Europarecht

GLP-Bescheinigung, Antrag des Antragsgegners, Einstweilige Anordnung, Verwaltungsgerichte, Verwaltungsvorschriften, Compliance, GLP-Erklärungen, Gute Laborpraxis, Antragstellers, Öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch, Grundsätze der guten Laborpraxis, Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis, Mitgliedstaaten, Behördenakten, Behördenverfahren, Chemikaliengesetz, Berufsausübung, Befähigung zum Richteramt, Richtlinienkonforme Auslegung, Vorbeugender Rechtsschutz

Aktenzeichen  AN 14 E 20.01380

Datum:
3.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 1449
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 12
ChemG § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 1
ChemG § 22 Abs. 3 i.V.m. § 21 Abs. 2a Nr. 2
RL 2004/9/EG Art. 5 Abs. 2
VwGO i.V.m. § 123 Abs. 3
ZPO § 926

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Juli 2020 angekündigte Meldung an die GLP-Bundesstelle beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bis zur Rechtskraft der Entscheidung über eine von der Antragstellerin noch zu erhebende Hauptsacheklage zu unterlassen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
3. Die Antragstellerin hat innerhalb von einem Monat ab Zustellung dieses Beschlusses beim Gericht der Hauptsache Klage zu erheben. Für den Fall, dass der Antragsgegner gegen Ziff. 1 in Beschwerde geht und der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde zurückweist oder verwirft beginnt die Frist mit der Zustellung der Beschwerdeentscheidung an die Antragstellerin. Nach erfolglosem Verstreichen der Frist wird die Anordnung aufgehoben, wenn der Antragsgegner dies beantragt.
4. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
5. Der Streitwert wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin will im Wege einer einstweiligen Anordnung verhindern, dass der Antragsgegner der beim Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) angesiedelten GLP-Bundesstelle mitteilt, dass sie in schwerwiegendem Maße gegen die Vorschriften der Guten Laborpraxis (GLP – Good Laboratory Practice) verstoßen hat („notification of serious GLP non compliance“).
Die Antragstellerin erbringt analytische Labordienstleistungen, unter anderem im Bereich der Biotechnologie. Die Antragstellerin firmierte früher unter der Bezeichnung M. … GmbH (im Folgenden: M. …). Ein Teil der Geschäftstätigkeiten der M. … wurde zusammen mit vergleichbaren Geschäftsfeldern einer anderen Tochterfirma des … Konzerns unter dieser anderen Tochterfirma mit dem neuen Namen S. … GmbH (im Folgenden: S. … GmbH) zusammengefasst. Die S. … GmbH wurde am 18. Januar 2019 unter diesem Namen im Handelsregister des Amtsgerichts …eingetragen. Am 14. Januar 2019 hat die Gesellschafterversammlung der M. … die Änderung der Firma in den jetzigen Namen der Antragstellerin beschlossen.
Mit Schreiben vom 11. Januar 2019 informierte die M. … das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des Antragsgegners (LGL), dass die beiden Abteilungen, welche die GLPpflichtigen Tätigkeiten, durchführten in die S. … GmbH überführt würden. Es wurde versichert, dass keine Änderung bei den operativen Prozessen etc. erfolge. In der E-Mail, mit der dieses Schreiben an das LGL übersandt worden war, wurde daneben ausgeführt, dass die Restrukturierung zum 1. Februar 2018 (gemeint offenbar: 2019) „rechtskräftig“ werden sollte. Der S. … GmbH wurde vom LGL am 11. Februar 2019 eine GLP-Bescheinigung basierend auf der letzten GLP-Inspektion der M. … vom 3. August 2017 erteilt. Die GLP-Bescheinigung der M. … mit Ausstellungsdatum 26. April 2018 wurde nach Rückgabe an das LGL am 28. Februar 2019 als ungültig gekennzeichnet und zum dortigen Papierakt genommen.
Auf eine E-Mail vom 17. Januar 2019, in der die Antragstellerin fragte, welche Gesellschaft bis zum Erhalt der neuen Bescheinigung auf den GLP-Prüfberichten genannt werden müsse antwortete das LGL mit E-Mail vom gleichen Tag, dass nur die M. … genannt werden könne. Alle anderen Einrichtungen seien ja noch nicht bekannt. Mit E-Mail vom 25. Februar 2019 stellte das LGL gegenüber der Antragstellerin klar, dass die ausgestellte GLP-Bescheinigung nur für die S. … GmbH gelte.
Am 27. Februar 2020 stellte die S. … GmbH einen Antrag auf eine wiederkehrende Inspektion, in die die Antragstellerin „miteingeschlossen“ werden sollte. Das LGL teilte daraufhin mit, dass es nur eine GLP-Bescheinigung pro Rechtsträger, d. h. für jede einzelne GmbH geben könne und die Antragstellerin dem LGL bisher nicht bekannt gemacht worden sei. Daraufhin gingen am 5. März 2020 zwei separate Anträge für die S. … GmbH und die Antragstellerin per E-Mail beim LGL ein.
Das LGL behandelte den Antrag der Antragstellerin als Erstantrag. Bei der Prüfung der von der Antragstellerin übersandten Unterlagen stellte das LGL fest, dass diese in ihrem „Master Schedule“ (Verzeichnis mit Status aller Prüfungen, vgl. Ziff. 2.2 (10) des Anhang 1 zum ChemG) mehrere durchgeführte und archivierte Prüfungen als GLP-Prüfungen bezeichnet habe. Daraufhin teilte das LGL der Antragstellerin mit E-Mail vom 23. Juni 2020 mit, dass es die Ausstellung des „GLP Compliance Statement“ im Bericht der durchgeführten Prüfung Nummer … als ein Vergehen im Sinne des § 27a Abs. 1 Chemikaliengesetz (ChemG) bewertet. Es sei beabsichtigt, eine Meldung über eine „GLP non compliance“ für alle im Master Schedule aufgeführten abgeschlossenen und archivierten GLP Studien der Antragstellerin an die GLP-Bundesstelle mit Bitte um Weiterleitung an die OECD zu veranlassen.
Hiergegen beantragte (unter anderem) die Antragstellerin mit Telefax vom 26. Juni 2020 den Erlass einer diese Mitteilung verhindernden einstweiligen Anordnung (AN 14 E 20.1223). Über diesen Antrag hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 29. Juni 2020, auf den hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen wird, entschieden.
Im Anschluss daran forderte das LGL entsprechend dem Beschluss des Verwaltungsgerichts weitere Unterlagen von der Antragstellerin an. Bezüglich des angeforderten Spaltungs- und Übergabevertrags bzw. Spaltungsplans teilte die Antragstellerin mit, dass es einen solchen nicht gebe. Daneben wurden die Prüfberichte zu 23 in einzelnen genannten Prüfungen angefordert und vorgelegt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2020 kündigte das LGL erneut eine Meldung an das BfR bezüglich der im einzelnen genannten 23 Prüfungen/Studien an. Keine der streitgegenständlichen 23 Prüferklärungen sei von einer GLP-Bescheinigung abgedeckt. Der Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt eine GLP-Bescheinigung ausgestellt worden. Ihre Rechtsvorgängerin habe zwar bis Februar 2019 eine GLP-Bescheinigung gehabt, diese habe aber nur Sequenzierung und keine Quantifizierung von DNA umfasst. Eine GLP-Bescheinigung gehe nicht automatisch und ohne Mitwirkung der GLP-Stelle auf einen Rechtsnachfolger über. Ein Rechtsnachfolger habe daher erst mit Erteilung einer eigenen GLP-Bescheinigung, die auf seinen Namen ausgestellt sei, durch die GLP-Stelle den Status einer GLP-Prüfeinrichtung oder eines GLP-Prüfstandorts. Bezüglich der vorgelegten Unterlagen zu insgesamt 23 durchgeführten Prüfungen stellte das LGL fest, dass von April 2018 bis Februar 2019 14 Prüfungen von der M. … durchgeführt worden seien. Ab März 2019 seien 9 Prüfungen von der Antragstellerin durchgeführt worden. In allen Abschlussberichten der Prüfungen würden GLP-Erklärungen (GLP Compliance Statement) abgegeben, die den Anschein erweckten, dass es sich um reguläre GLP-Prüfungen einer diesbezüglich überwachten GLP-Einrichtung handele. Bei allen Prüfungen handele es sich ausschließlich um Quantifizierung und Nachweise von E.coli DNA in Plasmid-DNA-Extrakt-Proben mittels quantitativer Echtzeit Polymerase Kettenreaktion. Keine dieser 23 Quantifizierungsprüfungen sei von einer GLP-Bescheinigung abgedeckt. Rechtsgrundlage der Mitteilung sei Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG. Das LGL sei daher verpflichtet und befugt, an das BfR zu melden, dass es sich bei diesen Prüfungen nicht um GLPkonforme Prüfungen einer überwachten GLP-Prüfeinrichtung bzw. um unwahre GLP-Erklärungen handele, damit das BfR die OECD unterrichten könne. Die Meldung erfolge, wenn nicht bis zum 16. Juli 2020 um 10:00 Uhr ein Antrag nach § 123 VwGO beim VG Ansbach gestellt sei. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Schreibens Bezug genommen.
