Europarecht

Keine Ansprüche wegen Verwendung eines Thermofensters

Aktenzeichen  8 U 6937/20

Datum:
3.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 29928
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 823 Abs. 2, § 826

 

Leitsatz

1. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermofenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt werde. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setzt deshalb voraus, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt. Dabei trägt die Klagepartei als Anspruchsteller für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. Sie muss hierfür zumindest konkrete Anhaltspunkte aufzeigen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

1 O 78/20 — LGPASSAU LG Passau

Tenor

I. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Klagepartei erhält Gelegenheit, sich zu I. bis zum 01.04.2021 zu äußern. Dabei wird der Klagepartei gemäß § 139 Abs. 1 S. 3 ZPO aufgegeben, ihre Stellungnahme entsprechend dem Hinweis des Senats zu gliedern Ansonsten gelten die allgemeinen Präklusionsvorschriften (BT-Drs. 19/13828 S. 31).
III. Die mit Verfügung vom 28.01.2021 gesetzte und mit Verfügung vom 04.02.2021 bis 19.03.2021 verlängerte Berufungserwiderungsfrist wird aufgehoben.
IV. Binnen derselben Frist können sich alle Beteiligten auch zum Streitwert des Berufungsverfahrens äußern, den der Senat beabsichtigt, auf bis 22.000.00 C festzusetzen.

Gründe

I.
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog Abgas-Skandal geltend.
Nach den Feststellungen des Landgerichts erwarb die Klagepartei am 11.03.2013 von einer näher bezeichneten Firma einen gebrauchten Pkw Mercedes B180 CDI, Erstzulassung 28.10.2011, für 22.200,00 €. In dem Fahrzeug ist ein Dieselmotor OM 651 der Beklagten verbaut. Es verfügt über eine Typengenehmigung nach der Euro-5-Norm. Nachträgliche Anordnungen hierzu wurden durch das Kraftfahrbundesamt (KBA) nicht getroffen.
Die Klagepartei hat behauptet, die Wirksamkeit der Abgasrückführung im einstelligen Außen temperaturbereich sei deutlich reduziert Die Konstruktion der Beklagten stelle deshalb eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S.d. Art. 3 Nr. 10 EG-VO 715/2007 dar. Durch das angebotene Update würden Abgasreinigungssystem und Motor stärker belastet und die Dauerhaltbarkeit des Fahrzeugs gefährdet. Es verbleibe ein merkantiler Minderwert. Der Dieselpartikelfilter müsse öfter gewechselt und das AGR-Ventil vorzeitig ausgetauscht werden. Eine weitere im Fahrzeug enthaltende Abschalteinrichtung betreffe das SCR-System.
Die Beklagte hat vorgetragen, das Fahrzeug habe zu jedem Zeitpunkt den Vorschriften entsprochen. Von einer Täuschung oder einem sittenwidrigen Vorgehen könne keine Rede sein.
Mit ihrer Klage begehrte die Klagepartei zuletzt Zahlung von 22.200,00 € abzuglich eines in das Ermessen des Gerichts gestellten Nutzungsentschädigungsbetrages nebst Delikts- und Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, und die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung i.S.d. §§ 826, 31, 831 BGB liege nicht vor, selbst wenn die Motorsteuerungssoftware ein Thermofenster enthalten sollte und dieses als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren wäre. Bei einem Thermofenster hänge die Aktivierung der Abgasrückführung allein von der Umgebungstemperatur ab und sei damit unabhängig von der Prüfstandsituation. Dass die Beklagte bei Inverkehrbringen des Fahrzeugs, das nach deren Vortrag über kein SCR-System verfüge, selbst davon ausgegangen wäre, es handle sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung, sei nicht erweislich. Bezüglich des freiwillig durchgeführten Updates sei zudem nicht erkennbar, was die Beklagte davon haben sollte, ein solches mit negativen Auswirkungen anzubieten. Damit fehle es an dem für die Sittenwidrigkeit erforderlichen täuschenden und eigennützigen Element. Auch ein Schädigungsvorsatz sei nicht nachgewiesen, d.h. es könne nicht davon ausgegangen werden, dass seitens der Beklagten bewusst eine – unterstellt objektiv unzulässige Abschalteinrichtung verwendet wurde.
Mangels willentlicher Täuschung des Käufers bestehe auch kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 263 StGB. Eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV sei u.a deshalb nicht gegeben, weil es sich insoweit nicht um Schutzgesetze handle. Auf §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 3 BGB könne sich die Klagepartei nicht stützen, weil das allgemeine Absatzinteresse der Beklagten nicht unmittelbar auf den konkreten Vertragsschluss gerichtet und diese an den Vertragsverhandlungen nicht beteiligt gewesen sei.
