Europarecht

Haftung des Herstellers eines Pkw im Rahmen des sog. Dieselskandals

Aktenzeichen  41 O 103/19

Datum:
31.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 40986
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VO (EG) 715/2007 Art. 5 Abs. 2 S. 1, Art. 10 Abs. 1
BGB § 31, § 826

 

Leitsatz

1. Verbrauchs- und Emissionswerte einen KfZ haben allgemein eine hohe Bedeutung bei den Anschaffungsentscheidungen. Die allgemeine Verkehrserwartung geht dahin, dass sich ein Hersteller nicht durch falsche Angaben oder durch Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Werten Wettbewerbsvorteile verschafft. An die Redlichkeit werden besonders hohe Erwartungen gestellt, da der Verbraucher auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist, weil er zu einer eigenen Überprüfung nicht in der Lage ist (Rn. 30). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei dem Einbau einer manipulierten Motorsteuerungssoftware – die zudem noch von einem Drittunternehmen entwickelt wird – handelt es sich offensichtlich nicht um das Augenblicksversagen eines einzelnen Mitarbeiters, sondern um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung – wie insbesondere die finanziellen Folgen des Abgasskandals zeigen – und Risiken, bei der millionenfach in den Motor (das „Herzstück“ des Fahrzeuges) eingegriffen wird (Rn. 34). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11.333,08 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.05.2019 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs … Ibiza mit der Fahrgestellnummer … zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1. genannten Fahrzeugs seit dem 10.10.2019 im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 958,19 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.05.2019 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I. Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie ist zulässig – insbesondere ist das Landgericht Bamberg gem. § 32 ZPO zuständig – und überwiegend begründet.
Die Ausführungen der Beklagten aus dem Schriftsatz vom 09.10.2019 liegen neben der Sache, da die Klägerin wieder Eigentümerin ihres Fahrzeugs war. Sie hat im Termin vom 04.07.2019 (Bl. 251 GA) von der Beklagten unbestritten ausgeführt, dass der Finanzierungsvertrag ordnungsgemäß am 04.04.2019 geendet habe, sie den Fahrzeugbrief zurückerhalten habe und die Bank nichts mehr mit ihrem Fahrzeug „machen“ könne.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 11.333,08 Euro Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitbefallenen Fahrzeugs gem. §§ 826, 31 BGB zu. Die Voraussetzungen dieser Norm – wonach derjenige, der durch ein als sittenwidrig zu qualifizierendes, vorsätzliches Verhalten eines anderen einen Schaden erlitten hat, Anspruch auf Ersatz dieses Schadens hat – liegen vor (so im Ergebnis – mit in Einzelheiten divergierenden Begründungen – auch eine Vielzahl anderer aktueller landgerichtlicher Entscheidungen, etwa: LG Heilbronn, Urteil vom 22.05.2018 – 6 O 35/18; LG Kiel, Urteil vom 18.05.2018 – 12 O 371/17; LG Hamburg, Urteil vom 18.05.2018 – 308 O 308/17; LG Bonn, Urteil vom 07.03.2018 – 19 O 327/17; LG Krefeld, Urteil vom 28.02.2018 – 7 O 10/17; LG Köln, Urteil vom 26.02.2018 – 19 O 109/17; LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 – 1 O 178/17; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 – 7 O 212/16; LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 – 19 O 68/17; LG Wuppertal, Urteil vom 16.01.2018 – 4 O 295/17; LG Arnsberg, Urteil vom 12.01.2018 – 2 O 134/17; LG Bochum, Urteil vom 29.12.2017 – 6 O 96/17; LG Essen, Urteil vom 19.10.2017 – 9 O 33/17; LG Bielefeld, Urteil vom 16.10.2017 – 6 O 149/16; LG Mainz, Urteil vom 27.07.2017 – 4 O 196/16; LG Mönchengladbach, Urteil vom 11.07.2017 – 1 O 320/16; LG Lüneburg, Urteil vom 29.06.2017 – 3 O 204/16, die in der Folge vielfach in Bezug genommen und zum Teil wörtlich zitiert werden).
