Europarecht

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 7.6.2011 VII R 36/10 – Nacherhebung von Einfuhrabgaben wegen Änderung einer langjährigen, den Vorschriften nicht entsprechenden Praxis der Zollbehörde – Erkennbarkeit eines aktiven Irrtums der Zollbehörde – Keine Pflicht des Zollschuldners zur Kenntnis von Verwaltungsvorschriften – Zollwertrechtliche Behandlung von Umschließungen)

Aktenzeichen  VII R 38/10

Datum:
7.6.2011
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
Art 32 Abs 1 Buchst a Ziff ii ZK
Art 32 Abs 1 Buchst b Ziff i ZK
Art 220 Abs 2 Buchst b ZK
Art 32 Abs 1 Buchst a Ziff ii EWGV 2913/92
Art 32 Abs 1 Buchst b Ziff i EWGV 2913/92
Art 220 Abs 2 Buchst b EWGV 2913/92
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend FG Hamburg, 27. Oktober 2009, Az: 4 K 36/08, Urteil

Tatbestand

1
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) führte im Juni 2003 Gemüsekonserven aus Bulgarien ein. Dabei legte sie als Zollwert die von den bulgarischen Verkäufern in Rechnung gestellten Kaufpreise zugrunde, ohne die Kosten für die Behältnisse (Gläser und Metalldrehverschlüsse) hinzuzurechnen, die sie zuvor aus dem freien Verkehr der Gemeinschaft erworben, zwischen dem 27. Februar und dem 30. September 2002 ausgeführt und den bulgarischen Verkäufern der Konserven unentgeltlich zur Verfügung gestellt hatte. Diese Art der Zollwertermittlung war in der Vergangenheit unbeanstandet geblieben, weil es der früheren Dienstanweisung (DA) für die deutsche Zollverwaltung entsprach, Kosten für vom Käufer zur Verfügung gestellte Umschließungen aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Union dem tatsächlich gezahlten oder zu zahlenden Preis nicht hinzuzurechnen (Abs. 7 Buchst. b Unterabs. 1 DA, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung –VSF– Z 53 14), um zum Zweck der abgabenfreien Wiedereinfuhr der Umschließungen zu bewilligende passive Veredelungsverkehre zu vermeiden. Diese Regelung enthält die im Dezember 2002 in der VSF bekannt gegebene Neufassung der Dienstvorschrift Zollwertrecht (DV) jedoch nicht mehr (vgl. Abs. 42 DV, VSF Z 51 01). Dementsprechend wurde in den VSF-Nachrichten vom 27. Februar 2003 darauf hingewiesen, dass wegen der geänderten zollwertrechtlichen Behandlung von Umschließungen auch eine entsprechende Änderung der Dienstvorschrift zur passiven Veredelung erforderlich sei. Über Änderungen bei der Zollwertermittlung sowie bei der Bewilligung passiver Veredelungsverkehre von Umschließungen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt –HZA–) die Klägerin mit Schreiben vom 19. März 2003 hin.
2
Wegen der geänderten Zollpraxis erließ die Zollverwaltung aufgrund eines Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 13. Januar 2005 Steueränderungsbescheide für nach dem 27. Februar 2002, aber vor dem Wirksamwerden rückwirkend bewilligter passiver Veredelungen ausgeführte und nach dem 27. Februar 2003 wieder eingeführte Umschließungen. Hiervon betroffen waren auch die Einfuhrsendungen der Klägerin. Nachdem im Rahmen einer Prüfung festgestellt worden war, dass die Klägerin die Kosten der unentgeltlich zur Verfügung gestellten Behältnisse bei der Zollwertermittlung nicht berücksichtigt hatte, erhob das HZA mit Einfuhrabgabenbescheid vom 6. Februar 2006 die Einfuhrabgaben unter Zugrundelegung des erhöhten Zollwerts nach.
3
Die hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Das entsprechende in einem Parallelverfahren ergangene Urteil des FG ist in der Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2010, Beilage 1, 4 veröffentlicht.
4
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass von der Nacherhebung der Einfuhrabgaben gemäß Art. 220 Abs. 2 Buchst. b des Zollkodex (ZK) abzusehen sei. Wegen der langjährigen und anlässlich von Betriebsprüfungen immer wieder bestätigten damaligen Verwaltungspraxis sei von einem Irrtum des HZA im Sinne vorgenannter Vorschrift auszugehen. Den Verlautbarungen der Zollverwaltung im Jahr 2003 habe lediglich entnommen werden können, dass künftig auszuführende Umschließungen in passive Veredelungsverkehre zu überführen seien, nicht aber, dass die bisherige Verfahrensweise auch für bereits ausgeführte Umschließungen nicht mehr gelten solle. Sie (die Klägerin) sei daher bei Abgabe der Zollanmeldungen gutgläubig gewesen und habe den Zollwert so angegeben, wie es von ihr vernünftigerweise habe erwartet werden können. Auch wenn man ihr die Unkenntnis von der Änderung der DV vorhalten wollte, so hätte sie doch jedenfalls ihr Vertrauen auf den Fortbestand der bisherigen Verwaltungspraxis bereits vor dieser Änderung durch die Ausfuhr der Umschließungen ohne Überführung in den passiven Veredelungsverkehr betätigt gehabt.
5
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen aufzuheben.
6
Das HZA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
Es ist der Ansicht, dass sich die Klägerin nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Sie habe sich nicht darauf verlassen können, dass bei Umschließungen, die erst lange Zeit nach ihrer Ausfuhr in Drittländer befüllt wieder eingeführt werden, die alte DA noch Anwendung finde. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin angesichts des Hinweisschreibens vom 19. März 2003 gehindert gewesen sein sollte, in den streitgegenständlichen Anmeldungen für Gemüsekonserven die Kosten für Umschließungen aufzuführen. Jenes Schreiben beziehe sich eindeutig auf Umschließungen, welche ab dem 1. Mai 2003 für die Ausfuhr vorgesehen seien; es treffe hingegen keine Aussage über zum Zeitpunkt des Schreibens bereits in ein Drittland verbrachte Umschließungen.


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