Die Berufung der Klagepartei wendet sich gegen die Klageabweisung und verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge weiter, wobei sie nunmehr den Nutzungsentschädigungsbetrag konkret mit 1.925,56 € beziffert hat.
II.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist. dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Die Entscheidung des Landgerichts hält den von der Berufung erhobenen Einwendungen ausgehend von der aktuellen Rechtsprechung des BGH stand und ist auch sonst im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Vorauszuschicken ist, dass soweit die Berufungsbegründung Vorbringen enthält, das sich im Ersturteil so nicht findet, der Senat davon ausgehen muss, dass es im Berufungsverfahren neu ist und dort schon mangels entsprechender Berufungsrüge i.S.v. § 520 Abs. 3 Nr. 4 ZPO nicht mehr gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden kann (vgl. die Allgemeinen Verfahrenshinweise des Senats). Das klägerische Vorbringen rechtfertigt jedoch dessen ungeachtet insgesamt keine andere Entscheidung.
2. Da die Beklagte, die den Dieselmotor des Typs OM 651 hergestellt hat. der Klagepartei das streitgegenständliche Fahrzeug nicht verkauft hat, kommen grundsätzlich nur deliktsrechtliche Ansprüche zwischen den Parteien in Betracht.
2.1. Eine deliktische Haftung der Beklagten gemäß §§ 826, 31 BGB bzw § 831 BGB scheidet in Bezug auf das sog Thermofenster entgegen der Berufungsbegrundung (BB S. 3-23, Bl. 150-170) nach höchstrichterlicher Rechtsprechung aus
a) Danach (BGH. Beschl. v. 19.01.2021 – VI 433/19, ebenfalls zum Motor OM 651 der Beklagten) ist das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems (Thermo fenster) ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gelte auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt würden. Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit sei vielmehr nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
(1) Dabei könne zugunsten der Klagepartei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung 715/2007/EG zu qualifizieren sei (vgl. zu Art. 5 der Verordnung 715/2007/EG auch EuGH, Urteil vom 15 16 – 9 – 17. Dezember 2020 – C-693/18. Celex-Nr. 62018CJ0693). Denn der darin liegende Gesetzesverstoß sei auch unter Berücksichtigung einer damit einhergehenden Gewinnerzielungsabsicht der Beklagten für sich genommen nicht geeignet, den Einsatz dieser Steuerungssoftware durch die für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen zu lassen. Hierfür bedürfe es vielmehr weiterer Umstände (Rz. 16).
(2) Der Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems sei nämlich nicht mit der Fallkonstellation zu vergleichen, die dem BGH-Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19, zum VW-Motor EA 189) zugrunde lag und in der der BGH das Verhalten des beklagten Automobilherstellers gegenüber dem klagenden Fahrzeugkäufer als sittenwidrig qualifiziert habe. Dort habe der Automobilhersteller von der Einhaltung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb vollständig abgesehen und dem KBA stattdessen zwecks Erlangung der Typgenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Motorsteuerungssoftware wahrheitswidrig vorgespiegelt dass die von ihm hergestellten Dieselfahrzeuge die neu festgelegten Grenzwerte einhalten. Die Software sei bewusst und gewollt so programmiert worden, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prufstand beachtet im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden (Umschaltlogik), und zielten damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungs behörde ab. Die mit einer derartigen – evident unzulässigen – Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeuge habe der dortige Hersteller sodann unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und die ordnungsgemäße Durchführung des Typgenehmigungsverfahrens als selbstverständlich voraussetzen, in den Verkehr gebracht. Ein solches Verhalten stehe einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleich (Rz. 17).
(3) Bei dem Einsatz einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems fehle es dagegen an einem derartigen arglistigen Vorgehen des beklagten Automobilherstellers, welches die Qualifikation seines Verhaltens als objektiv sittenwidrig rechtfertigen würde. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn die in dem jeweiligen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach unterscheide, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet und keine Funktion aufweise, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviere und den Sickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziere, sondern in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise arbeite (Rz. 18).
(4) Bei dieser Sachlage sei der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber dem jeweiligen Hersteller nur gerechtfertigt, wenn zu dem – unterstellten – Verstoß gegen die Verordnung 715/2007/EG weitere Umstände hinzutraten, die das Verhalten der für ihn handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
(a) Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setze deshalb weiter voraus, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Fehlt es hieran, sei bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt Dabei trage die Klagepartei als Anspruchstellerin für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast (Rz. 19).
(b) Für ein derartiges Vorstellungsbild des Herstellers müsse die Klagepartei außerdem zumindest konkrete Anhaltspunkte aufzeigen (Rz. 20 ff.).
Nicht ausreichend hierfür sei dass ein Fahrzeug Gegenstand einer freiwilligen Kundendienstmaßnahme des Herstellers sei. mit der nach Behauptung der Klagepartei lediglich bezweckt werde, eine unzulässige Abschalteinrichtung in Wegfall zu bringen und einen verpflichtenden Rückruf zu vermeiden. Denn hieraus ließen sich keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Herstellers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung – also spätestens dem Eintritt des behaupteten Schadens in Form des Vertragsschlusses – ziehen.