Mit Fax vom 16. Juli 2020, das um 9:08 Uhr beim VG Ansbach einging, stellte die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten den vorliegenden Antrag nach § 123 VwGO. Sie beantragt,
Dem Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgegeben, es bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR zu unterlassen,
a) eine Meldung über GLP non compliances für Studien der M. …GmbH bzw. der Fa. …GmbH für die B. … AG (…) an die GLP-Bundesstelle mit der Bitte um Weiterleitung an die OECD zu versenden oder über ein derartiges Vorhaben Dritte zu informieren,
insbesondere mit dem Wortlaut wie in Anlage 1 des Schreibens des Antragsgegners vom 14.07.2020 „OECD Template for non compliance – …pdf“ mit der Meldung
„The GLP compliance statements in the study reports purports pretend that the company … GmbH or the former company M. …GmbH are a part of the national German authorities GLP monitoring programm and have a valid Statement of GLP Compliance regarding the performed tests. However, that is not true.“
oder mit sinngemäß ähnlichem Wortlaut;
und/oder
b) eine Meldung über GLP non compliance für Studien der M. … GmbH bzw. der Fa. …GmbH an die GLP-Bundesstelle mit der Bitte um Weiterleitung an die OECD zu versenden oder über ein derartiges Vorhaben Dritte zu informieren mit der Begründung, die Fa. M. …GmbH bzw. die … GmbH
(i) dürfe Studien nicht als „GLP konform“ oder ähnlich bezeichnen und/oder
(ii) müsse Studien als „non-GLP“ bezeichnen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, dass die beabsichtigte Meldung bei Behörden in allen OECD-Staaten den Eindruck erwecken würde, dass die Antragstellerin Prüfungen nicht gemäß GLP-Standards durchführe. Dieser Eindruck sei aber falsch. Er sei auch vom Antragsgegner nicht festgestellt worden. Die angekündigte Maßnahme verletze die Antragstellerin gleich unter mehrfachen Gesichtspunkten in ihren Rechten. Der Antragsgegner vertrete offenbar die Auffassung, dass ein Prüfbericht nur dann als „gemäß GLP-Vorschriften“ bezeichnet werden dürfe, sofern eine behördliche GLP-Bescheinigung vorliege. Das sei unrichtig und ergebe sich nicht aus § 19a ChemG. Die Regelung lasse sich dahingehend zusammenfassen, dass ein (dritter) Antragsteller, der im Zulassungsverfahren die Sicherheit eines Stoffes nachweisen müsse, dies über die materielle laboranalytische Prüfung hinaus formal kumuliert nachweisen müsse: 1. durch die Bescheinigung nach § 19b ChemG und 2. durch die Prüfleiter-Erklärung über die Einhaltung der GLP. Fehle eine dieser beiden formalen Voraussetzungen, ordne das Gesetz selbst die Rechtsfolge an: Dann gälten die Prüfergebnisse als nicht vorgelegt. Dies besage aber nichts darüber, ob ein Arzneimittelunternehmen eine laboranalytische Prüfung nach GLP-Standards bei einem Unternehmen in Auftrag gebe, das keine Bescheinigung nach § 19b ChemG besitze. Das Arzneimittelunternehmen könne dann eben die laboranalytischen Prüfungsergebnisse nicht für eine „Stoffprüfung“ verwenden (oder, wenn sie dennoch eingereicht würden, würden sie aus formalen Gründen nicht berücksichtigt). Dies beschneide aber nicht die Freiheit eines Labors, in vertraglicher Vereinbarung mit dem Arzneimittelhersteller Laboranalysen nach GLP-Standards durchzuführen. Der Antragsgegner beziehe sich in seiner Begründung unter anderem auf Art. 2 Abs. 1 der RL 2004/9/EG. Dieser Bezug könne nur als „deplorabel“ bezeichnet werden. Abgesehen davon, dass Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie gerade nicht durch das Chemikaliengesetz umgesetzt worden sei, stehe er systematisch im Kontext von Art. 1. Danach beschränke sich der Anwendungsbereich der RL 2004/9/EG auf GLP-Prüfungen für „Stoffzulassungsverfahren“, wozu die hier streitgegenständlichen Prüfungen gerade nicht gehörten. Zum anderen stelle die Richtlinie in Art. 1 Abs. 3 klar, dass es gerade nicht um die Auslegung und Bewertung von Prüfergebnissen gehe. Ob eine Prüfung nach den Qualitätskriterien von GLP durchgeführt werde, bleibe von der RL 2004/9/EG völlig unberührt. Die RL 2004/9/EG und die (materielle) GLP-RL 2004/10/EG dienten der Anerkennung von Prüfungen in einem Mitgliedstaat in einem behördlichen Stoffprüfungsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat. Soweit eine solche Anerkennung überhaupt keine Rolle spiele sei die Vereinbarung eines GLP-Standards und eine entsprechende Bescheinigung reine Privatsache.
Daneben trage der vom Antragsgegner angeführte Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG als Ermächtigungsgrundlage die geplante Meldung nicht. Aus systematischen Gründen ergebe sich dies bereits aus den obigen Ausführungen zur Bedeutung der Richtlinie für die GLP-Analysen in Stoffzulassungsverfahren. Daneben teile die Antragstellerin nicht die summarische Prüfung des erkennenden Gerichts im Beschluss vom 29. Juni 2020, dass es sich hier lediglich um eine Richtlinienbestimmung mit einer faktischen Belastung von Privaten handle. Die Meldung hätte eine unmittelbare rechtliche Sanktionierung der Antragstellerin (sowie der R. … AG) zur Folge, insoweit als die streitgegenständlichen Prüfungen „disqualifiziert“ würden. Es handle sich damit um eine Maßnahme mit Sanktionswirkung. In der Entscheidung Kolpinghuis Nijmwegen habe der EuGH klar bestätigt, dass nicht umgesetzte Richtliniennormen mit Sanktionswirkung gerade keine unmittelbare Wirkung entfalten würden (EuGH, Urteil vom 08.10.1987, Beck RS 2004,73753). Daneben gehe es in Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie um materiell unrichtige Behauptungen, die GLP zu befolgen. Dies ergebe sich schon daraus, dass auf die „Korrektheit oder Zuverlässigkeit der von ihr durchgeführten Untersuchungen“ abgestellt werde. Schon denklogisch habe eine Aussage, in einem GLP Überwachungsprogramm (formal) enthalten zu sein keine inhaltliche Verknüpfung mit der Befolgung von GLP. Dass die Antragstellerin bei den streitgegenständlichen Analysen nicht im Einklang mit GLP vorgegangen wäre, behaupte selbst Antragsgegner nicht und habe dazu auch keine Feststellungen getroffen. Selbst wenn man die Richtlinie also hier anwenden könnte, dann nur im Umfang des konkreten Regelungsbereichs. In der Richtlinie stehe nicht: „Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass eine in seinem Hoheitsgebiet gelegene Prüfeinrichtung zu Unrecht behauptet, in ein GLP-Überwachungsprogramm eingeschlossen zu sein.“ Dies sei auch überhaupt nicht erforderlich, weil eine solche Behauptung, selbst wenn sie nicht inhaltlich zuträfe, rechtlich völlig irrelevant wäre. Nach Sinn und Zweck gehe es bei Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie genau um den umgekehrten Fall: wenn eine (formale) GLP-Bescheinigung vorliege (auf die sich Behörden in anderen Mitgliedstaaten im Stoffzulassungsverfahren stützten), sich aber herausstellte, dass den inhaltlichen Anforderungen nicht genügt werde, dann habe eine Meldung zu erfolgen. Die materielle Meldung zerstöre dann den formalen Nachweis, der zuvor durch die Vorlage einer GLP-Bescheinigung erfolgt sei.
Die Antragstellerin könne verlangen, dass zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs dem Antragsgegner aufgegeben werde, die Vornahme von Meldungen der antragsgegenständlichen Art zu unterlassen. Mit einer erfolgten Meldung würde die Verwirklichung des Unterlassungsanspruchs der Antragstellerin vereitelt oder zumindest wesentlich erschwert werden. Sollte die Meldung gegenüber der GLP-Bundesstelle und den Mitgliedsstaaten der OECD erfolgen, sei mit einem nicht wiedergutzumachenden Reputationsschaden der Antragstellerin zu rechnen, der erhebliche finanzielle Auswirkungen mit sich bringe. Diese könnten nicht mehr geheilt werden, so dass der dadurch entstehende Reputationsschaden nicht mehr beseitigt werden könne und mit schweren, unzumutbaren Nachteilen verbunden sei. Verwaltungshandeln durch amtliche Information sei irreversibel. Bei Fehlinformationen änderten auch spätere Gegendarstellungen etc. nichts, da die faktischen Wirkungen von Informationen regelmäßig nicht mehr eingefangen und umfassend beseitigt werden könnten. Der Anordnungsanspruch ergebe sich daher hier aufgrund einer Folgenabwägung: Mit der streitgegenständlichen Meldung werde ohne Zweifel in Grundrechte der Antragstellerin eingegriffen, die auch vor Beeinträchtigungen durch schlichtes Verwaltungshandeln schützten. Bei einer Versagung vorläufigen Rechtsschutzes müsste die Antragstellerin schwerwiegende, ggf. existentielle Nachteile befürchten.
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020 nahm der Antragsgegner zu dem Antrag wie folgt Stellung: Biozide, Chemikalien, Pflanzenschutzmittel etc. seien für den Menschen oder die Umwelt kritische Produkte, die ein hohes Schutzniveau erforderten. Vor ihrer Marktzulassung müssten Bewertungsbehörden daher prüfen, ob diese unbedenklich und geeignet seien. Hierfür würden zwingend verlässliche und vertrauenswürdige Ergebnisse aus methodisch korrekten Prüfungen benötigt. Die Gute Laborpraxis umfasse gesetzliche Vorgaben zur Gewährleistung, dass die Ergebnisse aus Sicherheitsuntersuchungen korrekt und verlässlich seien. Sie unterscheide sich wesentlich von Qualitätsstandards und Qualitätsnormen für Labore wie zum Beispiel die DIN EN ISO/IEC 17025. Die Erteilung einer GLP-Bescheinigung sei ein Verwaltungsakt, den nur ein eingeschränkter Antragstellerkreis beantragen könne und zwar Einrichtungen, die GLP-Prüfungen aus gesetzlichen oder behördlichen Gründen benötigten. Dies unterscheide sie von Akkreditierungen oder Zertifizierungen. Der Erklärung des Prüfleiters gemäß § 19a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ChemG komme als rechtliche Garantieerklärung und somit als Urkunde für die erhaltenen Prüfungsergebnisse im Rechtsverkehr eine erhebliche rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung zu. Es stehe daher nicht in der freien Disposition der Labore, solche Erklärungen auszustellen, ohne über eine GLP-Bescheinigung zu verfügen. Sei lediglich eine Qualitätsaussage beabsichtigt, so sei dies eindeutig kenntlich zu machen, was hier nicht erfolgt sei. Daher sei das Gebrauchen einer unwahren GLP-Erklärung gemäß § 27a ChemG auch strafbewehrt. Hier sei gerade zum Ausdruck gebracht worden, dass die Antragstellerin der Überwachung unterliege. Es bestehe daher ein hohes Risiko, dass bei Vorlage der der S. … GmbH ausgestellten GLP-Bescheinigung Bewertungsbehörden oder Auftraggeber getäuscht würden. Da die Prüfergebnisse innerhalb der OECD gegenseitig anerkannt würden müsse jeder Mitgliedstaat gewährleisten, dass die GLP-Prüfeinrichtungen bzw. Prüfstandorte sich in einem nationalen Überwachungsverfahren befinden. Erst mit einer gültigen GLP-Bescheinigung werde eine Prüfeinrichtung in das Überwachungsverfahren aufgenommen und im Verzeichnis der Prüfeinrichtungen bzw. Prüfstandorte gemäß § 19c Abs. 1 ChemG genannt. Dort würden auch die Prüfkategorien mit den jeweils von den GLP-Bescheinigungen abgedeckten Prüfungen der einzelnen Einrichtungen aufgeführt. Weder die Antragstellerin noch ihre Rechtsvorgängerin seien dort gelistet, da sie aktuell nicht der GLP-Überwachung unterlägen.
Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Meldung sei § 22 Satz 3 ChemG in Verbindung mit § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG. Vorliegend sei zwar nicht durch Rechtsverordnung, sondern aufgrund § 19d Abs. 1 ChemG bestimmt worden, dass dem BfR u.a. die Mitwirkung bei dem Vollzug der Vereinbarungen über die Gute Laborpraxis mit Staaten, die nicht Mitglied der Europäischen Union seien (Ziff. 4) obliege. Gemäß Ziffer 4 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (ChemVwV-GLP) fänden bei der Überwachung der Einhaltung der GLP-Grundsätze auch die Konsensdokumente der OECD Berücksichtigung. Damit sei die Mitwirkungsbefugnis des BfR bei dem Vollzug von Vereinbarungen über die gute Laborpraxis eröffnet. Diese würde leerlaufen, wenn im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland die Bundesländer nicht zu non compliance-Meldungen an das BfR verpflichtet und berechtigt wären. Hilfsweise ergebe sich auch aus der allgemeinen richtlinienkonformen Auslegung des § 22 ChemG eine Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Meldung. Der Bundesgesetzgeber habe in § 22 ChemG Informationspflichten der zuständigen Landesbehörden über alle Erkenntnisse geregelt, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich seien. Diese Informationspflichten beinhalteten die in Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG normierten Unterrichtungspflichten der GLP-Überwachung. § 22 ChemG sei daher im Wege der richtlinienkonformen Auslegung auf die Unterrichtungspflichten im Rahmen der GLP-Überwachung zu erstrecken. Mit § 19d ChemG würden dem BfR umfangreiche Aufgaben übertragen, die es nicht erfüllen könnte, wenn es von den Ländern nicht die erforderlichen Meldungen erhielte. Dafür spreche auch Sinn und Zweck des § 27a ChemG, welche das Gebrauchen einer unwahren GLP-Erklärung unter Strafe stelle. Wenn der Gesetzgeber das Gebrauchen einer unwahren GLP-Erklärung sogar strafrechtlich sanktioniere, dann seien die Unterrichtungspflichten in § 22 ChemG a maiore ad minus ebenfalls im Chemikaliengesetz angelegt. Der Bundesgesetzgeber habe der Einhaltung der GLP-Vorschriften bei Schaffung des Chemikaliengesetzes besondere Bedeutung eingeräumt, indem er Verstöße unter Strafe gestellt habe. Er setze dabei offenbar voraus, dass die GLP-Meldungen vom bestehenden Regelungsregime des Chemikaliengesetzes im Lichte der RL 2004/9/EG erfasst seien, ohne dass es einer weitergehenden deutlicheren Normierung bedurft hätte. Daneben ergebe sich eine Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Meldung auch aus unmittelbarer Anwendung des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG (insoweit wurde auf die entsprechende Passage des Beschlusses des erkennenden Gerichts vom 29.06.2020 verwiesen). Eine aus der Meldung resultierende potentielle Belastung der Antragstellerin sei zulässig und müsse nach der gesetzgeberischen Wertung, der Sicherstellung der GLP-Compliance, hingenommen werden. Etwaige Nachteile ergäben sich ferner nicht unmittelbar aus der zwischenbehördlichen Meldung an das BfR, sondern erst aus gegebenenfalls nachgelagerten behördlichen Maßnahmen im Rahmen eines behördlichen Verfahrens, an dem der Auftraggeber der Studien beteiligt sei.
Im Übrigen handle es sich nicht nur um eine formal, sondern auch materiell unwahre GLP-Erklärung, da eine GLP-Erklärung nur dann eine wahre GLP-Erklärung sein könne, wenn sie von einer Prüfeinrichtung, die im Besitz einer GLP-Bescheinigung sei, abgegeben worden sei. Eine Stelle, die nicht im Besitz einer GLP-Bescheinigung sei könne nur „Erklärungen“ abgeben, sobald sie diese als GLP-Erklärungen bezeichne, würden diese Erklärungen unwahr. Daneben treffe es nicht zu, dass sich DNA-Sequenzierungen von DNA-Quantifizierungen nicht hinsichtlich der Anforderungen für GLP unterschieden. DNA-Sequenzierungen seien qualitative Untersuchungen, während DNA-Quantifizierungen quantitative Untersuchungen seien. Schon allein die Auswertung und Ergebnisberichterstattung seien völlig unterschiedlich.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag der Antragstellerin abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2020 nahm die Antragstellerin zur Antragserwiderung Stellung und vertiefte ihr bisheriges Vorbringen. In der chemikalienrechtlichen Literatur sei anerkannt, dass es sich bei den auf die OECD zurückgehenden Regeln zur guten Laborpraxis (lediglich) um ein Nachweisverfahren handele, nicht um eine Berufsregelung. Bei § 22 Satz 3 ChemG i. V. m. § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG handele es sich systematisch (nur) um eine verwaltungsinterne Kompetenz und Kooperationsregelung. Er regele das Verhältnis der Rechtssubjekte Bund und Länder untereinander, enthalte aber keine Eingriffsermächtigung. Soweit der Antragsgegner sich hilfsweise unter anderem auf Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG berufe sei festzuhalten, dass die Richtlinienbestimmung eine Unterrichtung nur vorsehe, wenn eine inhaltliche Abweichung vorliege. Vorliegend gehe es überhaupt nicht um eine inhaltliche Frage der Beachtung von GLP-Grundsätzen, sondern nur um die Frage, ob die Antragstellerin im Überwachungsprogramm sei oder nicht. Die Erklärung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ChemG, eine Prüfung sei nach GLP durchgeführt worden, sei nur dann unwahr, wenn die GLP-Grundsätze nicht beachtet worden seien, der Prüfleiter jedoch deren vollständige und richtige Beachtung der Wahrheit zuwider behaupte. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sei sie nicht bereits dann unwahr, wenn sie von einer Prüfeinrichtung, die nicht im Besitz einer GLP-Bescheinigung sei, abgegeben werde. Die der M. … erteilte GLP-Bescheinigung erfasse auch sachlich die durchgeführten Prüfungen. Diese Bescheinigung sei für die Kategorie 9 „sonstige Prüfungen“ erteilt worden. Weder im Gesetz noch in der Verwaltungsvorschrift würde eine weitere Konkretisierung vorgenommen. Die Erläuterungen in der Bescheinigung selbst seien somit lediglich indikativ. Dies belege die Behördenpraxis, wie sie sich aus dem Verzeichnis der GLP-Bundesstelle ergeben würde. Entscheidend sei dabei auch, dass das Qualitätssicherungssystem für die in der GLP-Bescheinigung genannten wie für die daneben durchgeführten Prüfungen dasselbe sei.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2020 hat das Gericht den Antragsgegner auf § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 ZPO hingewiesen. Der Antragsgegner hat daraufhin mit Schreiben vom 29. Juli 2020 beantragt,
gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 926 ZPO der Antragstellerin aufzugeben, Hauptsacheklage zu erheben.
Auf gerichtliche Aufforderung vom 29. Juli 2020 stellte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. Juli 2020 klar, dass der Antrag b) unbedingt und nicht lediglich hilfsweise gestellt sei. Mit dem Antrag b) werde vorbeugend beantragt, dem Antragsgegner aufzugeben, auch eine Variante einer GLP-Meldung zu unterlassen, die sich darauf stütze, die Antragstellerin gebe GLP-Prüferklärungen ab, ohne dafür eine Bescheinigung zu haben. Der Antrag sei durch die Gefahr begründet, dass der Antragsgegner bei einem Obsiegen der Antragstellerin im Antrag a) eine modifizierte GLP-Meldung abgeben könnte. Der Antragsgegner würde dann möglicherweise die im Antrag a) streitgegenständliche Meldung unterlassen, aber eine anders abgefasste Meldung abgeben.
Mit Schriftsatz vom 5. August 2020 nahm die Antragstellerin zu der vom Gericht thematisierten Frage, worin die befürchteten nachteiligen Auswirkungen der geplanten Meldung für die Antragstellerin lägen, dahingehend Stellung, dass die Meldung zunächst negative Auswirkungen auf das Kundenverhältnis zur Auftraggeberin der beanstandeten Studien, der R. … AG, habe. Es sei davon auszugehen, dass die … Behörden sich an diese wenden würden. Weiterhin sei davon auszugehen, dass die Behörden in … und anderen europäischen Staaten, bei denen die R. … AG im Rahmen von klinischen Studien Unterlagen zu den jeweiligen Prüfpräparaten vorgelegt habe (einschließlich Analysen der Antragstellerin) sich ebenfalls an die B. … AG wenden würden. Diese würde natürlich Erklärungen von der Antragstellerin verlangen, was es mit dieser Meldung auf sich habe, und ob dadurch Zweifel an der Richtigkeit der Analysen bestünden. Letzterem würde die Antragstellerin entgegentreten können (immer mit dem Risiko, dass Kunden-Verunsicherung verbleibe), Ersteres sei aber schwer zu beantworten, da es für die Antragstellerin völlig unerfindlich sei, was der Antragsgegner mit der Meldung eigentlich sagen wolle. Jedenfalls bestehe ein hohes Risiko des Reputationsverlustes der Antragstellerin bei bestehenden und auch bei künftigen Kunden. Im biotechnologisch-analytischen Markt sei die Welt klein, jeder rede mit jedem und wenn ein Verdacht einmal in der Welt sei werde es für jeden Dienstleister schwer, seine Leistungen zu verkaufen. Daneben würde die Unerklärlichkeit der Meldung sich auch auf Behördenseite niederschlagen. Eine Behörde, die eine klinische Studie der R. … AG genehmigt habe oder genehmigen solle, wie das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) wisse aufgrund der Meldung nicht, welche Schlüsse sie daraus ziehen müsse. Der Sponsor der klinischen Studie erkläre, dass die Studie im Einklang mit GLP durchgeführt worden sei, andererseits liege eine Meldung vor, dass die Urheberein der Analyse (die Antragstellerin) angeblich zu Unrecht behaupte, im GLP-Programm eingeschlossen zu sein. Dies könne bei realistischer Betrachtung die Konsequenz haben, dass die Behörde es aus reiner Vorsicht ablehne, die Analyse der Antragstellerin (mit entspr. wirtschaftlichen Nachteilen der Antragstellerin) zu berücksichtigen. Daneben würde die Meldung höchstwahrscheinlich fälschlich so verstanden, dass die Antragstellerin inhaltlich nicht im Einklang mit GLP gearbeitet habe. Dieser „Marktverwirrungsschaden“ wäre erheblich, da die Antragstellerin in den Ruf geriete, inhaltlich nicht qualitätskonform zu arbeiten.
