Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in Griechenland für alleinstehende Dublin-Rückkehrer

Aktenzeichen  AN 17 S 19.50821

Datum:
22.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5366
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, § 34a Abs. 1 S. 1
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3
VO (EU) 604/2013 Art. 3 Abs. 2, Art. 17 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Systemische Schwachstellen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, sind im griechischen Asylsystem für Dublin-Rückkehrer nicht ersichtlich. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Lebensverhältnisse in Griechenland stellen sich für anerkannte arbeitsfähige, alleinlebende, gesunde Männer nicht als unzumutbar im Hinblick auf die Gewährleistung von „Brot, Bett und Seife“ (VGH BW  BeckRS 2019, 11243  ) dar. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung wird abgelehnt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Griechenland im Zuge eines Dublin-Verfahrens.
Der 1994 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Eigener Angabe nach verließ er sein Heimatland Syrien am 13. September 2016 und reiste über den Irak zunächst in die Türkei, wo er sich etwa zweieinhalb Jahre aufhielt und sodann am 21. Februar 2019 weiter nach Griechenland, wo er für drei bis vier Monate unterbrochen von einem Tag in Mazedonien blieb.
Laut der Eurodac-Datenbank hat der Antragsteller in Griechenland in … am 29. März 2019 einen Asylantrag gestellt und ihm wurden Fingerabdrücke genommen.
Am 14. Juni 2019 reiste der Antragsteller per Flugzeug in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am 15. Juni 2019 einen Asylantrag. In Deutschland leben noch mehrere Geschwister sowie Tanten und Onkel.
In seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 23. Juli 2019 gab der Antragsteller an, dass er Analphabet und daher auf die Unterstützung seiner Verwandten in Deutschland angewiesen sei. Griechenland sei ein armes Land, dort gebe es weder Arbeit noch Zukunft und die eigenen Bürger würden es verlassen. Leute, die dortblieben, würden nicht zur Spracheschule geschickt. In Deutschland hingegen gebe es Menschenrechte, hier könne er die Sprachschule besuchen und arbeiten. Krankheiten habe er keine.
Am 25. Juli 2019 ersuchte die Bundesrepublik Deutschland die Hellenische Republik den Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) wiederaufzunehmen. Griechenland erklärte mit Schreiben vom 1. August 2019 das Wiederaufnahmegesuch zu akzeptieren und teilte mit, dass das Asylverfahren des Antragstellers in Griechenland noch offen sei. Weiter sicherte Griechenland zu, den Antragsteller nach Rückkehr in Einklang mit der RL 2013/33/EU (Aufnahme-RL) in einer Aufnahmeeinrichtung unterzubringen.
Mit Bescheid vom 1. August 2019 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete die Abschiebung nach Griechenland an (Ziffer 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4). Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 9. August 2019 gegen Empfangsbestätigung zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte am 16. August 2019 Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach und stellte einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zur Begründung führt er aus, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorlägen. Das griechische Asylverfahren weise systemische Mängel auf, da der Antragsteller bei einer Rückkehr völlig auf sich alleine gestellt sei. Der griechische Staat trete dieser Situation mit Gleichgültigkeit gegenüber, obwohl es an der Befriedigung elementarer Bedürfnis wie Wohnraum, Nahrungsmittel und Zugang zu sanitären Einrichtungen fehle. Dem Antragsteller drohe bei einer Rückkehr nach Griechenland akute Obdachlosigkeit und Verelendung. Der griechische Staat stelle weder in adäquater Weise eine Unterkunft zur Verfügung, noch gewähre er eine finanzielle Unterstützung zu den Lebenshaltungskosten.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene elektronische Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. August 2019 ist dahingehend auszulegen, dass er sich sachgerecht nur auf die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3 beziehen kann (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO).
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ist statthaft. Die Klage gegen die Abschiebungsanordnung entfaltet wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung. In diesem Fall kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Die Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG wurde eingehalten.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die gerichtliche Interessensabwägung ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt.
Das Gericht trifft im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO eine eigene, originäre Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf Grund der sich ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) darbietenden Sach- und Rechtslage. Das Gericht hat dabei das Aussetzungsinteresse des Antragstellers und das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff.). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel abzulehnen, wenn der Rechtsbehelf in der Hauptsache nach summarischer Prüfung voraussichtlich erfolglos bleiben wird; ergibt eine vorläufige Überprüfung der Hauptsacheklage dagegen, dass diese offensichtlich erfolgreich sein wird, so überwiegt regelmäßig das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Sind die Erfolgsaussichten offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen (Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 93).
Nach dieser Maßgabe erweist sich die in Ziffer 3 des Bescheides vom 1. August 2019 erlassene Abschiebungsanordnung nach Griechenland aller Voraussicht nach als rechtmäßig, weil zum einen keine systemischen Mängel oder Schwachstellen im griechischen Asylverfahren oder den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 der VO (EU) 604/2013 (Dublin III-VO) bestehen sowie kein Anspruch auf einen Selbsteintritt der Antragsgegnerin nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO in Betracht kommt und zum anderen dem Antragsteller auch nach einer etwaigen Zuerkennung internationalen Schutzes in Griechenland dort keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung gemäß Art. 4 GRCh droht.
a) Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung nach Griechenland ist § 34a Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt in Fällen eines unzulässigen Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG nicht, was europarechts-konform ist (Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 28. Ed. 1.10.2020, § 34a AsylG Rn. 23).
b) Griechenland ist der nach der Dublin III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständige Staat. Das Bundesamt hat den Asylantrag zu Recht nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AsylG als unzulässig abgelehnt.
