Europarecht

Nichtannahmebeschluss: Keine Verletzung der Eigentumsgarantie (Art 14 Abs 1 GG) durch Erlöschen alter Wasserrechte – hier: Erlaubnis zum Betrieb einer Wasserkraftanlage gem § 23 Nr 3 WasG SN 1909 – Erfordernis des Vorhandenseins funktionstüchtiger Anlagen für Bestandsschutz – Zur Vereinbarkeit von § 136 S 2 WasG SN idF vom 09.08.2004 mit Art 14 Abs 1 GG

Aktenzeichen  1 BvR 27/09

Datum:
24.2.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2010:rk20100224.1bvr002709
Normen:
Art 14 Abs 1 S 1 GG
Art 14 Abs 1 S 2 GG
§ 90 Abs 2 S 1 BVerfGG
Art 3 § 2 Abs 1 Nr 1 URaG
§ 136 S 2 WasG SN vom 09.08.2004
§ 23 Nr 3 WasG SN 1909
§ 15 Abs 1 Nr 1 WHG vom 19.08.2002
§ 16 WHG vom 19.08.2002
§ 17 Abs 1 S 2 WHG vom 19.08.2002
§ 17 Abs 2 WHG vom 19.08.2002
Spruchkörper:
1. Senat 3. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 25. November 2008, Az: 4 B 828/06, Beschlussvorgehend VG Chemnitz, 1. November 2006, Az: 2 K 1295/02, Urteil

Gründe

1
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Überleitung alter Wasserrechte nachdem Sächsischen Wassergesetz.
I.
2
1. a) Am 27. Juli 1957 erließ der Bund aufgrund seiner Rahmenkompetenz nach Art. 75 Nr. 4 GG in der damals gültigen Fassung
das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz), das am 12. August 1957 im Bundesgesetzblatt verkündet
wurde (BGBl I S. 1110) und gemäß § 45 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes vom 19. Februar
1959 (BGBl I S. 37) am 1. März 1960 in Kraft trat.
3
Jede Gewässerbenutzung bedarf nach § 2 des Wasserhaushaltsgesetzes in der den Ausgangsentscheidungen zugrunde liegenden, bis
zum 28. Februar 2010 gültigen Fassung (im Folgenden: WHG; ab 1. März 2010: § 8 WHG in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung
des Wasserrechts vom 31. Juli 2009 ) grundsätzlich einer behördlichen Zulassung in
Gestalt der Erlaubnis (§ 7 WHG) oder der Bewilligung (§ 8 WHG; künftig: § 10 WHG n.F.). Die beim Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes
bereits bestehenden Gewässerbenutzungen haben in den §§ 15 bis 17 WHG (künftig: §§ 20 f. WHG n.F.) eine differenzierte Behandlung
erfahren. Die Vorschriften haben folgenden Wortlaut:
4
§ 15 Alte Rechte und alte Befugnisse
5
(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist, soweit die Länder nichts anderes bestimmen, nicht erforderlich für Benutzungen
6
1. auf Grund von Rechten, die nach den Landeswassergesetzen erteilt oder durch sie aufrechterhalten worden sind,
7
2. auf Grund von Bewilligungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über Vereinfachungen im Wasser- und Wasserverbandsrecht
vom 10. Februar 1945 (RGBl. I S. 29),
8
3. auf Grund einer nach der Gewerbeordnung erteilten Anlagegenehmigung,
9
zu deren Ausübung am 12. August 1957 oder zu einem anderen von den Ländern zu bestimmenden Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden
sind.
10
(2) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung ist ferner nicht erforderlich für Benutzungen auf Grund gesetzlich geregelter Planfeststellungsverfahren
oder auf Grund hoheitlicher Widmungsakte für Anlagen des öffentlichen Verkehrs, zu deren Ausübung am 12. August 1957 rechtmäßige
Anlagen vorhanden sind.
11
(3) Die Länder können andere in einem förmlichen Verfahren auf Grund der Landeswassergesetze zugelassene Benutzungen den in
Absatz 1 genannten Benutzungen gleichstellen.
12
(4) Die in den Absätzen 1 bis 3 bezeichneten Rechte und Befugnisse (alte Rechte und alte Befugnisse) können gegen Entschädigung
widerrufen werden, soweit von der Fortsetzung der Benutzung eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit zu
erwarten ist. Sie können ohne Entschädigung, soweit dies nicht schon nach dem vor dem 1. Oktober 1976 geltenden Recht zulässig
war, widerrufen werden,
13
1. wenn der Unternehmer die Benutzung drei Jahre ununterbrochen nicht ausgeübt hat,
14
2. soweit die Benutzung im bisher zulässigen Umfang für den Unternehmer nicht mehr erforderlich ist; dies gilt insbesondere,
wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang erheblich unterschritten wurde,
15
3. wenn der Unternehmer den Zweck der Benutzung so geändert hat, dass er mit der festgelegten Zweckbestimmung nicht mehr übereinstimmt,
16
4. wenn der Unternehmer trotz einer mit der Androhung der Aufhebung verbundenen Warnung die Benutzung über den Rahmen des
alten Rechts oder der alten Befugnis hinaus erheblich ausgedehnt oder Bedingungen oder Auflagen nicht erfüllt hat.
17
Unberührt bleibt die Zulässigkeit nachträglicher Anforderungen und Maßnahmen ohne Entschädigung nach § 5.
18
§ 16 Anmeldung alter Rechte und alter Befugnisse
19
(…)
20
§ 17 Andere alte Benutzungen
21
(1) Eine Erlaubnis oder eine Bewilligung wird erst nach Ablauf von fünf Jahren seit dem 1. März 1960 erforderlich für Benutzungen,
die über die nach diesem Gesetz erlaubnisfreie Benutzung hinausgehen, soweit sie am 1. März 1960
22
1. auf Grund eines Rechts oder einer Befugnis der in § 15 Abs. 1 und 2 genannten Art ausgeübt werden durften, ohne dass zu
dem dort genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden waren, oder
23
2. auf Grund eines anderen Rechts oder in sonst zulässiger Weise ausgeübt werden durften; für Benutzungen, die nur mittels
Anlagen ausgeübt werden können, gilt dies nur, wenn zu dem in § 15 Abs. 1 genannten Zeitpunkt rechtmäßige Anlagen vorhanden
waren.
24
Ist eine Erlaubnis oder eine Bewilligung vor Ablauf der fünf Jahre beantragt worden, so darf die Benutzung bis zum Eintritt
der Rechtskraft der Entscheidung über den Antrag fortgesetzt werden.
25
(2) In den Fällen des Absatzes 1 ist dem Inhaber eines Rechts auf seinen fristgemäß gestellten Antrag eine Bewilligung im
Umfang seines Rechts zu erteilen; § 6 bleibt unberührt. Der Anspruch auf eine Bewilligung nach Satz 1 besteht nicht, soweit
nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht die Aufhebung oder Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.
26
(3) Wird in den Fällen des Absatzes 2 auf Grund des § 6 eine Bewilligung versagt oder nur in beschränktem Umfang erteilt,
so steht dem Berechtigten ein Anspruch auf Entschädigung zu. Dies gilt nicht, soweit nach dem am 1. März 1960 geltenden Recht
die Aufhebung oder die Beschränkung des Rechts ohne Entschädigung zulässig war.
