Europarecht

Nach Wiedereinsetzung in die versäumte Antragsfrist erfolgloses Eilverfahren gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Frankreich

Aktenzeichen  AN 17 S 19.51229

Datum:
5.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 1770
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 60 Abs. 2 S. 4, § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5
AsylG § 34a, § 75, § 74 Abs. 1 S. 1
Dublin III-VO Art. 2, Art. 12 Abs. 4 UAbs. 1, Art. 22

 

Leitsatz

1. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden, weshalb ein Rechtsmittelführer bei korrekter Adressierung und Frankierung nicht mit Postlaufzeiten rechnen muss, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BVerwG BeckRS 2013, 54293; BGH BeckRS 2007, 13248). (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegentreten kann, sind für Frankreich nicht erkennbar. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Dem Antragsteller wird Wiedereinsetzung in die einwöchige Antragsfrist gewährt.
2. Der Antrag wird abgelehnt.
3. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine asylrechtliche Abschiebungsanordnung nach Frankreich, die im Zuge eines Dublin-Verfahrens ergangen ist.
Der 1985 geborene Antragsteller ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger des Togo, dem Volk der Bassa zugehörig und islamischen Glaubens. Er reiste mit einem vom 6. August bis 21. September 2019 gültigen, von der französischen Botschaft in Benin ausgestellten Schengen-Visum auf dem Luftweg am 17. August 2019 nach Frankreich ein und von dort auf dem Landweg am 14. September 2019 weiter nach Deutschland.
Er meldete sich unter Mitwirkung seines Prozessbevollmächtigten am 16. September 2019 in … als Flüchtling und stellte formell am 16. Oktober 2019 in … einen Asylantrag. Bei Befragungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 16. Oktober sowie am 22. Oktober 2019 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, sein Heimatland am 1. August 2019 verlassen und über den Benin nach … geflogen und von dort weiter mit dem Zug am 14. September 2019 nach Deutschland – … – gereist zu sein. In Frankreich sei es schwierig gewesen. Er sei allein aus dem Togo ausgereist. Dort habe er als Gendarm gearbeitet. Die Gendarmerie in Togo habe auch mit französischen Behörden zusammengearbeitet, nämlich vor Ort mit französischen Polizisten im Rahmen von Ausbildungen. Er habe Angst, dass er von Frankreich nach Togo zurückgebracht werde. Es gebe enge Verflechtungen. Er habe recherchiert, dass Deutschland ihn schützen könne. Nachdem er in Frankreich angekommen sei, sei er mit seiner Tasche herumgelaufen und habe in einem Unterstand Schutz vor dem Regen gesucht. Immer, wenn er einen dunkelhäutigen Menschen gesehen habe, habe er diesem seine Situation erklärt und ihm Fragen gestellt. Schließlich sei er zum Bahnhof gegangen. Der Antragsteller gab bei seinen Befragungen an, nicht an behandlungsbedürftigen Krankheiten zu leiden und in Deutschland über keine familiären oder sonst besonders schutzwürdigen Nahbeziehungen zu verfügen.
Die Ermittlungen des Bundesamtes ergaben keinen Treffer in der EURODAC-Datenbank. Die Auskunft aus der VIS-Antragsauskunft führte zu einem Treffer eines durch die Republik Frankreich am 6. August 2019 in …/Benin ausgestellten Kurzaufenthaltsvisums mit Gültigkeit vom 6. August bis zum 21. September 2019 für den Schengenraum.
Auf das Aufnahmeersuchen der Antragsgegnerin vom 24. Oktober 2019 hin teilte die Republik Frankreich am 28. November 2019 zunächst mit, dass die Zuständigkeit Frankreichs derzeit nicht anerkannt werde, da sich verschiedene Personenangaben aus dem Visaverfahren einerseits und dem Asylverfahren andererseits ergäben. Am 2. Dezember 2019 remonstrierte die Antragsgegnerin unter Hinweis auf Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (im Folgenden: Dublin III-VO). Da hierauf zunächst keine Antwort der französischen Behörden erfolgte, erbat die Antragsgegnerin unter dem 10. Dezember 2019 eine zeitnahe Antwort. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 sagten die französischen Behörden schließlich die Übernahme des Antragstellers unter Verweis auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zu.