Die Zuständigkeit Griechenlands für das Asylverfahren des Antragstellers ergibt sich damit aus Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO, nach dem der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist, dessen Land-, See- oder Luftgrenze der Antragsteller aus einem Drittstaat kommend illegal überschritten hat, wenn dies auf Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß der beiden in Art. 22 Abs. 3 Dublin III-VO genannten Verzeichnisse einschließlich der Daten nach der VO (EU) Nr. 603/2013 (Eurodac-VO) festgestellt ist. Laut des Eurodac-Treffers hat der Antragsteller, nachdem er zunächst eineinhalb Jahre in der Türkei gelebt hatte, nach seiner Einreise nach Griechenland am 21. Februar 2019 zunächst in … am 29. März 2019 einen Asylantrag gestellt und ihm wurden Fingerabdrücke genommen. Was den unmittelbaren Voraufenthalt in der Türkei als Drittstaat betrifft, so sind die eigenen Angaben des Antragstellers vor dem Bundesamt und bei der Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion am Flughafen … als Indiz im Sinne des Art. 22 Abs. 3 Buchst. b Dublin III-VO i.V.m. Anlage 2 Verzeichnis B Nr. 7 1. Spiegelstrich der VO (EG) Nr. 1560/2003 (EU-Asyl-antragzuständigkeits-DVO) zu bewerten, die kohärent, nachprüfbar und hinreichend detailliert sind, Art. 22 Abs. 5 Dublin III-VO. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die durch den Antragsteller geschilderte Reiseroute unzutreffend ist, weil er sich gerade durch die Angabe, vor der Einreise nach Griechenland im Drittstaat Türkei gewesen zu sein, dem Risiko einer von ihm nicht gewünschten Zuständigkeit Griechenlands für sein Asylverfahren nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO aussetzt. Ein rein prozesstaktisches Vorbringen erscheint insofern ausgeschlossen. Die Zuständigkeit Griechenlands ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts wieder erloschen, da selbst wenn man eine Einreise nach Griechenland bereits im Januar 2019 statt am 21. Februar 2019 annähme – so die von der Anhörung vor dem Bundesamt zeitlich abweichende Aussage im Rahmen der Vernehmung durch die Bundespolizeiinspektion … – wurde der Asylantrag laut Eurodac-Treffer am 29. März 2019 gestellt, also jedenfalls binnen zwölf Monaten.
Da Griechenland für das Asylverfahren des Antragstellers nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO zuständig ist und dieser während der Prüfung seines Antrages durch die griechischen Behörden das Land in Richtung Bundesrepublik Deutschland verlassen und dort einen weiteren Asylantrag gestellt hat, ist Griechenland gegenüber Deutschland gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b Dublin III-VO zu seiner Wiederaufnahme nach den Art. 23 ff. Dublin III-VO verpflichtet. Die Frist für die Stellung des Wiederaufnahmegesuchs von zwei Monaten ab Erhalt der Eurodac-Treffermeldung gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin III-VO hat die Beklagte eingehalten. Das Eurodac-Ergebnis stand dem Bundesamt am 15. Juni 2019 zur Verfügung, am 25. Juli 2019 ersuchte es die griechischen Behörden um die Übernahme des Antragstellers. Diese erklärten die Zustimmung zur Wiederaufnahme binnen der Zweiwochenfrist des Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO am 1. August 2019.
c) Der Antragsteller kann sich nicht auf Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO und das Vorliegen systemischer Schwachstellen im Asylverfahren und bei den Aufnahmebedingungen in Griechenland, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh mit sich bringen, berufen. Solche bestehen in Griechenland jedenfalls für alleinstehende, junge und arbeitsfähige Männer nicht. Im Übrigen besteht auch kein Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Ausübung des ihr zustehenden Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO.
Eine Anwendung des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO setzte systemische Schwachstellen im Asylverfahren oder bei den Aufnahmebedingungen im ersuchten Staat Griechenland voraus. Nach dem System der normativen Vergewisserung (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – NVwZ 1996, 700/704 f.) respektive dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417/419) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsstaat der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (GRCh) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat systemische Mängel aufweisen, die regelhaft so defizitär sind, dass sie im konkreten Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK bergen (EuGH, U.v. 21.12.2011 – N.S., C-411/10, C-493/10 – NVwZ 2012, 417; BVerwG, U.v. 8.1.2019 – 1 C 16/18 – juris Rn. 37). Ein systemischer Mangel liegt jedoch nur dann vor, wenn er im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt ist oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägt. Derlei Mängel treffen den Einzelnen nicht unvorhersehbar oder schicksalshaft, sondern lassen sich wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren (BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6/14 – juris Rn. 9).
Diesen strengen Beurteilungsmaßstab zugrunde gelegt ergeben sich für das Gericht nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen zur Lage für Dublin-Rückkehrer in Griechenland keine derartigen systemischen Mängel (so jüngst auch VG Ansbach, B.v. 10.2.2021 – AN 17 S 21.50009 – BeckRS 2021, 2138; B.v. 18.2.2021 – AN 17 S 19.50910 – BeckRS 2021, 2479).