27
b) Auf dem Gebiet des Freistaates Sachsen wurde das Sächsische Wassergesetz vom 12. März 1909 (Gesetz und Verordnungsblatt
für das Königreich Sachsen S. 227; im Folgenden: SächsWG 1909) durch das Gesetz der DDR über den Schutz, die Nutzung und die
Instandhaltung der Gewässer und den Schutz vor Hochwassergefahren vom 17. April 1963 (im Folgenden: Wassergesetz 1963; GBl-DDR
I S. 77) ersetzt.
28
An dessen Stelle trat später das Wassergesetz der DDR vom 2. Juli 1982 (im Folgenden: Wassergesetz 1982; GBl-DDR I S. 467).
§ 46 des Wassergesetzes 1982 bestimmte, dass aufgrund früherer wasserrechtlicher Vorschriften getroffene Entscheidungen ihre
Gültigkeit behielten.
29
Durch Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Umweltrahmengesetzes der DDR vom 29. Juni 1990 (im Folgenden: URG; GBl-DDR S. 649) wurde
zum 1. Juli 1990 das Wasserhaushaltsgesetz auf dem Gebiet der DDR in Kraft gesetzt. Das Wassergesetz 1982 blieb gemäß Art.
3 § 2 Abs. 2 URG in Kraft, soweit es dem Wasserhaushaltsgesetz nicht widersprach.
30
Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 gilt das Wasserhaushaltsgesetz gemäß Art. 8 des Einigungsvertrages (EV) vom
31. August 1990 (BGBl II S. 885) als Bundesrecht fort. Das Wassergesetz 1982 galt nach Art. 9 EV zunächst als Landesrecht
weiter.
31
Am 13. März 1993 trat das Sächsische Wassergesetz (SächsWG) vom 23. Februar 1993 (im Folgenden: SächsWG 1993; SächsGVBl S.
201) in Kraft, das am 20. August 1998 in der ab 13. August 1998 geltenden Neufassung bekannt gemacht wurde (im Folgenden:
SächsWG 1998; SächsGVBl S. 393). Gemäß § 141 SächsWG 1993/1998 wurde das Wassergesetz 1982 aufgehoben.
32
§ 136 SächsWG 1993 regelte die Überleitung alter wasserrechtlicher Entscheidungen. Die Vorschrift lautete:
33
§ 136 (zu § 15 WHG) Alte wasserrechtliche Entscheidungen
34
(1) Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen
Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen,
behalten ihre Gültigkeit. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.
35
(2) Bereits begonnene Verfahren sind nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Wurden im Rahmen des begonnenen
Verfahrens die Unterlagen ausgelegt und ist die Einwendungsfrist abgelaufen, so ist das Verfahren nach altem Recht zu Ende
zu führen.
36
§ 136 SächsWG 1998 ist wortlautgleich. Lediglich in der Überschrift ist der Zusatz “(zu § 15 WHG)” nicht mehr enthalten.
37
Durch Art. 1 Nr. 94 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004 (SächsGVBl S. 374),
in Kraft getreten am 1. September 2004, wurde § 136 Abs. 2 SächsWG 1993/1998 gestrichen und im bisherigen Absatz 1 ein neuer
Satz 2 eingefügt. § 136 SächsWG lautet seitdem:
38
§ 136 Alte Wasserrechtliche Entscheidungen
39
Wasserrechtliche Entscheidungen, die nach dem Wassergesetz (WG) vom 2. Juli 1982 (GBl. I Nr. 26 S. 467) und den dazu erlassenen
Durchführungsverordnungen und Durchführungsbestimmungen getroffen wurden oder aufgrund der genannten Regelung fortbestehen,
behalten ihre Gültigkeit. Eine Erlaubnis oder Bewilligung ist nicht erforderlich für Benutzungen aufgrund eines alten Rechtes
oder einer alten Befugnis im Sinne von § 15 WHG, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen
vorhanden waren. § 15 Abs. 4 WHG ist entsprechend anwendbar.
40
2. a) Die Beschwerdeführer schlossen im Jahr 1999 einen Kaufvertrag über mehrere Flurstücke an der Z… Mulde, auf denen sich
eine Wehranlage und das ehemalige Grabensystem einer früheren Wasserkraftanlage befinden. Seit 23. Juni 1999 ist für die Beschwerdeführer
im Grundbuch eine Auflassungsvormerkung eingetragen. Als Eigentümer wurden sie bislang nicht eingetragen.
41
Die frühere Wasserkraftanlage bestand seit unvordenklichen Zeiten. In den Altunterlagen wird Bezug genommen auf Genehmigungen
aus den Jahren 1891 und 1913. Laut Wasserbucheintrag vom 9. März 1939 wurde den damaligen Betreibern die Erlaubnis zum Betrieb
der Wasserkraftanlage mit drei Turbinen erteilt.
42
Aufgrund eines Talsperrenbaus reichte das in der Z… Mulde geführte Wasser seit Mitte der 1970er Jahre zur Deckung des benötigten
Betriebswasserbedarfs nicht mehr aus. Der Mühlgraben wurde seit 1976 als Entnahmestelle von Produktionswasser für die Rohpappenproduktion
genutzt. Rechtsträger der Betriebsgrundstücke war damals ein Volkseigener Betrieb. Im Jahr 1983 erfolgte die Planung der Instandsetzung
einer jetzigen Kreisstraße. Im Zuge der Baumaßnahmen wurde der parallel zur Straße verlaufende Betriebsgraben (teilweise)
verfüllt.
43
Im September 1999 wandten sich die Beschwerdeführer mit Blick auf die beabsichtigte Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage
an das zuständige Landratsamt. Dieses stellte mit Bescheid vom 8. Juni 2000 fest, dass ein Wasserbenutzungsrecht für die Stauanlage
nicht bestehe. Den Widerspruch der Beschwerdeführer wies das Regierungspräsidium mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2002
im Wesentlichen zurück.
44
b) Hiergegen erhoben die Beschwerdeführer Klage und begehrten zuletzt, den beklagten Landkreis unter Aufhebung der entgegenstehenden
Bescheide zu verpflichten, einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts zu erlassen, dass die Beschwerdeführer berechtigt
seien, die Wasserkraftanlage aufgrund einer altrechtlichen Gestattung gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG wieder in Betrieb zu nehmen,
ohne dass es hierzu einer Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe.
45
Die Klage wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 1. November 2006 abgewiesen. Ein den Betrieb der Wasserkraftanlage
umfassender altrechtlicher Bestandsschutz gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestehe nicht, weswegen die Anlage ohne eine Gestattung
neuen Rechts (Erlaubnis oder Bewilligung, §§ 7, 8 WHG) nicht betrieben werden dürfe (§ 2 WHG). Die Erlaubnis für eine Stauanlage
zu einem Wassertriebwerk habe zwar am 1. Juli 1990 noch Bestand gehabt. Allerdings stehe fest, dass am Stichtag (1. Juli 1990)
rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des alten Stau- und Triebwerksrechts nicht mehr vorhanden gewesen seien.
46
Den hiergegen gerichteten Antrag der Beschwerdeführer auf Zulassung der Berufung lehnte das Oberverwaltungsgericht mit Beschluss
vom 25. November 2008 ab. Der Senat habe mit rechtskräftigem Grundsatzurteil vom 27. März 2007 (4 B 707/05, veröffentlicht
in juris) entschieden, dass § 15 WHG in der ehemaligen DDR über Art. 3 § 2 URG mit der Maßgabe in Kraft getreten sei, dass
der Stichtag des 1. Juli 1990 maßgeblich sei, im Freistaat Sachsen mit diesem Inhalt fortgelte und dies durch § 136 Satz 2
SächsWG in der am 1. September 2004 in Kraft getretenen Fassung – verfassungsrechtlich unbedenklich – klargestellt worden
sei.