Mit Bescheid vom 17. Dezember 2019 lehnte das Bundesamt den Antrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1.), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 2.), ordnete die Abschiebung nach Frankreich an (Ziffer 3.) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG auf zehn Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4.). Dem Bescheid wurde eine Rechtsbehelfsbelehrung:gemäß Formblatt RBB E (D 1221) der Antragsgegnerin beigegeben, die über eine Klage- und Antragsfrist von einer Woche ab Zustellung des Bescheids belehrt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die den Bescheid tragenden Gründe und Feststellungen Bezug genommen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller gegen Empfangsbestätigung am 20. Dezember 2019 in der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in … bekannt gegeben.
Hiergegen erhob er mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 20. Dezember 2019, der bei Gericht postalisch am 30. Dezember 2019 einging, Klage (Az. AN 17 K 19.51230) vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, über die noch nicht entschieden ist und beantragte gemäß § 80 Abs. 5 VwGO,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung wird vorgetragen, der Antragsteller habe einen Anspruch auf Durchführung des Asylverfahrens in Deutschland. Die Antragsgegnerin habe von ihrem Selbsteintrittsrecht wegen außerordentlicher humanitärer Gründe Gebrauch zu machen. Es bestünden in Frankreich systemische Mängel. Es liege ein offensichtlicher Ausnahmefall vor. Die Umstände, in denen Flüchtlinge in Frankreich von offizieller Seite leben müssen, seien schlecht. Sie würden ohne Versorgung und Unterkunft auf sich allein gestellt gelassen. Frankreich sei mit den Flüchtlingen überfordert. Mit Glück helfe eine Hilfsorganisation, was bekräftige, dass in Frankreich keine Mindeststandards eingehalten würden. Dem Antragsteller drohe in Frankreich die Obdachlosigkeit. Es bestünden zudem sehr gute politische Kontakte zwischen Frankreich und Togo, was erwarten ließe, dass dem Antragsteller in Frankreich kein faires und rechtsstaatliches Asylverfahren zukomme.
Die Antrags- und Klageschrift der in … ansässigen Kanzlei des Antragstellerbevollmächtigten wurde mit einfachem Brief über die D1. P. AG an das Gericht versandt. Die Frankierung ist mit dem Datum 23. Dezember 2019 abgestempelt.
Unter dem 30. Dezember 2019 versandte die Geschäftsstelle des Gerichts an den Prozessbevollmächtigten die Eingangsmitteilung, aus der das Datum der Anhängigkeit der Klage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO hervorgeht.
Mit Schriftsatz vom 8. Januar 2020 nahm die Antragsgegnerin Stellung und beantragte,
Der Antrag wird abgelehnt.
Sie verteidigt ihren angegriffenen Bescheid unter Bezugnahme auf dessen Gründe und hält überdies Klage und Eilantrag für verfristet. Wiedereinsetzungsgründe seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Hierauf wurde dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Gelegenheit gegeben, sich ergänzend binnen kurzer Frist zu äußern. Eine Äußerung erfolgte bis dato nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Behördenakte (Az. …) und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar statthaft aber nicht fristgerecht erhoben worden. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die Antrags- und Klagefrist wurde nicht gestellt. Dem Antragsteller war indes von Amts wegen Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO zu gewähren. Der danach im Übrigen zulässige Antrag ist jedoch unbegründet und war im Ergebnis abzulehnen.
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung in Ziffer 3. des beklagten Bescheides vom 17. Dezember 2019 ist statthaft und notwendig, weil die gleichzeitig erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG.
