Europarecht

Keine systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Bulgarien

Aktenzeichen  M 25 S 16.51216

Datum:
30.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 34a Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2 Art. 23 Abs. 2, Art. 25 Abs. 1
EMRK EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Dublin-Rückkehrer laufen in Bulgarien nicht Gefahr, aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (VGH BW BeckRS 2015, 44963; BayVGH BeckRS 2015, 43834; OVG LSA BeckRS 2016, 45051; OVG SH BeckRS 2016, 55853; OVG Saarl BeckRS 2016, 110618; BeckRS 2016, 55975; BeckRS 2016, 54035; OVG NRW BeckRS 2016, 54026). (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bulgarien hat auf den Zustrom der Flüchtlinge reagiert und seine Kapazitäten erhöht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Abschiebung in die Republik Bulgarien (im Folgenden: Bulgarien) im Rahmen eines Dublin-III-Verfahrens.
Der am … 1994 geborene Antragsteller, ein nigerianischer Staatsbürger, reiste nach eigenen Angaben am 10. September 2015 in das Bundesgebiet ein (Behördenakte, Bl. 64).
Am 23. Mai 2016 stellte er Asylantrag (Behördenakte, Bl. 64).
Ermittlungen ergaben daraufhin einen Eurodac-Treffer der Kategorie 1 für Bulgarien, der Antragsteller hatte mithin bereits in Bulgarien Asyl beantragt.
Am 21. Juli 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an die bulgarischen Behörden unter Berufung auf das Eurodac-Ergebnis gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl EU Nr. L 180 S. 31; Dublin-III-Verordnung) (Behördenakte, Bl. 46 ff., Bl. 49).
Mit Schreiben vom 3. August 2016 antworteten die bulgarischen Behörden und erklärten sich gemäß Art. 20 Abs. 5 (in Verbindung mit Art. 23 ff.) Dublin-III-Verordnung für zuständig (Behördenakte, Bl. 53).
Bei dem persönlichen Gespräch am 6. September 2016 teilte der Antragsteller auf die Frage nach Beschwerden, Erkrankungen, Gebrechen oder einer Behinderung mit, dass er Schmerzen am Knie habe, die allerdings nicht ärztlich behandelt würden, für die keine ärztlichen Atteste vorlägen und gegen die er keine Medikamente nehmen würde(Behördenakte, Bl. 62). Außerdem gab der Antragsteller unter anderem an (Behördenakte, Bl. 62), dass Deutschland ein freies christliches Land sei, es gebe Arbeit. Bulgarien sei dagegen ein armes Land, und er sei dort ein Jahr im Gefängnis und ein Jahr in einem Camp gewesen, das sich angefühlt habe wie ein Gefängnis. Er sei bei dem illegalen Grenzübertritt geschlagen worden.
Mit angegriffenem Bescheid vom … November 2016 ordnete die Antragsgegnerin Folgendes an (Behördenakte, 64 ff.):
„1. Der Antrag wird als unzulässig abgelehnt.
2. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes liegen nicht vor.
3. Die Abschiebung nach Bulgarien wird angeordnet.
4. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird auf 6 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.“
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an, dass der Asylantrag gemäß § 29 AsylG unzulässig sei, da Bulgarien auf Grund des bereits gestellten Asylantrags gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin III-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Die weitere Unzulässigkeit des Asylantrags könne auch auf dem erfolglosen Abschluss des früheren Asylverfahrens beruhen, wenn die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht vorlägen. Der Asylantrag werde in der Bundesrepublik Deutschland daher nicht materiell geprüft. Die Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Es lägen keine Abschiebungshindernisse oder Gründe für ein etwaiges Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland und auch keine Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (wird ausgeführt: Behördenakte, Bl. 65 ff.). Speziell zu dem Vorbringen des Antragstellers stellte die Antragstellerin fest (Behördenakte, Bl. 67), dass dieser zwar vorgetragen habe, Schmerzen am Knie zu haben. Der Antragsteller nehme jedoch keine Medikamente und sei nicht in ärztlicher Behandlung. Von einer Reiseunfähigkeit könne ausgegangen werden. Auch das übrige Vorbringen sei nicht geeignet, um zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Gründe, die einer Überstellung nach Bulgarien entgegenstehen könnten, seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Der Bescheid wurde am 2. Dezember 2016 zugestellt (Behördenakte, Bl. 83).