Erheblich könne jedoch die Behauptung einer Klagepartei sein, dass der Hersteller im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht habe. Hätte die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren z.B. verschleiert, dass die Abgasrückführungsrate in dem streitgegenständlichen Fahrzeugtyp durch die Außentemperatur mitbestimmt wird, könnten sich hieraus gegebenenfalls Anhaltspunkte für ein Bewusstsein der für die Beklagte handelnden Personen ergeben, eine – unterstellt – unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (BGH, Beschl. v. 19.01.2021 – VI ZR 433/19 ebenfalls zum Motor OM 651 der Beklagten).
(c) Zur Abgrenzung von grundsätzlich unbeachtlichem Vortrag ins Blaue sind somit vom Anspruchsteller mindestens greifbare Anhaltspunkte aufzu zeigen.
Die Darlegung und der Nachweis einer angeblich „unzulässigen Abschalteinrichtung“ muss deshalb grundsätzlich auf den im streitgegenständlichen Fahrzeug konkret verbauten Motor gerichtet sein. Denn es geht nicht an. alle Fahrzeuge eines Herstellers quasi „über einen Kamm zu scheren“ indem man behauptet, die Beklagte habe wie andere Hersteller Fahrzeuge mit illegalen Abschalteinrichtungen verkauft, das KBA habe auch für Fahrzeuge der Beklagten einen Zwangsrückruf angeordnet und deshalb sei auch das streitgegenständliche Fahrzeug von Manipulationen betroffen. Eine solche Vermutung sieht der Senat nicht, schon weil damit sämtliche Motoren einer Motorenfamilie/einer Baureihe ohne Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen technischen Merkmale und ohne Berücksichtigung der möglicherweise äußerst unterschiedlichen technischen Rahmenbedingungen (z.B. Euro 6 statt Euro 5) dem Generalverdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterworfen werden würden (vgl. zum Ganzen ausführlich Senat, Beschl. v. 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19. WM 2019, 1937, Nichtzulassungsbeschwerde vom BGH mit Beschl. v. 15.09.2020, Gz. VI ZR 389/19, ohne weitere Begründung zurückgewiesen) Einen solchen „Generalverdacht“ hat auch der BGH in seinem Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19 – nicht angenommen d.h. auch bei Abstellen auf die dortigen Ausführungen sind konkret motorbezogene Anhaltspunkte erforderlich.
(d) Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast ändern hieran nichts.
(1) Sie reduzieren nicht etwa die allgemeinen Anforderungen an die Substantiierung der primären Darlegungen des Anspruchstellers auf die allgemeine Behauptung der maßgebenden Tatbestandsmerkmale (so wohl z.B. OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss v. 05.03.2019 – 13 U 142718, Rz. 60 ff., zu Dieselfällen). Wenn man einer Partei in diesen Fällen schon zugesteht. Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat. die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (BGH, Urt. v. 04.10.2018, III ZR 213/17, Rz. 25 m.w.N.), müssen diese vermuteten Tatsachen dem Gericht auch eine Überprüfung ihrer Entscheidungserheblichkeit ermöglichen, m.a.W also schlüssig im oben genannten Sinne sein, um überhaupt eine sekundäre Darlegungslast des Bestreitenden auslösen zu können. Denn schon begrifflich ist eine sekundäre Darlegungslast ohne primäre schlüssige Behauptung eines konkreten Lebenssachverhalts ausgeschlossen (so auch OLG Stuttgart, Urteil v. 30.07.2019, Az.: 10 U 134/19, Rz 36 u. 90) Wollte man dies anders sehen, würde man eine Klagepartei in, mit den Grundsätzen der deutschen Zivilprozessordnung schwerlich zu vereinbarender Weise von dem Erfordernis jeglichen schlüssigen Sachvortrags entbinden (so auch OLG Köln. Beschl. v. 04.07.2019, Az.: 3 U 148/18, Rz. 6; ausfuhrlich wiederum Senat, Beschl. v. 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19, WM 2019, 1937).
(2) Aus denselben Gründen löst bloßer Vortrag ins Blaue auch noch keine sekundäre Darlegungslast aus (ausführlich wiederum Senat, Beschl. v. 29.08.2019, Az. 8 U 1449/19, WM 2019, 1937).