47
3. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde greifen die Beschwerdeführer unmittelbar die gerichtlichen Entscheidungen und mittelbar
§ 136 Satz 2 SächsWG an. Sie rügen eine Verletzung ihres Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG.
48
Das alte Wasserrecht zum Betrieb der Wasserkraftanlage stelle eine von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition dar. Das
Erlöschen einer solchen könne nur durch einen ausdrücklich geregelten gesetzlichen Verlusttatbestand bewirkt werden. An einem
solchen fehle es hier. Bis zu Beginn des Jahres 1999 sei bei der Prüfung von Altrechtsfällen in Sachsen das Vorhandensein
rechtmäßiger Anlagen zu einem bestimmten Stichtag richtigerweise nicht gefordert worden.
49
Wolle man § 136 SächsWG demgegenüber dahingehend auslegen, dass alte Wasserrechte mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur
Änderung des Sächsischen Wassergesetzes erloschen seien, sofern am Stichtag des 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen
Anlagen vorhanden gewesen seien, stelle sich § 136 SächsWG als verfassungswidrige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar. Der
ersatz- und übergangslose Verlust alter Wasserbenutzungsrechte, zu deren Ausübung am 1. Juli 1990 keine rechtmäßigen funktionsfähigen
Anlagen vorhanden gewesen seien, sei unverhältnismäßig.
50
4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben das Bundesverwaltungsgericht, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, der Verband
der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen- und Sachsen-Anhalt e.V., der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V., das
Landratsamt Erzgebirgskreis und die Landesregierung Brandenburg Stellung genommen.
51
a) Das Bundesverwaltungsgericht hat auf seine Entscheidungen vom 14. April 2005 (BVerwG 7 C 16.04 und BVerwG 7 C 8.04, jeweils
veröffentlicht in juris) verwiesen. Es sei anzunehmen, dass Wasserrechte gemäß § 49 SächsWG 1909 Eigentum im Sinne des Art.
14 Abs. 1 GG darstellten. Die landesgesetzlichen Regelungen, die bei der Überleitung alter Wasserrechte in das System des
Wasserhaushaltsgesetzes unter bestimmten Voraussetzungen das Erlöschen alter Rechte anordneten, stellten eine Neubestimmung
von Inhalt und Schranken des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar. Eine Übergangsregelung zugunsten solcher Rechte,
zu deren Ausübung rechtmäßige und funktionsfähige Anlagen nicht mehr vorhanden seien, sei verfassungsrechtlich nicht geboten.
Zu erwägen sei allenfalls, ob bezogen auf die in Rede stehende Voraussetzung rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen ein
ersatzloses Erlöschen der alten Wasserrechte dann zu beanstanden sei, wenn ursprünglich vorhandene Anlagen unter Verstoß gegen
die geltende Rechtsordnung durch staatliche Stellen beseitigt worden seien. Einen solchen Sachverhalt habe das Verwaltungsgericht
aber nicht festgestellt.
52
b) Das Sächsische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde für unbegründet.
53
Soweit ein Eingriff in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG vorliege, sei er gerechtfertigt. § 136 Satz 2 SächsWG habe
lediglich deklaratorische Bedeutung.
54
Das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft habe zur Verwaltungspraxis im Zeitraum von 1990 bis März 1996
bei den drei Landesdirektionen eine kurzfristige Erhebung vorgenommen. Die Landesdirektion Dresden habe mitgeteilt, dass seit
dem Beginn regelmäßiger Dienstberatungen ab Ende 1992/Anfang 1993 auf das Tatbestandsmerkmal “Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen”
geachtet worden sei. Andererseits sei auch mit einiger Sicherheit davon auszugehen, dass es eine Reihe von unzutreffenden
Entscheidungen gegeben habe, die dem damaligen Regierungspräsidium nicht bekannt gewesen seien. In der überwiegenden Mehrzahl
der Fälle dürfte das Stichtagskriterium nach Auffassung der Landesdirektion jedoch beachtet worden sein. Die Landesdirektion
Leipzig sehe sich nicht betroffen, da dort die ersten Altrechtsfälle erst seit 1997 anhängig gewesen seien. Die Landesdirektion
Chemnitz zeige ein differenziertes Bild. Danach sei das Tatbestandsmerkmal “Vorhandensein rechtmäßiger Anlagen” häufig nicht
geprüft worden, auch sei bis etwa 2001 häufiger der 3. Oktober 1990 als Stichtag bestimmt worden. Ab März 1996 habe das Staatsministerium
für Umwelt und Landwirtschaft verstärkt begonnen, den Verwaltungsvollzug zu vereinheitlichen und aufsichtlich tätig zu werden.
55
c) Der Verband der Wasserkraftwerksbetreiber Sachsen und Sachsen-Anhalt e.V. hält die Verfassungsbeschwerde für begründet.
Die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis im Freistaat Sachsen verstießen gegen Art. 14 Abs. 1 GG, gegen das Rechtsstaatsprinzip
und das daraus abgeleitete Rückwirkungsverbot, den Vorbehalt des Gesetzes sowie den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. § 136 Satz
2 SächsWG sei aus den gleichen Gründen verfassungswidrig.
56
d) Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V. hat sich dem angeschlossen.
57
e) Nach Auffassung des Landratsamts Erzgebirgskreis hat die Verfassungsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
58
Es bestünden bereits Zweifel an der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde, weil die Beschwerdeführer sich nicht auf das Eigentumsrecht,
sondern nur auf eine zu ihren Gunsten bestehende Auflassungsvormerkung beriefen. Eine mögliche Rechtsverletzung der Beschwerdeführer
scheide auch deshalb aus, weil aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse vor Ort eine Wiederinbetriebnahme der Wasserkraftanlage
unmöglich sei und sich dieser Befund auch jedem aufgedrängt habe beziehungsweise habe aufdrängen müssen.
II.
59
Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Annahmevoraussetzungen gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG
(vgl. BVerfGE 90, 22 ) nicht vorliegen. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung
im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG (1). Die Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer
aus Art. 14 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg,
wobei es teilweise bereits an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes (vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) mangelt (2).
60
1. Die Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 Buchstabe
a BVerfGG. Die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind in der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
hinreichend geklärt. Dies gilt insbesondere für den Gewährleistungsgehalt des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. mit Blick auf das Wasserrecht
insbesondere BVerfGE 58, 300) und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts
durch die Fachgerichte und den insoweit anzulegenden verfassungsgerichtlichen Prüfungsmaßstab (vgl. etwa BVerfGE 18, 85 <92
f.>; 53, 352 ; 81, 29 ; vgl. auch BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 – 1 BvR
432/00 -, juris).
61
2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist auch nicht zur Durchsetzung des Grundrechts der Beschwerdeführer aus Art. 14
Abs. 1 GG angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.
