Europarecht

Niederlassungserlaubnis sowie Verlustfeststellung der Freizügigkeitsberechtigung bei assoziationsrechtlicher Daueraufenthaltsberechtigung nach Art. 6 ARB 1/80

Aktenzeichen  Au 6 K 18.116

Datum:
17.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 24858
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 21
FreizügG/EU § 2, § 3, § 4a, § 5, § 9, § 11
AufenthG § 9
ARB 1/80 Art. 6, Art. 13

 

Leitsatz

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da die Verlustfeststellung nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt worden ist und sie insgesamt rechtswidrig ist, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt ein Freizügigkeitsrecht bestanden hat. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da die Eigenschaft des Familienangehörigen, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger Unterhalt gewährt, aus einer tatsächlichen Situation resultiert, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird, kann sich beim Vorliegen der umgekehrten Situation, in der dem aufenthaltsberechtigten Unionsbürgerkind vom Drittstaatsangehörigen Unterhalt gewährt wird, der Drittstaatsangehörige nicht auf die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem der Aufenthaltsberechtigte Unterhalt gewährt berufen, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat zu gelangen. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das abgeleitete Aufenthaltsrecht zugunsten eines drittstaatsangehörigen Familienmitglieds des Unionsbürgers besteht grundsätzlich nur, wenn es erforderlich ist, damit dieser Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben kann. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Verfahren zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Verlustfeststellung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis (§ 113 Abs. 5 VwGO).
I.
Die Klagen sind zulässig. Die zunächst als Untätigkeitsklage i.S.d. § 75 VwGO erhobene Klage (Au 6 K 18.116) wurde auf eine Versagungsgegenklage umgestellt, was eine zulässige, da sachdienliche Klageänderung gemäß § 91 VwGO darstellt. Auch die Anfechtungsklage (Au 6 K 18.395) ist zulässig, insbesondere auch hinsichtlich der Verlustfeststellung – als feststellendem Verwaltungsakt – statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – juris Rn. 12).
II.
Die Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts und die Einziehung der Aufenthaltskarte (Au 6 K 18.395) ist unbegründet.
Die in Nr. 2 des angefochtenen Bescheids gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erfolgte Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt erweist sich als rechtmäßig. Der Beklagte konnte den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt (§ 2 Abs. 1 FreizügG/EU) nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU feststellen (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO). Der Kläger ist nicht Familienangehöriger i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Auch kann er sich im maßgeblichen Zeitpunkt nicht auf aus Art. 20 f. AEUV abgeleitete Aufenthaltsrechte berufen.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verlustfeststellung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, da die Verlustfeststellung nicht auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum beschränkt worden ist und sie insgesamt rechtswidrig ist, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt ein Freizügigkeitsrecht bestanden hat (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2019 – 1 C 48/18 – juris Rn. 12; U.v. 28.3.2019 – 1 C 9.18 – juris Rn. 9; U.v. 16.7.2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 11; B.v. 7.12.2017 – 1 B 142.17 – juris Rn. 5).
1. Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU festgestellt werden, wenn die Voraussetzungen dieses Rechts innerhalb von fünf Jahren nach Begründung des ständigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet entfallen sind oder diese nicht vorliegen. Eine Verlustfeststellung kann demnach getroffen werden, wenn das Freizügigkeitsrecht ursprünglich bestanden hat und später entfallen ist sowie wenn die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu keinem Zeitpunkt bestanden haben (vgl. BT-Drs. 18/2581, S. 16; BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 24). Die vorgenannte Fünfjahresfrist bezieht sich darauf, dass nach Ablauf eines rechtmäßigen fünfjährigen ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet ein Daueraufenthaltsrecht erworben wird mit der Folge, dass die Möglichkeit zur Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU erlischt (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – juris Rn. 16; BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 10 B 17.339 – juris Rn. 24).
2. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU sind erfüllt (siehe a)). Die Entscheidung des Beklagten ist auch ermessensfehlerfrei, insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (siehe b)).
a) Im Falle des Klägers waren die Voraussetzungen eines Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu keinem Zeitpunkt erfüllt (siehe aa)). Auch hat er im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV (siehe bb)) oder abgeleitet aus Art. 20 AEUV (siehe cc)) ein Aufenthaltsrecht. Er hat auch kein Daueraufenthaltsrecht i.S.d. § 4a FreizügG/EU erworben (siehe dd)).
aa) Die Verlustfeststellung ist im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung rechtmäßig, weil der Kläger nicht als Familienangehöriger eines freizügigkeitsberechtigten Unionsbürgers i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU bzw. Art. 2 Nr. 2 RL 2004/38/EG freizügigkeitsberechtigt war.