Der Anspruchsteller muss auch hierfür zunächst mindestens greifbare Anhaltspunkte aufzeigen, die sich allerdings auch aus den Umständen des Einzelfalls ergeben können (BGH, Urt. v. 26.01.2021 – VI ZR 405/19, Rz. 15 ff.) Der Anspruchsteller kann somit insbesondere nicht darauf hoffen, die erforderlichen Anhaltspunkte erst aufgrund der sekundären Darlegungslast des Gegners zu erhalten. Denn die deutsche Zivilprozessordnung kennt keine – über die anerkannten Falle der Pflicht zum substantiierten Bestreiten hinausgehende – allgemeine Aufklärungspflicht der nicht darlegungs- und beweispflichtigen Partei (BGH. Urt. v. 11.06.1990 – II ZR 159/89).
b) Ausgehend von diesen Anforderungen hat die Klagepartei eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung oder arglistige Täuschung hier nicht hinreichend vorgetragen und unter Beweis gestellt bzw keine hinreichenden Anhaltspunkte hierfür vorgebracht.
(1) Dafür, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug von der Beklagten eine sog. Prüfstanderkennungssoftware verbaut worden wäre, die bewusst und gewollt von der Beklagten so programmiert worden ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden (Umschaltlogik), und die damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehorde abgezielt hätte, wie es z.B. dem BGH-Urteil vom 25.05.2020 (VI ZR 252/19), zum VW-Motor EA zugrunde lag, ergibt sich vorliegend nichts.
Nach den Feststellungen des Landgerichts hat die Klagepartei nur behauptet, die Wirksamkeit der Abgasrückführung im einstelligen Außentemperaturbereich sei im streitgegenständlichen Fahrzeug deutlich reduziert Eine weitere im Fahrzeug enthaltende Abschalteinrichtung betreffe das SCR-System wobei die Beklagte schon bestritten habe, dass sich ein solches System überhaupt in diesem befinde.
Auch dem Vorbringen der Berufung ist an keiner Stelle zu entnehmen, dass die vorhandene temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung danach unterscheiden soll, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet und eine Funktion aufweisen würde, die bei erkanntem Prüfstandbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert Vorgetragen wird nur das Vorhandensein eines irgendwie gearteten Thermofensters und erneut der Einbau eines sog. SCR-Systems zu Abgasreinigung Dessen jedenfalls angenommene Funktionsweise wird dabei nicht weiter erläutert, d.h. es bleibt schon unklar, ob und inwieweit es sich dabei überhaupt um eine Abschalteinrichtung handeln soll (vgl. BB S. 3. Bl. 150) Zudem ergibt sich aus dem Berufungsvortrag nicht, dass die Klagepartei für das Vorhandensein dieses Systems Beweis angeboten hätte.
(2) Die Verwendung eines Thermofensters in dem streitgegenständlichen Fahrzeugmotor führt indessen – selbst unterstellt, dieses sei als unzulässige Abschalteinrichtung zu qualifizieren (vgl. BB S. 3-6 Bl. 150 ff., eines Eingehens auf das insoweit zitierte Urteil des LG Stuttgart bedarf es daher nicht) – nicht zu einer Haftung der Beklagten. Denn es fehlt hier an weiteren Umständen i.S.d Rechtsprechung des BGH. die das Verhalten der für die Beklagte handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen.
Die Berufungsbegründung (vgl. BB S 10 f., Bl. 156 f.) beschränkt sich im Wesentlichen darauf, zur besonderen Verwerflichkeit Rechtsprechung zu zitieren, die zum VW Motor EA 189 ergangen ist (so z.B. BGH. Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 536/15, OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.11.2019, Az.: 13 U 37/19, OLG Karlsruhe, Beschl. v. 05.03.2019, 13 U 142/18).
Vorliegend handelt es sich aber nicht wie dort um eine evident unzulässige Abschalteinrichtung Jedenfalls ist dies den Ausführungen der Klagepartei (sh. oben (1)) nicht zu entnehmen.
Von einer zumindest billigenden Inkaufnahme eines Gesetzesverstoßes ist daher ohne konkrete Anhaltspunkte für das Bewusstsein der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung der auf Seiten der Beklagten Handelnden nicht auszugehen.
Solche benennt die Berufung nicht.
(a) Soweit sie bei Zitierung höchstrichterlicher Rechtsprechung meint, eine Abschalteinrichtung könne auch ohne (rechtskräftigen) KBA-Rückruf als unzulässig angegriffen werden, ist dies zwar grundsätzlich zutreffend (vgl. BB S. 7. BI. 154), aber nicht zielführend.
Es geht hier nicht um die Frage konkreter Anhaltspunkte für das Vorliegen einer – ohnehin unterstellt – unzulässigen Abschalteinrichtung, sondern darum, ob sich die für die Beklagten handelnden Personen auch der Unzulässigkeit bewusst waren.
Ein nach Jahr und Tag erfolgter oder im Raum stehender Rückruf besagt hierfür indessen ebenso wenig, wie eine freiwillige Kundendienstmaßnahme bzw. ein Update, mit dem eine etwaig unzulässige Abschalteinrichtung in Wegfall gebracht und ein verpflichtender Rückruf umgangen werden soll. Denn hieraus lassen sich – wie ausgeführt – keine Rückschlüsse auf das Vorstellungsbild des Herstellers zum maßgeblichen Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung – also spätestens dem Eintritt des behaupteten Schadens in Form des Vertragsschlusses – ziehen.