Das erkennende Gericht legt nach den bestehenden Erkenntnissen zu Griechenland seiner Entscheidung folgende aktuelle Lage zu Grunde:
aa) Asylbewerbern steht in Griechenland seit 2016 ein grundsätzlich rechtstaatliches Asylverfahren zur Verfügung. Das aktuelle griechische Asylgesetz vom 1. November 2019, gültig seit dem 1. Januar 2020, setzt in seinem ersten Teil (Art. 1 bis Art. 38) die RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Anerkennungs-RL), also die materiellen europäischen Asylstandards um, in seinem zweiten Teil (Art. 40 bis 92) die RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrens-RL), somit die verfahrensrechtlichen europäischen Regelungen. Das griechische Asylverfahren weist für die Personengruppe der Dublin-Rückkehrer auch keine besonderen Zugangshürden auf. Der Zugang zum Asylverfahren nach einer Dublin-Rücküberstellung ist vom Stand des Verfahrens in Griechenland abhängig. Im Falle des Antragstellers haben die griechischen Behörden mitgeteilt, dass dessen Asylverfahren noch offen ist und nach seiner Rückkehr weitergeführt werden kann, was auch der Erkenntnismittellage entspricht (etwa Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich [BFA], Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 11 f.). Bedenkliche Nachteile entstehen dem Antragsteller durch die von ihm erfolgte Weiterreise voraussehbar nicht. Der regelmäßig und auch hier seitens der griechischen Behörden bei Annahme eines (Rück-)Übernahmeersuchens erteilten Zusicherung ist zu entnehmen, dass die zuständigen Polizeistellen die überstellte Person bei Ankunft am Flughafen in Empfang nehmen und mit Hilfe eines Dolmetschers umfassend unter anderem über ihre Rechte als Asylantragsteller und den Verfahrensablauf informieren (vgl. auch die Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3). Hierzu gehören etwa, wie aus der Übernahmeerklärung Griechenlands hinsichtlich des Antragstellers hervorgeht, Informationen über das weitere Verfahren sowie die Anschrift und Öffnungszeiten der zuständigen Behörde.
Zwar wurden mit dem zum 1. Januar 2020 in Kraft getretenen (und im März 2020 überarbeite-ten) griechischen Asylgesetz auch einige Verschärfungen gegenüber der Rechtslage seit 2016 eingeführt, wie die Beschränkung von Einspruchsmöglichkeiten, die Festlegung von sicheren Herkunftsländern, die Möglichkeit der Unterbringung in geschlossenen Flüchtlingszentren für letztinstanzlich abgelehnte Asylbewerber, den Verlust des Asylrechts in bestimmten Fällen, ins-besondere bei Straffälligkeit (vgl. insoweit Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Sachstand Änderungen im griechischen Asylgesetz vom 3.5.2020), Zweifel an einer grundsätzlichen Rechtstaatlichkeit ergeben sich hieraus jedoch nicht. Die Regelungen dienen der Verfahrensbeschleunigung und der Missbrauchsverhinderung.
Die Problematik von sog. Push-Backs an der Grenze zur Türkei, wonach Ausländern faktisch die Asylantragstellung in Griechenland verwehrt wird (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 5 f.), sind für den Antragsteller irrelevant, da dies nicht für Rückkehrer bzw. für Grenzübertritte aus den Dublin-Staaten gilt.
Für Asylantragsteller hat sich die Rechtslage im Vergleich zur Situation in den Jahren 2011 bis 2016 damit grundlegend geändert, so dass die auf der damaligen Sach- und Rechtslage beruhende Rechtsprechung einschließlich der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die von systemischen Mängeln in Griechenland ausgegangen ist (BVerfG, B.v. 8.5.2017 – 2 BvR 157/17 – juris, Rn. 15 ff.), keine Gültigkeit mehr hat. Am 8. Dezember 2016 stellte auch die Europäische Kommission (vgl. Empfehlung C (2016) 8525, abrufbar unter https://ec.europa.eu/) die Verbesserungen und Bemühungen des griechischen Staats im Hinblick auf die Dublin III-VO fest und empfahl die Wiederaufnahme der Überstellungen nach Griechenland mit Ausnahme von Personen, bei denen die Zuständigkeit Griechenlands vor dem 15. März 2017 begründet wurde sowie schutzbedürftiger Asylbewerber einschließlich unbegleiteter Minderjähriger. Das Bundesministerium des Innern kommt seit dem Erlass vom 15. März 2017 dieser Empfehlung nach und hält seitdem die Überstellung von nicht vulnerablen Antragstellern mit einer Zusicherung Griechenlands für möglich. Auch der UNHCR erhob im April 2017 keine Einwendungen gegen die von der Europäischen Kommission ausgesprochene Empfehlung (vgl. VG Regensburg, B.v. 16.8.2018 – RN 13 S 18.50524 – BeckRS 2018, 19523 Rn. 25).
bb) Auch die humanitäre Lage steht einer Rücküberstellung von nicht vulnerablen Personen nach Griechenland nicht entgegen.
In Griechenland haben laut Gesetz alle Asylantragsteller, darunter auch sog. Dublin-Rückkehrer, grundsätzlich ein Recht auf angemessene Unterbringung. Rückkehrende Dublin-Überstellte kommen regelmäßig im Camp Eleonas auf dem griechischen Festland unter. Für dieses Camp liegen keine Kenntnisse über eine Einschränkung der Standards der Aufnahmerichtlinie vor. Das (als offenes Camp geführte) Camp Eleonas verfügt über eine zentrale Lage in der Nähe der Großstadt Athen, gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, umfassende ärztliche Versorgung (allgemeinärztlich und zahnmedizinisch vor Ort) sowie Sat-TV und Freizeitmöglichkeiten (Auswärtiges Amt, Auskunft an VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3) und auch die Möglichkeit der Unterstützung durch Nichtregierungsorganisationen (etwa https://projectelea.org/about-us). Zudem besteht die Möglichkeit einer Unterkunft über das ESTIA-Programm mit angemieteten Wohnungen des UNHCR bzw. der Unterbringung in Containern und Zelten in Flüchtlingslagern, verwaltet von IOM, ASB oder DRC (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020). Das griechische Migrationsministerium betreibt derzeit ca. 15.400 und der UNHCR ca. 13.500 Unterkünfte (UNHCR, Fact sheet Greece, Stand November 2020). Von den zum Teil extrem schlechten Unterbringungsverhältnisse auf den griechischen Inseln sind Dublin-Rückkehrer nicht betroffen.