Der Klägerin ist durch den Erwerb des streitbefallenen Pkws ein Schaden im Sinne von § 826 BGB entstanden. Ein Schaden im Sinne von § 826 BGB ist nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vemögenslage, in dem Sinne, dass sich bei dem vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre, ein rechnerisches Minus ergibt. Der Schadensbegriff des § 826 BGB ist vielmehr subjektbezogen, so dass bei wertender Betrachtung Vermögensminderungen oder nachteilige Einwirkungen auf die Vermögenslage umfasst sind, wie – bei Eingriff in die Dispositionsfreiheit – die Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung oder die Vermögensgefährdung durch Eingehung eines nachteiligen Geschäfts (BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02 = zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03 = BGHZ 161, 361; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 = zitiert nach juris; Münchener Kommentar zum BGB / Wagner, 7. Aufl., § 826 Rn. 41 ff.). Dabei ist bei dem Abschluss von Verträgen unter Eingriff in die Dispositionsfreiheit maßgeblich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen, nicht auf die tatsächliche Realisierung eines Schadens zu einem späteren Zeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – XI ZR 51/10 = BGHZ 192, 90).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – denen das Gericht folgt – stellt bereits die Tatsache, dass die Klägerin aufgrund des Verschweigens der Beklagten über den Einsatz der Umschaltlogik bzw. der Motorsteuerungssoftware einen für ihn ungewollten wirtschaftlich nachteiligen Vertrag mit dem Autohändler geschlossen hat, einen derartigen Schaden dar, da ihr Vermögen bereits dadurch – unabhängig von einem messbaren Vermögensnachteil durch einen entstehenden Wertverlust – mit einer ungewollten Verbindlichkeit negativ belastet ist.
Die wirtschaftliche Nachteiligkeit des Vertrages für die Klägerin ergibt sich dabei schon daraus, dass die Klägerin nicht das erhalten hat, was ihr nach dem Kaufvertrag zustand, nämlich ein technisch einwandfreies, den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes Fahrzeug. Stattdessen hat die Klägerin einen Vertrag über einen Pkw geschlossen, der zwar formal über eine erteilte EG-Typgenehmigung verfügte, in den aber gleichzeitig eine unzulässige Abschaltvorrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 eingebaut war, die einer Zulassung objektiv entgegenstand.
Die objektiven Zulassungsvoraussetzungen in Bezug auf Abschaltvorrichtungen ergeben sich aus folgenden Normen: Gemäß Art. 10 Abs. 1 EG-VO 715/2007 erteilt die nationale Zulassungsbehörde die Typgenehmigung, wenn das betreffende Fahrzeug den Vorschriften der Verordnung und ihrer Durchführungsbestimmungen entspricht. Gemäß § 4 Abs. 4 der Verordnung über die EG-Genehmigung für Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger sowie für Systeme, Bauteile und selbstständige technische Einheiten für diese Fahrzeuge (EG-FGV) darf eine EG-Typgenehmigung nur erteilt werden, wenn die erforderlichen Prüfverfahren ordnungsgemäß und mit zufriedenstellenden Ergebnis durchgeführt wurden. Nach Art. 5 Abs. 1 EG-VO 715/2007 hat der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Gemäß Art. 5 Abs. 2 EG-VO 715/2007 ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig. Nach Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 ist eine „Abschalteinrichtung“ ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird.
Das streitgegenständliche Fahrzeug verfügte nach Auffassung des Gerichts über eine unzulässige Abschalteinrichtung im derartigen Sinne, so dass die Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht vorliegen. Die von der Beklagten geschilderte Umschaltlogik – d.h. der Betrieb in zwei verschiedenen Betriebsmodi, bei Rückführung von Emissionen aus dem Verbrennungsprozess durch eine Abgasrückführung teilweise wieder in den Verbrennungsprozess hinein – ist Teil eines Emissionskontrollsystems im Sinne von Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007. Die Emissionen werden ersichtlich kontrolliert und gesteuert: Die Motorsteuerung, die den Prüfzyklus erkennt, schaltet im Modus 0 (regulärer Straßenbetrieb) die Abgasrückführung, die der Kontrolle der Emissionen und der Reduzierung des Schadstoffausstoßes dient, ab.