Der Kläger ist kein Familienangehöriger eines Unionsbürgers i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU. Er ist zum einen nicht Ehegatte der Kindesmutter (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, Art. 2 Nr. 2 lit. a) RL 2004/38/EG). Zum anderen ist er nicht Verwandter in gerader aufsteigender Linie eines Unionsbürgers (hier: seines Kindes), dem von diesem Unterhalt gewährt wird (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU, Art. 2 Nr. 2 lit. d) RL 2004/38/EG). Da nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Eigenschaft des Familienangehörigen, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger Unterhalt gewährt, aus einer tatsächlichen Situation resultiert, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird, kann sich beim Vorliegen der umgekehrten Situation, in der dem aufenthaltsberechtigten Unionsbürgerkind vom Drittstaatsangehörigen Unterhalt – hier vom Kläger – gewährt wird, der Drittstaatsangehörige nicht auf die Eigenschaft als Verwandter in aufsteigender Linie, dem der Aufenthaltsberechtigte Unterhalt gewährt, i.S.d. Art. 2 Nr. 2 lit. d) RL 2004/38/EG berufen, um in den Genuss eines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat zu gelangen (vgl. EuGH, U.v. 10.10.2013 – C-86/12 – Alokpa und Moudoulou – juris Rn. 25; U.v. 8.11.2012 – C-40/11 – Iida – juris Rn. 55; U.v. 19.10.2004 – C-200/02 – Zhu und Chen – juris Rn. 43 f.; BVerwG, U.v. 25.10.2017 – 1 C 34/16 – juris Rn. 13 ff.; BayVGH, U.v. 25.5.2019 – 10 BV 18.281 – juris Rn. 24).
bb) Die Verlustfeststellung ist im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch deswegen rechtmäßig, da der Kläger nicht abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV ein Aufenthaltsrecht hat. Zwar hatte der Kläger im Zeitraum vom 3. Juli 2011 bis zum 31. Mai 2019 ein Aufenthaltsrecht gehabt (siehe aaa)). Ab dem 1. Juni 2019 hat der Kläger jedoch ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 erworben, weswegen ab diesem Zeitpunkt ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des Klägers nicht mehr erforderlich war (siehe bbb)).
aaa) Der Kläger hatte seit 3. Juli 2011 bis 31. Mai 2019 abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV ein Aufenthaltsrecht.
(1) Vorliegend ist der Anwendungsbereich des Art. 21 AEUV eröffnet, da ein grenzüberschreitender Sachverhalt auch dann gegeben ist, wenn ein Unionsbürger – hier das in Deutschland geborene bulgarische Kind des Klägers – von Geburt an in einem anderen Mitgliedstaat lebt (vgl. zu Art. 20 AEUV EuGH, U.v. 2.10.2003 – C-148/02 – Garcia Avello – juris Rn. 28; Magiera in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 21 Rn. 25 m.w.N.).
(2) Auch ist der persönliche Schutzbereich des Art. 21 AEUV eröffnet.
Drittstaatsangehörige, sorgeberechtigte und die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Familienmitglieder eines Unionsbürgers, denen gemäß dem FreizügG/EU und der RL 2004/38/EG kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt wird (siehe oben), können nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in bestimmten Fällen aus Art. 21 Abs. 1 AEUV die Anerkennung eines Aufenthaltsrechts erreichen (vgl. EuGH, U.v. 27.6.2018 – C-230/17 – Deha Altiner und Ravn – juris Rn. 27 m.w.N.; U.v. 5.6.2018 – C-673/16 – Coman – juris Rn. 23 f.; U.v. 14.11.2017 – C-165/16 – Lounes – juris Rn. 45 ff.; U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – Chavez-Vilchez u.a. – juris Rn. 54; U.v. 12.3.2014 – C-456/12 – O. – juris Rn. 44 ff.; BayVGH, U.v. 25.9.2019 – 10 BV 18.281 – juris Rn. 27). Art. 21 AEUV gewährt dem für einen Unionsbürger sorgenden Drittstaatsangehörigen kein eigenständiges, sondern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht, das daraus resultiert, dass seine Nichtanerkennung den Unionsbürger in seiner Freizügigkeit beeinträchtigen könnte, weil ihn dies davon abhalten könnte, von seinem Recht Gebrauch zu machen, in den Aufnahmemitgliedstaat einzureisen und sich dort aufzuhalten (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 – C-456/12 – O. – juris Rn. 45; U.v. 10.10.2013 – C-86/12 – Alokpa und Moudoulou – juris Rn. 22; U.v. 8.5.2013 – C-87/12 – Ymeraga und Ymeraga-Tafarshiku – juris Rn. 35; U.v. 8.11.2012 – C-40/11 – Iida – juris Rn. 68). In einem solchen Fall würde dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers jede praktische Wirksamkeit genommen, da der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein minderjähriges Kind notwendigerweise voraussetzt, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei ihm aufhalten darf und es dieser Person ermöglicht wird, während des Aufenthalts mit dem Kind zusammen im Aufnahmemitgliedstaat zu wohnen (vgl. EuGH, U.v. 13.9.2016 – C-165/14 – Rendon Marin – juris Rn. 51; U.v. 10.10.2013 – Alokpa und Moudoulou – C-86/12 – juris Rn. 28; U.v. 19.10.2004 – Zhu und Chen – C-200/02 – juris Rn. 45).