62
a) Mit dem Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005, S. 1076) ist
davon auszugehen, dass alte Wasserrechte den Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG genießen können. Dies ist jedenfalls dann der Fall,
wenn sie dem Einzelnen eine Rechtsposition verschaffen, die derjenigen eines Eigentümers entspricht (vgl. dazu BVerfGE 53,
257 ; 88, 384 ) und diese Rechtsposition auf nicht unerheblichen Eigenleistungen beruht (vgl. dazu BVerfGE 72, 9
; 97, 271 ; zuletzt BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 10. Juni 2009 – 1 BvR 198/08 -, juris
Rn. 17). Demnach wird zumindest der Betrieb einer Wasserkraftanlage auf der Grundlage einer Erlaubnis nach § 23 Nr. 3 SächsWG
1909 durch das Eigentumsgrundrecht geschützt. Die Erlaubnis nach dem Sächsischen Wassergesetz 1909 wurde grundsätzlich unwiderruflich
erteilt und konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen widerrufen oder beschränkt werden (vgl. § 28, §§ 36 ff. SächsWG 1909;
dazu Bell, ZfW 2004, S. 65 ). Zur Ausübung einer solchen Gewässerbenutzung sind umfangreiche Investitionen für die
Errichtung und Erhaltung der erforderlichen Anlagen notwendig. Diese tätigt der Anlagenbetreiber regelmäßig im Vertrauen auf
den Bestand der Erlaubnis. Aufgrund dieser Verknüpfung der privatwirtschaftlichen Investitionen des Anlagenbetreibers mit
den wasserrechtlichen Grundlagen des Anlagenbetriebs erstreckt sich der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz auch auf die
durch die Erlaubnis gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 vermittelte Rechtsposition.
63
b) Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Beschwerdeführer, die zu keinem Zeitpunkt Inhaber des alten Wasserrechts waren, sondern
lediglich Inhaber einer Auflassungsvormerkung sind, sich unter Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG gegen das Erlöschen des alten
Wasserrechts wenden können. Denn auch unter dieser Prämisse ist eine Grundrechtsverletzung nicht festzustellen.
64
c) aa) Die konkrete Reichweite des Schutzes durch die Eigentumsgarantie ergibt sich erst aus der Bestimmung von Inhalt und
Schranken des Eigentums, die nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG Sache des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 53, 257 ; 58, 81
; 72, 9 ; 116, 96 ). Allerdings ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums
nicht gänzlich frei. Er muss die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten
Ausgleich und in ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Dabei ist er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl.
etwa BVerfGE 100, 226 ; 110, 1 ). Im Falle einer Änderung der Rechtsordnung muss der Gesetzgeber für Eingriffe
in durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützte subjektive Rechte legitimierende Gründe haben (vgl. BVerfGE 31, 275 ; 58,
81 ; 72, 9 ). Regelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, die zu solchen Eingriffen führen, sind nur zulässig,
wenn sie durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt
sind. Die Eingriffe müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein, insbesondere dürfen sie
den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 21, 150 ; 31, 275 ;
36, 281 ; 58, 137 ; 72, 9 ; 117, 272 ; stRspr).
65
Aus der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung kann demnach nicht hergeleitet werden, dass eine vom Eigentumsrecht
umfasste, vom Berechtigten ausgeübte Befugnis nach ihrem Entstehen für alle Zukunft uneingeschränkt erhalten bleiben müsse
oder nur im Wege der Enteignung wieder genommen werden dürfte. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass
der Gesetzgeber bei der Neuordnung eines Rechtsgebietes nicht vor der Alternative steht, die alten Rechtspositionen zu konservieren
oder gegen Entschädigung zu entziehen. Er kann im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch eine angemessene und zumutbare
Überleitungsregelung individuelle Rechtspositionen umgestalten, wenn Gründe des Gemeinwohls vorliegen, die den Vorrang vor
dem berechtigten – durch die Bestandsgarantie gesicherten – Vertrauen auf den Fortbestand eines wohl erworbenen Rechts verdienen
(vgl. BVerfGE 31, 275 ; 36, 281 ; 43, 242 ; 58, 300 ).
66
bb) Die Gerichte haben bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die durch die Eigentumsgarantie gezogenen Grenzen
zu beachten und müssen die im Gesetz auf verfassungsmäßiger Grundlage zum Ausdruck kommende Interessenabwägung in einer Weise
nachvollziehen, die den Grundrechtsschutz des Eigentümers beachtet und unverhältnismäßige Eigentumsbeschränkungen vermeidet
(vgl. BVerfGE 53, 352 ; 55, 249 ; 68, 361 ; stRspr). Zwar sind die Auslegung des einfachen Rechts und
seine Anwendung auf den Einzelfall grundsätzlich allein Sache der dafür zuständigen Gerichte und einer Nachprüfung durch das
Bundesverfassungsgericht entzogen (vgl. BVerfGE 18, 85 ; 42, 64 ). Die Schwelle eines Verfassungsverstoßes, den
das Bundesverfassungsgericht zu korrigieren hat, ist jedoch erreicht, wenn die Entscheidung der Gerichte Auslegungsfehler
erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung eines Grundrechts, insbesondere vom Umfang
seines Schutzbereichs, beruhen und auch in ihrer materiellen Bedeutung für den konkreten Fall von einigem Gewicht sind (vgl.
BVerfGE 18, 85 ; 79, 292 ; stRspr).Dabei ist es den Gerichten nicht nur untersagt, die gesetzlich auferlegten Eigentumsbeschränkungen unverhältnismäßig zu verstärken
und ihnen einen Inhalt zu geben, den auch der Gesetzgeber nur unter Verletzung der Eigentumsgewährleistung hätte festlegen
können. Hat dieser in Wahrnehmung seiner Kompetenz aus Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gehandelt, ist es vielmehr auch ihre Aufgabe,
die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung nachzuvollziehen (vgl.
BVerfGE 81, 29 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 – 1 BvR 432/00 -, juris Rn. 22).
67
d) Gemessen hieran ist ein Grundrechtsverstoß nicht festzustellen.
68
aa) § 136 Satz 2 SächsWG in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes vom 9. August 2004
(SächsGVBl S. 374) ist mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.
69
(1) Unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Auslegung der Vorgängervorschriften durch die Ausgangsgerichte
verkürzt § 136 Satz 2 SächsWG keine nach altem Recht gewährte Rechtsposition.
70
(a) Die Ausgangsgerichte gehen davon aus, dass das in § 136 Satz 2 SächsWG normierte Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger
und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 bereits vor der Wiedervereinigung gemäß Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung
mit § 15 WHG gültiges Recht der DDR gewesen ist.
71
Diese Auffassung dürfte zwar im Gegensatz zu der Kommentarliteratur zu § 15 und § 17 WHG stehen (vgl. Czychowski/Reinhardt,
WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4 und 7, § 17 Rn. 1; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c und 14
2003 bzw. Januar 1996>, § 17 Rn. 2a ; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG
Rn. 23 und 49 , § 17 Rn. 4 ). Jedenfalls wahrt sie aber die verfassungsrechtlichen
Grenzen richterlicher Rechtsfindung.
72
Die auf Sinn und Zweck der Stichtagsregelung abstellende Argumentation des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil vom 27. März
2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38) erscheint vertretbar. Insbesondere verstößt sie nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG. Die – verschiedenen
Deutungen zugänglichen – gesetzlichen Regelungen des Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit §§ 15 ff. WHG genügen auch
mit dem Inhalt, den das Oberverwaltungsgericht ihnen gegeben hat, den Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 GG. Soweit die Regelungen
vorliegend zur Überprüfung stehen (aa), begegnen sie keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie dienen einem legitimen Zweck
(bb) und sind zu dessen Erreichung geeignet und erforderlich (cc). Auch erweisen sie sich als im engeren Sinne verhältnismäßig
(dd).