Soweit die Beklagte dies durch eine Unterscheidung zwischen „so genannten innermotorischen Maßnahmen“ und denjenigen der „Abgasreinigung im Emissionskontrollsystem“ in Zweifel zieht, „lässt sich eine derartige Unterscheidung der Verordnung nicht entnehmen und widerspricht offensichtlich deren Zweck. Die Emissionskontrolle im Sinne der Verordnung ist nicht auf die Abgasreinigung beschränkt. Durch die Rückführung eines Teils der Abgase (Emissionen) in den Verbrennungsprozess im Motor werden die Emissionen kontrolliert. Durch die Fahrzykluserkennung wird dieser Teil des Kontrollsystems abgeschaltet. Die Auslegung der Beklagten widerspricht auch offensichtlich dem Zweck der Verordnung, wonach das Testverfahren möglichst das Verhalten des Fahrzeugs unter normalen Betriebsbedingungen widerspiegeln soll. So schreibt Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausdrücklich vor, dass der Hersteller das Fahrzeug so auszurüsten hat, dass die Bauteile, die das Emissionsverhalten voraussichtlich beeinflussen, so konstruiert, gefertigt und montiert sind, dass das Fahrzeug unter normalen Betriebsbedingungen dieser Verordnung und ihren Durchführungsmaßnahmen entspricht. Erwägungsgrund 15 der Verordnung weist auf das Ziel hin, dass die bei den Typgenehmigungsprüfungen gemessenen Emissionen denen im praktischen Fahrbetrieb entsprechen sollen. Die Motorsteuerung der Beklagten knüpft demgegenüber nicht an bestimmte Betriebszustände oder Umweltbedingungen an, sondern ausschließlich an die Feststellung des NEFZ, zielt also bewusst auf eine Steuerung der Emissionen für den Ausnahmefall der Genehmigungsprüfung.“ (so zutreffend LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 – 19 O 68/17 = zitiert nach juris; inhaltlich ebenso beispielhaft: LG Krefeld, Urteil vom 19.07.2071 – 7 O 147/16 = zitiert nach juris, LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 – 3 O 193/16 = zitiert nach juris; LG Offenburg, Urteil vom 12.05.2017 – 6 O 199/16 = zitiert nach juris; LG Düsseldorf – Urteil vom 09.02.2018 – 7 O 212/16 = zitiert nach juris).
Die durch den wirtschaftlich nachteiligen Vertrag begründete Verbindlichkeit war für die Klägerin ersichtlich auch ungewollt: Dies folgt schon daraus, dass bei verständiger Würdigung und unter lebensnaher Betrachtung kein durchschnittlich informierter und wirtschaftlich vernünftig denkender Kunde ein Fahrzeug mit dieser Motorsteuerungssoftware erwerben würde, wenn die Beklagte (oder der Verkäufer) ihn vor dem Kauf darauf hinweisen würde, dass die Software nicht gesetzeskonform ist und er deshalb jedenfalls für den Fall der Entdeckung der Manipulation durch das KBA (wenn auch erst in einigen Jahren) mit Problemen bis hin zum Entzug der Zulassung rechnen muss. Ein Durchschnittskäufer kann und muss nicht davon ausgehen, dass die gesetzlich vorgegebenen und im technischen Datenblatt aufgenommenen Abgaswerte nur deshalb eingehalten und entsprechend attestiert werden, weil eine Software installiert worden ist, die dafür sorgt, dass der Prüfstandslauf erkannt wird und über eine entsprechende Programmierung der Motorsteuerung in gesetzlich unzulässiger Weise insbesondere der Stickoxidausstoß reduziert wird. Dies wird auch durch die Aussage des technisch versierten Zeugen W. deutlich, der widerspruchsfrei sowie kenntnis- und detailreich die Kauferwägungen und das Verkaufsgespräch im Jahr 2014 schildern konnte und angab, dass seine Frau und er das Fahrzeug mit Sicherheit nicht gekauft hätten, hätten sie von der Abschalteinrichtung gewusst. Für seine Glaubwürdigkeit spricht zudem, dass er Erinnerungslücken unumwunden einräumte und nicht versuchte, sie zugunsten der Klägerin zu füllen.
Insoweit kann auch zwanglos davon ausgegangen werden, dass die Gesetzmäßigkeit des Fahrzeugs schon allein wegen des Einflusses der Manipulation auf die Schadstoffklasseneingruppierung – mit den damit verbundenen steuerlichen und sonstigen Folgen – und die Zulassung des Fahrzeugs für die Kaufentscheidung immer von Bedeutung ist, ohne dass es auf konkrete Äußerungen im Verkaufsgespräch ankäme (so auch LG Arnsberg, Urteil vom 14.06.2017 – 1 O 227/16 = zitiert nach juris; LG Kleve, Urteil vcm 31.03.2017 – 3 O 252/16 = zitiert nach juris). Bei gehöriger Aufklärung hätte die Klägerin vielmehr erkannt, dass sich aus der geschilderten Problematik die Gefahr der Stilllegung des Fahrzeugs sowie die Gefahr eines massiven Wertverlustes der Kaufsache ergeben und vom Kauf abgesehen (wofür nach Auffassung des LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 – 1 O 178/17 = zitiert nach juris bereits ein Anscheinsbeweis spricht), zumal zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses nicht absehbar gewesen wäre, dass die Beklagte kurzfristig in der Lage ist, ein Software-Update zu entwickeln, das tatsächlich die Zulassungsfähigkeit herstellt ohne negative Auswirkungen für das Fahrzeug mit sich zu bringen. Selbst das jetzt vorliegende Update berücksichtigt nach dem Vortrag der Beklagten die Erkenntnisse aus der Weiterentwicklung des Diesel-Brennverfahrens der letzten zehn Jahre, die damals noch gar nicht vorlagen. Der Käufer eines Neufahrzeuges erwartet regelmäßig, dass er sein Fahrzeug dauerhaft und uneingeschränkt nutzen kann und er sich nicht zu einem ungewissen Zeitpunkt in der Zukunft damit konfrontiert sieht, dass ein Entzug der Zulassung und bei Weiterveräußerung des Fahrzeugs ein massiver Wertverlust droht.
