Europarecht

Kein Anspruch auf Überbrückungshilfe einer Unternehmensberatung

Aktenzeichen  W 8 K 20.670

Datum:
29.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12097
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 113 Abs. 5
BayHO Art. 23, Art. 44, Art. 53
GG Art. 3 Abs. 1
RL-SARS-CoV-2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage, über die nach Anhörung der Beteiligten nach § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid entschieden werden konnte, ist zulässig, aber unbegründet, da der Ablehnungsbescheid der Regierung von … vom 13. Mai 2020 rechtmäßig ist und die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung der begehrten Überbrückungshilfe des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie geschädigten Unternehmen in Höhe von 4.000,00 EUR hat, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Statthaft zur Verfolgung des klägerischen Begehrens ist in der vorliegenden Konstellation die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Halbsatz 2 Alt. 1 VwGO.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Soforthilfe gemäß den Richtlinien für die Gewährung von Überbrückungshilfen des Bundes für die von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Soloselbständigen („Corona-Soforthilfen insbesondere für kleine Unternehmen und Soloselbständige“ – im Folgenden: „Richtlinien“), § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Bei Billigkeitsleistungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige staatliche Maßnahmen. Eine explizite Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Soforthilfe begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Billigkeitsleistung auf der Grundlage der einschlägigen Richtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der dafür im Haushaltsplan besonders zur Verfügung gestellten Ausgabemittel (Art. 53 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis auf Basis der einschlägigen Richtlinien. Die Richtlinien begründen als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen unmittelbar Rechte und Pflichten, sondern entfalten erst durch ihre Anwendung Außenwirkung. Das Gericht ist somit grundsätzlich an den Zweck der Soforthilfen gebunden, wie ihn der Geber der Soforthilfen versteht. Für die gerichtliche Prüfung einer Förderung in Form einer Billigkeitsleistung gelten deshalb dieselben Grundsätze wie für Zuwendungen, die ebenfalls auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO) erfolgen. Entscheidend für die gerichtliche Prüfung ist, wie die Behörde des zuständigen Rechtsträgers die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist (s. zur vergleichbaren Thematik der Zuwendungen BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26; U.v. 28.10.1999 – 19 B 96.3964 – juris Rn. 59; VG München, U.v. 19.11.2009 – M 15 K 07.5555 – juris Rn. 30). Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26).
Da Richtlinien keine Rechtsnormen sind, unterliegen sie auch grundsätzlich keiner richterlichen Interpretation. Eine Überprüfung hat sich darauf zu beschränken, ob aufgrund der einschlägigen Förderrichtlinien überhaupt eine Verteilung öffentlicher Mittel vorgenommen werden kann (Vorbehalt des Gesetzes) und bejahendenfalls, ob bei Anwendung der Richtlinien in Einzelfällen, in denen die begehrte Leistung versagt worden ist, der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung gezogen ist, nicht beachtet worden ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.1979 – 3 C 111/79 – juris).
Die Richtlinien setzen Maßstäbe für die Verteilung der staatlichen Hilfen und regeln insoweit die Ermessenshandhabung. Die Ermessensbindung reicht jedoch nur soweit wie die festgestellte tatsächliche ständige Verwaltungspraxis. Die gerichtliche Überprüfung erfolgt nur im Rahmen § 114 VwGO. Das Gericht hat nicht die Befugnis zu einer eigenständigen oder gar erweiternden Auslegung der Richtlinien (vgl. SaarlOVG, B.v. 28.5.2018 – 2 A 480/17 – juris; OVG SH, U.v. 17.5.2018 – 3 LB 5/15 – juris; OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris; HessVGH, U.v. 10 A 1481/11 – juris).
Ausgangspunkt ist die ständige Verwaltungspraxis in vergleichbaren Fällen, sofern sie nicht im Einzelfall aus anderen Gründen zu rechtswidrigen Ergebnissen führt. Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle muss bleiben (Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 40 Rn. 42 ff.; Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO 25. Aufl. 2019, § 114 Rn. 41 ff.).