Das Gericht hat am 6. August 2020 mit den Beteiligten einen Erörterungstermin durchgeführt. Dabei wurde der Antragsgegner gebeten, über die GLP-Bundesstelle abzuklären, auf welchem OECD-Dokument die im Erörterungstermin vorgelegte „Ausfüllanleitung“ zu dem Formblatt über GLP non compliance-Meldungen („Guidance to accompany the OECD form for the notification of serious GLP non compliances“) beruht. Hinsichtlich der Einzelheiten des Erörterungstermins wird auf das darüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
Das LGL legte mit Schreiben vom 12. August 2020 eine zwischen der GLP-Bundesstelle und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) abgestimmte Antwort des BMU auf die entsprechend der Bitte des Gerichts an die GLP-Bundesstelle gerichtete Anfrage vom 11. August 2020 vor. Danach sei Rechtsgrundlage für die Übermittlung der non-compliance an die Kommission Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG. Diese diene zusammen mit der RL 2004/10/EG der Umsetzung der OECD-Grundbeschlüsse in europäisches Recht. Die Zuständigkeit der Länder für den Vollzug von EU-Vorschriften ergebe sich aus § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG. Diese Zuständigkeitsregelung schließe die Übermittlung der in Art. 5 Abs. 2 genannten Informationen ein. Nach hiesiger Einschätzung habe Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG keines nationalen Rechtsaktes zur Umsetzung bedurft. Diese Vorschrift begründe nämlich keine Rechte oder Pflichten von Bürgern oder Wirtschaftsbeteiligten, sondern richte sich ausschließlich und unmittelbar an die Mitgliedstaaten, in deren Organisationsermessen es stehe, wie sie die Informationsübermittlung organisierten bzw. regelten. In Deutschland seien die erforderlichen Regelungen zur Organisation der Überwachungstätigkeit, die auch die Pflicht nach Art. 2 umfasse, in den Zuständigkeitsvorschriften des Chemikaliengesetzes sowie in der auf der Basis von § 19d ChemG erlassenen (organisatorischen) Verwaltungsvorschrift erfolgt. Diese sehe in Ziffer 4.1 vor, welche Vorgaben bei der Überwachungstätigkeit zu berücksichtigen seien. Hierzu gehörten auch der Vollzugsleitfaden der BLAC sowie die Konsensdokumente der OECD. Zu Letzteren zähle auch das Formblatt zur Übermittlung von non-compliance-Feststellungen sowie die hierzu von der OECD beschlossene Anleitung. Darüber hinaus ergebe sich aus Ziffer 3.4 der VV-GLP, dass die Länderbehörden die Prüfergebnisse der GLP-Bundesstelle zu übermitteln hätten, also auch negative Prüfergebnisse (=non-compliance). Diese nehme auf der Basis der Prüfberichte auch die ihr übertragene Aufgabe der Veröffentlichung eines Verzeichnisses der positiv geprüften Prüfeinrichtungen wahr. Ohne die Übermittlung der Prüfberichte durch die Landesbehörden auf der Basis von Ziffer 3.4 könne die Bundesstelle diese Aufgabe nicht wahrnehmen. Das Verzeichnis stelle sicher, dass nur Einrichtungen die Prüfungen durchführten, bei denen sichergestellt sei, dass die Anforderungen eingehalten seien und die von solchen Prüfungen (abhängigen) weiteren Prozesse, z. B. klinische Verfahren, nicht gefährdet würden. Dementsprechend könne sich die Antragstellerin auch nicht auf Vertraulichkeit der non-compliance berufen. Vielmehr werde in Art. 4 Abs. 4 der RL 2004/9/EG klargestellt, dass die Tatsache der Nichteinhaltung der GLP durch eine bestimmte Prüfeinrichtung gerade keine vertrauliche Angabe sei.
Mit weiterem Schriftsatz vom 13. August 2020 vertiefte die Antragstellerin u.a. ihre Argumentation zum befürchteten Schaden. Die Meldung würde über verschiedene Zwischenstellen an die „Beurteilungsbehörden“ weitergeleitet, d. h. an die Behörden, die für „Stoffzulassungsverfahren“ zuständig sein. Darunter seien das deutsche BfArM, das PEI und das … Diese seien zuständig für Arzneimittelzulassungen, aber auch für Genehmigungen wie etwa für klinische Prüfungen, für die gesetzlich keine GLP-Bescheinigung verlangt werde, die aber typischerweise nach GLP durchgeführt würden. Da die R. … AG die streitgegenständlichen Analysen auch für klinische Studien habe durchführen lassen sei davon auszugehen, dass den genannten Behörden die streitgegenständlichen Studien ganz oder teilweise vorliegen. Da die R. … AG ausdrücklich als Auftraggeber in der Meldung bezeichnet werde würden die Behörden automatisch prüfen, ob und wenn ja welche klinischen Studien von der R. … AG beantragt worden seien und dann prüfen, ob ein Studienbericht der Antragstellerin eingeschlossen gewesen sei. Wenn dies der Fall sei würde die R. … AG zunächst zur Stellungnahme aufgefordert und dann gegen diese gegebenenfalls Maßnahmen getroffen werden. Dies hätte direkte Auswirkungen für die Antragstellerin. Der Streitwert werde in Anlehnung an Ziffer 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Jahresbetrag der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen) mit 100.000 EUR, im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs) also 50.000 EUR angegeben.
Das Gericht hat den Antragsgegner mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 gebeten, zur Beurteilung der Frage, ob die Antragstellerin durch die beabsichtigte Meldung in ihren Rechten, insbesondere ihrem Grundrecht auf Berufsausübung, Art. 12 GG, verletzt sein kann eine Äußerung der GLP-Bundesstelle einzuholen, aus der hervorgeht, an welche (deutschen) Behörden und Stellen sie eine bei ihr eingehende entsprechende „GLP non compliance“-Meldung jeweils weiterleitet. Oder in den Worten des „Formblattes“, welches die „national receiving authorities“ in Deutschland seien. Der Antragsgegner legte daraufhin mit Schreiben vom 19. Oktober 2020 ein Schreiben des BfR (GLP-Bundesstelle) vom 15. Oktober 2020 vor, wonach die non-compliance-Meldungen an die jeweils betroffenen nationalen Fachbehörden gingen, denen in Verfahren nach § 19 Abs. 1 ChemG Prüfergebnisse vorgelegt würden und denen gegenüber gemäß § 19a Abs. 2 nachzuweisen sei, dass die Ergebnisse unter Anwendung der GLP erzielt wurden. Auf telefonische Nachfrage des Gerichts beim Antragsgegner konkretisierte das BfR dies mit E-Mail vom 22. Oktober an das LGL dahingehend, dass zu den nationalen Fachbehörden insbesondere auch das BfArM und das PEI gehörten Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag, für den der Verwaltungsrechtsweg eröffnet und das Verwaltungsgericht Ansbach zuständig ist (hierzu 1.), ist nur zum Teil zulässig (hierzu 2.). Soweit er zulässig ist, ist er begründet (hierzu 3.). Zur Klärung der aufgeworfenen Rechtsfragen war es geboten, gegenüber der Antragstellerin die Erhebung einer Hauptsacheklage anzuordnen (hierzu 4.).
1. Für die vorliegende Streitigkeit ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Im Streit steht die Frage, ob der Antragsgegner berechtigt ist, die von ihm angekündigte Meldung an die GLP-Bundesstelle zur Weiterleitung an die EU-Kommission und die OECD abzugeben. Streitentscheidend sind dabei Normen des Gesetzes zum Schutz vor gefährlichen Stoffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. August 2013 (BGBl I S. 3498, ber. S. 3991 (Chemikaliengesetz – ChemG)), die auf § 19d ChemG gestützte Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Verfahren der behördlichen Überwachung der Einhaltung der Grundsätze der Guten Laborpraxis (ChemVwV-GLP) vom 15. Mai 1997 (GMBl S. 257), geändert durch Art. 1 ÄndVwV vom 16.11.2011 (GMBl S. 967) sowie die RL 2004/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Inspektion und Überprüfung der Guten Laborpraxis (GLP) (ABl. L 50 vom 20.2.2004, S. 28). Alle diese Normen berechtigen und verpflichten auf der einen Seite allein Rechtsträger der öffentlichen Gewalt, und zwar den Antragsgegner oder die Bundesrepublik Deutschland als Rechtsträger der GLP-Bundesstelle beim BfR. Damit stellen sie öffentlich-rechtliche Normen dar (Sonderrechtstheorie). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne von § 40 Abs. 1 VwGO liegt also vor (vgl. auch VG Ansbach, B.v. 29.6.2020 – AN 14 E 20.1233 – juris Rn. 16).
Das Verwaltungsgericht Ansbach ist nach § 45 VwGO sachlich und nach § 52 Nr. 5 VwGO örtlich zuständig, da das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit seinen Sitz in Erlangen und damit im Zuständigkeitsbereich des VG Ansbach hat, Art. 5 Abs. 1 GDVG, Art. 1 Abs. 2 Nr. 4 AGVwGO.
2. a) Der unter a) gestellte Antrag ist zulässig.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist statthaft, da in der Hauptsache eine allgemeine Leistungsklage (in der Form der Unterlassungsklage) oder (nachrangig, § 43 Abs. 2 VwGO) eine allgemeine Feststellungsklage nach § 43 VwGO statthaft wäre. Mangels eines Verwaltungsakts wäre jedenfalls keine Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO statthaft, sodass im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes jedenfalls die einstweilige Anordnung statthaft ist (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO).
Die Antragstellerin ist, (was den Antrag a) betrifft) auch antragsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog). Als möglicher Anordnungsanspruch steht ihr der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch wegen einer möglicherweise rechtswidrigen Informationsweitergabe durch den Antragsgegner zur Seite. Auch ein Anordnungsgrund besteht möglicherweise. Denn der Antragsgegner hat vorliegend zu erkennen gegeben, dass er beabsichtigt, eine Meldung, wie sie Gegenstand des Antrags a) ist, an die GLP-Bundesstelle zur Weiterleitung an die OECD bzw. die EU-Kommission abzugeben, wenn er nicht durch eine einstweilige Anordnung des Verwaltungsgerichts gestoppt wird.
Das Bundesverwaltungsgericht verlangt bei Unterlassungsklagen, mit denen vorbeugender Rechtsschutz gegen faktische Beeinträchtigungen geltend gemacht wird, daneben ein besonderes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis (BVerwG, U.v. 29.7.1977 – IV C 51.75 – juris Rn. 22 unter Verweis auf BVerwG, U.v. 8.9.1972 – IV C 17.71 – BVerwGE 40, 323, 326; vgl. auch Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 42 Rn. 54), dergestalt, dass dem Rechtsschutz Suchenden gerade ein Abwarten der drohenden Rechtsverletzung mit anschließender Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes nicht zumutbar sein darf. Diese Voraussetzung ist erfüllt, da die drohende Beeinträchtigung durch eine nachträgliche Entfernung oder Korrektur der Meldung (deren Zulässigkeit in dem der Meldung zugrundeliegenden Regularium ohnehin nicht feststeht) nicht vollständig beseitigt werden könnte (vgl. auch VG München, U.v. 26.9.2011 – M 18 K 11.1445 – juris Rn. 30-35).
Es besteht auch ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis für diesen Antrag. Die Meldung an die GLP-Bundesstelle ist noch nicht erfolgt, damit käme die Anordnung noch rechtzeitig. Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, dass sich die befürchteten Nachteile für die Antragstellerin nicht aus der Meldung an die GLP-Bundesstelle beim BfR, sondern erst aus nachgelagerten behördlichen Verfahren bzw. der Weiterleitung durch die GLP-Bundesstelle ergeben würden, kann dies das Rechtsschutzbedürfnis nicht infrage stellen. Denn das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis stellt eine Zulässigkeitsanforderung dar, die im Regelfall vorliegt und nur in Ausnahmefällen der Zulässigkeit einer Klage bzw. eines einstweiligen Rechtsschutzantrags entgegensteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger bzw. Antragsteller durch den gerichtlichen Rechtsschutz keine Besserstellung erreichen kann, wenn es ein einfacheres Verfahren gibt, das erstrebte Ziel zu erreichen oder wenn der Rechtsschutzantrag allein aus missbräuchlichen Gründen gestellt ist (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, vor § 40, Rn. 11ff m.w.N). Keiner dieser Fälle liegt hier vor.