Objektive Anhaltspunkte dafür, dass dies im konkreten Fall ausnahmsweise anders war – die Klägerin das Fahrzeug mithin auch in Kenntnis der Umschaltlogik zu den vereinbarten Konditionen erworben hätte – sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Soweit von Beklagtenseite und teilweise auch in der Rechtsprechung (vgl. LG Köln, Urteil vom 07.10.2016 – 7 O 138/16 LG Ellwangen, Urteil vom 10.06.2016 – 5 O 385/15 LG Braunschweig, Urteil vom 19. Mai 2017 – 11 O 4153/16 – jeweils zitiert nach juris) die Auffassung vertreten wird, eine Haftung nach § 826 BGB scheide schon deshalb aus, weil die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, gegen die die Beklagte durch den Einsatz der Software und die Manipulation des Prüfungsverfahrens verstoßen hat, nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen, sondern gesamtgesellschaftlichen Zielen diene, und deshalb Vermögensschäden im Zusammenhang mit dem Verstoß der Beklagten nicht unter den Schutzbereich des § 826 BGB fielen, folgt das Gericht dieser Auffassung nicht.
„Die Haftung aus § 826 BGB hängt nicht davon ab, auf welchem Weg und unter Verstoß gegen welche gesetzlichen Vorschriften der Schädiger gehandelt hat (vgl. LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 – 3 O 139/16; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 – 13 O 174/16 – jeweils zitiert nach juris). Es steht auch nicht zu befürchten, dass es andernfalls zu einer Ausuferung der Haftung kommen würde: Der Schädiger haftet allein für die durch seine sittenwidrige Schädigung verursachten Vermögensschäden, der Kreis der Ersatzberechtigten wird dadurch eingegrenzt, dass der Schädiger hinsichtlich der Schädigung mit Vorsatz handeln muss (s.u.) und dadurch diejenigen Personen, deren Vermögensschäden zu ersetzen sind, von vornherein ausreichend genau bestimmt werden; erfasst werden im vorliegenden Fall nämlich nur die Erwerber der von der Manipulation betroffenen Fahrzeuge. Im Übrigen übersieht die vorzitierte Rechtsauffassung, dass der Beklagten nicht allein ein Verstoß gegen das Genehmigungsverfahren anzulasten ist, sondern insbesondere, dass sie der Allgemeinheit und den betroffenen Fahrzeugkäufern durch ihre öffentlichen Angaben und die – von ihr zu verantwortenden Übereinstimmungsbescheinigungen – suggeriert, dass die Fahrzeuge bestimmte technische Eigenarten aufweisen, die tatsächlich nicht gegeben sind. Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB hängt schließlich auch nicht davon ab, ob der Käufer seinen Vermögensschaden von einer anderen Person ersetzt verlangen kann. Das Bestehen von kaufrechtlichen Ansprüchen gegen den Verkäufer schließt deliktische Ansprüche gegen einen Dritten nämlich keinesfalls aus.“ (so zutreffend LG Duisburg, Urteil vom 19.02.208 – 1 O 178/17 = zitiert nach juris; sowie inhaltlich ebenso LG Hildesheim, Urteil vom 17.01.2017 – 3 O 139/16 LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 – 13 O 174/16 – jeweils zitiert nach juris).
Der Schaden der Klägerin beruht auch auf einem Verhalten der Beklagten. Diese hat das streitbefallene Fahrzeug, insbesondere den Motor mit Abschalteinrichtung produziert, sich durch das Vorspiegeln scheinbar zulässiger Emissionswerte gegenüber dem KBA die EG-Typgenehmigung erschlichen und das Fahrzeug schließlich – im konkreten Fall mittels selbständigem Verkäufer – so vertreiben lassen, dass es in den Verkehr gelangt.
