Europarecht

Kaufpreis, Berufung, Sittenwidrigkeit, Annahmeverzug, Fahrzeug, Software, Laufleistung, Haftung, PKW, Darlegung, Hinweis, Rechtsauffassung, Feststellung, Annahme, Co KG

Aktenzeichen  27 U 5113/21

Datum:
4.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 54813
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

31 O 4153/20 2021-06-29 LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29.06.2021, Aktenzeichen 031 O 4153/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.967,37 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Kraftfahrzeugs wegen einer behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung geltend.
So erwarb die Klagepartei am 28.10.2015 von der Fa. N. Automobile GmbH & Co. KG in S. einen PKW Audi A 5 3,0 TDI zu einem Kaufpreis von 34.777,00 € bei einer Laufleistung von 98.963 km, ausgestattet mit einem Dieselmotor der Euro-5-Norm. Die Erstzulassung des Fahrzeugs war am 02.08.2012 erfolgt.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, für eine Haftung aus § 826 BGB fehle es an konkreten Anhaltspunkten dafür, dass das Fahrzeug mit einer Software ausgestattet ist, die die Annahme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung zu begründen vermag. Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV würden schon aus Rechtsgründen ausscheiden.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Augsburg vom 29.06.2021 Bezug genommen, § 540 ZPO.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klagepartei, die in der Berufungsinstanz beantragt (Bl. 302 f. d. A.):
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei EUR 34.777,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2020 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 8.809,63 Zugum-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeuges Audi A5 2967 mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …36 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 03.09.2020 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von EUR 2.256,24 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.09.2020 an die Klagepartei zu zahlen.
Hilfsweise:
4. Das Urteil des Landgerichts Augsburg, Az.: 031 O 4153/20, verkündet am 29.06.2021 und zugestellt am 02.07.2021, wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht Augsburg zurückverwiesen.
Wegen des Berufungsvortrags wird auf die Berufungsbegründung der Klagepartei vom 01.09.2021 (Bl. 301/335 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz weder einen Antrag gestellt, noch eine Stellungnahme abgegeben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 29.06.2021, Aktenzeichen 031 O 4153/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Senat bleibt bei seiner im Hinweis vom 27.09.2021 ausführlich dargelegten Rechtsauffassung, auf die gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug genommen wird.
Die Stellungnahme der Klagepartei vom 29.10.2021 enthält keine neuen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Insbesondere bleibt der Senat dabei, dass es vorliegend an einer schlüssigen Darlegung für eine objektive Sittenwidrigkeit i.S. § 826 BGB in Bezug auf sämtliche thematisierten Abschalteinrichtungen fehlt.
1. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die Klagepartei im Schriftsatz vom 29.10.2021 nun in Übereinstimmung mit der Beklagtenpartei behauptet, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei ein Motor des Typs EA 896 Gen2 verbaut. So trifft die beklagtenseits als Anlage B 2 vorgelegte Auskunft vom 11.09.2020 gleichermaßen auf den als Typ EA 896 Gen2 bezeichneten Motor zu. Insbesondere handelt es sich bei diesem nicht nur um einen V-6-Motor, sondern findet sich zum Motor des Typs EA 896 ein Vorgänger nicht, handelt es sich also bei dem Ursprungsmotor um einen solchen der ersten Generation.
Insbesondere vermag die klägerseits erfolgte Bezugnahme auf das Vorbringen der Beklagten in einem Parallelverfahren vor dem Landgericht Mainz zum Motor des Typs EA 896 Gen2 – vorgelegt als Anlage BB4 – eine Schlüssigkeit in Bezug auf die thematisierte „Lenkwinkelerkennung“ nicht herbeizuführen. Wenn auch dort die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Lenkwinkelerkennung“ eingeräumt wurde, trägt dieses Vorbringen bereits eine unzulässige Abschalteinrichtung nicht, als beklagtenseits dort weiter ausgeführt wurde, dass diese Lenkwinkelerkennung ohne Einfluss auf den Ausstoß von Stickoxiden sei.
