalls für den Regelfall als nicht so gravierend dar, dass ihre Folgen für die Betroffenen beachtlich wahrscheinlich die Gefahr einer Verletzung von Art. 4 EU-Grundrechtecharta mit sich brächten. Zwar kann in Bezug auf besonders schutzbedürftige bzw. besonders vulnerable Antragsteller ein anderer Schutzstandard veranlasst sein, dies gilt indes nicht für den Antragsteller.
Nach summarischer Prüfung sind vorliegend keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Antragsteller als alleinstehender, gesunder und arbeitsfähiger junger Mann im Falle einer Überstellung nach Italien infolge systemischer Schwachstellen des dortigen Asylverfahrens oder der dortigen Aufnahmebedingungen einer hinreichend wahrscheinlichen Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 EU-Grundrechtscharta ausgesetzt wäre.
Nichts anderes folgt aus dem Urteil des EGMR vom 4. November 2014 im Verfahren Tarakhel ./. Schweiz – Nr. 29217/12 – (NVwZ 2014, 127), da sich daraus lediglich eine Einschränkung für die Abschiebung von Familien mit Kleinkindern nach Italien ergibt. Gleiches gilt für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2019 (2 BvR 1380/29 – juris). Hintergrund dieser Entscheidungen ist die besondere Schutzbedürftigkeit von Familien mit (Klein-)Kindern, deren Unterbringungssituation seit Ende 2018 infolge des Salvini-Dekrets erneut unklar geworden ist, sodass das BVerG Veranlassung zur Einholung konkret-individueller Zusicherungen Italiens sah. Der Antragsteller kann hieraus für sich nichts herleiten.
Auch aktuelle Berichte (vgl. etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Reception conditions in Italy, Januar 2020, abrufbar unter https://www…ch/…pdf) bieten keinen Anlass zu einer anderen Einschätzung in Bezug auf nicht vulnerable Personen. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe spricht sich auf der Grundlage ihrer Feststellungen zwar dafür aus, von Überstellungen vulnerabler Asylsuchender nach Italien Abstand zu nehmen bzw. individuelle Garantieerklärungen von den italienischen Behörden einzuholen, dass die Aufnahmebedingungen vulnerabler Asylsuchender den völker- und unionrechtlichen Anforderungen entsprechen. In Bezug auf nicht vulnerable Personen empfiehlt die SFH hingegen lediglich eine detaillierte, individuelle Klärung der Aufnahmebedingungen, die die betreffende Person in Italien erwartet (vgl. SFH, Reception conditions in Italy, a.a.O., S. 19.)
Anerkannt Schutzberechtigte, die sich in Italien eine Existenz aufbauen müssen, stehen ausweislich des Erkenntnismaterials zwar unbestreitbar vor erheblichen Herausforderungen, da sie nach ihrer Anerkennung und dem Auszug aus einer Aufnahmeeinrichtung für den Regelfall – sowohl was die Wohnungsversorgung wie auch die Bestreitung des Lebensunterhalts angeht, wenn sie über keine ausreichenden Einkünfte verfügen – nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen rechnen können und auf sich allein gestellt sind. Dieser Befund rechtfertigt aber nicht bereits die Annahme einer beachtlich wahrscheinlichen Gefahr der Verletzung von Art. 4 EU-Grundrechtecharta – jedenfalls nicht im Hinblick auf nicht besonders vulnerable Antragsteller/ Schutzberechtigte (vgl. VGH BW, U.v. 29.7.2019 – A 4 S 749/19 – juris). Wie ausgeführt, ist die zu fordernde Erheblichkeitsschwelle im Hinblick auf Defizite der soziökonomischen Randbedingungen erst erreicht, wenn die Gleichgültigkeit der Behörden zur Folge hätte, dass eine völlig von öffentlicher Unterstützung abhängige Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen sich in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen oder sie hierdurch in einen Zustand der Verelendung gerät, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre.
Dass der Antragsteller – für den Fall seiner Anerkennung als Schutzberechtigter in Italien – bei einem Verbleib im Lande mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sich mit solchen Lebensbedingungen konfrontiert sähe, kann angesichts der vorliegenden Informationen, insbesondere mit Blick darauf, dass der überwiegende Teil der in Italien lebenden Ausländer durchaus in der Lage ist, ein Auskommen zu finden – auch wenn die Lebensbedingungen der Betroffenen sich weit überwiegend als prekär darstellen dürften – nicht angenommen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Antragsteller im Falle seiner Anerkennung durchaus eine realistische Chance hätte, sich in Italien eine Existenz aufzubauen. Das gleichwohl nicht auszuschließende Risiko, dass er für den Fall seiner Rückkehr nach Italien und des Verbleibs im Land künftig in eine Situation geraten könnte, die für die Prüfung des Art. 4 EU-Grundrechtecharta relevant wäre, stellt sich jedenfalls nicht als in einem Maße wahrscheinlich dar, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Rahmen des Dublin-Verfahrens hieraus folgend ein entsprechendes Abschiebungsverbot angenommen werden könnte. Hinzuweisen ist auch auf die Möglichkeit eines etwaigen Nachsuchens um Rechtsschutz gegenüber den italienischen Gerichten.
Schließlich ist nicht ersichtlich, dass die Regelungen bzw. die Praxis hinsichtlich des Umgangs mit Antragstellern, deren Anträge bestandskräftig abgelehnt wurden, durch die italienischen Behörden, soweit es um die Vorbereitung einer Rückführung in den Heimatstaat oder einen sonst aufnahmebereiten Staat geht, eine Verletzung von Art. 4 EU-Grundrechtecharta befürchten ließe, wobei auch insoweit auf die Möglichkeit eines etwaigen Nachsuchens um Rechtsschutz gegenüber den italienischen Gerichten hinzuweisen ist.
2.3 Individuelle, außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO notwendig machen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Abschiebung stehen zudem weder zielstaatsbezogene noch inlandsbezogene Abschiebungshindernisse entgegen, sodass die Abschiebung auch im Sinne des § 34a AsylG durchgeführt werden kann. Persönliche Abschiebungshindernisse, die über die allgemeinen Verhältnisse für Asylbewerber in Italien hinausgehen, hat der Antragsteller nicht geltend gemacht.
Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben.
Der Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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