Dieses Verhalten war für den Schadenseintritt (Eingehung des wirtschaftlich nachteiligen und ungewollten Vertrages) auch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm adäquat kausal, wobei hier dahinstehen kann, wie dies im Fall eines Gebrauchtwagenkaufs zu bewerten ist (zu letzterem insb. LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 – 19 O 68/17 = zitiert nach juris).
Das Verhalten der Beklagten ist als sittenwidrig zu qualifizieren. Ein Verhalten ist sittenwidrig, wenn es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (st. Rspr. seit RGZ 48, 114, 124). In diese rechtliche Beurteilung ist einzubeziehen, ob die Handlung nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 361 Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149, 157; Urteil vom 03.12.2013 – XI ZR 295/12, WM 2014, 71, Rn. 23 m.w.N.). Für die Annahme einer Sittenwidrigkeit genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, NJW 2014, 1380, Rn. 8 m.w.N.). Ein Unterlassen verletzt die guten Sitten nur dann, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Hierfür reicht die Nichterfüllung einer allgemeinen Rechtspflicht, aber auch einer vertraglichen Pflicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks oder wegen des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als „anständig“ Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2010 – VI ZR 124/09, WM 2010, 2256, Rn. 12 Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377, Rn. 25 jeweils m.w.N.). Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 -, Rn. 16, juris). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an (Staudinger/Oechsler BGB [2014] § 826, Rn. 31).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – denen das Gericht folgt – ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren: Die berechtigten Verkehrserwartungen gehen dahin, dass ein Autohersteller sich gewissenhaft an die Regeln hält, denen er im Rahmen des Zulassungsverfahrens unterliegt, und er sich nicht durch falsche Angaben zu wichtigen zulassungsrelevanten Eigenschaften eine Typgenehmigung erschleicht. Dabei wird eine sehr hohe Sorgfalt erwartet, weil das Handeln von einer großen Tragweite sowohl für die Mobilität als auch das Vermögen der einzelnen (zigtausend bis Millionen) Kunden, als auch für die Umwelt (bei in großer Stückzahl produzierten Fahrzeugen hohen Auswirkungen auf die Umweltbelastung und damit wiederum für die Gesundheit der Allgemeinheit) ist und Verstöße zu hohen Schäden führen können.
„Den europäischen Normen entsprechend erwartet der Verbraucher objektive und genaue, und somit wahrheitsgemäße Informationen. Verbrauchs- und Emissionswerte haben allgemein eine hohe Bedeutung bei den Anschaffungsentscheidungen. Die allgemeine Verkehrserwartung geht auch dahin, dass sich ein Hersteller nicht durch falsche Angaben oder durch Manipulationen im Rahmen des Prüfverfahrens mit nicht vergleichbaren Werten Wettbewerbsvorteile verschafft. An die Redlichkeit werden besonders hohe Erwartungen gestellt, da der Verbraucher auf die Richtigkeit der Angaben durch den Hersteller angewiesen ist, weil er zu einer eigenen Überprüfung nicht in der Lage ist.
Gegen diese berechtigte Verkehrserwartung hat die Beklagte in einem erheblichen Maße verstoßen. Die Installation einer Abschalteinrichtung widersprach offensichtlich den Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Ein Fahr- und Emissionsverhalten, das durch eine spezielle Steuerungssoftware allein auf das Prüfverfahren abgestimmt war und somit – wie die Beklagte selbst vorträgt – keine Rückschlüsse auf die tatsächlichen Eigenschaften im Normalbetrieb erlaubt, widersprach dem erkennbaren Zweck der Vorschrift und erfüllte die Zulassungsvoraussetzungen nicht. Unstreitig wurde die Beklagte durch den Hersteller der Software, die Firma Bosch, vor dem gesetzeswidrigen Einsatz der Software gewarnt. Das Handeln entgegen dieser Warnung verstärkt das Unwerturteil.