Dabei dürfen die Voraussetzungen für die Gewährung dieses abgeleiteten Aufenthaltsrechts nicht strenger sein als diejenigen, die die RL 2004/38/EG für einen Drittstaatsangehörigen vorsieht, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, der sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat, indem er sich in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen hat als dem, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Diese Richtlinie ist insofern entsprechend anzuwenden (vgl. EuGH, U.v. 12.3.2014 – C-456/12 – O. – juris Rn. 50, 61; U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – Chavez-Vilchez u.a. – juris Rn. 54 f.; U.v. 14.11.2017 – C-165/16 – Lounes – juris Rn. 61; U.v. 5.6.2018 – C-673/16 – Coman – juris Rn. 25).
(3) Vorliegend leitet das Unionsbürgerkind des Klägers, welches Referenzperson dafür ist, dass dem Kläger als drittstaatsangehörigem Familienmitglied ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt werden kann (EuGH, U.v. 27.6.2018 – C-230/17 – Deha Altiner und Ravn – juris Rn. 27), sein Aufenthaltsrecht von seiner Mutter ab. Diese ist im maßgeblichen Zeitraum Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU, da sie ausweislich der vorgelegten Unterlagen seit dem 18. Oktober 2011 eine Beschäftigung, d.h. eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, ausübt. Die Arbeitnehmereigenschaft liegt auch bei einer geringfügig entlohnten Beschäftigung nach § 7 Abs. 1 SGB V mit einem monatlichen Arbeitsentgelt von maximal 450 Euro vor (vgl. EuGH, U.v. 21.2.2013 – C-46/12 – N. – juris Rn. 39 ff.; BayVGH, U.v. 25.9.2019 – 10 BV 18.281 – juris Rn. 29; Hailbronner, Ausländerrecht, § 2 FreizügG/EU Rn. 28a m.w.N. [Stand: 100. EL März 2017]). Ein Rechtsverlust aufgrund vorübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit trat wegen § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FreizügG/EU nicht ein.
Es kann offengelassen werden, ob ein Rechtsverlust durch die Arbeitslosigkeit der Mutter im Zeitraum vom 7. Juni 2014 bis 4. September 2016 gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU eingetreten ist. Da die zuständige Behörde einen etwaigen Verlust der Freizügigkeit nicht festgestellt hat, kommt der Kindsmutter und damit dem Unionsbürgerkind die Freizügigkeitsvermutung zugute (vgl. BVerwG, U.v. 11.9.2019 – 1 C 48/18 – juris Rn. 13 m.w.N.). Ab dem 5. September 2016 war die Kindsmutter wieder als Arbeitnehmerin nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da sie eine Berufsausbildung in Teilzeit ausübt.
(4) Der bulgarische Sohn des Klägers ist als Verwandter in gerader absteigender Linie, der das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Familienangehöriger seiner Mutter i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU bzw. Art. 2 Nr. 2 lit. c) RL 2004/38/EG und hat ein Recht auf Aufenthalt, weil er einen Unionsbürger, der die Voraussetzungen von Art. 7 Abs. 1 lit. a), b) oder c) erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht (vgl. Art. 7 Abs. 1 lit. d) RL 2004/38/EG; § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU). Familienangehörige begleiten oder ziehen dem Unionsbürger nach, wenn sie mit diesem in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind und sich mit ihm dort – unabhängig davon, ob die Drittstaatsangehörigen vor oder nach dem Unionsbürger oder bevor oder nachdem sie dessen Familienangehörige wurden, in den Aufnahmemitgliedstaat eingereist sind – aufhalten (vgl. EuGH, U.v. 25.7.2008 – C-127/08 – Metock u.a. – juris Rn. 54; vgl. auch BVerwG, U.v. 28.3.2019 – 1 C 9.18 – juris Rn. 20 ff.). Vom „Nachziehen“ ist auch die Geburt eines Familienangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat, in dem der Unionsbürger wohnt und arbeitet, umfasst.
Die Familienangehörigen sind – unabhängig von ausreichenden Existenzmitteln und Krankenversicherungsschutz, wie sich im Umkehrschluss zu § 3 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU ergibt – solange freizügigkeitsberechtigt, wie der abhängig beschäftigte Unionsbürger nicht aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist (vgl. BayVGH, U.v. 25.9.2019 – 10 BV 18.281 – juris Rn. 31; Hailbronner, Ausländerrecht, § 3 FreizügG/EU Rn. 4 ff. [Stand: 100. EL März 2017]). Anhaltspunkte für eine Beendigung des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses der Kindsmutter liegen im maßgeblichen Zeitraum nicht vor und sind auch nicht vorgetragen (siehe oben).