Ein grundsätzlich denkbarer Rechtsschutzansatz wäre vorliegend, mit einer einstweiligen Anordnung dem BfR zu verbieten, die Meldung an die EU-Kommission, OECD und zuständige nationale Stellen weiterzugeben. Allerdings ist nicht erkennbar, dass es sich dabei um ein „einfacheres“ Verfahren im genannten Sinne handeln würde. Nachdem im Hinblick auf die Gewährleistung des effektiven Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG die Anforderungen, die unter diesem Gesichtspunkt an das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis gestellt werden, nicht überspannt werden dürfen, kann dies der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags nicht entgegengehalten werden. Das Argument, dass Nachteile für die Antragstellerin sich erst aus nachfolgenden behördlichen Verfahren ergeben würden, kann ein Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses ebenfalls nicht begründen. Denn das vorliegende Verfahren ist weder im oben genannten Sinne nutzlos für den Rechtsschutz der Antragstellerin, da im Erfolgsfalle die Gefahr für die Antragstellerin gebannt ist. Noch stellte die Beantragung von Rechtsschutz in derartigen nachfolgenden Verfahren einen „einfacheren Weg“ im genannten Sinne dar, denn die befürchtete Gefahr für die Berufsausübung der Antragstellerin geht nicht von den vom Antragsgegner genannten behördlichen Verfahren, sondern von den Folgen der Informationsweitergabe aus (vgl. detaillierter weiter unten), sodass die Beantragung von Rechtsschutz in anderen Verfahren insoweit kein einfacherer Weg wäre.
Auch § 44a VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, da es sich bei der streitgegenständlichen Meldung an die GLP-Bundesstelle nicht um eine derartige behördliche Verfahrenshandlung handelt. Es ist nämlich gerade nicht absehbar, dass die Meldung zu einer „Sachentscheidung“ in diesem Sinne durch eine Behörde gegenüber der Antragstellerin führen wird, gegen die dann Rechtsschutz beantragt werden könnte. Vielmehr ergeben sich die befürchteten negativen Auswirkungen bereits aus der Meldung bzw. deren Weiterleitung selbst.
b) Hinsichtlich des unter b) gestellten Antrags fehlt es jedoch bereits an der Möglichkeit eines Anordnungsgrunds, so dass insoweit keine Anordnungsbefugnis i.S.v. § 42 Abs. 2 VwGO analog vorliegt.
Denn für eine gerichtliche Untersagung einer Meldung in der im Antrag b) formulierten Art und Weise ist derzeit nicht erkennbar, dass die notwendige Dringlichkeit vorliegt. Denn der Antragsgegner hat bisher keine Absicht erkennen lassen, eine derartige Meldung an die GLP-Bundesstelle abzugeben. Daran ändert es auch nichts, dass die Antragstellerin eine solche Meldung aufgrund der vom Antragsgegner eingenommenen Rechtsposition befürchtet. Vielmehr hat die Juristin des LGL im Erörterungstermin am 6. August 2020 ausgeführt, dass sie vor einer (weiteren, neben der hier bereits angekündigten und Gegenstand des unter a) gestellten Antrags darstellenden) Meldung an die GLP-Bundesstelle der Antragstellerin erneut Gelegenheit zur Stellungnahme geben würde. Nachdem bislang eine weitere Anhörung durch den Antragssteller nicht erfolgt ist, ist die Dringlichkeit für eine einstweilige Anordnung hinsichtlich des Antrags b) nicht erkennbar.
3. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.
Passivlegitimiert ist der Freistaat Bayern als Rechtsträger des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog). Die Antragstellerin hat sowohl einen Anordnungsanspruch (hierzu a) bis c)) als auch einen Anordnungsgrund (hierzu d) glaubhaft gemacht.
Anordnungsanspruch ist hier ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch. Dieser ist in Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt, auch wenn bezüglich seiner Herleitung unterschiedliche Auffassungen vertreten werden. Als Rechtsgrundlagen werden für ihn herangezogen der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), die Freiheitsgrundrechte des Grundgesetzes in ihrer Funktion als Abwehrrechte und die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Daneben wird auch auf eine Analogie zu §§ 12, 862, 1004 BGB abgestellt (vgl. zum Ganzen detailliert Cornils/Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 7. Teil, III.1.). Tatbestandsvoraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs sind eine Verletzung eines subjektiven Rechts, ein hoheitlicher Eingriff als Verletzungshandlung und die Rechtswidrigkeit des hoheitlichen Eingriffs (vgl. Cornils/Ossenbühl a.a.O., 7. Teil, V.).
a) Mit der vom Antragsgegner geplanten Meldung an die GLP-Bundesstelle würde dieser in die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) der Antragstellerin eingreifen.
aa) Dadurch, dass Art. 12 GG Regelungen zur Berufsausübung vorsieht, bringt die Verfassung zum Ausdruck, dass die Berufsausübung grundrechtlich geschützt ist (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 66). Die Berufsausübungsfreiheit ist grundsätzlich weit zu verstehen: Sie umfasst alle realen Äußerungen, in denen sich ein gewählter Beruf niederschlägt (Manssen a.a.O., Rn. 67 m.w.N.). Die Berufsausübungsfreiheit hat wie die anderen Teilelemente der Berufsfreiheit eine negative Komponente. Sie schützt davor, einen Beruf nicht in einer bestimmten Weise ausüben zu müssen. Die Berufsausübungsfreiheit ist deshalb von ihrem Schutzbereich her einschlägig, wenn der Staat den Grundrechtsträger verpflichtet, eine bestimmte Tätigkeit vorzunehmen, also etwa Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für die Beschäftigten abzuführen oder statistische Angaben zu machen (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 68). Die Berufsausübungsfreiheit zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab (BVerfG, U.v. 30.3.2014 – 2 BvR 1520/01 – BVerfGE 110,251, juris Rn. 99). Das Grundrecht ist nach Art. 19 Abs. 3 GG auch auf juristische Personen anwendbar, soweit sie eine Erwerbszwecken dienende Tätigkeit ausüben, die ihrem Wesen und ihrer Art nach in gleicher Weise einer juristischen wie einer natürlichen Person offen steht (BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252-279, Rn. 41). Darin drückt sich die Berufsfreiheit der hinter der juristischen Person stehenden Menschen aus (Manssen a.a.O., Art. 12 Rn. 268; Ruffert in Beck-OK GG, 44. Edition Stand 15.8.2020, Art. 12 Rn. 38).
Der Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit ist daher vorliegend eröffnet.
bb) In diesen Schutzbereich würde der Antragsgegner durch die geplante Meldung einer GLP-Non-Compliance an die GLP-Bundesstelle eingreifen. Gegenstand des Verfahrens ist vorliegend keine rechtliche Regelung, sondern ein Realakt.
(1) Ein „klassischer“ Grundrechtseingriff liegt hier eindeutig nicht vor. Darunter wird im allgemeinen ein rechtsförmiger Vorgang verstanden, der unmittelbar und gezielt (final) durch ein vom Staat verfügtes, erforderlichenfalls zwangsweise durchzusetzendes Ge- oder Verbot, also imperativ zu einer Verkürzung grundrechtlicher Freiheiten führt (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris Rn. 68). Der klassische Grundrechtseingriff betrifft daher vor allem Befehle (Gebote und Verbote) als einseitig verbindliche Verhaltensanordnungen gegenüber dem Adressaten. Er ist durch die Kriterien Imperativität, Finalität, Unmittelbarkeit, und Qualität als Rechtsakt charakterisiert (Sachs, Grundgesetz, 8. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 80; ähnlich Antoni in Hömig/Wolff, Grundgesetz, 12. Aufl. 2018, Vorbemerkungen Rn. 9).
Nach allgemeiner Meinung ist der Grundrechtsschutz aber nicht auf klassische Eingriffe be-schränkt. Denn das Grundgesetz hat den Schutz vor Grundrechtsbeeinträchtigungen nicht an den Begriff des Eingriffs gebunden oder diesen inhaltlich vorgegeben (so wörtlich BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris Rn. 70). Insbesondere ist anerkannt, dass grundrechtlicher Schutz auch gegenüber einem Handeln von Behörden durch Realakte bestehen kann (vgl. nur Sachs a.a.O., Rn. 83; BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris Rn. 70f; BVerfG, B.v. 21.3.2018 – 1 BvF 1/13 – juris Rn. 28). Insoweit bestehen jedoch viele Unklarheiten, wann solche Beeinträchtigungen durch Realakte grundrechtsrelevant sind und einen Eingriff in ein Grundrecht gleichkommen.
Die Literatur ist, was die Qualifizierung von Realakten als Eingriffe in Grundrechte wie insbesondere die Berufsausübungsfreiheit angeht, uneinheitlich. Verbreitet wird vertreten, dass die Beeinträchtigung durch den Realakt jedenfalls eine gewisse Erheblichkeit aufweisen muss, damit ein Eingriff vorliegt (Manssen in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 73 und 79). Nach einer ähnlichen Auffassung (Ruffert in Beck-OK GG, 44. Edition, Stand 15.8.2020, Art. 12 Rn. 58) ist die Abgrenzung zwischen einem Realakt mit und ohne Eingriffswirkung nach den Kriterien Finalität, Unmittelbarkeit und Erheblichkeit zu treffen. Diesen Ansätzen ist ebenso wie der oben genannten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jedenfalls zu entnehmen, dass nicht jedes staatliche Informationshandeln, das die Wettbewerbschancen von Unternehmen am Markt nachteilig verändert, ohne Weiteres als Grundrechtseingriff zu bewerten ist (vgl. BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – BVerfGE 113, 63, 76). Vielmehr bedarf es eines qualifizierten, von seinen Auswirkungen her eine gewisse Erheblichkeit erreichenden Umfangs. Daneben muss die beeinträchtigende Wirkung nicht lediglich zufällig erfolgen, sondern vom Zweck der Informationsweitergabe erfasst sein. (vgl. zum Ganzen auch Sachs, GG, 8. Aufl. 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt I, Rn. 83-93).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann der Abwehrgehalt von Grundrechten bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in Zielrichtung bzw. Zielsetzung und Wirkung Eingriffen gleichkommen (zitiert nach Antoni in Hömig/Wolff, Grundgesetz, 12. Aufl. 2018, Vorbemerkungen Rn. 13 m.w.N.):
So hat das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss vom 11. Juli 2006 (1 BvL 4/00 – BVerfGE 116, 202 – juris Rn. 82) zunächst klargestellt, dass der Grundrechtsschutz nicht auf Eingriffe im herkömmlichen Sinne beschränkt ist. Vielmehr könne der Abwehrgehalt der Grundrechte auch bei faktischen oder mittelbaren Beeinträchtigungen betroffen sein, wenn diese in der Zielsetzung und in ihren Wirkungen Eingriffen gleichkämen. Durch die Wahl eines solchen funktionalen Äquivalents eines Eingriffs entfalle die Grundrechtsbindung nicht. An der für die Grundrechtsbindung maßgebenden eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehle es jedoch, wenn ihre mittelbaren Folgen ein bloßer Reflex einer nicht entsprechend ausgerichteten gesetzlichen Regelung seien. Wenn die Auswirkungen einer betreffenden Regelung auf die Berufsausübung der jeweiligen Grundrechtsträger nur einen derartigen Reflex darstellten, dann komme der Regelung keine berufsregelnde Tendenz zu (so BVerfG, U.v. 17.12.2002 – 1 BvL 28/95 u.a. – BVerfGE 106, 275, juris Rn. 107).
Nach dem Urteil vom 17. März 2004 (1 BvR 1266/00 – BVerfGE 110,177, juris Rn. 35) können auch staatliche Maßnahmen, die eine mittelbare oder faktische Wirkung entfalten, Grundrechte beeinträchtigen und müssen daher von Verfassung wegen hinreichend gerechtfertigt sein (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279, 300f.). Solche Maßnahmen könnten in ihrer Zielsetzung und Wirkung einem normativen und direkten Eingriff gleichkommen und müssten dann wie diese behandelt werden (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u.a. – BVerfGE 105, 252, 273).