Am 9. Dezember 2016 erhob der Antragsteller Asylklage. Gleichzeitig ließ er beantragen,
„Hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Bulgarien wird die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.“
Zur Begründung führte er an, dass er in Bulgarien willkürlich verhaftet worden sei und ohne längeren Grund festgehalten worden sei. Zudem sei er in der Haft misshandelt worden. Eine Rückkehr nach Bulgarien sei im Hinblick darauf, wie unwürdig Asylbewerber dort behandelt würden, nicht zumutbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessensabwägung fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Es bestehen keine erheblichen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides.
1. Die Antragsgegnerin hat nach den vorliegenden Unterlagen die Abschiebung nach Bulgarien zutreffend nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG angeordnet.
a) Nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) AsylG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG verweist auf § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG und verpflichtet das Bundesamt, in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anzuordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
Für die Prüfung des auch in Deutschland gestellten Asylantrags ist Bulgarien gemäß Art. 20 Abs. 5 (in Verbindung mit Art. 23 ff.) Dublin-III-Verordnung zuständig. Die Antragsgegnerin hat Bulgarien, gestützt auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-III-Verordnung, innerhalb der Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung, gemäß Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung um Wiederaufnahme ersucht. Bulgarien hat innerhalb der zweiwöchigen Frist gemäß Art. 25 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung auf das Wiederaufnahmegesuch geantwortet. Art. 25 Dublin-III-Verordnung ist auf Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b), c) oder d) (in Verbindung mit Art. 20 Abs. 5) Dublin-III-Verordnung anwendbar.
Die Antragsgegnerin ist damit grundsätzlich nicht verpflichtet, trotz der Zuständigkeit Bulgariens den Asylantrag des Antragstellers selbst inhaltlich zu prüfen.
b) Grundsätzlich gilt die auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründende Vermutung, dass die Behandlung der Asylsuchenden in jedem Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der EU-Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK in Einklang steht.
Nur wenn es sich als unmöglich erweist, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU– Grundrechte-Charta mit sich bringen, setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-Verordnung die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union bedarf es ernsthafter und durch Tatsachen bestätigter Gründe für die Annahme, dass der betreffende Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 4.11.2013 – C-4/11 – Puid, juris, Rn. 36). Entscheidend ist insofern nicht, ob einzelne Verstöße gegen einzelne Bestimmungen in einem Mitgliedsstaat auftreten (vgl. ebenfalls zu der Vorgängerverordnung: EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – N.S., juris Rn. 85).
In Konkretisierung dieser Vorgaben bedeutet dies, dass sich der Tatrichter zur Widerlegung der Vermutung die Überzeugungsgewissheit zu verschaffen hat, dass der Asylsuchende wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird. Maßgeblich ist, ob diese Behandlungen im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris, Rn. 9). Dabei ist entscheidend auf die Situation des Antragstellers als „Dublin-Rückkehrer“ abzustellen (vgl. NdsOVG, B.v. 15.11.2016 – 8 LB 92/15 – juris Rn. 39).