(5) In diesem Zeitraum war ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des Klägers als drittstaatsangehörigem Familienmitglied seines Unionsbürgerkinds auch erforderlich, da eine Verweigerung des Aufenthaltsrechts des Klägers seinem Kind die Möglichkeit genommen hätte, sein Freizügigkeitsrecht wirksam auszuüben, da der Kläger für sein minderjähriges Kind tatsächlich sorgt (siehe (5.1)) und dem Kläger sonst – weder ein nationales noch ein assoziationsrechtliches – Aufenthaltsrecht (siehe (5.2.)) zustand.
Ein aus Art. 21 Abs. 1 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen Familienmitglieds eines Unionsbürgers besteht grundsätzlich nur dann, wenn es erforderlich ist, damit dieser Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben kann, wozu auch gehört, im Aufnahmemitgliedstaat ein normales Familienleben zu führen und dort mit ihren Familienmitgliedern zusammenzuleben (vgl. EuGH, U.v. 5.6.2018 – C-673/16 – Coman – juris Rn. 24, 32 m.w.N.; U.v. 14.11.2017 – Lounes – C-165/16 – juris Rn. 48, 52). Aus Gründen der praktischen Wirksamkeit der Rechte des Unionsbürgers aus Art. 21 AEUV ist ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für den drittstaatsangehörigen, die tatsächliche Sorge wahrnehmenden Elternteil dann nicht geboten, wenn das Führen eines normalen Familienlebens auch durch Gewährung eines – nationalen (dazu BayVGH, U.v. 25.9.2019 – 10 BV 18.281 – juris Rn. 33) oder vergleichbaren, insbesondere unionsrechtlichen – Aufenthaltsrechts erreicht werden kann. Die Erteilung eines solchen Aufenthaltstitels zugunsten des Klägers würde das Recht des Unionsbürgerkindes auf Führen eines normalen Familienlebens im Aufnahmemitgliedstaat i.S.d. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gewährleisten, mithin die praktische Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgerkindes nicht beinträchtigen.
(5.1) Der Kläger nimmt die tatsächliche Sorge für seinen Sohn wahr.
Offengelassen werden kann die Frage, ob es bei Art. 21 AEUV genügt, dass beide Elternteile mit dem Kind zusammenleben und ob sich zwischen dem Unionsbürgerkind und dem Drittstaatsangehörigen ein Familienleben entwickelt oder gefestigt hat (so zu Art. 21 AEUV z.B. EuGH, U.v. 5.6.2018 – C-673/16 – Coman – juris Rn. 24) oder ob wie bei Art. 20 AEUV ein Abhängigkeitsverhältnis vorliegen muss (vgl. dazu EuGH, U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – K.A. u.a. (Regroupement familial en Belgique) – juris Rn. 71 ff.; U.v. 6.12.2012 – C- 356/11 u.a. – O. und S. – juris Rn. 49 ff.; U.v. 10.5.2017 – C-133/15 – Chavez-Vilchez u.a. – juris Rn. 72), da hier beides erfüllt ist.
Der Kläger nimmt die tatsächliche Sorge für seinen Sohn wahr, zwischen ihnen hat sich ein Familienleben gefestigt und ein Abhängigkeitsverhältnis entwickelt. Der Kläger, der bei der Geburt seines Kindes im Krankenhaus anwesend gewesen sei, habe mit der Kindsmutter und seinem Kind bis zum Jahr 2014 in häuslicher Lebensgemeinschaft gelebt (Protokoll vom 17. Juni 2020, S. 3). Er habe danach bis auf einen Monat regelmäßig für das Kind Unterhalt bezahlt. Der Kläger ist personensorgeberechtigt nach der Erklärung vom 16. Oktober 2017 über die gemeinsame elterliche Sorge (Behördenakte, Bl. 697) und sorgt nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch tatsächlich für sein mit der Kindesmutter zusammenlebendes Kind: Er sehe das Kind, das 2014 an Leukämie erkrankt sei, dem es jetzt besser gehe und das keine Beschwerden habe, jedoch bis heute Medikamente nehmen müsse, drei bis fünf Tage die Woche und am Wochenende, er mache manchmal früher Feierabend und fahre zum Kind und abends wieder zurück. Er betreue das Kind beispielsweise bei Arztterminen seiner Mutter. Die Entscheidung über den Besuch des Kindergartens oder der Schule hätten die Eltern zusammen getroffen. Er besuche seine Familie in der Türkei einmal im Jahr und sein in Deutschland lebendes Kind und die Kindsmutter würden ihn hierbei begleiten (Protokoll vom 17. Juni 2020, S. 3).