Bei der Beurteilung der Verwerflichkeit des Handelns ist der hohe Schaden, den die Beklagte verursacht hat, sowie das hohe Risiko für die zahlreichen Fahrzeugkäufer zu berücksichtigen, das die Beklagte in Kauf genommen hat. Der Beklagten war bewusst, dass sie die Anforderungen der Abgasnormen nicht ohne die unzulässige Abschalteinrichtung erfüllen konnte. Dies folgt bereits aus der Installation der Software, die speziell eine Motorsteuerung für den Prüfzyklus vorsah, und somit für die Prüfung nicht geeignete Emissionswerte erzeugte. Als Automobilhersteller war ihr weiter bekannt, dass sie keine rechtsbeständige EG-Typgenehmigung durch eine Täuschung im Prüfverfahren erhalten kann und somit die Gefahr des Widerrufs der EG-Typgenehmigung und der Allgemeinen Betriebserlaubnis für die Fahrzeuge bestand. Der dadurch drohende Schaden war angesichts der hohen Stückzahl der produzierten Motoren enorm. Die Inkaufnahme eines derartigen Schadens zum Zwecke des Gewinnstrebens enthält ein hohes Maß an Skrupellosigkeit. Gleichzeitig hat sich die Beklagte gegenüber ihren Mitbewerbern, die auf ordnungsgemäße Weise die Einhaltung der Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nachgewiesen haben, einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil verschafft. Sie hat sich die Kosten der Entwicklung einer Technik gespart, die den Anforderungen der Vorschriften gerecht geworden wäre.“ (so zutreffend LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 – 19 O 68/17 = zitiert nach juris).
„Die daraus zu entnehmende Gesinnung, aus Gewinnstreben massenhaft die Käufer der so produzierten Autos bei ihrer Kaufentscheidung zu täuschen, die Wettbewerber zu benachteiligen und die Umwelt so zu schädigen, dass Gesundheitsgefahren [für die Allgemeinheit] drohen, weil die Schadstoffwerte (NOx) erhöht werden, lässt das Verhalten insgesamt als sittenwidrig erscheinen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Anschaffung eines Fahrzeugs für einen Verbraucher in der Regel um eine wirtschaftliche Entscheidung von erheblichem Gewicht handelt und ein Verbraucher als technischer Laie die Manipulation nicht erkennen kann. Die Beklagte hat die Ahnungslosigkeit des Verbrauchers bewusst zu ihrem Vorteil ausgenutzt, was eine besonders verwerfliche Vorgehensweise darstellt. Mit der Motorsteuerungssoftware wurde mit erheblichem Aufwand ein System zur planmäßigen Verschleierung gegenüber Behörden und Verbrauchern geschaffen, um den Umsatz und Gewinn durch die bewusste Täuschung zu steigern.“ (so zutreffend LG Krefeld, Urteil vom 28.02.2018 – 7 O 10/17 = zitiert nach juris m. w. Nachweisen).
Auch die subjektive Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände war bei den handelnden Personen gegeben.
Die Beklagte hat dabei auch vorsätzlich gehandelt, wobei sie sich das Wissen und Verhalten ihrer Repräsentanten zurechnen lassen muss. Die schädigende Handlung ist der Beklagten nach § 31 BGB (analog) zuzurechnen. Die Haftung einer juristischen Person setzt voraus, dass ein verfassungsmäßig berufener Vertreter im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand des § 826 BGB verwirklicht (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/16 = zitiert nach juris).
Darüber hinaus wird der Anwendungsbereich des § 31 BGB bei Organisationsmängeln erweitert (Palandt – Ellenberger, BGB – Kommentar, 77. Aufl. 2018, § 31 Rn. 7), denn juristische Personen sind verpflichtet, den Gesamtbereich ihrer Tätigkeit so zu organisieren, dass für alle wichtigen Aufgabengebiete ein verfassungsmäßiger Vertreter zuständig ist, der die wesentlichen Entscheidungen selbst trifft. Entspricht die Organisation diesen Anforderungen nicht, muss sich die juristische Person so behandeln lassen, als wäre der tatsächlich eingesetzte Verrichtungsgehilfe ein verfassungsmäßiger Vertreter (vgl. BGH, Urteil vom 08.07.1980 – VI ZR 158/78 = NJW 1980, 2810).
Hier hat die Beklagte jedenfalls entgegen der sie treffenden sekundären Darlegungslast nicht dargelegt, dass sie den Organisationsanforderungen gerecht geworden ist. Bei dem Einbau einer manipulierten Motorsteuerungssoftware – die zudem noch von einem Drittunternehmen entwickelt wird – handelt es sich offensichtlich nicht um das Augenblicksversagen eines einzelnen Mitarbeiters, sondern um eine wesentliche strategische Entscheidung mit enormer wirtschaftlicher Bedeutung – wie insbesondere die finanziellen Folgen des Abgasskandals zeigen – und Risiken, bei der millionenfach in den Motor (das „Herzstück“ des Fahrzeuges) eingegriffen wird.