bb) Verfassungsrechtlich hat die für die Abschiebung zuständige Behörde angemessen zu berücksichtigen, dass aufgrund von Berichten international anerkannter Flüchtlingsschutzorganisationen oder des Auswärtigen Amtes belastbare Anhaltspunkte für das Bestehen von Kapazitätsengpässen bei der Unterbringung rückgeführter Ausländer im sicheren Drittstaat bestehen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15). Bei Vorliegen einer solchen Auskunftslage hat das zuständige Bundesamt angesichts der hier berührten hochrangigen Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 6 Abs. 1 GG und der bei der Durchführung von Überstellungen nach dem Dublin-III-System vorrangig zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der uneingeschränkten Achtung des Grundsatzes der Einheit der Familie und der Gewährleistung des Kindeswohls jedenfalls bei der Abschiebung von Familien mit neugeborenen (vgl. Art. 16 Abs. 1 der Dublin III-Verordnung) und Kleinstkindern bis zum Alter von drei Jahren in Abstimmung mit den Behörden des Zielstaats sicherzustellen, dass die Familie bei der Übergabe an diese eine gesicherte Unterkunft erhält, um erhebliche konkrete Gesundheitsgefahren in dem genannten Sinne für diese in besonderem Maße auf ihre Eltern angewiesenen Kinder auszuschließen (vgl. BVerfG, B.v. 17.9.2014 – 2 BvR 732/14 – juris, Rn. 15).
cc) Wendet man diese Maßstäbe auf den vorliegenden Fall an, so steht der Überstellung des Antragstellers nach Bulgarien nicht das Hindernis systemischer Mängel entgegen. Die erforderliche Überzeugungsgewissheit liegt nicht vor.
Der Antragsteller hat das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems bereits nicht hinreichend substantiiert. Der pauschale Hinweis auf eine unwürdige Behandlung von Asylsuchenden genügt den Darlegungsanforderungen nicht.
Systemische Mängel sind derzeit auch nicht anderweitig ersichtlich:
In Übereinstimmung mit der überwiegenden Mehrheit der obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VGH BW, U.v. 18.3.2015 – A 11 S 2042/14 – juris Rn. 57 ff.; BayVGH, U.v. 29.1.2015 – 13a B 14.50038 – juris Rn. 32 ff.; OVG LSA, B.v. 29.3.2016 – 3 L 47/16 – juris Rn. 20 ff.; OVG SH, B.v. 16.11.2016 – 2 LA 106/16 – juris Rn. 7 ff.; OVG Saarl., U.v. 13.12.2016 – 2 A 260/16 – juris Rn. 29 i.V.m. Rn. 26 ff.; U.v. 16.11.2016 – 2 A 89/16 – juris Rn. 29; U.v. 25.10.2016 – 2 A 95/16 – juris Rn. 27; OVG NW, B.v. 31.10.2016 – 11 A 1096/16.A – juris 14; vgl. zu der untergerichtlichen Rechtsprechung ebenfalls: VG München, B.v. 14.12.2016 – M 1 S. 16.51008 – juris Rn. 14 ff.; B.v. 2.11.2016 – M 7 S. 16.50777 – juris Rn. 15 ff.; B.v. 13.10.2016 – M 6 S. 16.50623 – juris Rn. 23 ff.; B.v. 28.9.2016 M 24 S. 16.50502 – juris Rn. 30 ff.; U.v. 25.8.2016 – M 12 K 16.50117 – juris Rn.., B.v. 5.8.2016 – M 1 S. 16.50380 – juris Rn. 33 ff.; VG Regensburg, B.v. 23.2.2016 – RN 1 S. 16.50036 – juris Rn. 21 ff., VG Düsseldorf, B.v. 26.10.2016 – 12 L 2365/16.A – juris Rn. 25 ff.) geht das Gericht zu dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht davon aus, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylsuchenden im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechte-Charta implizieren.
Zwar hatte Bulgarien in der Vergangenheit Kapazitätsengpässe. Bulgarien hat indes auf den Zustrom der Flüchtlinge reagiert und seine Kapazitäten erhöht. Dazu European Asylum Support Office (EASO) mit Bulgarien einen Special Support Plan, zugeschnitten auf die Bedürfnisse Bulgariens, abgeschlossen, mit dem es Bulgarien technisch und logistisch unterstützt, um die Verhältnisse zu ordnen. Der Special Support Plan lief von 2013 Juni 2016 (vgl. EASO, Pressemitteilung v. 5.12.2014, S. 1). Bereits nach einem Jahr stellte EASO signifikante Verbesserungen fest (vgl. EASO, Pressemitteilung v. 5.12.2014, S. 1: „Bulgaria has significantly improved its reception and asylum determination system over the past year with the support of Member States and EASO“).