(5.2) Im Zeitraum bis zum 31. Mai 2019 war ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten des Klägers aus Art. 21 AEUV erforderlich, damit sein Sohn sein Freizügigkeitsrecht wirksam ausüben konnte.
Aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Kind und aufgrund dessen, dass der Kläger im maßgeblichen Zeitraum kein sonstiges Aufenthaltsrecht in Deutschland hatte, da er nach Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis am 12. April 2010 grundsätzlich vollziehbar ausreisepflichtig war, er keinen sonstigen Aufenthaltstitel innehatte und sein Daueraufenthaltsrecht aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 erst am 1. Juni 2019 vollständig entstand, hatte der Kläger in diesem Zeitraum ein aus dem seinem Sohn zustehenden Recht aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht, da ansonsten dem Aufenthaltsrecht des Sohns des Klägers jede praktische Wirksamkeit genommen worden wäre. Ohne das abgeleitete Aufenthaltsrecht aus Art. 21 AEUV hätte der Kläger sich im Zeitraum bis zum 31. Mai 2019 nicht mehr bei seinem Kind, für das er tatsächlich sorgt, aufhalten und nicht mehr mit diesem zusammen in Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat leben können.
bbb) Ab dem 1. Juni 2019 hatte der Kläger jedoch nicht mehr abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV ein Aufenthaltsrecht, da er ab diesem Zeitpunkt nach Erreichen der dritten Verfestigungsstufe ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 erworben hat, weswegen ab diesem Zeitpunkt ein aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht zugunsten eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers nicht mehr erforderlich war.
(1) Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 begünstigt türkische Arbeitnehmer und gewährt ihnen nach Erreichen einer Anwartschaftsfrist ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht. Die in den drei Varianten aufgestellten Anforderungen müssen nacheinander erfüllt sein. Weitere Voraussetzung ist, dass die Beschäftigung ordnungsgemäß ist. Dies setzt das Bestehen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts voraus und dass die Beschäftigung im Einklang mit den geltenden inländischen aufenthalts- und arbeitsgenehmigungsrechtlichen Vorschriften ausgeübt worden ist (vgl. EuGH, U.v. 6.6.1995 – C-434/93 – Bozkurt/Staatssecretaris van Justitie – juris Rn. 26 ff.; U.v. 16.12.1992 – C-237/91 – Kus v Landeshauptstadt Wiesbaden – juris Rn. 12 ff.; U.v. 20.9.1990 – C-192/89 – Sevince/Staatssecretaris van Justitie – juris Rn. 30; Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 59; Huber, AufenthG, 2. Aufl. 2016, Art. 6 ARB 1/80 Rn. 17).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger ist seit dem 1. Juni 2015 beim gleichen Arbeitgeber als Arbeitnehmer beschäftigt. Damit hat er die dritte Verfestigungsstufe nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 erreicht. Der Kläger war seit der Geburt seines Kindes und damit während der ganzen Anwartschaftsfrist durchgehend abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV aufenthaltsberechtigt (siehe oben), so dass er seine Beschäftigung im Rahmen eines nicht bestrittenen Aufenthaltsrechts im Einklang mit den geltenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften ausgeübt hat.
(2) Ab dem 1. Juni 2019 war ein aus dem Sohn des Klägers zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht mehr erforderlich.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs besteht das abgeleitete Aufenthaltsrecht zugunsten des drittstaatsangehörigen Familienmitglieds des Unionsbürgers grundsätzlich nur, wenn es erforderlich ist, damit dieser Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit wirksam ausüben kann (vgl. nur EuGH, U.v. 14.11.2017 – C-165/16 – Lounes – juris Rn. 48 m.w.N.). Die Erforderlichkeit ist dann zu bejahen, wenn zum Ausschluss einer Beeinträchtigung der Ausübung und der praktischen Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers das abgeleitete Aufenthaltsrecht dem Drittstaatsangehörigen zuzuerkennen ist. Demnach ist das aus dem Freizügigkeitsrecht eines Unionsbürgers abgeleitete Aufenthaltsrecht eines Drittstaatsangehörigen ein – in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht durch seine Notwendigkeit zur Sicherung der praktischen Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgers begrenztes – subsidiäres Recht. Anknüpfungspunkt ist in erster Linie nicht eine Prüfung der Beeinträchtigung von Rechten des Drittstaatsangehörigen, sondern seines Unionsbürgerkindes, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableitet.
Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen, dass durch die Verlustfeststellung seinem Sohn der tatsächliche Genuss des Kernbestands der mit seinem Freizügigkeitsrecht verbundenen Rechte verwehrt werden würde. Er hat eine assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsberechtigung nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 ab dem 1. Juni 2019 erworben, die aufgrund seiner durchgehenden Erwerbstätigkeit (Protokoll vom 17. Juni 2020, S. 3) auch im entscheidungserheblichen Zeitpunkt besteht. Das Daueraufenthaltsrecht ist als Ausfluss des Assoziationsrechts integraler Bestandteil des Unionsrechts und ein Aufenthaltsrecht supranationaler Natur (Dienelt in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, Vorb ARB 1/80). Indem dem Kläger vermittelt durch dieses unionsrechtliche Aufenthaltsrecht ein – im entscheidungserheblichen Zeitpunkt – unbefristeter Aufenthalt in Deutschland erlaubt ist, wird das Freizügigkeitsrecht seines Sohnes nicht beeinträchtigt. Er kann sich weiterhin zusammen mit seinem Vater in Deutschland als Aufnahmemitgliedstaat aufhalten, um das gemeinsame Familienleben fortzusetzen. Sollte der Kläger in einem nicht bestimmbaren Zeitpunkt in der Zukunft aus bisher nicht bestimmbaren Gründen sein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht verlieren, entsteht – sofern dessen Voraussetzungen (siehe oben) immer noch vorliegen – wiederum das aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV abgeleitete Aufenthaltsrecht des Klägers. Darüber hinaus führt die rein hypothetische Aussicht, dieses Daueraufenthaltsrecht durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder eine Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit o.Ä. zu verlieren, nicht zu einer aktuellen Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts des Unionsbürgerkinds.
cc) Der Kläger hat auch kein aus der Unionsbürgerschaft seines Sohnes aus Art. 20 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht.
Die Vorschrift des Art. 20 AEUV steht nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nationalen Maßnahmen entgegen, die bewirken, dass Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird (vgl. EuGH, U.v. 8.3.2011 – Rs. C-34/09 – Ruiz Zambrano – juris Rn. 42; U.v. 6.12.2012 – C- 356/11 u.a. – O. und S. – juris Rn. 45; U.v. 13.9.2016 – C-165/14 – Rendón Marín – juris Rn. 71; U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – K.A. u.a. (Regroupement familial en Belgique) – juris Rn. 49). So muss einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger des Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden, wenn sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge der Verweigerung des Aufenthaltsrechts de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt würde (EuGH, U.v. 13.9.2016 – C-165/14 – Rendón Marín – juris Rn. 74 m.w.N.; U.v. 8.3.2011 – Rs. C-34/09 – Ruiz Zambrano – juris Rn. 43 f.; U.v. 8.5.2018 – C-82/16 – K.A. u.a. (Regroupement familial en Belgique) – juris Rn. 51). Dies gilt jedoch nur, wenn zwischen dem Drittstaatsangehörigen und dem familienangehörigen Unionsbürger ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, was vorliegend zu bejahen ist (siehe oben).
Es ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, dass ein aus Art. 20 AEUV abgeleitetes Aufenthaltsrecht des Klägers erforderlich wäre, damit die Unionsbürgerschaft des Kindes des Klägers nicht seiner praktischen Wirksamkeit beraubt würde. Auch ohne dieses Recht kann der Kläger sein Kind und die Kindsmutter nach Bulgarien als deren Herkunftsstaat begleiten. Auch wäre sein Kind, von dem er sein Aufenthaltsrecht ableiten möchte, nicht de facto gezwungen, nicht nur das Gebiet des Mitgliedstaats, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, sondern das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen. Seinem Kind würde damit auch nicht die Möglichkeit genommen werden, den Kernbestand seiner Unionsbürgerschaft tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Aufgrund des assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts des Klägers (siehe oben) muss das Unionsbürgerkind weder Deutschland als den Aufnahmemitgliedsstaat noch die Union als Ganze verlassen.
dd) Die Möglichkeit zur Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU ist nicht wegen des Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts des Klägers erloschen.
Nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht). Der Formulierung „unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2“ ist zu entnehmen, dass nicht jeder nach nationalem Recht rechtmäßige Aufenthalt hierfür ausreicht, sondern das Entstehen des Daueraufenthaltsrechts an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 FreizügG/EU anknüpft und nur ein einmal entstandenes Daueraufenthaltsrecht durch einen späteren Wegfall der Voraussetzungen nicht mehr berührt wird (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – juris Rn.16 m.w.N.). Nach § 4a Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU haben Familienangehörige des Unionsbürgers dieses Recht, wenn sie sich seit fünf Jahren mit dem Unionsbürger ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben.