(b) Wenn die Berufung im Zusammenhang mit der Frage der Zurechnung gemäß § 31 BGB vortragt, die Klagepartei stütze sich bezüglich vorgenommener Täuschungshandlungen einzelner Mitglieder des Vorstands der Beklagten auf veröffentlichte Presserecherchen (vgl. BB S. 11. Bl. 158), ergeben sich auch daraus keinerlei greifbare Anhaltspunkte für ein besonders verwerfliches Handeln
So ist schon unklar, über welche wann vorgenommenen Handlungen welcher Personen von wem berichtet worden sein soll Schon gar nicht ist ersichtlich, inwieweit die in den Raum gestellten Recherchen eine Beurteilung des Vorstellungsbildes derselben zur Zulässigkeit des vorliegenden Thermofensters im hier entscheidenden Zeitpunkt bzw. Zeitraum ermöglichen sollten.
(c) Soweit dem Vortrag der Berufung eine Überschreitung der Grenzwerte des Stickoxid-Ausstoßes im einstelligen Temperaturbereich und damit außerhalb der Bedingungen des Prüfstands entnommen werden kann, deutet dies nur auf ein Thermofenster und nicht auch auf dessen in Kauf genommene Unzulassigkeit hin.
Die Euro-5- und Euro-6-Grenzwerte waren nämlich nach früherer gesetzlicher Regelung ausschließlich auf den NEFZ-Rollenprüfstandtest bezogen. Ob der jeweilige Fahrzeugtyp sie einhielt, wurde nach den EU-Vorschriften ausschließlich unter NEFZ-Prüfbedingungen getestet. Dies erlaubte es den Pkw-Herstellem, ihre Emissionsstrategien auf das enge Prüfkorsett des NEFZ zuzuschneiden und entsprechend zu optimieren. Emissionen, die unter wechselnden Bedingungen im Realbetrieb der Fahrzeuge entstehen, waren nicht Prüfgegenstand im Typgenehmigungsverfahren (vgl. z.B. Weidemann, NVwZ 2020.9 (13 f.), beck-online).
Eine Software, die den NEFZ-Prüfbedingungen entspricht, war daher nach damaliger Rechtslage wohl rechtmäßig. Selbst wenn man dies nachtraglich anders sehen wollte, wäre eine diesbezügliche vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte zur Zeit des Inverkehrbringens des streit gegenständlichen Fahrzeugs im Jahr 2011 (Erstzulassung 28.10.2011) nicht ersichtlich. Denn dass die relevanten Umstände bereits damals eventuell erkennbar waren und die Beklagte sie vielleicht kennen hatte können oder müssen, würde für die Feststellung von Vorsatz nicht ausreichen, sondern nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit rechtfertigen (BGH, Urt v. 06.11.2015 – VI ZR 78/14, Rz. 25).
(d) Die Klagepartei hat letztlich auch weder schlüssig dargelegt, dass die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende oder unzureichende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht hat. noch hat sie hierfür hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte vorgebracht.
– Der Berufung verhält sich – ungeachtet einer Verspatung etwaigen diesbezüglichen Vortrags – schon nicht dazu, worin sie konkret vorliegend eine Täuschung des KBA durch die Beklagte sieht. Sie zitiert lediglich an verschiedenen Stellen Rechtsprechung, in welcher von einer, dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge vorangegangenen Täuschung der Typgenehmigungsbehörde die Rede ist.
– Diese Entscheidungen beziehen sich, wie dargelegt, auf den Motor EA 189 mit der dortigen Prüfstandsoftware, d.h. auf Fälle, in denen es selbstredend darum ging, gezielt zu tauschen.
Soweit zudem in zahlreichen landgerichtlichen Urteilen und einigen Entscheidungen von Oberlandesgerichten (vgl. BB S 10 f., Bl. 157 ff.) eine Täuschung der Typgenehmigungsbehörde bei Vorliegen eines Thermofensters angenommen worden sein soll, ergibt sich nicht, inwieweit die dortigen Ausführungen auf den vorliegenden Fall übertragbar sein sollten. So ist weder ersichtlich, um welche Motoren welcher Hersteller mit welchen Thermofenstern und gegebenenfalls welchen sonstigen, eine etwaige Prüfstandsituation erkennenden Konstruktionen es sich dort gehandelt hat, noch welche Überschreitungen der Grenzwerte des Stickoxid-Ausstoßes bezogen auf welche Temperaturbereiche in den dortigen Fallkonstellationen inmitten standen. Es ist nicht erkennbar, dass es sich auch nur bei einer der zitierten Entscheidungen um dasselbe Typgenehmigungsverfahren wie bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug gehandelt hätte. Zudem wird die Frage, inwieweit sich die Unzulässigkeit eines Thermofensters aufdrängen musste, regelmäßig nicht losgelöst vom jeweiligen Vortrag zu dessen Wirkungsweise zu beantworten sein.