Dublin-Rückkehrer haben auch ausnahmslos Zugang zum sog. Cash-Card-Programm (Auskunft des Auswärtiges Amts an VG Berlin vom 4.12.2019). Hierbei handelt es sich um ein von der EUfinanziertes Programm des UNHCR. Der Auszahlungsbetrag liegt je nach persönlicher Situation zwischen 90,00 EUR (alleinstehende Person in Unterkunft mit Catering) und 550,00 EUR (siebenköpfige Familie in Unterkunft ohne Catering) pro Monat (Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 141 ff.). Damit soll u. a. die Versorgung mit Lebensmitteln gewährleistet werden (Auskunft des Auswärtiges Amts an VG Greifswald vom 26.8.2018). Seit 1. Januar 2020 besteht in Griechenland eine medizinische Notfallversorgung für alle Asylantragsteller (Auskunft des Auswärtiges Amts an VG Berlin vom 4.12.2019). Soweit das griechische Gesundheitssystem durch Sparmaßnahmen des griechischen Staates oft an seine Belastungsgrenzen stößt und insbesondere in lokalen Krankenhäusern mit teilweise langen Wartezeiten zu rechnen ist (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 24 ff.), trifft dies jedenfalls alle Einwohner des Landes unabhängig von ihrem Rechtsstatus.
Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt besteht für Asylbewerber nach sechs Monaten, wenn er auch von administrativen und durch die wirtschaftliche Situation in Griechenland bedingten Hürden geprägt ist (AIDA, Country Report Greece, Update 2019, S. 164 ff.).
Zusammenfassend sind daher systemische Schwachstellen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK mit sich bringen, im griechischen Asylsystem für Dublin-Rückkehrer nicht ersichtlich (so bereits VG Ansbach, B.v. 14.9.2020 – AN 17 S 19.50793; ebenso VG Cottbus, B.v. 18.2.2020 – 5 L 545/19.A; Saarländisches VG, B.v. 6.9.2019 – 5 L 1112/19; VG Leipzig, B.v. 27.2.2020 – 6 L 413/19; VG München, B.v. 23.7.2019 – M 5 S 19.50682; VG Berlin, U.v. 10.12.2019 – 3 K 503.19 A; a. A. beispielsweise VG Aachen, U.v. 28.9.2020 – 10 K 2203/19.A – jeweils juris). Überdies liegt hier eine individuelle Zusicherung Griechenlands vor, dass der Antragsteller nach einer Rückkehr nach Griechenland in einer Aufnahmeeinrichtung im Einklang mit der Aufnahme-RL untergebracht wird.
Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht aus der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in Griechenland. Griechenland verzeichnet bei etwa 10,7 Millionen Einwohnern laut der Zahlen der Johns-Hopkins-Universität vom 22. März 2021 bislang 237.125 Infektionen und 7462 Tote (Deutschland im Vergleich bei 83 Millionen Einwohnern 2.672.858 Infektionen und 74.760 Tote). Betrachtet man nur die Kalenderwochen 9 und 10 des Jahres 2021, so ergibt sich für Griechenland eine Fallzahl von 280,33 pro 100.000 Einwohner und 54,76 Tote auf 1.000.000 Einwohner; für Deutschland werden 154,85 Infizierte pro 100.000 Einwohner und 39,84 Tote auf 1.000.000 Einwohner gemeldet (European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC), COVID-19 situation update for the EU/EEA, as of week 10, updated 18 March 2021, abrufbar unter https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea). Das Land hat zum Schutz der Bevölkerung vor dem Corona-Virus seit mehreren Monaten einen Lockdown verhängt, der u.a. auch die Schließung von Geschäften mit sich brachte. Seit dem 18. Januar 2021 sind allerdings die Geschäfte wieder geöffnet (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 18. Januar 2021, „Lockdown-Lockerung: Griechenland öffnet Geschäfte“, abrufbar unter https://www.rnd.de/themen/griechenland/). Das Gesundheitssystem ist zwar aktuell stark durch die zu behandelnden Corona-Patienten belastet, jedoch nicht zusammengebrochen, weswegen diesbezüglich keine systemische, zu einem Verstoß gegen Art. 4 GRCh bzw. Art. 3 EMRK führende Schwachstelle ausmachen lässt. Die griechische Regierung ergreift zudem Maßnahmen gegen die Kapazitätsprobleme, wie eine Verpflichtung privater Ärzte für das öffentliche Gesundheitssystem oder die Indienststellung von Militärkrankenhäusern und privaten Kliniken (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 18. März 2021, „Griechische Kliniken am Limit: Ärzte händeringend gesucht“, abrufbar unter https://www.rnd.de/themen/griechenland/). Das für die Kalenderwochen 9 und 10 des Jahres 2021 gegenüber der Situation in Deutschland gesteigerte Risiko sich in Griechenland mit dem Corona-Virus zu infizieren oder gar daran zu versterben ist angesichts dessen, dass der Antragsteller ein junger und gesunder Mann sowie das griechische Gesundheitssystem noch funktionsfähig ist, nicht derart verdichtet, dass eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 GRCh bei einer Rückkehr dorthin droht.
d) Dem Antragsteller droht auch nach einer etwaigen Anerkennung als international Schutzberechtigter in Griechenland keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist bei der Prüfung, ob ein Überstellung im Rahmen des Dublin-Verfahrens in den an sich zuständigen Mitgliedstaat die Gefahr einer gegen Art. 4 GRCh und Art. 3 EMRK verstoßende Behandlung birgt, nicht nur in den Blick zu nehmen, ob diese Gefahr im Rahmen des Asylverfahrens droht, sondern auch ob nach einer etwaigen Anerkennung als Asylberechtigter eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten ist (EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 87 ff.).