2. In Bezug auf das „Thermofenster“ hat die Klagepartei weiterhin keine (substantiierten) Umstände dargetan, die – auch in ihrer Gesamtschau – das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
Insbesondere trägt das Vorbringen der Klagepartei, die Beklagte hätte es entgegen der üblichen Gepflogenheiten im Typgenehmigungsverfahren unterlassen, die eingesetzte Abschalteinrichtung im Beschreibungsbogen darzulegen, eine solche Verwerflichkeit nicht. So wurde die genaue Beschreibung der Emissionsstrategien erst ab 16.05.2016 mit der Verordnung (EU) 2016/646 eingeführt. Bis dahin wurden keine Angaben zum Thermofenster im sogenannten Beschreibungsbogen im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens gefordert. Nachdem die Erstzulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf den 02.08.2012 datiert, liegt das Datum der Typgenehmigung denklogisch vor dem fraglichen Stichtag.
Solche Umstände finden sich auch nicht etwa in dem Vorbringen der Klagepartei zur Manipulation des On-Bord-Diagnosesystems (OBD-System). So dient das OBD-System, wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist dazu, Fehlfunktionen und deren wahrscheinliche Ursachen anzuzeigen. Ein OBD-System ist ein System, das in der Lage ist, mithilfe rechnergespeicherter Fehlercodes den Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen (Art. 3 Nr. 9 VO 715/2007/EG). In Art. 4 Nr. 2 VO 692/2008/EG wird verlangt, dass das OBD-System so ausgelegt, gebaut und im Fahrzeug installiert ist, dass es in der Lage ist, während der gesamten Lebensdauer des Fahrzeugs bestimmte Arten von Verschlechterungen oder Fehlfunktionen zu erkennen. Die UN/ECE-Regelung Nr. 83 sieht etwa in der zum 23.06.2011 in Kraft getretenen Fassung (ABl. 2012 L 42/1, S. 174) im Anhang 11 und 3.3.2 vor, dass das OBD-System die Fehlfunktionen eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems anzeigen muss, wenn diese Fehlfunktion dazu führt, dass die Abgasemissionen bestimmte Schwellenwerte übersteigen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.06.2021 – 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 89). Daraus ist in obergerichtlicher Rechtsprechung geschlossen worden, Veranlassung des OBD-Systems für eine Messung von Schwellenwerten (diese modifiziert im Anhang XI zur VO 692/2008/EG) bestehe nur im Fall des Ausfalls emissionsrelevanter Bauteile oder Systeme; hingegen sei es nicht Aufgabe des OBD-Systems, konstante Messungen der Schadstoffemissionen vorzunehmen und bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte Signale zu setzen bzw. zu speichern (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 28.01.2021 – 18 U 21/20, BeckRS 2021, 10679 Rn. 132). Soweit die Motorsteuerung, mag sie auch als unzulässig zu qualifizierende Elemente umfassen, 27 U 5113/21 – Seite 5 – bestimmungsgemäß arbeitet, besteht bei dieser Sichtweise kein Anlass zu Fehlermeldungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.06.2021 – 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 89).
Selbst wenn man dies nicht so sehen wollte, bedarf es, solange von der Zulässigkeit des Thermofensters ausgegangen werden kann, mangels nicht ordnungsgemäßen Betriebs jedenfalls keiner entsprechenden Anzeige im OBD-System (in diese Richtung auch OLG Bamberg, Urteil vom 26. November 2020 – 1 U 368/19 -, Rn. 64, juris und OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 – 17 U 296/19 -, Rn. 72, juris).
Auch der im Rahmen des Thermofensters gewählte Temperaturkorridor zwischen 17 und 30 Grad trägt eine besondere Verwerflichkeit nicht.
Mit dem Bundesgerichtshof geht der Senat weiter davon aus, dass ein Handeln aus Gewinnstreben eine objektive Sittenwidrigkeit nicht trägt (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 -, juris)
3. Der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die nach damaliger Rechtslage zur Erlangung der Typgenehmigung allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße, genügt bereits nicht als greifbarer Anhaltspunkt für die Verwendung einer unzulässigen Steuerungsstrategie (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 -, Rn. 23, juris).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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