Die Antragsfrist für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO beträgt gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG eine Woche nach Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Die Bekanntgabe, die an den Antragsteller persönlich zu erfolgen hatte (§ 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG) und auch tatsächlich gegen Empfangsbekenntnis am 20. Dezember 2019 erfolgt ist, führte unter Anwendung der Regelungen zur Fristberechnung gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB dazu, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bis zum Ablauf des 27. Dezember 2019, einem Freitag, beim Verwaltungsgericht hätte angebracht werden müssen, um fristgerecht gestellt worden zu sein. Die Antrags- und Klageschrift ging bei Gericht aber erst am darauffolgenden Montag ein. Da es sich bei dem 27. Dezember 2019 nicht um einen gesetzlichen Feiertag handelte, greift die Vorschrift des § 222 Abs. 2 ZPO hier nicht zu Gunsten des Antragstellers ein.
Die dem beklagten Bescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung:ist sachlich zutreffend und inhaltlich ausreichend (§ 58 Abs. 1 VwGO), so dass die einwöchige Rechtsmittelfrist auch in Gang gesetzt wurde.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Wahrung der Antragsfrist war dem anwaltlich vertretenen Antragsteller nicht schon nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, weil ein Antrag auf Wiedereinsetzung bislang bei Gericht nicht angebracht wurde. Näherer Ausführungen dazu bedarf es indes nicht, weil dem Antragsteller hier Wiedereinsetzung in die Antragsfrist von Amts wegen gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO zu gewähren war. Der Antragsteller hat die nachzuholende Prozesshandlung – nämlich die Stellung eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO – innerhalb der zweiwöchigen Frist nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 VwGO nachgeholt. Diese Frist begann mit Eingang der gerichtlichen Mitteilung über das Aktenzeichen und die Anhängigkeit der erhobenen Rechtsbehelfe beim Antragstellerbevollmächtigten zu laufen (BayVGH, B.v. 15.10.2009 – 6 C 08.2985 – BeckRS 2009, 43881). Wann diese Eingangsmitteilung die Kanzlei des Antragstellerbevollmächtigten genau erreichte, hat dieser zwar nicht mitgeteilt. Unter Beachtung der üblichen Postlaufzeiten von in der Regel einem Werktag im Briefbeförderungsverkehr national der D2. P. AG dürfte das gerichtliche Schreiben dem Antragstellerbevollmächtigten dabei spätestens am 2. Januar 2020 zugegangen sein. Auf das genaue Datum kommt es indes nicht an, da zu diesem Zeitpunkt der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bereits gerichtsanhängig und somit nachgeholt im Sinne des § 60 VwGO war.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ohne Antrag kommt bei Nachholung der versäumten Rechtsmitteleinlegung dann in Betracht, wenn das mangelnde Verschulden zur rechtzeitigen Einlegung des Rechtsbehelfs glaubhaft gemacht wird oder gerichtsbekannt bzw. offenkundig ist (BayVGH, B.v. 9.3.2018 – 11 ZB 17.2428 – BeckRS 2018, 4354). Im hier zu betrachtenden Fall hat der Antragstellerbevollmächtigte zwar trotz entsprechender Aufforderung des Gerichts weder ein mangelndes Verschulden dargelegt noch glaubhaft gemacht. Den aktenkundigen Umständen ist indes ein mangelndes Verschulden des Antragstellerbevollmächtigten am verfristeten Eingang seiner Antragsschrift zu entnehmen, so dass diese gerichtsbekannt sind. Der weiteren Glaubhaftmachung bedarf es danach nicht. Der Einzelrichter legt folgenden Maßstab zugrunde:
Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post dürfen dem Rechtsmittelführer nicht als Verschulden angerechnet werden. Vielmehr darf der Absender darauf vertrauen, dass die für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten eingehalten werden. In seinem Verantwortungsbereich liegt es allerdings, das zu befördernde Schriftstück so rechtzeitig und ordnungsgemäß zur Post zu geben, dass es nach deren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen bei normalem Verlauf der Dinge den Empfänger fristgerecht erreichen kann (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 – 2 BvR 162.16 – juris Rn. 26 m.w.N.; BGH, B.v. 21.10.2010 – IX ZB 73.10 – juris Rn. 15). Bedient sich der Rechtsmittelführer eines anwaltlichen Beistandes, so hat er sich dessen Organisationsverschulden bei der Postaufgabe gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen zu lassen.
Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass im Bundesgebiet werktags aufgegebene Postsendungen am folgenden Werktag im Bundesgebiet ausgeliefert werden. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss ein Rechtsmittelführer deshalb bei korrekter Adressierung und Frankierung nicht mit Postlaufzeiten rechnen, die die ernsthafte Gefahr der Fristversäumung begründen (BVerwG, U.v. 20.6.2013 – 4 C 2.12 – BVerwGE 147, 37 Rn. 8; BGH, B.v. 18.7.2007 – XII ZB 32.07 – NJW 2007, 2778 = juris Rn. 13; Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 60 Rn. 22). Er verletzt auch keine Sorgfaltspflichten, wenn er sich nicht beim Empfänger nach dem Eingang des Briefes erkundigt (BVerwG, B.v. 27.3.2017 – 4 BN 33.16 – juris Rn. 5) oder wenn er es unterlässt, rechtzeitig auf dem Postweg versandte Schriftsätze zusätzlich auch per Telefax oder über das besondere elektronische Anwaltspostfach an das Gericht zu übersenden (BGH, B.v. 19.6.2013 – V ZB 226.12 – juris Rn. 7, 14). Dagegen muss sich ein anwaltlicher Prozessbevollmächtigter auf besondere Situationen, die Bedeutung für eine verzögerte Postweiterleitung haben, wie bspw. ein Poststreik, insoweit einstellen, als sie erkennbar sind (Hoppe in: Eyermann, a.a.O.).
Hieran gemessen kann dem Antragstellerbevollmächtigten kein Organisationsverschulden bei der Aufgabe des Briefes, der die Antrags- und Klageschrift enthielt, vorgehalten werden. Die Aufgabe der Briefsendung am 23. Dezember 2019, wie sie der Frankaturstempelung der D2. P. AG zu entnehmen ist, erwies sich trotz der unmittelbar bevorstehenden Weihnachtsfeiertage, die im Jahr 2019 auf einen Mittwoch und Donnerstag fielen, nicht als verzögernd im Einflussbereich des Antragstellerbevollmächtigten. Zwar hat die D1. P. AG auf ihrer Internetseite veröffentlicht, dass „Weihnachtspost“ bis zum 21. Dezember 2019 in den Beförderungsverkehr innerhalb Deutschlands zu geben ist, um eine Auslieferung noch vor den Feiertagen ermöglichen zu können (https://www.deutschepost.de/de/w/weihnachtspost/TippsTermine.html, abgerufen am: 5.2.2020). Daraus und aus allgemeiner Lebenserfahrung heraus drängt sich der Umstand auf, dass im Vorfeld der Weihnachtsfeiertage – jedenfalls für das Jahr 2019 – mit einem erhöhten Briefaufkommen und damit einhergehend längeren Postlaufzeiten bei der D2. P. AG zu rechnen war. Jedoch führte dies im hier zu entscheidenden Einzelfall nicht zu einer gesteigerten Sorgfaltspflicht des Antragstellerbevollmächtigten hinsichtlich der Postaufgabe, auch, soweit ihm die Postaufgabe seiner bereits am 20. Dezember 2019 ausgefertigten Antragsschrift wohl noch am 21. Dezember 2019 – einem Samstag – möglich und zumutbar gewesen wäre. Denn die Antragsfrist wäre unter Beachtung der Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides auch noch mit Eingang bei Gericht am 27. Dezember 2019 gewahrt gewesen. Dass die D1. P. AG den Brief mit der Antragsschrift an diesem Tag der Posteingangsstelle des Gerichts übergibt, war unter Beachtung der üblichen Postlaufzeiten auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Weihnachtsbriefverkehrs nach Auffassung des Einzelrichters vertrauenswürdig. Es besteht danach keine Vermutung zu Lasten des Antragstellers, dass der nationale Briefverkehr über die D1. P. AG im Zusammenhang mit einem erhöhten Postaufkommen aufgrund der Weihnachtsfeiertage regelmäßig mehr als zwei Werktage, hier den 24. und den 27. Dezember 2019, andauert, zumal der Antragstellerbevollmächtigte den Brief jedenfalls so in den Beförderungsverkehr gegeben hat, dass die Bearbeitung und Weiterleitung von der Postannahmestelle noch am 23. Dezember 2019 gewährleistet war, was sich aus der Frankaturstempelung selbst ergibt. Damit ist ein fehlendes Verschulden des Antragstellerbevollmächtigten offenkundig und bedurfte keiner weiteren Glaubhaftmachung. Die Voraussetzungen zur Wiedereinsetzung in die Antragsfrist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO liegen vor, so dass diese zu gewähren war.
Dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Insbesondere gelten für die Wiedereinsetzung in die ebenfalls einwöchige Klagefrist im Verfahren AN 17 K 19.51230 dieselben vorstehenden Ausführungen.
Über die Wiedereinsetzung in die Klagefrist ist jedoch in der Endentscheidung und nicht vorab durch Beschluss zu entscheiden (Schenke in: Kopp/Schenke, VwGO, § 60 Rn. 37).
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil die Interessensabwägung des Gerichts ein Überwiegen des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers ergibt. Im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung spielen vor allem die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage eine maßgebliche Rolle. Die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage führt zu dem Ergebnis, dass die Hauptsacheklage aller Voraussicht nach erfolglos bleiben wird. Die in Ziffer 3. des Bescheids getroffene Abschiebungsanordnung erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der ge-richtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 AsylG) nämlich als rechtmäßig und ver-letzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Anordnung der Abschiebung ist § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Danach ordnet das Bundesamt die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zu-ständigen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylG.
Die Republik Frankreich ist für die Behandlung des Asylgesuchs des Antragstellers nach Art. 12 Abs. 4 UAbs. 1 i.V.m. Abs. 2 Dublin III-VO zuständig auf Grund des von der französischen Botschaft in Cotonou / Benin erteilten Visums, das im Einreisezeitpunkt in den Schengenraum gültig war.
Ebenso wenig liegen Umstände vor, die hier ausnahmsweise die Zuständigkeit der Antragsgegnerin nach Art. 3 Abs. 2 Dublin III-VO begründen oder zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO führen würden.
Nach dem System der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 31.12.2011, C-411/10 und C-433/10 – NVwZ 2012, 417) gilt die Vermutung, dass die Behandlung von Asylbewerbern in jedem Mitgliedsland der Europäischen Union (EU) den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte der EU (ChGR) entspricht. Diese Vermutung ist jedoch dann widerlegt, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem Mitgliedsland systemische Mängel aufweisen, die zu der Gefahr für den Asylbewerber führen, bei Rückführung in den Mitgliedsstaat einer unmenschlichen oder erniedrigende Behandlung i.S.v. Art. 4 ChGR bzw. Art. 3 EMRK ausgesetzt zu sein.