Auch der Beschluss vom 13. Februar 2017 (1 BvR 1389/05 – BVerfGE 118,1, juris Rn. 79) bestätigt zunächst, dass eine eingriffsgleiche Wirkung verfassungsrechtlich bedeutsam ist, wenn zwar keine unmittelbare rechtliche Beeinträchtigung erfolgt, die mittelbar und faktisch belastende Maßnahme aber nach Wirkung und Zielrichtung einer solchen Beeinträchtigung gleichkommt (unter Verweis auf BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 558/91 u.a. – BVerfGE 105, 252, 273).
Zusammenfassung ist also festzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Maßnahme wie die streitgegenständliche Informationsweitergabe dann einem Eingriff in das Grundrecht der Antragstellerin auf Berufsfreiheit (Art. 12 GG) gleichkommt, wenn sie nach Wirkung und Zielrichtung einem solchen gleichkommt.
(2) Die streitgegenständliche Meldung über eine „GLP non compliance“ betrifft allein die Antragstellerin und zielt daher auf diese ab. Dem Antragsgegner geht es vorliegend darum, dass die Genehmigungsbehörden in der ganzen OECD (und dementsprechend natürlich auch in Deutschland, vgl. Seite 2 der Stellungnahme des BfR vom 5.10.2020 in diesem Verfahren) gewarnt sind, falls Ihnen Prüfungen der Antragstellerin vorgelegt werden, bei denen es notwendig ist, dass die die Prüfung durchführende Stelle im Besitz einer GLP-Bescheinigung ist bzw. wenn entsprechend § 19a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ChemG erklärt wird, dass die Prüfung nach GLP-Grundsätzen durchgeführt wurde. Die Meldung des Antragsgegners an die GLP-Bundesstelle soll nach den Einlassungen des Antragsgegners gerade verhindern, dass Prüfungen, die die Antragstellerin im Rahmen ihrer grundrechtlich geschützten Berufsausübung erstellt hat, ohne genauere Überprüfung von den Genehmigungsbehörden bei ihren Verfahren herangezogen werden. Damit ist die Zielrichtung der streitgegenständlichen Maßnahme auf die Berufsausübung der Antragstellerin gerichtet.
Auch was ihre Wirkung auf die grundrechtlich geschützte Berufsausübung der Antragstellerin angeht kommt die beabsichtigte Meldung einem Eingriff gleich. Die streitgegenständliche Meldung verbleibt zwar grundsätzlich innerhalb des behördlichen Bereichs und wird gerade nicht öffentlich bekannt gemacht. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von der dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21. März 2018 (1 BvF 1/13) zugrundeliegenden Fallgestaltung der Information der Öffentlichkeit nach § 40 Abs. 1a LFGB, weshalb die dort dargestellten Grundsätze – wie allgemein die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Bedeutung von behördlichen Warnungen – nicht direkt anwendbar sind. Gleichwohl beeinflusst auch die streitgegenständliche Meldung aufgrund der Besonderheiten aufgrund des Marktes für Laboranalysen, auf dem die Antragstellerin tätig ist, die Berufsausübung der Antragstellerin wie ein direkter, finaler Eingriff.
Die Antragstellerin befürchtet vorliegend, dass die für die Genehmigung klinischer Studien zuständigen Behörden wie in Deutschland das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 2 i.Vm. § 77 Abs. 1 und 2 AMG) die Meldung des Antragsgegners zum Anlass nehmen könnten, bei ihren Auftraggebern nachzufragen, was es mit der diesen Behörden vorliegenden Meldung über eine „GLP non compliance“ auf sich hat. Aufgrund der vom Antragsteller vorgelegten E-Mail des BfR vom 22. Oktober 2020 steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass diese Behörden, die unter anderem mit der Genehmigung klinischer Studien für Arzneimittel befasst sind, die hier streitgegenständliche Meldung bekommen würden.
Dass die mit einem Antrag auf Genehmigung einer klinischen Studie für eine Zulassung eines Arzneimittels vorzulegenden präklinischen Studien nach GLP-Grundsätzen durchgeführt sein müssen, ergibt sich zwar weder aus Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes noch aus der aufgrund § 42 Abs. 3 AMG erlassenen Verordnung über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-V; zuletzt geändert durch Art. 8 des Gesetzes vom 19.10.2020 (BGBl I 2192)). Jedoch haben die beiden genannten Bundesbehörden in ihrer gemeinsamen „3. Bekanntmachung zur klinischen Prüfung von Arzneimitteln an Menschen“ vom 10. August 2006, die die Rechtsnatur einer Verwaltungsvorschrift hat, weitergehende Anforderungen unter „IV. Anforderungen an die präklinische Dokumentation für Prüfpräparate“ geregelt. Dort findet sich unter Ziffer 1.1 (Durchführung der präklinischen Studien) die Anforderung, dass die in der „Note for guidance for non-clinical safety studies for the conduct of human clinical trials for pharmaceuticals (CPMP/ICH/286/95)“ geforderten präklinischen Studien zur Sicherheitspharmakologie und Toxikologie gemäß den Bestimmungen der guten Laboratoriumspraxis (GLP) durchzuführen seien. Der Sponsor habe Abweichungen von den Leitlinien zu begründen und eine Erklärung zum GLP-Status der Studien abzugeben.
Auf dieser Grundlage ist es glaubhaft gemacht, dass das PEI oder das BfArM, wenn ihnen ein Antrag eines Sponsors (§ 4 Abs. 24 AMG), der Kunde der Antragstellerin ist, auf Genehmigung einer klinischen Studie vorgelegt würde, zu dessen Begründung eine Prüfung durch die Antragstellerin beigefügt wäre, aufgrund der (geplanten) Meldung des Antragsgegners beim Sponsor der klinischen Studie hinsichtlich des GLP-Status der vorgelegten Prüfung durch die Antragstellerin nachfragen und hierzu weitergehende Erklärungen verlangen würde. In der Folge würde aller Wahrscheinlichkeit nach der Sponsor bei der Antragstellerin, seiner Auftragnehmerin, entsprechend nachfragen, wie die Behörde zu der Einschätzung gelange. Ob bzw. wie schnell die Unklarheiten zwischen der Antragstellerin und dem Sponsor der klinischen Prüfung bzw. diesem und der jeweiligen Genehmigungsbehörde (PEI, BfArM oder entsprechende Behörden eines anderen Mitgliedsstaates) ausgeräumt werden könnten kann durch das Gericht zwar nur spekuliert werden. Jedenfalls müsste aber die (deutsche) Genehmigungsbehörde nach Ziff. 1.1. ihrer eigenen Verwaltungsvorschrift vom Sponsor eine Erklärung zum GLP-Status der von der Antragstellerin durchgeführten präklinischen Studie einholen. Dies würde für den Sponsor einen zusätzlichen Aufwand, mit dem er nicht gerechnet hat, bedeuten. Es würde nach den von der Antragstellerin glaubhaft und für das Gericht nachvollziehbar dargestellten Verhältnissen auf dem Markt für Laboranalysen, auf dem die Antragstellerin tätig ist, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass die Antragstellerin unter erheblichen Rechtfertigungsdruck ihrer Auftraggeber geriete und Einbußen in ihrer Marktstellung aufgrund des von ihren potentiellen Kunden als unsicher eingestuften Status der Einhaltung der GLP-Grundsätze befürchten müsste.
Es handelt sich bei den drohenden Auswirkungen der geplanten Meldung auch nicht lediglich um einen Reflex im Sinne des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Juli 2006 (1 BvL 4/00 – BVerfGE 116, 202, juris Rn. 82). Denn derartige Folgen sind von der hinter der Meldung stehenden Regelung beabsichtigt oder jedenfalls in Kauf genommen (vgl. BVerfG, B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – BVerfGE 105, 279ff, juris Rn. 69).
In der Gesamtbetrachtung geht die Kammer daher aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfdichte davon aus, dass sich die streitgegenständliche Meldung aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Berufsausübung der Antragstellerin wie ein Eingriff im klassischen Sinne auswirken würde.
b) Rechtsverletzungen durch tatsächliches Handeln sind nur dann vom öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch erfasst, wenn sie Ausdruck der öffentlichen Gewalt sind (vgl. zum Ganzen Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, 7. Teil, V. 2. b)). Schädigende Warnungen haben dann hoheitlichen Charakter, wenn sie von Bediensteten oder Organen einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft in Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit abgegeben werden (Ossenbühl/Cornils a.a.O. 7. Teil, V. 2. b); OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 24.9.1986 – 2 A 10/86 – NJW 1987, 1660). Nachdem vorliegend die Mitteilung durch den Antragsteller im Rahmen der Tätigkeit des LGL als Überwachungsbehörde für die Einhaltung der Grundsätze der guten Laborpraxis erfolgt ist, ist der Eingriff eindeutig als hoheitlich zu charakterisieren.
c) Der Eingriff wäre nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch rechtswidrig. Zunächst bedarf es für eine derartige, potentiell in Rechte Dritter eingreifende Meldung an andere Behörden einer hinreichenden Eingriffsbefugnis (hierzu aa)). Hieran fehlt es aber im nationalen Recht (hierzu bb)). Die von Seiten des Antragsgegners (ergänzend) herangezogene Richtlinienbestimmung des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG hat keine Wirkung gegenüber der Antragstellerin und stellt daher keine taugliche Eingriffsbefugnis dar (hierzu cc)). Schließlich wären, auch wenn man Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie als ausreichende Rechtsgrundlage für einen in Rechte eines Dritten eingreifenden Akt ansehen würde, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt (hierzu dd)).
aa) Eine Beeinträchtigung bzw. ein Eingriff in die Berufsfreiheit ist nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG rechtmäßigerweise nur auf gesetzlicher Grundlage möglich (vgl. nur Ruffert in Beck-OK GG, Stand 15.8.2020, Art. 12 Rn. 75). Grundsätzlich kommen auch untergesetzliche Normen (Gesetze im materiellen Sinn) als Rechtsgrundlage in Betracht, wenn sie auf einer hinreichenden formell-gesetzlichen Ermächtigungsnorm beruhen (Ruffert a.a.O. Rn. 76).
Beschlüsse der OECD oder im Rahmen dieser zwischenstaatlichen Organisation eingerichteter Gremien stellen jedenfalls keine taugliche Rechtsgrundlage für eine Einschränkung der Berufsfreiheit dar. Denn eine Übertragung von Hoheitsrechten an die OECD nach Art. 24 Abs. 1 GG ist nicht erfolgt. Daneben richten sich die im Rahmen der Harmonisierung der Guten Laborpraxis erstellten Dokumente der OECD jeweils an die Mitgliedsstaaten und zielen auf eine Harmonisierung der einschlägigen Vorschriften durch diese ab. Ein Durchgriff auf natürliche und juristische Personen in den Mitgliedsstaaten ist weder von ihnen beabsichtigt noch rechtlich möglich.
bb) Eine Eingriffsbefugnis im oben dargestellten Sinn findet sich weder im Bundes- noch im Landesrecht.