Anhaltspunkte für eine Täuschung durch die Beklagte bezogen auf den vorliegenden Fall ergeben sich damit aus den in Bezug genommenen Entscheidungen nicht.
– Weiter ist der Berufungsbegründung nicht ansatzweise zu entnehmen. dass und gegebenenfalls welche unzutreffenden Angaben die Beklagte im Rahmen des hier maßgeblichen Antragsverfahrens überhaupt gemacht haben soll. Auch wird nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls was diese dem KBA offenbaren hätte müssen, aber bewusst und für sie erkennbar pflichtwidrig verschwiegen hat (vgl. u.a. BB S. 18, BI. 165).
Dabei ergibt sich schon aus der Berufungsbegründung bei Bezugnahme auf eine Entscheidung des VG Schleswig. Urt v. 13.12.2017, Az 3 A 59/17, im Zusammenhang mit der Legalisierungswirkung der Typgenehmigung (vgl. BB S. 6/7, BlI. 153 f.), dass für das Nichtvorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung bislang keine Prüfung vorgesehen war und der Typgenehmigungsbogen demgemäß hierzu keine Feststellungen getroffen hat. Es versteht sich daher keineswegs von selbst, dass sich die Beklagte näher und noch dazu bewusst unzutreffend bezüglich des Thermofensters, dessen Vorliegen unterstellt, geäußert hat.
Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 692/2008 der Kommission vom 18. Juli 2008 (Typgenehmigungs VO, Umfang in Juris 139 Druckseiten) weist der Hersteller für die EG-Typgenehmigung eines Fahrzeugs hinsichtlich der Emissionen zwar nach, dass die Fahrzeuge den Prüfanforderungen entsprechen, die in den Anhängen III bis VIII. X bis XII, XIV und XVI dieser Verordnung genannt sind, wobei die Fahrzeuge gem. Abs. 2 gemäß Anhang I Abbildung I.2.4 geprüft werden. Gemäß Art. 3 Abs. 9 VO gilt die Prüfung Typ 6 zur Messung der Emissionen bei niedrigen Temperaturen gemäß Anhang VIII aber nicht für Dieselfahrzeuge. Bei der Beantragung einer Typgenehmigung belegen die Hersteller der Genehmigungsbehörde im Übrigen, dass die NOx-Nachbehandlungseinrichtung nach einem Kaltstart bei -7 C innerhalb von 400 Sekunden eine für das ordnungsgemäße Arbeiten ausreichend hohe Temperatur erreicht, wie in der Prüfung Typ 6 beschrieben. Darüber hinaus macht der Hersteller der Genehmigungsbehörde Angaben zur Arbeitsweise des Abgasruckfuhrungssystems (AGR). einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen.
Angesichts dieser hochkomplexen und hochtechnischen Materie müsste deshalb für einen schlüssigen Vortrag zu angeblich fehlerhaften oder unvollständigen Angaben eines Herstellers im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens sehr konkret im Einzelnen ausgehend von der VO dargestellt werden, welche der äußerst zahlreichen und komplexen erforderlichen Angaben aus welchem Grund unzutreffend bzw. unvollständig gewesen sein sollen. So ergibt sich etwa aus dem Erfordernis von „Angaben zur Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems (AGR), einschließlich ihres Funktionierens bei niedrigen Temperaturen“ zwar bei wörtlicher Auslegung wohl noch hinreichend klar, dass das Vorhandensein eines sog. „Thermofenster“ der Genehmigungsbehörde als solches wohl grundsatzlich offenzulegen war. Daraus folgt jedoch nicht ohne Weiteres, dass hierzu ganz konkrete Temperaturbereiche des „Thermofensters“ anzugeben gewesen waren.
Wenn die Angaben der Beklagten unvollständig gewesen sein sollten, was dem Vortrag der Berufung – wie dargelegt – schon nicht zu entnehmen ist, wäre dies zudem noch kein konkreter Anhaltspunkt für deren Bewusstsein, eine unzulässige Abschalteinrichtung bei Verheimlichung dieses Umstands zu verwenden bzw. verwendet zu haben Zivilrechtlich kommt eine Täuschung durch Verschweigen nur in Betracht, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsachen eine Aufklärungspflicht besteht. Dabei sind regelmäßig nicht alle Umstände zu offenbaren, die für die Entschließung des anderen Teils bedeutsam sind. Grundsätzlich ist es vielmehr Sache jeder Partei, ihre Interessen selbst wahrzunehmen. Ungünstige Eigenschaften des Vertragsgegenstands brauchen daher grundsätzlich nicht ungefragt offengelegt zu werden. Für Arglist muss der Handelnde außerdem die Unvoll ständigkeit seiner Angaben und seine Rechtspflicht zur Aufklärung kennen oder zumindest billigend in Kauf nehmen (vgl. Palandt/ Ellenberger, BGB, 78. Aufl. 2019, § 123 Rz. 4 und 11 m.w.N.).