So dürfen im Einzelfall keine sachlichen Gründe für das Abweichen von der Behördenpraxis bestehen. Ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürfen nur für den Regelfall gelten und müssen Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle lassen. Ein derartiger ein atypischer Fall ist dann gegeben, wenn der konkrete Sachverhalt außergewöhnliche Umstände aufweist, deren Besonderheiten von der ermessenslenkenden Vorschrift nicht hinreichend erfasst und von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten (OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat die Klägerin keinen Anspruch aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung, da nach den Richtlinien und der maßgeblichen Verwaltungspraxis ein Anspruch auf die Gewährung der Überbrückungshilfen des Bundes nicht besteht.
Zwar ist die Klägerin als Unternehmensberatung mit einer Beschäftigten grundsätzlich antragsberechtigt nach Nr. 2.1 Satz 1 der Richtlinien.
Jedoch fehlt es am erforderlichen Liquiditätsengpass. Nach Nr. 2.2 der Richtlinien muss der Antragsteller versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem fortlaufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (z.B. gewerbliche Mieten, Pachten, Leasingraten) zu zahlen (Liquiditätsengpass). Nähere Hinweise hierzu finden sich auf den Internetseiten der zuständigen staatlichen Behörden. So wird auf der Internetseite der Regierung von … als zuständiger Bewilligungsstelle unter dem Stichwort „Verfahrensablauf“ darauf hingewiesen, dass unter Nr. 5 des Antragsformulars die Höhe des Liquiditätsengpasses konkret zu beziffern ist und Anträge mit Angaben wie z.B. „noch nicht absehbar“ nicht bearbeitet und somit nicht berücksichtigt werden können (Regierung von … , Coronavirus, Beantragung einer Soforthilfe durch besonders geschädigte gewerbliche Unternehmen und Angehörige Freier Berufe, https://www…de/aufgaben/177666/177667/leistung/leistung_61390/index.html, Stand: 8. Mai 2020, zuletzt abgerufen am 29. Mai 2020). Auf der Internetseite des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie wird unter dem Stichwort „Häufig gestellte Fragen“ zur Antragstellung darauf hingewiesen, dass ein pauschaler Verweis auf die Corona-Krise und die damit einhergehenden gravierenden Nachfrage- und Produktionsausfälle, unterbrochene Lieferketten, Stornierungswellen, massiven Umsatzeinbußen und Gewinneinbrüche kein ausreichender Grund für eine Förderung sind. Der Antragsteller müsse glaubhaft versichern, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz bedrohen, dass und warum die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb des Antragsstellers voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand (bspw. gewerbliche Mieten, Pacht, Leasingaufwendungen) zu zahlen. Als hilfreicher Tipp wird zudem angeführt, dass hierfür in der Begründung beispielsweise Vorjahresumsätze mit aktuellen Umsätzen verglichen werden können und probeweise berechnet werden kann, ob sich bei gleichen Bedingungen wie im Vorjahr kein Engpass ergeben hätte (Bayerisches Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, Soforthilfe Corona, https://www…de/ soforthilfe-corona/faq/; abgerufen am 28. Mai 2020).