Der Antragsteller hat in seinem Schriftsatz vom 20. Juli 2020 als Rechtsgrundlage für die beabsichtigte Meldung § 22 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG genannt. Nach § 22 Satz 1 ChemG unterrichten sich die Landesbehörden und die zuständige Stelle des Bundes gegenseitig über alle Erkenntnisse, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz und den in § 21 Abs. 2 Satz 1 ChemG genannten EG-Verordnungen einschließlich der Erfüllung darin enthaltener Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission erforderlich sind. Nach Satz 3 gilt dies entsprechend, wenn nach § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG eine andere Bundesbehörde bestimmt ist.
Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG die Bestimmung einer anderen Stelle durch Rechtsverordnung ermöglicht. Vorliegend ist das BfR aber nicht durch eine Rechtsverordnung, sondern durch § 19d ChemG selbst zur zuständigen Stelle für die Einhaltung der guten Laborpraxis bestimmt worden. Damit ist die vom Antragsgegner genannte Norm des § 22 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG direkt schon tatbestandlich nicht anwendbar. Dementsprechend argumentiert der Antragsgegner auch mit einer analogen Anwendung dergestalt, dass eine Regelungslücke bestehe, da das BfR auch die Aufgabe habe, beim Vollzug der Vereinbarungen über die GLP mit Ländern außerhalb der EU mitzuwirken, wie sich aus § 19 d Abs. 1 Nr. 4 ChemG ergebe. Diese Aufgabe würde ohne die Informationsweitergabe durch die Länder aber leerlaufen.
Dem Antragsgegner ist insoweit zuzugeben, dass eine Regelungslücke hier wohl vorliegt. Auch bestehen nach summarischer Prüfung keine ernsthaften Bedenken gegen die Annahme einer vergleichbaren Interessenlage, die neben der Regelungslücke die weitere Voraussetzung für die Annahme einer Analogie wäre. Dies ändert aber nichts daran, dass aus den Bestimmungen der § 22 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG im Wege einer Analogie eine Befugnis zu in Rechte Dritter eingreifenden Maßnahmen bzw. zu einer Weitergabe entsprechender Informationen nicht abgeleitet werden kann. Denn § 22 Satz 3 i.V.m. § 21 Abs. 2a Nr. 2 ChemG setzt eine anderweitig geregelte Aufgabe oder Informationspflicht voraus. Den zuständigen Behörden der Länder und dem BfR wird zwar jeweils die Aufgabe der Informationsübermittlung zugewiesen, allerdings nur insoweit, als dies “für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz, den aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen oder den in § 21 Abs. 2 Satz 1 genannten EG- oder EU-Verordnungen einschließlich der Erfüllung darin enthaltener Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission erforderlich ist“. Eine derartige Vorschrift, nach der die streitgegenständliche Meldung einer „GLP-non-compliance“ erforderlich ist, hat der Antragsgegner aber nicht benannt und konnte vom Gericht auch nicht anderweitig festgestellt werden.
Ausweislich des Handbuchs für GLP-Inspektionen (Stand 01/2018, S. 6) erfolgte die Umsetzung der RL 2004/9/EG in deutsches Recht mit dem Chemikaliengesetz 1990. In dieses wurden die § 19a bis 19d mit Gesetz vom 14. März 1990 mit Wirkung vom 1. August 1990 eingefügt. In diesen Bestimmungen findet sich aber ebenso wenig wie in anderen Bestimmungen des aktuellen Chemikaliengesetzes eine Regelung, die eine Pflicht zur Meldung von Verstößen an die GLP-Bundesstelle vorsieht.
Was Gute Laborpraxis ist, ist in Anhang 1 zum Chemikaliengesetz für das deutsche Recht festgelegt (vgl. § 19a Abs. 1 ChemG). Auch in diesem Anhang findet sich aber keine Umsetzung des Art. 5 der RL 2004/9/EG, vielmehr beschränkt sich der Anhang auf verschiedene Begriffsdefinitionen und materielle Anforderungen an die gute Laborpraxis.
Eine Befugnisnorm im nationalen Recht findet sich auch nicht in der auf der Grundlage von § 19d Abs. 3 ChemG erlassenen Verwaltungsvorschrift (ChemVwV-GLP). Im Anhang der Verwaltungsvorschrift (Leitlinien für die Durchführung von Inspektionen einer Prüfeinrichtung und die Überprüfung von Prüfungen), auf den auch Ziffer 4.1 der Verwaltungsvorschrift verweist, findet sich unter dem Oberpunkt „Überprüfungen von Prüfungen“ zwar die folgende Aussage: „Überprüfungen bestimmter Prüfungen werden auch öfter von Bewertungsbehörden angefordert und können unabhängig von Inspektionen von Prüfeinrichtungen durchgeführt werden.“ Damit ist ein Vorgehen, wie es das LGL im Falle der Antragstellerin durchgeführt hat, nämlich dass es sich einzelne Prüfberichte hat zuschicken lassen, von der Verwaltungsvorschrift grundsätzlich gedeckt. Die Verwaltungsvorschrift enthält aber keine Aussage darüber, was die Konsequenzen solcher Prüfungen angeht. Insoweit verweist sie unter dem Oberbegriff „Abschluss der Inspektion oder der Überprüfung von Prüfungen“ auf die allgemeinen Bestimmungen: „Die von der Behörde zur Überwachung der GLP zu treffenden Maßnahmen hängen von der Art und Weise sowie vom Ausmaß der Nichteinhaltung der GLP und von den Rechts- und/oder Verwaltungsbestimmungen im Rahmen des Programms zur Überwachung der Einhaltung der GLP ab.“ Eine Befugnisnorm für eine Meldung an die GLP-Bundesstelle lässt sich daraus nicht ableiten. Daneben wäre im Übrigen auch fraglich, ob eine in einer Verwaltungsvorschrift enthaltene Befugnisnorm überhaupt von der in § 19 d Abs. 3 ChemG enthaltenen Ermächtigung zum Erlass einer Verwaltungsvorschrift für das „Verfahren der behördlichen Überwachung“ gedeckt wäre. Schließlich dürfte eine Ermächtigungsnorm in einer Verwaltungsvorschrift, da es sich bei dieser nicht um eine Rechtsnorm mit Außenwirkung handelt, nicht zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit tauglich sein. Da die ChemVwV-GLP aber keine entsprechende Bestimmung enthält können diese Fragen letztlich als nicht entscheidungserheblich dahin gestellt bleiben.
Es muss daher festgehalten werden, dass sich im nationalen Recht keine Eingriffsbefugnis für eine Meldung wie die streitgegenständliche an die GLP-Bundesstelle findet.
cc) Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG selbst stellt keine taugliche Befugnisnorm dar.
Eine Richtlinie verpflichtet grundsätzlich nur die Mitgliedstaaten hinsichtlich des Ziels, lässt diesen aber die Wahl von Form und Mitteln der Umsetzung ins nationale Recht (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Diese Wahlfreiheit wird jedoch durch den effet utile eingeschränkt: Danach dürfen nur diejenigen Formen und Mittel gewählt werden, die sich zur Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie und deren Ziels am besten eignen (Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV, Rn. 26). Nach der Rechtsprechung des EuGH bedarf es insoweit nicht unbedingt eines formellen Gesetzes, allerdings sind insbesondere bei begünstigenden Vorschriften die Kriterien „Publizität, Klarheit und Bestimmtheit“ einzuhalten (Ruffert a.a.O. Rn. 32). Eine Umsetzung nur durch eine entsprechende Verwaltungspraxis oder Verwaltungsvorschriften bzw. „Circulaires“ wird regelmäßig nicht als ausreichend erachtet (Ruffert a.a.O. Rn 37/38).
Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG lautet: Stellt ein Mitgliedsstaat fest, dass eine in seinem Hoheitsgebiet gelegene Prüfeinrichtung zu Unrecht behauptet, die GLP zu befolgen, so dass die Korrektheit oder Zuverlässigkeit der von ihr durchgeführten Untersuchungen infrage gestellt werden könnte, so unterrichtet er hierüber unverzüglich die Kommission. Die Kommission teilt dies den anderen Mitgliedsstaaten mit. Dass diese Richtlinienbestimmung durch nationale Vorschriften irgendwelcher Art in deutsches Recht umgesetzt wurde, ist, wie bereits dargestellt wurde, nicht ersichtlich.
Allerdings kann eine Richtlinie trotz ihrer grundsätzlichen Umsetzungsbedürftigkeit in Ausnahmefällen auch unmittelbare Wirksamkeit haben. Dies ist im Grundsatz inzwischen allgemein anerkannt (vgl. hierzu Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288, Rn. 48ff m.w.N.). Voraussetzung ist dafür neben dem Ablauf der in der Richtlinie festgelegten Umsetzungsfrist und ihrer fehlenden bzw. mangelhaften Umsetzung auch, dass die betreffende Richtlinienbestimmung inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sein muss (zu allem: vgl. Ruffert in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 288, Rn. 51-55; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 71. EL August 2020, Art. 288 AEUV, Rn. 142-147). Aber auch wenn diese Voraussetzungen vorliegen kann eine Richtlinie nach ständiger Rechtsprechung des EuGH grundsätzlich keine Verpflichtungen für Private begründen (Nettesheim a.a.O., Art. 288 AEUV Rn. 157 m.w.N.), weshalb ein Mitgliedsstaat nicht unmittelbar aufgrund einer Richtlinienbestimmung gegen einen Bürger vorgehen kann (Ruffert a.a.O. Rn. 57; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 71. EL August 2020, Art. 288 AEUV, Rn. 160, jeweils m.w.N.). Daher kann der Antragsgegner sich im vorliegenden Fall – ohne dass auf die Frage, ob Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG im Sinne der genannten Rechtsprechung des EuGH inhaltlich unbedingt und hinreichend genau ist genauer eingegangen werden müsste – gegenüber der Antragstellerin wohl für seine, in ihrer Wirkung einem Eingriff in deren Berufsfreiheit gleichkommenden Meldung an die GLP-Bundesstelle auf eine unmittelbare Wirkung des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG berufen. Denn damit würde dieser eine unmittelbar belastende Wirkung gegenüber der Antragstellerin zukommen.
Gegen eine unmittelbare Wirksamkeit des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG spricht im Übrigen auch Anhang I Abschnitt A dieser Richtlinie, wo unter der Überschrift „Folgemaßnahmen nach der Inspektion von Prüfeinrichtungen und der Überprüfung von Prüfungen“ ausgeführt wird, dass, wenn erhebliche Abweichungen festgestellt werden, die von der (nationalen) Überwachungsbehörde ergriffenen Maßnahmen in jedem Einzelfall abhängig sind von den besonderen Umständen „sowie von den Rechts- und Verwaltungsvorschriften, nach denen die Überwachung der Einhaltung der GLP in den jeweiligen Staaten festgelegt worden ist“. Die Richtlinie geht also von einer Notwendigkeit nationaler Rechtsetzung, was die Folgen eines festgestellten Verstoßes gegen die GLP-Grundsätze angeht, aus.