Selbst wenn – wie die Beklagte vorträgt (zur Frage einer direkten Zurechnung unter einer sekundären Darlegungslast der Beklagten insoweit etwa LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 – 7 O 212/16 = zitiert nach juris; LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018 = zitiert nach juris; LG Bonn, Urteil vom 07.03.2018 – 19 O 327/17 = zitiert nach juris) – kein Vorstandsmitglied Kenntnis von dieser Entscheidung hatte, sondern diese weitreichende Entscheidung tatsächlich von Mitarbeitern unterhalb der Vorstandsebene auf nachgeordneter Arbeitsebene getroffen worden sein sollte, läge insoweit offenbar ein massives Organisationsdefizit vor, so dass sich die Beklagte so behandeln lassen muss, als wären die handelnden Mitarbeiter ihre verfassungsmäßigen Vertreter (so auch LG Essen, Urteil vom 28.08.2017 – 4 O 114/17 = zitiert nach juris; LG Düsseldorf, Urteil vom 09.02.2018 – 7 O 212/16 = zitiert nach juris).
Die der Beklagten zuzurechnende Handlung war auch vorsätzlich, da die handelnden Personen jedenfalls Art und Richtung des Schadens (massenhafter Abschluss von Kaufverträgen über Fahrzeuge, deren EG-Typgenehmigung erschlichen war) und die Schadensfolgen (Begehr auf Rückgängigmachung des Kaufvertrages) vorausgesehen und zumindest billigend in Kauf genommen haben.
Als Rechtsfolge kann die Klägerin nach § 249 Abs. 1 BGB fordern, so gestellt zu werden, als ob sie den Vertrag nicht geschlossen hätte. Sie hat einen Anspruch auf Zahlung des unstreitigen Kaufpreises in Höhe von 13.950,00 Euro, muss jedoch gleichzeitig im Wege des Vorteilsausgleichs das streitgegenständliche Fahrzeug an die Beklagte herausgeben und übereignen sowie sich die gezogenen Nutzungen anrechnen lassen. Dass die Möglichkeit eines Software-Updates in Abstimmung mit dem KBA existiert und dazu führt, dass dauerhaft nicht mehr mit einem Entzug der Typengenehmigung zu rechnen ist, ist für die Schadensbeurteilung ohne Relevanz. Der Geschädigte muss sich vom Schädiger nicht das Festhalten an dem Vertrag aufdrängen lassen, zumal die (ggf. nachteiligen) Folgen des Software-Updates möglicherweise erst nach einem längeren Dauerbetrieb auftreten und nur mittels kostspieligen Sachverständigengutachtens geklärt werden können (so auch LG Stuttgart, Urteil vom 08.02.2018, 19 O 68/17 = zitiert nach juris).
Die Höhe des Nutzungsvorteils berechnet sich auf Grundlage der Formel Bruttokaufpreis × gefahrene km / Gesamtlaufleistung. Hierbei geht das Gericht nach § 287 ZPO von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 km aus, was bei einem neueren Dieselfahrzeug durchaus realistisch erscheint (so etwa auch LG Duisburg, Urteil vom 19.02.2018 – 1 O 178/17 = zitiert nach juris; LG Frankfurt (Oder), Urteil vom 17.07.2017 – 13 O 174/16 = zitiert nach juris; LG Krefeld, Urteil vom 12.07.2017 – 7 O 159/16 = zitiert nach juris; LG Tier, Urteil vom 07.06.2017 – 5 O 298/16 = zitiert nach juris). Die tatsächlich gefahrenen Kilometer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung betragen unbestritten 56.259 km (aktueller Kilometerstand abzüglich Kilometerstand bei Übergabe). Dies ergibt eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 2.616,92 Euro, die mit dem Kaufpreis – ohne dass es einer Gestaltungserklärung oder Einrede des Schädigers bedarf (vgl. BGH, NJW 2015, 3160) – zu verrechnen ist.
Eine Nutzungsentschädigung ist auch nicht ausgeschlossen, da die Nutzung während der gesamten Besitzzeit der Klägerin – trotz der Umschaltlogik – nicht beeinträchtigt war. Allein aus dem bloßen Umstand der Mangelhaftigkeit kann nicht abgeleitet werden, dass Nutzungsentschädigung nicht geschuldet ist (so auch LG Hamburg, Urteil vom 18.05.2018 – 308 O 308/17 = zitiert nach juris).
2. Von diesem Umfang nicht umfasst sich die geltend gemachten Finanzierungskosten in Höhe von 266.53 Euro. Diese wäre bei einem Autokauf in der Größenordnung in jedem Fall angefallen. Die Klägerin hat in ihrer persönlichen Anhörung ausgeführt, dass sie das Fahrzeug u.a. gekauft habe, weil sie Kosten sparen wolle. Sie hat zudem ausgeführt, dass sie sich bei Kenntnis des sog. „VW-Abgasskandals“ keinen Diesel gekauft hätte. Dass sie von einem Autokauf insgesamt abgesehen hätte, trägt sie nicht vor.