Derartige systemische Mängel, mit dem der Asylbewerber der Überstellung alleine entgegentreten kann (EuGH Gr. Kammer, U.v. 10.12.2013, C-394/12 – juris), sind für Frankreich nicht er-kennbar und wurden vom Antragsteller auch nicht substantiiert vorgetragen, zumal er bislang keine Erfahrungen im Umgang mit den französischen Behörden hat. Der Antragsteller hat nämlich nach eigenem Bekunden sich während seines Aufenthaltes in Frankreich nicht als Asylsuchender behördlich gemeldet und um keine Hilfsleistungen des französischen Staates für Migranten nachgesucht. Dieser Vortrag deckt sich auch mit der fehlenden Treffermeldung in der EURODAC-Datenbank. Das Gericht schließt sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln, der – soweit ersichtlich – einhelligen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung an, die systemische Mängel im französischen Asylsystem verneint (vgl. VG Würzburg, B.v. 2.1.2019, W 8 S 19.50584, VG München, B.v. 14.8.2018, M 9 S 18.52509, VG Augsburg, B.v. 24.7.2018, Au 6 K 18.50603, VG Lüneburg, B.v. 14.3.2019, 8 B 41/19, VG Leipzig, GB v. 15.3.2019, 6 K 232/19.A, VG Arnsberg, B.v. 25.4.2019, 12 L 190/19.A – jeweils juris). Es entspricht dies auch der ständigen Rechtsprechung der Kammer (VG Ansbach, B.v. 14.8.2019 – AN 17 S 19.50142 – unveröffentlicht; U.v. 20.8.2019 – AN 17 K 19.50538 – BeckRS 2019, 20038; U.v. 11.11.2019 – AN 17 K 19.50901 – BeckRS 2019, 29390). Der Antragsteller hat dem gegenüber keine neuen Aspekte aufgezeigt und durch aktuelle Erkenntnismittel belegt, dass diese Rechtsprechung zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu überdenken wäre. An die Annahme des Ausnahmefalls des Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Es müsste die ernsthafte Gefahr grundlegender Verfahrensmängel oder erheblich defizitärer Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in dem Mitgliedsland erkennbar und für den Rechtschutzsuchenden im zu entscheidenden Einzelfall zu befürchten sein (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014, 10 B 6/14 – juris), was weder allgemein für Frankreich ersichtlich ist, noch im Hinblick auf eine besonders schutzwürdige Personengruppe, der der Antragsteller nach summarischer Bewertung seines Vortrages gegenüber dem Bundesamt ohnehin nicht angehört, für Frankreich erkannt werden kann. Eine Veranlassung bzw. Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO besteht ebenfalls aus keinem Grund.
Der Vortrag des Antragstellers, er habe in Frankreich aufgrund der Verflechtungen zu Togo und des Umstandes, dass er für die Gendarmerie in Togo gearbeitet habe, kein faires Asylverfahren zu erwarten und befürchte allein deswegen seine Rückführung in den Togo, entbehrt jeglicher Tatsachengrundlage. Der Vortrag ist insoweit spekulativ und ohne Beispielsfälle.
Ebenso wenig ist ein zielstaatsbezogenes oder inlandsbezogene Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar, das einer Abschiebung nach Frankreich entgegenstünde. Ein solches ergibt sich insbesondere nicht aus gesundheitlichen Gründen.
Frankreich hat mit Schreiben vom 17. Dezember 2019 im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach Art. 22 Dublin III-VO seine Zustimmung zur Übernahme des Antragstellers auf das fristgerecht ergangene Übernahmegesuch der Antragsgegnerin vom 24. Oktober 2019 und des Remonstrationsschreibens vom 2. Dezember 2019 ausdrücklich und zu Recht klärt.
Die Überstellungsfrist von sechs Monaten nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO ist derzeit ebenfalls noch nicht abgelaufen, nachdem während des anhängigen Verfahrens gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nach § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylG ein gesetzesunmittelbares Abschiebungsverbot besteht, das der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO gleichkommt (BVerwG zur Rechtslage nach der Dublin II-VO, U.v. 26.5.2016, 1 C 15/15 – juris Rn. 11 und BayVGH zur Dublin III-VO, U.v. 29.3.2017, 15 B 16.50080 – juris) bzw. als vorübergehendes Bleiberecht im Sinne von Art. 27 Abs. 3 a) Dublin III-VO oder als Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung nach Art. 27 Abs. 3c) Dublin III-VO anzusehen ist, so dass die Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin III-VO unterbrochen wurde durch das gerichtliche Eilverfahren und mit dessen Abschluss von vorne zu laufen beginnt.
Die Kostenentscheidung des damit erfolglosen Antrags beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 83b AsylG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG und § 60 Abs. 5 VwGO unanfechtbar.


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