Eine Verlustfeststellung nach § 5 Abs. 4 FreizügG/EU ist nicht bereits dann ausgeschlossen, wenn ein Unionsbürger sich fünf Jahre ständig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Das Entstehen eines Daueraufenthaltsrechts nach § 4a Abs. 1 FreizügG/EU setzt vielmehr voraus, dass der Betroffene während einer Aufenthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 RL 2004/38/EG erfüllt hat (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2015 – 1 C 22/14 – NVwZ-RR 2015, 910 juris Rn.17; U.v. 31.5.2012 – 10 C 8.12 – Buchholz 402.261 § 4a FreizügG/EU Nr. 3 Leitsatz 1 und Rn. 16).
Dies ist hinsichtlich des Klägers nicht der Fall, denn er ist nicht Familienangehöriger i.S.d. § 3 Abs. 2 FreizügG/EU bzw. der RL 2004/38/EG. Er erfüllte damit zu keinem Zeitpunkt die Freizügigkeitsvoraussetzungen i.S.d. RL 2004/38/EG. Auch besteht kein aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV ableitbares Daueraufenthaltsrecht des Klägers. Da ein solches subsidiäres – seine Ableitbarkeit aus Art. 21 AEUV unterstellt – Aufenthaltsrecht für einen Drittstaatsangehörigen aus der Erforderlichkeit resultiert, eine Beeinträchtigung der praktischen Wirksamkeit des Freizügigkeitsrechts seines Unionsbürgerkinds auszuschließen, ist ein solches abgeleitetes Recht demgemäß in zeitlicher Hinsicht insofern begrenzt, als es dann endet, wenn es nicht mehr notwendig ist, um dem Unionsbürgerkind – um dessen zu schützende Rechte es gerade geht – die praktische Wirksamkeit seines Freizügigkeitsrechts zu sichern. Daran gemessen ist vorliegend kein Anknüpfungspunkt für ein aus Art. 21 AEUV folgendes Daueraufenthaltsrecht für den Kläger als drittstaatsangehörigen Elternteil ersichtlich. Der Kläger war bis zum 31. Mai 2019 abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Recht aus Art. 21 AEUV aufenthaltsberechtigt und hat seit dem 1. Juni 2019 ein assoziationsrechtliches Daueraufenthaltsrecht inne. Daher war zu keinem Zeitpunkt zum Ausschluss einer Beeinträchtigung des Freizügigkeitsrechts seines Unionsbürgerkindes ein aus Art. 21 AEUV ableitbares Daueraufenthaltsrecht des Klägers erforderlich.
b) Die Ermessensentscheidung der Beklagten weist keine vom Gericht zu prüfenden Ermessensfehler auf (§ 114 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat zugunsten des Klägers ordnungsgemäß die Dauer dessen Aufenthalts in Deutschland sowie seine Erwerbstätigkeit beachtet. Zulasten des Klägers hat der Beklagte dessen Straftat gewertet, die noch keinem Verwertungsverbot unterliegt. Zudem wurde die von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK geschützte Beziehung des Klägers zu seinem Sohn beachtet, die – wie der Beklagte richtig feststellt -, jedoch durch die Verlustfeststellung nicht zu einem Eingriff in diese Vater-Kind-Beziehung führt, da diese wegen des Daueraufenthaltsrechts des Klägers aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 nicht zu einer Ausreisepflicht oder Aufenthaltsbeendigung des Klägers führt.
3. Der Verlust der Freizügigkeit konnte unabhängig von der vergleichsweisen Einigung zwischen dem Kläger und der Ausländerbehörde der *stadt * im Jahr 2012 festgestellt werden.
Inhalt dieses Vergleichs war, dass gegen Klagerücknahme (auf Verlängerung der damaligen Aufenthaltserlaubnis) dem Kläger eine Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU erteilt wird (Behördenakte, Bl. 397 Rückseite). Die Aufenthaltskarte für Familienangehörige begründet grundsätzlich nicht konstitutiv ein Aufenthaltsrecht, sondern stellt das Vorliegen der Freizügigkeit fest. Die Aufenthaltskarte hat damit lediglich deklaratorischen Charakter (vgl. EuGH, U.v. 27.6.2018 – C-246/17 – Diallo – juris Rn. 49; U.v. 25.7.2008 – C-127/08 – Metock – juris Rn. 52; U.v. 21.7.2011 – C-325/09 – Dias – juris Rn. 54; Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 5 FreizügG/EU Rn. 28).
Inhalt des damaligen Vergleichs war ausweislich seines Wortlauts nicht, dass dem Kläger die Freizügigkeit ähnlich wie durch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis konstitutiv zugesprochen wird, da sich sein Aufenthaltsrecht schon unabhängig von einem rechtsgestaltenden Verwaltungsakt abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV seit dem 3. Juni 2011 bis zum 31. Mai 2019 unmittelbar aus dem primären Unionsrecht ergeben hat. Inhalt dieses Vergleichs war vielmehr die Ausstellung der Aufenthaltskarte als Realakt zur deklaratorischen Bestätigung dieses Aufenthaltsrechts. Daraus kann keine Bindung der heutigen zuständigen Behörde abgeleitet werden. Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger kein Aufenthaltsrecht mehr (siehe oben), was mit einer Aufenthaltskarte nach § 5 Abs. 2 FreizügG/EU direkt oder analog weiterhin bestätigt werden könnte.