73
(aa) Die verfassungsrechtliche Überprüfung beschränkt sich auf die vorliegend allein in Frage stehende Konstellation, dass
ein altes Recht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG bestand, zu dessen Ausübung Anlagen notwendig sind, die zum Stichtag des
1. Juli 1990 nicht vorhanden waren.
74
(bb) Dass Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit dem Wasserhaushaltsgesetz grundsätzlich alle Gewässerbenutzungen nach
seinem Inkrafttreten der öffentlichrechtlichen Benutzungsordnung und damit dem Gestattungsverfahren gemäß §§ 2 ff. WHG unterwirft,
dient dem legitimen Zweck, eine geordnete Bewirtschaftung des Wassers sicherzustellen (vgl. BVerfGE 58, 300 ).
75
Mit der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 WHG soll zum einen sichergestellt werden, dass nur tatsächlich ausgeübte alte Gewässerbenutzungen
aufrechterhalten werden (so das Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 27. März 2007 – 4 B 707/05 -, juris Rn. 38 und Pape,
in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 15 WHG Rn. 23 ). Darüber hinaus soll das Erfordernis
des Vorhandenseins von Anlagen dafür sorgen, dass das Bestehen der Benutzung beziehungsweise des Benutzungsrechts nach außen
erkennbar ist (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 7; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 13
Mai 1994>; Gieseke, ZfW 1964, S. 179 ).
76
(cc) Die gesetzliche Normierung eines Gestattungserfordernisses nach neuem Recht und seine Erstreckung auf solche früheren
Gewässerbenutzungen, zu deren Ausübung Anlagen erforderlich, zum Stichtag aber nicht vorhanden sind, ist zur Erreichung dieser
Ziele geeignet und erforderlich.
77
Dem Gesetzgeber steht kein milderes, die Betroffenen weniger belastendes Mittel zur Verfügung, mit dem er seine Ziele ebenso
gut erreichen könnte. Insbesondere würde die uneingeschränkte Aufrechterhaltung alter Wasserrechte und die damit einhergehende
Befreiung der Gewässerbenutzungen von der Gestattungspflicht nach neuem Recht dazu führen, dass diese Nutzungen sämtlich fortgeführt
werden dürften, ohne dass die Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes an Gewässerbenutzungen (vgl. § 6 WHG; künftig: § 12
WHG n.F.) überprüft würden.
78
(dd) Das Erfordernis des Vorhandenseins rechtmäßiger und funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 genügt auch dem Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Es stellt keine unangemessene Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte dar,
dass (auch im Beitrittsgebiet) solche alten Nutzungsrechte nach Maßgabe des § 17 WHG erloschen sind, zu deren Ausübung Anlagen
notwendig sind, am Stichtag des 1. Juli 1990 aber nicht vorhanden waren. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG (in Verbindung mit § 17 WHG)
ist in dieser Auslegung der Ausgangsgerichte mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar.
79
(aaa) § 15 Abs. 1 bis 3 WHG dient dem Bestandsschutz (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ
2005, S. 1076 ; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 1), indem er bestimmte bereits vorhandene Gewässernutzungen
von der Gestattungspflicht nach neuem Recht ausnimmt. Nach der gesetzlichen Regelung spielt es dabei für die Anwendung der
Stichtagsregelung jedenfalls im Ausgangspunkt keine Rolle, ob das Nichtvorhandensein funktionsfähiger Anlagen auf eine freie
unternehmerische Entscheidung zurückgeht oder auf Umständen beruht, die der Unternehmer nicht zu vertreten hat.
80
Diese Anknüpfung an die tatsächlichen Verhältnisse begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sofern eine
Gewässernutzung nicht (mehr) ausgeübt wird und schon mangels Vorliegens der hierfür erforderlichen Anlagen nicht (mehr) ausgeübt
werden kann, kann sie auch nicht (mehr) in ihrem Fortbestand geschützt werden. Die Überleitung alter Wasserrechte, die den
Gewässerbenutzungen zugrunde liegen, dient keinem Selbstzweck und ist im Falle einer Neuordnung des Wasserrechts von Verfassungs
wegen nicht in jedem Fall geboten. Die Bestandsinteressen solcher Inhaber alter Wasserrechte, die die Gewässerbenutzungen
zum Stichtag nicht mehr ausüben und auch nicht mehr über die hierfür erforderlichen Anlagen verfügen, überwiegen die Belange
einer geordneten Wasserwirtschaft nicht in einer Weise, die eine Aufrechterhaltung ihrer alten Wasserrechte erforderlich machen
würde.
81
Grundsätzlich kann nur der Schutz eines tatsächlich vorhandenen und genutzten Bestandes von Verfassungs wegen geboten sein.
Es kann daher dahinstehen, ob alte Wasserrechte gemäß § 23 Nr. 3 SächsWG 1909 als solche, das heißt unabhängig von ihrer Ausübung
mittels hierfür errichteter Anlagen, von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt werden. Der Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes
eines alten Wasserrechts hängt in jedem Fall maßgeblich von der Verknüpfung der durch das alte Wasserrecht vermittelten Rechtsposition
mit den Investitionen in die zu seiner Ausübung geschaffenen Anlagen ab. Sofern am Stichtag keine funktionsfähigen Anlagen
(mehr) vorhanden sind, kann das Erlöschen eines alten Wasserrechts typischerweise kein durch Investitionen betätigtes Vertrauen
in den Fortbestand der alten Rechtslage mehr enttäuschen. Die Investitionen in die “alten” Anlagen zur Ausübung der Gewässernutzung
können sich – sofern nicht bereits in der Vergangenheit geschehen – ohnehin nicht mehr beziehungsweise nur noch eingeschränkt
amortisieren, die alten Anlagen müssten vor einer Wiederaufnahme der Gewässerbenutzung durch “neue” Investitionen erst wieder
in Stand gesetzt werden beziehungsweise durch neue Anlagen ersetzt werden.
82
Das Erlöschen eines alten Wasserrechts hat überdies nicht zwangsläufig die Aufgabe der nach bisherigem Recht erlaubten Nutzung
zur Folge. Vielmehr unterfällt die fragliche Gewässerbenutzung nur der Gestattungspflicht nach §§ 2 ff. WHG. Die weiteren
Rechtsfolgen ergeben sich aus § 17 WHG, dessen Fristbestimmungen nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts ab dem 1. Juli
1990 sinngemäß anzuwenden sind (vgl. Urteil vom 27. März 2007 – 4 B 707/05 -, juris Rn. 41).
83
Die Anwendung der Stichtagsregelung des § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG führte ausgehend hiervon bei Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes
im Beitrittsgebiet nach der gesetzlichen Konzeption nicht zu einem ersatz- und übergangslosen Erlöschen alter Wasserrechte.