Der UNHCR hatte in seinem Bericht vom 2. Januar 2014 Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen gerügt (vgl. UNHCR, Bulgaria As a Country of Asylum, April 2014, conclusions, S. 16). Aber auch das UNCHR spricht inzwischen aufgrund der Anstrengungen der bulgarischen Behörden, von EASO, der Europäischen Kommission, den EU-Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft von signifikanten Verbesserungen. UNHCR werde mit Bulgarien und den genannten Partnern zusammenarbeiten, um die noch existierenden Lücken anzugehen und die erreichten Fortschritte zu konsolidieren. Seit dem 15. April 2015 und auch aktuell fordert UNHCR daher nicht mehr, auf die Überstellung von Dublin-Rückkehrern nach Bulgarien insgesamt zu verzichten, sondern nur noch für besonders vulnerable und damit besonders schutzbedürftige Personen (vgl. UNHCR, Bulgaria as a Counrty of Asylum, UNHCR Observations on the Current Situation of Asylum in Bulgaria, Stand: 15. April 2014, S. 17; UNHCR aktuell zu der Situation in Bulgarien, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/home/artikel/8b152a446debbf1f6bfb1ba4b14bc70f/unhcr-aktuell-zur-situation-in-bulgarien.html?L=0). Das Bulgarian Helsinki Committee empfiehlt ebenfalls keinen Stopp für Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien (vgl. Bulgarian Helsinki Committee, Detention Mapping Report Bulgaria, Program for Legal Protection of Refugees and Migrants, Stand: 30.4.2016, Conclusions, S. 53 ff., Recommendations, S. 57 ff.). Gleiches gilt für den Moving Europe Report (vgl. Moving Europe Report, Stand: Juli 2016, Fazit, S. 18).
Nach Angaben von UNHCR leben in Bulgarien derzeit rund 5.500 Asylsuchende (vgl. UNHCR, UNHCR aktuell zu der Situation in Bulgarien, abrufbar unter: http://www.unhcr.de/home/artikel/8b152a446debbf1f6bfb1ba4b14bc70f/unhcr-aktuell-zur-situation-in-bulgarien.html?L=0).
Zwar gestaltet sich die Situation anerkannter Flüchtlinge sowie subsidiär Schutzberechtigter in Bulgarien weiterhin äußerst schwierig, insbesondere der Zugang zum Arbeitsmarkt und zu einer Wohnung scheinen weiterhin Probleme aufzuwerfen (vgl. AA, Stellungnahme v. 23.7.2015 an das VG Stuttgart, S. 1 f.).
Diese Probleme haben für den Antragsteller als Dublin-Rückkehrer, dessen Asylverfahren – soweit vorgetragen und ersichtlich – nicht mit einer Schutzgewährung abgeschlossen wurde, keine Bedeutung. Dabei ist im speziellen Fall zudem zu berücksichtigen, dass nach dem European Programme for Integration and Migration (EPIN) die Anerkennungsquote in Bulgarien für Personen aus Afrika im Jahr 2015 lediglich 4,7 Prozent betrug (vgl. EPIN, „Who gets detained? Increasing the transparency and accountability of Bulgaria’s detention practices of asylum seekers and migrants, Statistical Review, Stand: Januar 2016, S. 20).