Dafür ist hier nichts ersichtlich. Gegebenenfalls wäre es vielmehr Sache des KBA gewesen, vermeintlich unvollständige Angaben im Typgenehmigungsverfahren zu monieren, was offensichtlich nicht geschehen ist. Denn das KBA hat zunächst zu prüfen, ob die Antragsunterlagen im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben vollständig sind.
Fehlt es daran, hat es den Antragsteller aufzufordern, die Antragsunterlagen zu ergänzen. Kommt der Antragsteller dem nicht nach, lehnt die Behörde den Antrag ab (Führ, NVwZ 2017, 265 [269)).
Selbst wenn die Beklagte verwaltungsrechtlich zu weiteren Angaben im Typgenehmigungsverfahren verpflichtet gewesen wäre, spräche angesichts der Untätigkeit des KBA daher nichts dafür, dass sie eine etwaige Unvollständigkeit ihrer Angaben im Typgenehmigungsverfahren und ihre Rechtspflicht zur weiteren Aufklärung – eine solche unterstellt – gekannt oder zumindest billigend in Kauf genommen hätte, m.a.W. dass sie im Typgenehmigungsverfahren irgendetwas vorsätzlich „verschleiert“ hätte i.S.d. Rspr. des BGH (a.a.O. Rz. 24).
Anders als bei einer Prüfstanderkennungssoftware mit Umschaltlogik, wie sie im VW Moter EA189 enthalten war (s.o.). könnte aus dem etwaigen Fehlen derartiger ergänzender Angaben nach Auffassung des Senats angesichts dieser Gesamtumstände nicht darauf geschlossen werden, dass die Beklagte damit unmittelbar auf die arglistige Täuschung der Typgenehmigungsbehörde und daran anschließend der künftiger Käufer abgezielt oder dies auch nur billigend in Kauf genommen hatte.
– Mithin fehlt schlüssiger Vortrag zu einer Täuschung des KBA. zu dem sich die Beklagte, die bereits erstinstanzlich Täuschungen ihrerseits in Abrede gestellt hat, zu äußern hätte. Hinreichende bzw. überhaupt Anhaltspunkte für arglistig unvollständige oder für noch nicht einmal bezeichnete falsche Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren sind nicht ersichtlich, d.h. diese trifft erst recht keine über ein Bestreiten hinausgehende sekundäre Darlegungslast.
3. Eine Haftung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB scheidet danach gleichfalls schon mangels arglistiger Täuschung aus.
Im Übrigen fehlt es entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. BB S. 25, Bl. 172) für eine Haftung wegen Betruges schon an der erforderlichen Stoffgleichheit des etwaig erstrebten rechtswidrigen Vermögensvorteils mit dem Vermögensschaden des Käufers bzw. Klägers (vgl. BGH, Urt v. 30.07.2020 – VI ZR 5/20).
Nach der in Bezug genommenen Entscheidung ist eine Absicht der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten, sich bzw. die Beklagte an dem Gebrauchtwagenverkauf unmittelbar zu bereichern, aus Rechtsgründen schon deshalb ausgeschlossen, weil sie bzw. die Beklagte aus dem Kaufvertrag zwischen der Klagepartei und einem Dritten über einen Gebrauchtwagen keinen unmittelbaren Vorteil ziehen konnten. Ein etwaiger der Klagepartei entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der dem Dritten aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist. Zudem kann eine Absicht, dem Dritten einen mit dem Schaden der Klagepartei stoffgleichen Vermögensvorteil zu verschaffen, ausgeschlossen werden. Insbesondere kann die Bereicherung des Dritten um den Anteil des Kaufpreises, der über den Wert des Fahrzeugs hinausging, nicht als notwendiges und beabsichtigtes Zwischenziel zur Erreichung der eigenen Ziele der verfassungsmäßigen Vertreter der Beklagten – wie weiter ausgeführt – angesehen werden.
4. Auch auf § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § Art. 5 Abs. 2 i.V.m. Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 kann die Klagepartei ihre Ansprüche nicht stützen (BB S. 27 ff., Bl. 174 ff.).