§ 17 Abs. 2 und 3 WHG mildert in der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts die Belastung für die Inhaber alter Wasserrechte
auch in der vorliegenden Konstellation jedenfalls in einer Weise ab, die eine Unverhältnismäßigkeit der Stichtagsregelung
vermeidet. Anders als nach § 6 WHG, der die Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung in das Ermessen der zuständigen Behörde
stellt, räumt § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dem Inhaber eines alten Wasserrechts einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Bewilligung
nach § 8 WHG ein, sofern § 6 WHG dem nicht entgegensteht, das heißt soweit von der beabsichtigten Gewässerbenutzung keine
Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit, insbesondere keine Gefährdung der öffentlichen Wasserversorgung, zu erwarten
ist. Ist dies der Fall und wird eine Bewilligung nach neuem Recht deswegen versagt, hat der Berechtigte nach § 17 Abs. 3 Satz
1 WHG einen Entschädigungsanspruch.
84
Eine spürbare Belastung der Inhaber alter Wasserrechte ergibt sich ausgehend von dem Vorstehenden vornehmlich dann, wenn die
in Frage stehende Gewässerbenutzung nach neuem Recht nicht gestattungsfähig ist. Dann kann keine Bewilligung nach § 8 WHG
erteilt werden und die Nutzung darf nicht wieder aufgenommen werden. Gerade in diesen Fällen aber sind die Gemeinwohlbelange,
die den Bestandsinteressen der vormals Nutzungsberechtigten entgegenlaufen, gewichtig, da die in Frage stehenden Gewässerbenutzungen
nicht den Anforderungen des § 6 WHG genügen.
85
(bbb) Die vorstehenden Ausführungen gelten auch unter Berücksichtigung der von den Beschwerdeführern beschriebenen besonderen
Situation in der DDR. Dem Gesetzeber war die Anknüpfung an den status quo und die Nutzungssituation, wie sie im Beitrittsgebiet
vor und bei der Wiedervereinigung bestanden hat und naturgemäß durch die Entwicklungen in den davor liegenden Jahrzehnten
mitgeprägt wurde, nicht verwehrt. Die Beschwerdeführer müssen sich im Hinblick auf den Bestandsschutz für die Gewässernutzungen
auf der Grundlage des alten Wasserrechts jedenfalls das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger und die dadurch geprägte (Nutzungs-)Situation
entgegenhalten lassen. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die vormalige Eigentümerstellung anderer Privatpersonen als auch die
zwischenzeitliche Rechtsträgerschaft Volkseigener Betriebe zu Zeiten der DDR. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Überleitung
des Eigentums an den Betriebsmitteln in das Eigentum der DDR beziehungsweise in das Volkseigentum, die nicht in den Verantwortungsbereich
der dem Grundgesetz unterworfenen Bundesrepublik Deutschland fiel, rechtsstaatlichen Grundsätzen genügt. Jedenfalls endete
die förmliche Rechtsstellung des vormaligen Privateigentümers (vgl. im Hinblick auf besatzungshoheitliche Enteignungen BVerfGE
112, 1 ) und standen die fraglichen Betriebe auf der Grundlage der Rechtsordnung der DDR nunmehr im Volkseigentum. Hiervon
geht auch das Verwaltungsgericht in dem angegriffenen Urteil aus, ohne dass die Beschwerdeführer dies im Verfassungsbeschwerdeverfahren
in Zweifel gezogen hätten. Jedenfalls unter Berücksichtigung der in § 17 WHG getroffenen Regelungen, die nach Auffassung des
Oberverwaltungsgerichts auch auf die vorliegende Konstellation Anwendung finden, erweist sich die Rechtsfolge des Erlöschens
des alten Wasserrechts in der Regel nicht als unangemessen.
86
(ccc) Mit Art. 14 Abs. 1 GG unvereinbare Härten, die sich infolge der gesetzlichen Stichtagsregelung in besonders gelagerten
Einzelfällen möglicherweise ergeben können, lassen sich jedenfalls durch eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung
der §§ 15, 17 WHG vermeiden. Zu denken ist daran etwa in Fällen, in denen eine Anlage kurz vor dem Stichtag durch ein Naturereignis
zerstört und kurzfristig wieder errichtet wurde oder in denen eine Anlage im Verlauf von Umbauten oder Betriebsänderungen
ab- und wiederaufgebaut wurde. Auch in der vom Bundesverwaltungsgericht in seiner Stellungnahme im vorliegenden Verfahren
angesprochenen Konstellation, dass vorhandene Anlagen durch staatliche Stellen unter Verstoß gegen die (damals) geltende Rechtsordnung
beseitigt wurden, ist zweifelhaft, ob es mit Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar ist, rechtswidrige Eingriffe des Staates als Anknüpfungspunkt
für das Erlöschen einer dem Berechtigten vormals zustehenden Rechtsposition zu nehmen. Es erschiene in derartigen Fällen zum
einen denkbar, im Rahmen des § 15 Abs. 1 WHG ungeachtet der tatsächlichen Verhältnisse vom Vorhandensein der Anlagen im Rechtssinne
auszugehen. Alternativ käme in Betracht, § 17 Abs. 2 Satz 1 WHG dahingehend auszulegen, dass die zuständige Behörde bei der
Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung keine weiteren Anforderungen nach neuem Recht stellen darf, als
sie bei einem aufrechterhaltenen Recht nach § 15 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit § 5 WHG (gegebenenfalls in Verbindung mit
§ 138 SächsWG) möglich sind (so das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 14. April 2005 – BVerwG 7 C 16.04 -, NVwZ 2005,
S. 1076 in Bezug auf § 38 des Wassergesetzes für das Land Sachsen-Anhalt).
87
(b) Die Ausgangsgerichte konnten ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen, dass die Rechtslage in Bezug auf die Aufrechterhaltung
alter Wasserrechte bis zum Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Wassergesetzes am 1. September
2004 unverändert geblieben ist.
88
(aa) Der Regelungsgehalt des § 136 SächsWG 1993/1998 und insbesondere der systematische Zusammenhang dieser Vorschrift mit
§ 15 Abs. 1 bis 3 und § 17 WHG sind unklar.
89
Ausgehend von dem Wortlaut des § 136 SächsWG 1993/1998 erscheint es zum einen vertretbar, den Fortbestand alter Wasserrechte
nicht vom Vorhandensein funktionstüchtiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt abhängig zu machen, sondern die Fortgeltung
und Gestattungsfreiheit aller gemäß § 46 des Wassergesetzes 1982 aufrechterhaltenen Gewässerbenutzungen anzunehmen (so Kotulla,
WHG, 2002, § 15 Rn. 19; weniger eindeutig Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 15 Rn. 5c, 14
Januar 1996>; Czychowski/Reinhardt, WHG, 9. Aufl. 2007, § 15 Rn. 4, 7, 11; Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III,
§ 15 WHG Rn. 23, 49 und 63 ).
90
Demgegenüber gehen das Sächsische Justizministerium und die Ausgangsgerichte – bei im Einzelnen wiederum differierendem Verständnis
der Vorschrift – im Ergebnis übereinstimmend davon aus, dass § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 das Erfordernis des Vorhandenseins
funktionsfähiger Anlagen am 1. Juli 1990 unberührt gelassen habe. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts in dem Urteil
vom 27. März 2007 (4 B 707/05, juris Rn. 38), auf das der hier angegriffene Beschluss vom 25. November 2008 verweist, bezieht
sich § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 schon nach seinem Wortlaut nicht auf § 15 Abs. 1 bis 3 WHG. Eine Regelung, welche die
Gestattungsfreiheit der Gewässernutzung nicht davon abhängig mache, dass zu ihrer Ausübung zu einem bestimmten Zeitpunkt rechtmäßige
Anlagen vorhanden seien, wäre nicht mit § 15 Abs. 1 WHG vereinbar gewesen. Dieser ermächtige die Länder nur dazu, einen von
§ 15 Abs. 1 WHG abweichenden Stichtag zu bestimmen. Im Übrigen wendet das Oberverwaltungsgericht, das § 15 WHG mit Blick auf
die Frage des Fortbestandes alter Wasserrechte offenbar als “Sonderregelung” zu § 136 SächsWG 1993/1998 ansieht (so wohl auch
Habel/Zeppernick, Das Wasserrecht in Sachsen, § 136 SächsWG Rn. 1 ), § 15 WHG unmittelbar an.