3. Dieser Anspruch ist nicht gem. §§ 195, 199 BGB verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist endet erst mit Ablauf des Jahres 2019, weil die Klägerin erst am 16.02.2016 Kenntnis von allen anspruchsbegründenden Tatsachen erlangte. Selbst die Beklagte geht nicht von einer Kenntnis der Klägerin aus, da sie die Kenntnis offensichtlich darauf stützt, dass es außerhalb jeglicher Lebenswahrscheinlichkeit liegen, dass eine in Deutschland lebende Person von dem Einbau der Software keine Notiz und der individuellen Betroffenheit des Fahrzeugs genommen habe. Damit formuliert sie aber gerade nicht die Anspruchsvoraussetzungen für sicheres Wissen, sondern allenfalls für eine grob fahrlässige Unkenntnis.
Letzte liegt allerdings ebenfalls nach dem Beklagtenvortrag schon nicht vor. Die Klägerin musste zunächst nicht die Ad-hoc-Mitteilung der Beklagten zur Kenntnis nehmen, da sie nicht Adressat der Mitteilung war. Das gleiche gilt für Pressemitteilung auf der Firmenseite der Beklagten. Weiterhin folgt aus der abstrakten Kenntnis des sog. „VW-Abgasskandals“ noch nicht, dass sich der Klägerin eine Betroffenheit ihres Fahrzeugs aufdrängen musste. Vielmehr konnte die Klägerin einige Zeit darauf vertrauen, dass die Beklagte ihre Kunden über eine Betroffenheit informieren werde, insbesondere wenn es sich nicht um ein Fahrzeug der Marke … handelte.
4. Die Beklagte befand sich mit der Annahme des streitbefallenen Fahrzeugs seit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung gem. §§ 293, 295 S. 2 BGB in Verzug. Eine Zuvielforderung, die den Annahmeverzug ausschlösse, lag jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr vor. Die Vorstellungen des Klägers, die dem Antrag in der mündlichen Verhandlung zugrunde lagen, stellten allenfalls eine geringfügige Zuvielforderung in Höhe von weniger als 3 % dar.
5. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB. Ein weitergehender Zinsanspruch steht der Klägerin nicht zu, da in der Aufforderung im vorprozessualen Schreiben vom 31.07.2018 eine Zuvielforderung zu erblicken ist. Eine unverhältnismäßig hohe Zuvielforderung lässt den hier zu Recht angemahnten Teil so in den Hintergrund treten, dass dem Schuldner kein Schuldvorwurf zu machen ist, wenn er sich nicht als wirksam gemahnt ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 13. November 1990 – XI ZR 217/89 -, Rn. 36, juris, m.w.N.). Die Beklagte sah sich berechtigterweise nicht an gemahnt an., da sie – insbesondere im Hinblick auf die überwiegende Rechtsprechung – darauf vertrauen durfte, keine Zahlung leisen zu müssen, die ohne Berücksichtung einer angemessenen Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer eingefordert wird.
6. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung der Rechtsanwaltskosten gem. §§ 826, 249 Abs. 1 BGB in Höhe von 958,19 Euro gegen die Beklagte zu. Die erforderlichen Rechtsanwaltskosten ergeben sich der Höhe nach aus einer 1,3 Geschäftsgebühr und einem berechtigten Gegenstandswert von 11.333,08 Euro zzgl. Auslagenpauschale und Umsatzsteuer. Anrechenbar sind dabei 296,40 Euro. Eine über eine 1,3 Geschäftsgebühr hinausgehende Gebühr darf die Klägerin nicht für erforderlich halten. Es handelt sich vorliegend sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des rechtlichen Schwierigkeitsgrades nicht um einen überdurchschnittlichen Fall. Die diskutierten Rechtsfragen sind Gegenstand unzähliger Rechtsstreitigkeiten und Gerichtsentscheidungen, die Beteiligten verwenden standardisierte Schreiben und Textbausteine formularmäßig in einer Vielzahl von Fällen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, da die Zuvielforderung im Hauptantrag und in der Zinsforderung mit rund 30 % des fiktiv zu bildenden Streitwerts keine verhältnismäßig geringfügige Zuvielforderung gegenüber der bedingten Zinsforderung mehr darstellte.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO für die Klägerin sowie §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO für die Beklagte.


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