Das Gericht ist allerdings in dem, in dem Rechtsstreit zwischen den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 29. Juni 2020 (AN 14 E 20.01223 – juris Rn. 26) unter Verweis auf den Kommentar von Calliess/Ruffert zum AEUV (Rn. 63f) davon ausgegangen, dass Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG eine geeignete Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Meldung darstelle. An dieser Auffassung hält die Kammer nicht mehr fest. Denn bei genauer Betrachtung der in der genannten Kommentarstelle zitierten Entscheidungen des EuGH unterscheidet sich die vorliegenden Fallkonstellation maßgeblich von den dort entschiedenen: Die in dieser Kommentarstelle angeführten Urteile des EuGH vom 30. April 1996 (C-194/94 – juris „CIA Security International“) und vom 7. Januar 2004 (C-201/02 – NVwZ 2004, 593 „Delena Wells“) betrafen Fallkonstellationen, in denen bei einer Klage eines Dritten gegen einen Privaten bzw. eine Behörde die Anwendbarkeit einer Richtlinie trotz fehlender Umsetzung in nationales Recht zu prüfen war. Dies bejahte der EuGH, was in der Kommentarstelle damit wiedergegeben wurde, dass eine Wirkung der Richtlinie in Dreiecksverhältnissen bejaht wurde, wenn die Richtlinie normativ staatliche Stellen verpflichtet, aber zu faktischen Belastungen Privater führt. Hier liegt aber keine derartige Konstellation vor: Es geht gerade nicht um ein Dreiecksverhältnis, in dem die Anwendbarkeit der nicht umgesetzten Richtlinie einen Privaten begünstigen und einen anderen belasten würde. Daher können die in diesen Entscheidungen entwickelten Grundsätze hier nicht herangezogen werden. Es bleibt daher bei dem oben dargestellten Grundsatz, dass eine nicht umgesetzte Richtlinienbestimmung eine Wirkung zu Lasten eines Privaten nicht entfalten kann.
dd) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben, da den vom Antragsgegner beanstandeten Prüfberichten nicht entnommen werden kann, dass die Antragstellerin im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG zu Unrecht behauptet, die GLP zu befolgen. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen.
Die Auslegung des Unionsrechts erfolgt mit einigen spezifischen Besonderheiten (vgl. Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand 71. EL August 2020, Art. 19 EUV, Rn. 53ff) grundsätzlich nach den gleichen Grundsätzen wie die Auslegung des nationalen Rechts (Mayer a.a.O. Rn. 53; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 Rn. 13). Mit der Besonderheit, dass der Sinngehalt eines Begriffs in einer Sprache nur eine eingeschränkte Bedeutung für die Auslegung haben kann, da es von jeder unionsrechtlichen Vorschrift 24 grundsätzlich gleichrangige Sprachfassungen gibt (Wegener a.a.O. Rn. 13) bildet der Wortlaut einer Norm auch bei der Auslegung von Unionsrecht Anfang (Wegener a.a.O. Rn. 13 unter Verweis auf die Schlussanträge des Generalanwalts Roemer im Verfahren EuGH, Rs. 16/70, juris S. 4f) und Grenze (Wegener a.a.O. Rn. 13 unter Verweis auf EuGH, U.v. 16.10.2008 – C-313/07 – NJW 2008, 3483) jeder Auslegung.
Der Wortlaut des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG bringt zunächst zum Ausdruck, dass die GLP nicht befolgt werden. Was die GLP sind, definiert Art. 1 Abs. 2 der RL 2004/9/EG dahingehend, dass im Sinne dieser Richtlinie „Gute Laborpraxis (GLP)“ die Laborpraxis ist, die gemäß den Grundsätzen der RL 2004/10/EG durchgeführt wird. Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der RL 2004/9/EG enthält daneben das weitere Tatbestandsmerkmal „so dass die Korrektheit oder Zuverlässigkeit der von ihr durchgeführten Untersuchungen infrage gestellt werden könnte“. Dies deutet darauf hin, dass es bei der Mitteilungspflicht, die Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG bei einer Nichteinhaltung der GLP auslöst darum geht, dass wegen einer inhaltlichen Abweichung von den in der RL 2004/10/EG genannten GLP-Grundsätzen Zweifel an der Korrektheit oder Zuverlässigkeit der durchgeführten Untersuchungen bestünden. Der Wortlaut als Ausgangspunkt der Auslegung spricht also dagegen, dass der rein formale Aspekt des Besitzes einer GLP-Bescheinigung (nach einer entsprechenden Inspektion durch eine Prüfstelle wie das LGL des Antragsgegners) eine Nichtbefolgung der GLP im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG darstellt. Ihm kann entgegen der Argumentation des Antragsgegners auch nicht entnommen werden, dass nur eine Prüfeinrichtung, die im Besitz einer GLP-Bescheinigung ist, eine „wahre“ Erklärung über die Befolgung der GLP abgeben könnte.
Betrachtet man danach die systematische Auslegung, so ist festzuhalten, dass nach Art. 1 Abs. 2 der RL 2004/9/EG GLP eine Laborpraxis bedeutet, die gemäß den Grundsätzen der RL 2004/10/EG durchgeführt wird. Diese Richtlinie regelt in ihrem Anhang I die „Grundsätze der guten Laborpraxis“. Dort sind inhaltliche Anforderungen an die Organisation, Räume etc. von Prüfeinrichtungen und Prüfstandards geregelt. Eine Aussage, dass zu den Grundsätzen der guten Laborpraxis auch gehört, dass die Prüfeinrichtung bei der Durchführung der Prüfung (bzw. deren Abschluss) auch im Besitz einer GLP-Bescheinigung sein muss, findet sich dort aber nicht.
Zu dem gleichen Ergebnis führt ein Blick in den Anhang I der RL 2004/9/EG. Dieser enthält Bestimmungen für die Inspektion und Überwachung der GLP, die sich mit den Anhängen I und II des Beschlusses und der Empfehlung des OECD-Rates zur Einhaltung der Grundsätze der Guten Laborpraxis (K(89)87 (final) vom 2. Oktober 1989, neu gefasst mit dem Beschluss des OECD-Rates, zur Änderung der Anhänge hinsichtlich Beschluss und Empfehlung des Rates zur Einhaltung der Grundsätze der Guten Laborpraxis vom 9. März 1995 K(95) 8 (final)) decken (vgl. Vorbemerkung zum Anhang I). So wird im Anhang I Abschnitt A z.B. als Aufgabe des (nationalen) GLP-Überwachungsprogramms bestimmt, dass es dazu diene, festzustellen, ob die Prüfeinrichtungen die GLP-Grundsätze für die Durchführung von Prüfungen erfüllt haben und ob sie gewährleisten können, dass die aus den Prüfungen gewonnenen Daten von angemessener Qualität sind (ABl 2004 L 50/33). Wiederum wird allein auf die inhaltliche Übereinstimmung mit GLP-Grundsätzen abgestellt, ohne auch den formalen Gesichtspunkt des Vorliegens einer GLP-Bescheinigung in den Fokus zu rücken. Diese Perspektive wird auch am Ende des Abschnitts B wiederholt, wo unter der Überschrift „Abschluss der Inspektion oder der Überprüfung von Prüfungen“ ausgeführt wird, dass, wenn (ausnahmsweise) eine wesentliche Abweichung von den GLP-Grundsätzen festgestellt wird, „die nach Ansicht des Inspektors die Validität dieser Prüfung oder anderer in der Einrichtung durchgeführter Prüfungen beeinträchtigt haben könnte“, ein Bericht zu erstatten sei, aufgrund dessen Maßnahmen getroffen würden. Mit der Wendung, dass die festgestellten Abweichungen Einfluss auf die Validität der vorgenommenen Prüfungen haben müssten wird wieder auf die inhaltlichen Vorgaben der GLP verwiesen. Dass eine „GLP-Bescheinigung“ vorliegen muss, davon ist auch im Anhang I der RL 2004/9/EG nicht die Rede. Damit spricht die systematische Auslegung dafür, dass eine „Nichtbefolgung der GLP“ im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG nicht vorliegt, wenn dies behauptet wird, aber keine GLP-Bescheinigung vorliegt.
Bei der teleologischen Auslegung ist danach zu fragen, ob Sinn und Zweck des Art. 5 Abs. 2 der RL 2004/9/EG es gebieten, auch die fehlende GLP-Bescheinigung als falsche Behauptung, die GLP zu befolgen, in diesem Sinne zu werten. Hier ist auch der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“, der praktischen Wirksamkeit des Unionsrechts, zu berücksichtigen (Mayer in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Recht der Europäischen Union, Stand 71. EL August 2020, Art. 19 EUV, Rn. 57f; Wegener in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 19 EUV, Rn. 16). Angesichts der obigen Feststellungen, dass diese Richtlinie an keiner Stelle erwähnt, dass es ihr auch darum geht, dass eine Prüfeinrichtung bei der Durchführung von Prüfungen (formal) im Besitz einer GLP-Prüfbescheinigung ist, besteht hierfür aber kein Anhaltspunkt: Denn aus der RL 2004/9/EG lässt sich gerade nicht ableiten, dass es ihr darum überhaupt geht. Daran ändert auch der Grundsatz des „effet utile“ nichts.
Damit ist glaubhaft gemacht, dass die vom Antragsteller geplante Meldung rechtswidrig wäre. Folglich ist auch der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch als Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Auf die übrigen zwischen den Beteiligten streitigen Fragen, ob etwa die Antragstellerin Teil des nationalen GLP-Überwachungsprogramms ist, ob die Antragstellerin eventuell aus gesellschaftsrechtlichen Gründen so zu behandeln ist, als sei sie im Zeitpunkt der beanstandeten Prüfungen im Besitz einer gültigen GLP-Bescheinigung gewesen und ob sich die der M. … erteilte GLP-Bescheinigung auf die Art der von der Antragstellerin durchgeführten, und nun vom Antragsgegner beanstandeten Prüfungen erstreckt(e) kommt es nach alledem nicht streitentscheidend an. Diese Fragen können daher dahingestellt bleiben.
d) Daneben besteht auch die notwendige Dringlichkeit einer einstweiligen Anordnung, der Anordnungsgrund. Der Antragsgegner ist auch angesichts der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ausgetauschten Argumente weiterhin entschlossen, die angekündigte Meldung zu machen.
4. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, wirft die vorliegende Streitsache verschiedenste schwierige Rechtsfragen auf, die in Rechtsprechung und Lehre bisher nicht aufgearbeitet sind.
Daher ist es vorliegend geboten, auf den Antrag des Antragsgegners nach § 123 Abs. 3 VwGO, § 926 ZPO anzuordnen, dass die Antragstellerin Hauptsacheklage erhebt. Die hierfür gesetzte Frist von vier Wochen ist angesichts der Tatsache, dass im vorliegenden Verfahren bereits ein Großteil der Argumente ausgetauscht wurden auch angesichts der Kompliziertheit der Materie angemessen (Mayer in BeckOK ZPO, 38. Edition, Stand: 1.9.2020, Rn. 11).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1, Sätze 1 und 2 VwGO.
Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2, 39 GKG i.V.m. Ziff. 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit festzusetzen. Angesichts der von der Antragstellerin anschaulich dargestellten Bedeutung der gestellten Anträge erscheint der von der Antragstellerin vorgeschlagene Ansatz eines Streitwertes von 100.000 € pro gestelltem Antrag als angemessen. Da im vorliegenden Verfahren beantragt wurde, zwei Meldungen einer „GLP non compliance“ zu verhindern, war der Betrag zu verdoppeln. Aufgrund der Tatsache, dass es sich vorliegend um ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren handelt, wird der sich danach ergebende Betrag von 200.000 € auf die Hälfte reduziert (Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).


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