91
(bb) § 136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998 ist demnach verschiedenen Auslegungsvarianten zugänglich, die allerdings sämtlich Unklarheiten
in der argumentativen Herleitung nicht vermeiden können und von denen sich daher keine in einer Weise aufdrängt, die ein abweichendes
Verständnis als verfassungswidrig erscheinen ließe. Auch die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts mag einfachrechtlich diskussionswürdig
sein. Sie lässt jedoch keine Fehler erkennen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des Eigentumsgrundrechts
beruhen.
92
(2) § 136 Satz 2 SächsWG verstößt ausgehend hiervon nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG.
93
(a) Die ausdrückliche Aufnahme der Stichtagsregelung hat auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Ausgangsgerichte lediglich
deklaratorischen Charakter und schreibt die bereits davor gültige Rechtslage klarstellend fest. Im Hinblick auf das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes bestehen daher insoweit keine Bedenken.
94
(b) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit Blick auf die Stichtagsregelung zunächst bestehenden Rechtsunsicherheiten
und das diesbezügliche behördliche Vollzugsdefizit in den Jahren nach der Wiedervereinigung.
95
(aa) Die einschlägigen Vorgängervorschriften (Art. 3 § 2 Abs. 1 Nr. 1 URG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG sowie §
136 Abs. 1 SächsWG 1993/1998) ließen ihrem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zum 1. Juli 1990 rechtmäßige Anlagen vorhanden
sein mussten und dass bis zum 30. Juni 1995 ein Antrag gemäß § 17 WHG gestellt werden konnte beziehungsweise musste. Auch
wurde die Stichtagsregelung in der Verwaltungspraxis der sächsischen Behörden jedenfalls in den Jahren nach der Wiedervereinigung
offenbar nur unzureichend beachtet. Teilweise wurde auf den 12. August 1957 abgestellt, teilweise auf das Vorhandensein rechtmäßiger
funktionsfähiger Anlagen vollständig verzichtet.
96
(bb) Dieser Befund führt jedoch nicht zur Verfassungswidrigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG.
97
Denn die “abfedernde” Regelung des § 17 WHG ist jedenfalls einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung zugänglich.
Eine solche kann hier unbeschadet der Frage geboten sein, ob die in § 17 WHG getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen
zwingend erforderlich waren (aaa). Dies ist allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall (bbb). Im Rahmen des
§ 17 Abs. 1 Satz 2 WHG kommt in diesen Fällen die Gewährung von Nachsicht in Betracht, im Rahmen des § 17 Abs. 2 WHG die Gewährung
von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (ccc).
98
(aaa) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung kann hier unbeschadet der Frage erforderlich sein, ob die in § 17 WHG
getroffenen Regelungen von Verfassungs wegen zwingend geboten waren. Denn – wie bereits dargestellt – verpflichtet Art. 14
Abs. 1 GG die Gerichte, die den gesetzlichen Regelungen zugrunde liegende und darin zum Ausdruck kommende Interessenbewertung
nachzuvollziehen (vgl. BVerfGE 81, 29 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 3. Juli 2001 – 1 BvR
432/00 -, juris Rn. 22).
99
(bbb) Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung der Fristbestimmungen des § 17 WHG ist allerdings nicht in jedem Fall
geboten.
100
Zwar konnten die Inhaber alter Rechte den vormals einschlägigen Vorschriften (zunächst §§ 15, 17 WHG und später auch § 136
SächsWG 1993/1998) die Obliegenheit zur Stellung eines Antrags innerhalb der Fristen des § 17 WHG nicht zweifelsfrei entnehmen.
101
Allerdings ist bei der Beurteilung der Erforderlichkeit einer verfassungskonformen Auslegung des § 17 WHG auch das Regel-/Ausnahmeverhältnis
zu berücksichtigen, in dem die Vorschriften des Wasserhaushaltsgesetzes über die Gestattungspflicht von Gewässerbenutzungen
(§§ 2 ff. WHG) zu § 15 WHG (in Verbindung mit den ausgestaltenden landesgesetzlichen Regelungen, hier § 136 SächsWG), § 17
WHG stehen: Die mit dem Betrieb einer Wasserkraftanlage verbundenen Gewässernutzungen bedürfen als solche zweifelsohne der
Gestattung gemäß §§ 2 ff. WHG. Deren Erteilung steht gemäß § 6 WHG grundsätzlich im Ermessen der zuständigen Behörde. Eine
Wasserkraftanlage kann unter Geltung des Wasserhaushaltsgesetzes ohne wasserrechtliche Gestattung gemäß §§ 7 ff. WHG daher
jedenfalls nur betrieben werden, wenn eine gesetzlich geregelte Ausnahme von der Gestattungspflicht einschlägig ist. Eine
solche konnte sich für alte Rechte und Befugnisse aus § 15 WHG (in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998) ergeben. Abweichend
von der generellen Regelung des § 6 WHG kann im Fall des § 17 Abs. 2 WHG ausnahmsweise ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Bewilligung, gegebenenfalls auf eine Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 3 WHG) bestehen. Wollten somit aber die Inhaber alter Wasserrechte
aus den genannten Vorschriften, über deren Regelungsgehalt Unklarheit bestand, für sich günstige Rechtsfolgen in Gestalt der
Gestattungsfreiheit der ausgeübten Gewässerbenutzungen (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG), der vorläufigen Befugnis zur Ausübung
der Gewässerbenutzungen ohne neue wasserrechtliche Gestattung (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG) beziehungsweise des Anspruchs
auf Erteilung einer Erlaubnis oder gegebenenfalls einer Entschädigung (vgl. § 17 Abs. 2 und 3 WHG) ableiten, hätte es ihnen
oblegen, sich über den Inhalt dieser Vorschriften sowie die diesbezügliche behördliche Vollzugspraxis Klarheit zu verschaffen
und gegebenenfalls die Feststellung ihres alten Wasserrechts zu begehren. Sie durften angesichts der unklaren Rechtslage nicht
ohne Weiteres darauf vertrauen, dass die Vorschriften in der von ihnen für richtig gehaltenen Auslegung Anwendung finden würden.
102
Eine verfassungskonforme Auslegung und Anwendung des § 17 WHG ist demnach nur dann geboten, wenn im konkreten Einzelfall der
Inhaber eines alten Wasserrechts aufgrund eines behördlichen (Fehl-)Verhaltens bei der Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften
davon ausgehen durfte, dass es auf das Vorhandensein funktionsfähiger Anlagen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ankomme,
das alte Wasserrecht gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG fortbestehe und daher keine Gestattung nach dem Wasserhaushaltsgesetz und
somit auch kein Antrag gemäß § 17 WHG erforderlich sei. Anlass zu einer derartigen Annahme können etwa behördliche Auskünfte
gegenüber dem Betroffenen selbst geben oder aber eine ständige behördliche Praxis, von der der Betroffene Kenntnis hatte und
aufgrund derer er von der Einholung behördlicher Auskünfte oder der Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen hat.