Die Lebensverhältnisse in Griechenland stellen sich für anerkannte arbeitsfähige, alleinlebende, gesunde Männer nicht als unzumutbar im Hinblick auf die Gewährleistung von „Brot, Bett und Seife“ (VGH BW, B.v. 27.5.2019 – A 4 S 1329/19 – juris Rn. 5) dar. Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind in Griechenland griechischen Staatsbürgern in allen maßgeblichen Bereichen gleichgestellt und können unter den gleichen Voraussetzungen staatliche und karitative Hilfe in Anspruch nehmen, um ihre Grundbedürfnisse zu decken.
Das Gericht geht dabei in seiner ständigen Rechtsprechung zu Drittstaatenbescheiden (vgl. VG Ansbach, U.v. 17.3.2020 – AN 17 K 18.50394; B.v. 14.9.2020 – AN 17 S 19.50793 – jeweils juris; U.v. 26.11.2020 – AN 17 K 18.50401) unter Berücksichtigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie von folgender tatsächlicher Situation aus:
aa) Spezielle staatliche Hilfsangebote für anerkannte Schutzberechtigte werden vom griechischen Staat nicht zur Verfügung gestellt (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 8). Eine funktionierende nationale Integrationspolitik bzw. Integrationsstrategie für anerkannte Flüchtlinge existiert, v.a. aufgrund fehlender Geldmittel, in Griechenland aktuell kaum (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland vom 30.8.2018, S. 11; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7 f.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S. 27 f.). Hinsichtlich staatlicher Kurse zu Sprache sowie Kultur und Geschichte des Landes ist das Bild unklar (für die Existenz kostenloser Kurse: Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 11), wobei aktuellere und insofern vorzugswürdige Erkenntnismittel ein solches Angebot verneinen (Raphaelswerk, Informationen für Geflüchtete, die nach Griechenland rücküberstellt werden, Stand Dezember 2019, S. 12). Die Integrationsprogramme sind von der Finanzierung durch die EU abhängig, da auf nationaler und kommunaler Ebene keine nennenswerten Ressourcen zur Verfügung stehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 7; BFA a.a.O.).
In diese Lücke stoßen jedoch zahlreiche Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die auf verschiedensten Feldern Integrationshilfe leisten und mit denen die griechischen Behörden, insbesondere die lokalen, auch kooperieren (Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Athen, Hilfsorganisationen – Hilfe für Flüchtlinge in Griechenland, Stand Dezember 2019; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 91 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2; United States Departement of State [USDOS], Country Report of Human Rights Practices for 2019, Greece, Section 2. f. Protection for Refugees, S. 14; BFA a.a.O. S. 32). Die Arbeit der NGOs ist jedoch räumlich vorwiegend auf die Ballungsräume Athen und Thessaloniki konzentriert (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schwerin vom 26.9.2018, S. 2).
Hinsichtlich des Zugangs zu einer Unterkunft gilt für anerkannte Schutzberechtigte der Grundsatz der Inländergleichbehandlung mit griechischen Staatsangehörigen. Da es in Griechenland kein staatliches Programm für Wohnungszuweisungen an Inländer gibt, entfällt dies auch für anerkannt Schutzberechtigte. Auch findet keine staatliche Beratung zur Wohnraumsuche statt. Sie sind zur Beschaffung von Wohnraum grundsätzlich auf den freien Markt verwiesen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 3; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 2; BFA a.a.O., S. 30; Amnesty International, Amnesty Report Griechenland 2019, Flüchtlinge und Asylsuchende, Zugang zu Gesundheitsversorgung und Wohnraum, Stand: 16.4.2020). Das Anmieten von Wohnungen auf dem freien Markt ist durch das traditionell bevorzugte Vermieten an Familienmitglieder, Bekannte oder Studenten sowie gelegentlich durch Vorurteile gegenüber Flüchtlingen erschwert (BFA a.a.O., S. 30).
Über das ESTIA-Programm (Emergency Support to Accomodation and Integration System) stehen derzeit ca. 4.600 Appartements und insgesamt ca. 25.500 Unterbringungsplätze zur Verfügung (UNHCR, Fact Sheet Greece, Stand Mai 2020); die Plätze bestehen nur für Asylsuchende und für anerkannte Schutzberechtigte in den ersten 30 Tagen nach ihrer Anerkennung (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f., an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 1 f., an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2). Das neue Asylgesetz Nr. 4636/2019, das am 1. Januar 2020 in Kraft getreten ist, und eine weitere Gesetzesänderung von März 2020 haben die früheren Bedingungen, die einen Verbleiben in der Flüchtlingsunterkunft für sechs Monate ermöglicht haben, verschärft (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 und an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 1 f.). Seit Juni 2020 wird die Verpflichtung zum Auszug, von der ca. 11.500 Personen betroffen sind, auch umgesetzt.