Als Dublin-Rückkehrer hat der Antragsteller Zugang zum Asylverfahren. Trifft die Einschätzung der bulgarischen Behörden zu, dass ein Fall des Art. 20 Abs. 5 Dublin-III-Verordnung vorliegt, kann der Antragsteller Verfahren nach Art. 18 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-Verordnung einleiten (vgl. Rechtsgutachten zum Rechtsstatus der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien v. 30.6.2016 für das VG Aachen, S. 5). Im Fall einer Rückführung eines Asylsuchenden nach Bulgarien ist das Verfahren daher wieder zu eröffnen und in der Sache zu prüfen (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016 an das VG Aachen, S. 2). Dies bestätigt auch AIDA (vgl. Aida, Country Report Bulgaria, Stand: 30.9.2015, S. 9: „Asylum seekers who are returned from other Member States in principle do not have any obstacles to access the asylum procedure in Bulgaria upon their return“). Die bulgarische Flüchtlingsagentur nimmt bei einer Rückführung im Rahmen der Dublin-III-Verordnung die Personen auch nicht fest (vgl. AA, Stellungnahme v. 27.1.2016 an das VG Aachen, S. 2).
Die Aufnahmebedingungen für Dublin-Rückkehrer begründen auch im Übrigen keine systemischen Mängel. Nach nationalem bulgarischem Recht besteht ein uneingeschränkter Anspruch auf sämtliche Aufnahmeleistungen. Dies schließt auch die Unterkunft ein (vgl. Rechtsgutachten zum Rechtsstatus der Dublin-Rückkehrer nach Bulgarien v. 30.6.2016 für das VG Aachen, S. 1). Die Kapazitäten der Aufnahmeeinrichtungen in Bulgarien reichen für alle im Anerkennungsverfahren befindlichen Schutzsuchenden aus (vgl. AA, Stellungnahme v. 30.11.2015 an das VG Hamburg, S. 1). Die Verpflegung und die medizinische Grundversorgung, physisch und psychisch, sowie die Verfügbarkeit von Dolmetschern, sind gewährleistet (vgl. AA, Stellungnahme v. 30.11.2015 an das VG Hamburg, S. 2).
Der Moving Europe Report vom Juli 2016 „Die Situation für Flüchtende in Bulgarien im Kontext der Schließung des ‘humanitären Korridors’“ weist schließlich darauf hin, dass es in Bulgarien NGOs gibt, welche Flüchtlinge über das staatliche Angebot hinaus beraten und unterstützen (vgl. Moving Europe Report, Stand: Juli 2016, Unterstützungsstrukturen im Land, S. 15). Hierdurch können eventuell bestehende Lücken vor Ort geschlossen werden.
Bei alledem ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Antragsteller um einen gesunden jungen Mann handelt (s. sogleich unter: II. 1. c)), der nicht zu einem besonders vulnerablen und damit besonders schützenswerten Personenkreis gehört.
Insgesamt hat die Antragsgegnerin daher zu Recht zu verneint, dass der Abschiebung des Antragstellers der Einwand systemischer Mängel entgegensteht.
c) Individuelle, außergewöhnliche Gründe, die die Ausübung des Selbsteintrittsrechts beziehungsweise die Annahme eines nationalen Abschiebungsverbotes oder von Abschiebungs- oder Vollzugshindernissen nahelegen würden, sind im Übrigen nicht gegeben.
Derartige Gründe sind nicht aus dem Vortrag des Antragstellers in der persönlichen Anhörung am 6. September 2016 abzuleiten, dass er unter Knieschmerzen leide. Der Vortrag, so man ihn für das verwaltungsgerichtliche Verfahren fruchtbar machen wollte, ist bereits nicht hinreichend substantiiert. Der Antragsteller hat das Vorliegen von Knieschmerzen lediglich pauschal behauptet. Er hat selbst angegeben, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat, dass er nicht in ärztlicher Behandlung ist und keine Medikamente dagegen einnimmt. Der Antragsteller hat außerdem keine qualifizierten ärztlichen Bescheinigungen vorgelegt, die seinen Vortrag stützen würden. Ein Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, grundsätzlich durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Daran fehlt es hier gänzlich.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes können wegen der Eilbedürftigkeit der Entscheidung nur präsente Beweismittel Berücksichtigung finden (vgl. speziell zum Asylrecht: BayVGH, B.v. 28.6.2001 – 10 ZS 00.1781 – juris Rn. 8).
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83b AsylG.
3. Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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