Gleiches gilt in Fällen, in denen die Behörde etwa im Rahmen des Verfahrens zur Bewilligung von Fördergeldern zunächst die
Gestattungsfreiheit des Betriebs der Wasserkraftanlage bestätigt hat.
103
(ccc) § 17 Abs. 1 Satz 2 WHG ist – soweit nach dem eben Ausgeführten geboten – einer verfassungskonformen Auslegung und Anwendung
auch dann zugänglich, wenn man eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Rahmen des § 17 Abs. 1 WHG für ausgeschlossen
erachtet (so Pape, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 30 ; Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp,
WHG, § 17 Rn. 15 ). So ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt,
dass sich Behörden unter bestimmten engen Voraussetzungen nicht auf den Ablauf einer die weitere Rechtsverfolgung abschneidenden
oder die Anspruchsberechtigung vernichtenden Ausschlussfrist berufen dürfen (vgl. BVerwGE 101, 39 m.w.N.). Diese Grundsätze
lassen sich auf die Wahrung der in § 17 Abs. 1 WHG geregelten Frist übertragen.
104
Bei der in § 17 Abs. 2 WHG geregelten Frist handelt es sich um eine verfahrensrechtliche Ausschlussfrist, so dass eine Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand zulässig ist (vgl. Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG, § 17 Rn. 23 ; Pape,
in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, § 17 WHG Rn. 35 ).
105
Hinsichtlich der Voraussetzungen, unter denen die Gewährung von Nachsicht beziehungsweise Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand von Verfassungs wegen geboten sein kann, wird auf die vorstehenden Ausführungen (bbb) verwiesen.
106
bb) Die Verfassungsbeschwerde hat auch keine Aussicht auf Erfolg, soweit sie sich gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
vom 1. November 2006 und den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 25. November 2008 richtet. Die angegriffenen Entscheidungen
verletzen jedenfalls im Ergebnis das Grundrecht der Beschwerdeführer aus Art. 14 Abs. 1 GG nicht.
107
(1) Hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des § 136 Satz 2 SächsWG und der diesbezüglichen Erwägungen der Ausgangsgerichte
wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Dies gilt auch und insbesondere mit Blick auf die Fragestellungen, die sich
aus der (zunächst) unterbliebenen beziehungsweise unzureichenden Umsetzung des Erfordernisses des Vorhandenseins rechtmäßiger
funktionsfähiger Anlagen in der sächsischen Verwaltungspraxis und der verwaltungsgerichtlichen Klärung des Regelungsgehaltes
des § 15 WHG in Verbindung mit § 136 SächsWG 1993/1998 erst nach Ablauf der in § 17 WHG geregelten Fünfjahresfrist ergeben.
108
(2) Auch im Übrigen ist ein Verfassungsverstoß bei der Auslegung und Anwendung der vorgenannten Vorschriften durch die Ausgangsgerichte
nicht festzustellen.
109
(a) Dies gilt zunächst insoweit, als das Verwaltungsgericht das Vorhandensein rechtmäßiger funktionsfähiger Anlagen am Stichtag
des 1. Juli 1990 verneint hat.
110
(aa) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Rechtsauffassung und die ihr zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen
haben die Beschwerdeführer jedenfalls innerhalb der Begründungsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG nicht substantiiert geltend
gemacht. Da auch ihr Antrag auf Zulassung der Berufung im Ausgangsverfahren keine diesbezüglichen Ausführungen enthält, stünde
einer Prüfung im vorliegenden Verfassungsbeschwerdeverfahren zudem schon der Grundsatz der Subsidiarität (vgl. § 90 Abs. 2
Satz 1 BVerfGG) entgegen.
111
(bb) Es erscheint nach dem oben Ausgeführten zwar fraglich, ob die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es komme nicht darauf
an, ob die Verfüllung des Betriebsgrabens widerrechtlich vorgenommen worden sei, mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang steht.
Letztlich kann dies aber offenbleiben. Denn die Beschwerdeführer haben diese Frage mit der Verfassungsbeschwerde nicht aufgegriffen
und auch in tatsächlicher Hinsicht hierzu nichts vorgetragen. Überdies haben sie das Urteil des Verwaltungsgerichts auch insoweit
nicht mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung angegriffen, so dass es an der Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes mangelt.
112
(cc) Abgesehen von der gegebenenfalls widerrechtlichen Verfüllung des Betriebsgrabens durch staatliche Stellen liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass die Annahme des Erlöschens des alten Wasserrechts gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben
des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen könnte.
113
Nach den von den Beschwerdeführern nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts wird die Wasserkraftanlage
schon seit mehr als 20 Jahren nicht mehr betrieben. Die Nutzungsaufgabe beruhte – soweit ersichtlich – auch nicht auf den
von den Beschwerdeführern ins Feld geführten Materialengpässen zu DDR-Zeiten, sondern auf einem verminderten Wasserzufluss
infolge eines Talsperrenbaus und der Verfüllung des Betriebsgrabens im Zuge eines Straßenausbaus. Das Verwaltungsgericht weist
in dem angegriffenen Urteil überdies nachvollziehbar darauf hin, dass sowohl die baulichen Anlagen des Mühlgrabens, soweit
sie als Mauern noch vorhanden seien, als auch des Wasserschlosses in den inzwischen mehr als 20 Jahren ihrer Nichtnutzung
in der Substanz Veränderungen erfahren hätten, die die Wiederinbetriebnahme in Frage stellen könnten und jedenfalls eine statisch-bautechnische
Prüfung erforderten.
114
(b) Ob das Verwaltungsgericht ohne Verfassungsverstoß davon ausgehen konnte, dass sich die Beschwerdeführer schon deswegen
nicht auf § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 WHG berufen könnten, weil jedenfalls kein entsprechender Antrag gestellt
worden sei und die bis zum 30. Juni 1995 laufende Schonfrist schon damals, als die Beschwerdeführer im Jahr 1999 den Kaufvertrag
über die betreffenden Grundstücke geschlossen hätten, längst verstrichen gewesen sei, erscheint zweifelhaft. Gleiches gilt
für die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zu § 17 WHG.
115
Letztlich bedarf aber auch diese Frage keiner Entscheidung. Denn es ist auf der Grundlage des Beschwerdevorbringens nicht
ersichtlich, dass die Gerichte gemessen an den oben dargestellten Maßstäben im Ergebnis von Verfassungs wegen gehindert gewesen
wären, den Beschwerdeführern den Ablauf der Fünfjahresfrist des § 17 WHG entgegenzuhalten und dass die angegriffenen Entscheidungen
auf einem etwaigen diesbezüglichen Grundrechtsverstoß beruhen könnten. Die Beschwerdeführer haben weder substantiiert vorgetragen
noch ist sonst ersichtlich, dass sie oder die derzeitigen Eigentümerinnen aufgrund eines Fehlverhaltens der Behörden bei der
Anwendung der § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, § 136 SächsWG 1993/1998 von der fristgemäßen Stellung eines Antrages gemäß § 17 WHG abgesehen
hätten. Allein die lange Zeit bestehenden Unklarheiten über die Rechtslage und die allgemeinen Unzulänglichkeiten des Verwaltungsvollzuges
reichen hierfür – wie bereits dargestellt – nicht aus.
116
Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
117
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


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