Die Klägerin hat in ihrem Onlineantrag vom 3. April 2020 zu Punkt 5. „Wirtschaftslage“ als Grund für die existenzgefährdende Wirtschaftslage aufgrund der Corona-Pandemie den Ausfall von Aufträgen, Zahlungsnachlässe für gefährdete Kunden und die fehlende Möglichkeit zur Reisetätigkeit für neue Aufträge angegeben. Ein Liquiditätsengpass wie er in Nr. 2.2. der Richtlinien definiert und in der Verwaltungspraxis gefordert wird, ergibt sich daraus jedoch nicht. Vielmehr beschränkt sich die Aufzählung auf die Benennung von Faktoren für fehlende Einnahmen. Nachfrageeinbrüche und Umsatzeinbußen genügen aber nach den oben geschilderten Grundsätzen für die Handhabung der Gewährung der Soforthilfe gerade nicht. Ein beispielhafter Vergleich der Einnahmen im Vorjahr mit denen aktuellen Einnahmen o.ä. und eine konkrete Bezifferung der Höhe des Liquiditätsengpasses fehlen, ebenso wenig wurde der monatlich fortlaufende erwerbsmäßige Sach- und Finanzaufwand näher konkretisiert. Eine den dargestellten Anforderungen entsprechende Darlegung des Liquiditätsengpasses ist auch in der Klagebegründung nicht erfolgt. Der klägerische Vortrag, dass mit den genannten Gründen wesentliche Faktoren genannt seien, warum die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb die Verbindlichkeiten aus dem fortlaufend zu zahlenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand der drei auf die Antragstellung folgenden Monaten voraussichtlich nicht decken werden, genügt nicht für die erforderliche Versicherung des Vorliegens eines Liquiditätsengpasses im genannten Sinn. Es fehlt jedoch die glaubhafte Versicherung durch nähere konkrete Angaben, dass die Klägerin durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und somit ein Liquiditätsengpass vorliegt.
Folglich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin nicht aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis. Es ist insbesondere weder vorgetragen noch ersichtlich, dass vom Beklagten in vergleichbaren Fällen trotz der auf den oben genannten staatlichen Internetseiten dargestellten Handhabung Corona-Soforthilfen gewährt wurden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Verwaltungspraxis an den zitierten Vorgaben ausrichtet.
Ebenso wenig bestehen vorliegend Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung aufgrund etwaiger Besonderheiten des Einzelfalles.
Schließlich ist der Ausschluss der Klägerin vom Kreis der Empfänger der Soforthilfen auch sonst keine unzulässige Ungleichbehandlung, da keine Willkür vorliegt, sondern sachgerechte, vertretbare Gründe gegeben sind.
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet eine gleichmäßige Verwaltungspraxis. Dazu gehört das Verbot einer nicht durch sachliche Unterschiede gerechtfertigten Differenzierung zwischen verschiedenen Sachverhalten bei der Förderung (BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 32).
Aufgrund des freiwilligen Charakters der Hilfen und dem weiten Ermessen des Gebers bei der Aufstellung von Richtlinien zur Gewährung von Hilfen, ist eine entsprechende Nachprüfung nur im Hinblick auf eine möglicherweise willkürliche Ungleichbehandlung potentieller Hilfenempfänger eröffnet, nicht aber in Form einer Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 15 ff. m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG; VG München, U.v. 28.8.2019 – M 31 K 19.203 – juris Rn. 15). Nach der Willkür-Formel des Bundesverfassungsgerichts (seit U.v. 23.10.1951 – 2 BVG 1/51 – juris) ist Willkür dann anzunehmen, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.
Ausgehend hiervon stellt sich der Ausschluss der Klägerin von der Gewährung der Corona-Soforthilfe des Bundes nicht als willkürlich dar. Sachfremde Erwägungen liegen nicht vor. Zweck der Corona-Soforthilfen ist nach Nr. 1 Satz 3 der Richtlinien die Gewährung der Soforthilfe, wenn Unternehmen aufgrund von Liquiditätsengpässen in Folge der Corona-Krise in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht sind, um Liquiditätsengpässe nachrangig zu kompensieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Dies zeigt, dass die Soforthilfen auf die Liquiditätslücke im Unternehmen abzielen, nicht aber auf ausfallenden Gewinn oder Ausgaben für die private Lebensführung (vgl. vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., Update zur Soforthilfe für Unternehmen in Bayern, https://www…de/vbw/ServiceCenter/Corona-Pandemie/Finanzierung-Soforthilfen/Corona-Soforthilfen-für-Unternehmen. jsp, Stand: 26. Mai 2020, abgerufen am 29. Mai 2020) .
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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