Das Programm Hellenic Integration Support for Beneficiaries of International Protection (Helios II-Programm), ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in Abstimmung mit dem griechischen Migrationsministerium entwickeltes und durch die EU finanziertes Integrationsprogramm, sieht 5.000 Wohnungsplätze für anerkannte Schutzberechtigte vor. Die Wohnungsangebote werden dabei von NGOs und Entwicklungsgesellschaften griechischer Kommunen als Kooperationspartner der IOM zur Verfügung gestellt und von den Schutzberechtigten, unter Zahlung einer Wohnungsbeihilfe an sie, angemietet (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2 f.). Das Programm richtet sich an international Schutzberechtigte, die nach dem 1. Januar 2018 anerkannt wurden, die im Zeitpunkt der Unterrichtung über ihre Anerkennung in einer Flüchtlingsunterkunft (insbesondere im ESTIA-Programm) untergebracht waren und innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Anerkennung einen entsprechenden Antrag gestellt haben (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 2 f. und an das VG Bayreuth vom 21.8.2020, S. 2). Seit September 2020 kann über das HeliosProgramm auch eine zweimonatige Unterkunft von Anerkannten in Hotels sichergestellt werden. Zusätzlich sollen Notfallkapazitäten in einem Lager in Athen zur Verfügung gestellt werden (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg vom 26.11.2020, S. 3).
Auch eine Unterbringung in Obdachlosenunterkünften für anerkannt Schutzberechtigte ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Kapazitäten in den kommunalen und durch NGOs betriebenen Unterkünften, etwa in Athen knapp bemessen und oft chronisch überfüllt (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Griechenland, Stand 19.3.2020, S.30; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3). Die Wartelisten sind entsprechend lang und teils stellen die Unterkünfte weitere Anforderungen an die Interessenten, wie etwa Griechisch- oder Englischkenntnisse und psychische Gesundheit. Ein Rechtsanspruch auf Obdachlosenunterbringung besteht nicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Schleswig vom 15.10.2020). Im Hinblick auf die begrenzten Kapazitäten bewerben sich viele Schutzberechtigte erst gar nicht für einen Platz in einer dieser Herbergen. Im Ergebnis bleiben viele anerkannt Schutzberechtigte, die selbst nicht über hinreichende finanzielle Mittel für das Anmieten privaten Wohnraums verfügen oder nicht am Helios II-Programm teilnehmen können, obdachlos oder wohnen in verlassenen Häusern oder überfüllten Wohnungen (Pro Asyl, a.a.O, S. 6 ff.). Obdachlosigkeit ist unter Flüchtlingen in Athen dennoch kein augenscheinliches Massenphänomen, was wohl auf landsmannschaftliche Strukturen und Vernetzung untereinander zurückzuführen ist (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 3).
Wohnungsbezogene Sozialleistungen, die das Anmieten einer eigenen Wohnung unterstützen könnten, gibt es seit dem 1. Januar 2019 mit dem neu eingeführten sozialen Wohngeld, dessen Höhe maximal 70,00 EUR für eine Einzelperson und maximal 210,00 EUR für einen Mehrpersonenhaushalt beträgt. Das soziale Wohngeld setzt allerdings einen legalen Voraufenthalt in Griechenland von mindestens fünf Jahren voraus (Auskünfte des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 5; an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 1 f.), wobei im Fall einer Anerkennung als international Schutzberechtigter die Aufenthaltsdauer ab Asylantragstellung angerechnet wird (Auswärtiges Amt an das VG Potsdam vom 23.8.2019, S. 2).
Zugang zu weiteren Sozialleistungen besteht für anerkannt Schutzberechtigte auch sonst unter den gleichen Voraussetzungen wie für Inländer. Das im Februar 2017 eingeführte System der Sozialhilfe basiert auf drei Säulen. Die erste Säule sieht ein Sozialgeld in Höhe von 200,00 EUR pro Einzelperson vor, welches sich um 100,00 EUR je weiterer erwachsener Person und um 50,00 EUR je weiterer minderjähriger Person im Haushalt erhöht. Alle Haushaltsmitglieder werden zusammen betrachtet, die maximale Leistung beträgt 900,00 EUR pro Haushalt. Die zweite Säule besteht aus Sachleistungen wie einer prioritären Unterbringung in der Kindertagesstätte, freien Schulmahlzeiten, Teilnahme an Programmen des Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen, aber auch trockenen Grundnahrungsmitteln wie Mehl und Reis, Kleidung und Hygieneartikeln. Alles steht jedoch unter dem Vorbehalt der vorhandenen staatlichen Haushaltsmittel. Die dritte Säule besteht aus der Arbeitsvermittlung. Neben zahlreichen Dokumenten zur Registrierung für die genannten Leistungen – unter anderem ein Aufenthaltstitel, ein Nachweis des Aufenthalts (z.B. elektronisch registrierter Mietvertrag, Gas-/Wasser-/Stromrechnungen auf eigenen Namen oder der Nachweis, dass man von einem griechischen Residenten beherbergt wird), eine Bankverbindung, die Steuernummer, die Sozialversicherungsnummer, die Arbeitslosenkarte und eine Kopie der Steuererklärung für das Vorjahr – wird ein legaler Voraufenthalt in Griechenland von zwei Jahren vorausgesetzt. (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2 f.; Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 4 ff.; BFA a.a.O., S. 28: Mindestaufenthalt ein Jahr). Das sogenannte Cash-Card System des UNHCR, welches über eine Scheckkarte Geldleistungen je nach Familiengröße zur Verfügung stellt, steht grundsätzlich nur Asylbewerbern offen (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Leipzig vom 28.1.2020, S. 2; BFA a.a.O., S. 29), wobei in einer Übergangsfrist auch international Anerkannte im System verbleiben können (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Stade vom 6.12.2018, S. 10).