4.1. Aus den in Bezug genommenen europarechtlichen Regelungen kann die Klagepartei nichts für sich herleiten.
So ist Ziel der hier maßgeblichen VO (EG) Nr. 715/2007 nach deren einleitenden Bemerkungen (1) bis (4) sowie zusammengefasst nochmals in (27) die Harmonisierung des Binnenmarktes bzw. die Vollendung des Binnenmarktes durch Einführung gemeinsamer technischer Vorschriften zur Begrenzung von Fahrzeugemissionen. Zwar werden neben der Vereinheitlichung der Rechtsregelungen ein hohes Umweltschutzniveau (1) als Ziel und die Reinhaltung der Luft als Vorgabe für Regelungen zur Senkung der Emissionen von Fahrzeugen (4) beschrieben, doch folgt aus den Ausführungen unter (7), die die Verbesserung der Luftqualitat in einem Zuge mit der Senkung der Gesundheitskosten (und dem Gewinn an Lebensjahren) nennen, dass es auch insoweit nicht um individuelle Interessen, sondern letztlich um umwelt- und gesundheitspolitische Ziele geht.
Dass der europäische Gesetzgeber im Sinne der Definition des Schutzgesetzes dem einzelnen Verbraucher die Rechtsmacht in die Hand geben wollte, mit Mitteln des Privatrechts gegen denjenigen vorzugehen, der in dieser Verordnung zur Umsetzung dieser Ziele geregelte Verbote übertritt und sein Rechtsinteresse beeinträchtigt, geht damit aus den Vorbemerkungen nicht hervor. Vielmehr spricht stattdessen sogar der Umstand, dass die Ziele in (7) in Beziehung gesetzt werden zu den Auswirkungen der Emissionsgrenzwerte auf die Markte und die Wettbewerbsfähigkeit von Herstellern, gegen einen entsprechenden Willen des Gesetzgebers. Dies gilt umso mehr, als auch die Regelungen der VO (EG) Nr. 715/2007 selbst keinen Bezug zu Individualinteressen des einzelnen Burgers aufweisen (so im Ergebnis auch Riehm, DAR 2016, 12 [13]). Gerade einen derartigen Bezug zu Individualinteressen sieht der EuGH aber in seiner Vorabentscheidung ECLI:EU:C:2017:128 = NJW 2017, 1161 Rn 55, 56. als Erfordernis für eine Schutzgesetzeigenschaft an.
Besagte Bestimmungen und §§ 6 Abs. 1, 27 EG-FGV stellen damit keine Schutzgesetze dar (vgl. ausführlich Senat, WM 2019, 1937; und nun auch BGH Urt. v. 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rz. 73 ff.).
4.2 Die Beklagte hat letztlich mit der EG-Ubereinstimmungsbescheinigung auch keine Garantie nach § 443 BGB abgegeben, auf welche die Klagepartei ihre Ansprüche stützen könnte (vgl. von der Berufung zitierte Entscheidung des LG Ingolstadt, Az 64 O 1245/19, BB S. 29. BI. 176).
Der Erklärungswert der EG-Übereinstimmungsbescheinigung ist nach dem objektiven Empfängerhorizont zu bemessen, welcher nach der Überzeugung des Senats keine Willenserklärung gerichtet auf Abschluss eines Garantievertrages darstellt. Die Beklagte erfüllt mit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung eine gesetzliche Verpflichtung, Art. 18 RL 2007/46/EG i.V.m §§ 6, 27 EG-FGV. welche Voraussetzung für die Erstzulassung des Fahrzeuges ist Dabei hat die Beklagte dem Fahrzeug eine entsprechende Bescheinigung beizufügen. § 27 EG-FGV Ausgehend von dieser Verpflichtung der Beklagten, welche zudem gem. § 37 EG-FGV als Ordnungswidrigkeit bewehrt ist, kann der Beigabe der EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht ein Erklärungswert einer Willenserklärung gerichtet auf Abschluss eines Garantievertrages beigemessen werden Die Beklagte will allein die ihr vorgeschriebene Verpflichtung, nämlich die Bescheinigung der Übereinstimmung des Fahrzeuges mit der EG-Typengenehmigung, erfüllen. Eine Garantie, welche einen deutlich darüberhinausgehenden Inhalt aufweist, nämlich die Verpflichtung einzustehen, falls die Sache nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist oder andere als die Mängelfreiheit betreffende Anforderungen nicht erfüllt, die in der Erklärung oder einschlägigen Werbung beschrieben sind (§ 434 Abs. 1 BGB), wollte die Beklagte damit nicht abgeben (vgl. dazu ausführlich OLG Braunschweig. Urteil vom 19.02.2019 – Az.: 7 U 134/17; OLG München Urt v. 4.12.2019 – 3 U 3913/19, BeckRS 2019, 34113).
III.
1. Der Streitwert ergibt sich aus dem bezifferten Hauptsache-Zahlungsantrag (22.200,00 € abzüglich 1.925,56 €).
2. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
3. Zu diesen Hinweisen kann der Berufungsführer binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal 3 Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock. OLGR Rostock, OLGR 2004, 127 ff.).


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