Der Zugang zum griechischen Arbeitsmarkt ist für international Schutzberechtigte grundsätzlich gleichermaßen wie für Inländer gegeben. Allerdings sind die Chancen auf Vermittlung eines Arbeitsplatzes gering, da die staatliche Arbeitsverwaltung schon für die griechischen Staatsangehörigen kaum Ressourcen für eine aktive Arbeitsvermittlung hat. Zudem haben sich die allgemeinen Arbeitsmarktbedingungen durch die andauernde Wirtschafts- und Finanzkrise verschlechtert (BFA a.a.O., S. 31), in deren Folge zahlreiche Beschäftigte insbesondere der Dienstleistungsbranche, im Verkauf und in haushaltsnahen Tätigkeiten arbeitslos wurden, wobei Frauen noch stärker betroffen sind als Männer (Eures, Kurzer Überblick über den Arbeitsmarkt, S. 1. u. 3). Dazu tritt der wirtschaftliche Einbruch in Folge der Corona-Pandemie: Das Corona-Virus und der staatliche angeordnete Lockdown haben zu einem Einbruch der griechischen Wirtschaft im dritten Quartal 2020 von 11,7% geführt. Im wirtschaftlich bedeutsamen Tourismus-Sektor, der im Jahr 2019 noch ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes beigetragen hatte, gingen die Urlauberzahlen 2020 um 80% zurück. Im Jahr 2021 erwartet die Regierung statt eines Zuwachses beim Bruttoinlandsprodukt von 7,5% nur noch ein Plus von 4,8%. Um den Folgen des Coronabedingten Wirtschaftseinbruchs zu begegnen, stellte der griechische Staat im Jahr 2020 23,9 Milliarden Euro an Hilfen für die Wirtschaft zur Verfügung und plant diese im Jahr 2021 um weitere 7,5 Milliarden Euro zu erhöhen. Trotz der hohen Schuldenquote von 209% des Bruttoinlandsproduktes ist die Finanzierung des griechischen Staates wegen eines Liquiditätspuffers von 30 Milliarden Euro derzeit nicht in Gefahr (Redaktionsnetzwerk Deutschland, Artikel vom 25.12.2020, „Corona wirft Griechenland weit zurück“, abrufbar unter https://www.rnd.de/politik/corona-wirft-griechenland-weit-zuruck-HJYQGCXHSBGL5GKDIHF W4AOQIQ. html). Im Dezember 2020 betrug die Arbeitslosenquote 15,8%, womit Griechenland an erster, jedenfalls an zweiter Stelle im Vergleich der Mitgliedsländer der Europäischen Union liegt (Homepage der Hellenic Statistical Authority, https://www.statistics.gr/en/home/, zuletzt abgerufen am 19.3.2021; Statistisches Bundesamt, „Germany with fifth lowest unemployment rate in the EU-27, https://www.destatis.de/Europa/EN/Home/_node.html, zuletzt abgerufen am 19.3.2021). Rechtmäßig ansässige Drittstaatsangehörige sind, wenn sie überhaupt Arbeit finden, meist im niedrigqualifizierten Bereich und in hochprekären Beschäftigungsverhältnissen oder in der Schattenwirtschaft tätig (Konrad-Adenauer-Stiftung, Integrationspolitik in Griechenland, Stand Juli 2018, S. 9). Dazu treten regelmäßig die Sprachbarriere (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7) sowie bürokratische Hürden im Allgemeinen und im Speziellen bei der Beantragung der „Social Security Number (AMKA)“. Bezüglich letzterer wird vereinzelt berichtet, dass deren Beantragung seit Juli 2019 für nicht-griechische Staatsangehörige nicht mehr möglich sei (Respond, Working Papers, Integration – Greece Country Report, Stand Juni 2020, S. 26; zwar von Schwierigkeiten berichtend, aber keine Unmöglichkeit annehmend Asylum Information Database [AIDA], Country Report Greece, Update 2019, S. 166, 219 f.). Eine spezielle Förderung zur Arbeitsmarktintegration anerkannter Schutzberechtigter findet derzeit nicht statt (Pro Asyl, Update Stellungnahme Lebensbedingungen international Schutzberechtigter in Griechenland, Stand 30.8.2018, S. 10), vereinzelt haben NGOs bzw. kirchliche Institutionen Initiativen zur Arbeitsvermittlung gestartet, etwa der Arbeiter-Samariter-Bund und die Diakonie. Für gut ausgebildete Schutzberechtigte besteht im Einzelfall auch die Chance auf Anstellung bei einer solchen Organisation, etwa als Dolmetscher oder Team-Mitarbeiter (für alles Vorstehende: Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 7; BFA a.a.O., S. 31).
Der Zugang zu medizinischer Versorgung und zum Gesundheitssystem ist für anerkannt Schutzberechtigte zu den gleichen Bedingungen wie für griechische Staatsangehörige gegeben. Es besteht Zugang zum regulären öffentlichen Gesundheitssystem. Für Medikamente besteht eine Zuzahlungspflicht (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9). Die Versorgung unterliegt denselben Beschränkungen durch Budgetierung und restriktive Medikamentenausgabe wie für griechische Staatsbürger (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Berlin vom 4.12.2019, S. 9; OVG SH, U.v. 6.9.2019 – 4 LB 17/18 – BeckRS 2019, 22068 Rn. 141 f.). Von der im Grundsatz kostenfreien staatlichen Gesundheitsfürsorge ist auch die Hilfe bei psychischen Erkrankungen umfasst (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg, S. 5). Voraussetzung ist das Vorliegen einer Sozialversicherungsnummer (Auskunft des Auswärtigen Amtes an das VG Magdeburg, S. 5). Hinsichtlich der Auswirkungen des Coronavirus SARS-CoV-2 auf das griechische Gesundheitssystem ist auf die bereits zur Lage von Dublin-Rückkehrern getroffenen Aussagen zu verweisen (unter II. 2. c) bb))
bb) Unter Berücksichtigung des strengen rechtlichen Maßstabes für die Annahme einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 EU-GRCh bezüglich der Versorgungs- und Lebensbedingungen anerkannt Schutzberechtigter, der im Hinblick auf eine eigenverantwortliche Lebensführung anzulegen ist (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 86 ff..; EuGH, U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 91 ff.), ist unter summarischer Betrachtung des Vortrags des Antragstellers im Falle einer Anerkennung keine solche Verletzung für ihn ernsthaft („real risk“ – vgl. OVG RhPf, B.v. 17.3.2020 – 7 A 10903/18.OVG – BeckRS 2020, 5694 Rn. 28 unter Verweis auf VGH BW, U.v. 3.11.2017 – A 11 S 1704/17 – juris Rn. 184 ff. m.w.N. zur Rspr. des EGMR) zu befürchten.
Zwar ist der Zugang zu Sozialleistungen in einer Anfangsphase von zwei Jahren nicht sicher gewährleistet und ist es allgemein in der Tat sehr schwierig, an geregelte Arbeit und eine angemessene Unterkunft zu kommen, jedoch können dem Antragsteller als erwachsenem, gesundem und arbeitsfähigem Mann vorübergehend auch schwierige Verhältnisse zugemutet werden. Er ist in seiner Eigeninitiative nicht durch familiäre Zwänge oder Verpflichtungen eingeschränkt, ist niemandem zum Unterhalt oder zur Personensorge verpflichtet, sondern kann sich ohne Einschränkung der Alltagsbewältigung und Erwirtschaftung seines Lebensunterhalts widmen. In Griechenland ist zwischenzeitlich auch die Erteilung einer Steuer- und Sozialversicherungsnummer als Voraussetzung für eine legale Beschäftigung für Anerkannte realistisch (s. UNHCR, Fact Sheet Greece, August 2020); hierbei leisten die Hilfsorganisationen Unterstützung. Ein vorübergehender Verbleib in einer ESTIA-Unterkunft für bis zu 30 Tage sowie die Inanspruchnahme des Helios II-Programmes kommen im Anschluss an eine Anerkennung für den Antragsteller in Betracht. Ihm wäre vorübergehend auch eine Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft oder in informellen Strukturen zumutbar. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Bedarfsfall eine Bleibe in einer Obdachlosenunterkunft findet, gegenüber einer Personenmehrheit an Schutzberechtigten (Familien) deutlich höher. Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und Integration leisten in Griechenland NGOs, an die er sich wenden kann. Mit einer hilflosen Lage und Verelendung ist bei zuzumutender Eigeninitiative und bei Inanspruchnahme dieser Hilfeleistungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Die Projekte der NGOs können in ihrer Gesamtheit das Fehlen eines staatlichen Integrationsplans nach Auffassung des Gerichts zumindest in einer Übergangsphase nach der Anerkennung kompensieren und sicherstellen, dass die elementaren Bedürfnisse von anerkannten Schutzberechtigten für die erste Zeit befriedigt werden können.
e) Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin von ihrem gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 Dublin III-VO bestehenden Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen hätte.
f) Nachdem auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG für den Antragsteller in Bezug auf Griechenland nicht ersichtlich ist, erweist sich die Abschiebungsanordnung im Ergebnis als voraussichtlich rechtmäßig.
Es stellen sich bezüglich eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nämlich dieselben rechtlichen Fragen, die das Gericht bereits unter 2. c) und d) zur Unzulässigkeitsentscheidung nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 a) AsylG in Bezug auf die Lage in Griechenland für Dublin-Rückkehrer und anerkannte Schutzberechtigte erörtert hat. Es wird deshalb auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind ebenso wenig erfüllt. Hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat, etwa verursacht durch das Corona-Virus oder die humanitäre Lage, sind die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris). Eine sonstige dem Antragsteller individuell drohende Extremgefahr für dessen Leib, Leben oder Freiheit ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Gefahr in Griechenland am Corona-Virus SARS-CoV-2 zu erkranken oder gar zu versterben ist für den jungen und gesunden Antragsteller nicht zu einer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohenden Extremgefahr verdichtet.
g) Mit der Zustimmung des angefragten Staates Griechenland zur Wiederaufnahme des Antragstellers und der Aufforderung den Flughafen … International für die Überstellung zu nutzen, steht auch die tatsächliche Durchführbarkeit der Abschiebung i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest. Etwaige inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, die im Rahmen der Abschiebungsanordnung gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG anders als bei der Abschiebungsandrohung durch das Bundesamt zu prüfen sind, sind nicht ersichtlich (Pietzsch in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 28. Ed. 1.10.2020, § 34a AsylG Rn. 9 ff.).
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
4. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Rechtsanwaltsbeiordnung ist mangels hinreichender Erfolgsaussichten ebenso abzulehnen, § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO.
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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