4. Ein Verstoß gegen das Meistbegünstigungsgebot aus § 11 Abs. 1 Satz 11 AufenthG ist nicht ersichtlich. Zum einen ist der Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht abgeleitet aus dem seinem Sohn zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV aufenthaltsberechtigt. Es ist daher schon kein Anwendungsfall des Gebots, freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger bzw. deren Familienangehörige oder abgeleitet berechtigte Familienmitglieder nicht schlechter zu stellen als andere Staatsangehörige, erkennbar. Zudem ist nicht ersichtlich, warum das freizügigkeitsberechtigte Kind des Klägers schlechter stehe als Kinder anderer Staatsangehörigkeit, da der Kläger sich als sein Vater aufgrund seines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrecht zeitlich unbegrenzt bei ihm aufhalten darf.
III.
Die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis.
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis zusteht, ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn 12; U.v. 13.9.2011 – 1 C 17.10 – juris Rn. 10; U.v. 10.11.2009 – 1 C 24.08 – juris Rn. 11).
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG.
a) Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist u.a. Voraussetzung für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis, dass der Ausländer über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (§ 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG) verfügt. Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache entsprechen gemäß § 2 Abs. 11 AufenthG dem Niveau B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Diese Voraussetzungen sind nach § 9 Abs. 2 Satz 2 AufenthG nachgewiesen, wenn ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde. Sie können aber auch auf andere Weise – etwa über einen entsprechenden Schulabschluss – nachgewiesen werden (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 72; Nr. 9.2.1.7 AVwV-AufenthG).
Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verfügt der Kläger weder über ausreichende Deutschkenntnisse noch über Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet. Er hat weder den Nachweis der Teilnahme an einem entsprechenden Sprachkurs noch an einem Integrationskurs erbracht. In der mündlichen Verhandlung gab der Kläger an, er habe noch keinen Integrationskurs gemacht, er habe sich aber für einen Sprachkurs für die deutsche Sprache mit dem Ziel B1 in * ab September 2020 angemeldet (Protokoll vom 17. Juni 2020, S. 3).
b) Im Falle des Klägers kann nicht von den Voraussetzungen der § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 AufenthG abgesehen werden, da er nicht vorgetragen hat oder sonst ersichtlich ist, dass er die Voraussetzungen wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen könnte.
c) Auch liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG nicht vor, wonach zur Vermeidung einer Härte von den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 9 AufenthG abgesehen werden kann.
Intention des Gesetzgebers hinsichtlich dieser Regelung ist die Privilegierung solcher Betroffenen, die trotz verstärkter Bemühungen die Anforderungen unverschuldet nicht erfüllen können, wenn die Betroffenen bei aller Anstrengung – und selbst bei Berücksichtigung von Alter und Bildungsstand – die geforderten Kenntnisse nicht in hinreichendem Maße erwerben können (BT-Drs. 15/420, S. 72 f.; BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 18). Bejaht wird dies bei „bildungsfernen“ Menschen, die in einer anderen Schriftsprache sozialisiert worden seien, und wenn eine körperliche, geistige oder seelische Erkrankung oder Behinderung die Erfüllung der Voraussetzungen zwar nicht unmöglich macht, aber dauerhaft erschwert, wenn der Ausländer bei der Einreise bereits über 50 Jahre alt war oder wegen der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen der Besuch eines Integrationskurses auf Dauer unmöglich oder unzumutbar war (vgl. Nr. 9.2.2.2 AVwV-AufenthG).
Dass der Kläger erwerbstätig ist und nach der Arbeit, etwa drei- bis fünfmal die Woche, an der Betreuung seines Sohnes mitwirkt, begründet keine Härte i.S.d. § 9 Abs. 2 Satz 4 AufenthG.
d) Ein Absehen von den Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG kommt auch nach § 9 Abs. 2 Satz 5 AufenthG nicht in Betracht, da der Kläger zur Teilnahme am Integrationskurs aufgrund des Bescheids vom 16. Oktober 2008 verpflichtet ist.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch unmittelbar aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 auf Erteilung einer Niederlassung ohne die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 AufenthG.
Die mit der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis verbundene aufenthaltsrechtliche Verfestigung unter Verwirklichung der Ziele des § 1 Abs. 1 AufenthG hängt von anderen Voraussetzungen ab als das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht, das ausschließlich wirtschaftlichen Zwecken dient und sich deshalb auf die schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit beschränkt (EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08 – Ziebell – juris Rn. 72), so dass sich angesichts des Charakters des Assoziationsrechts und des nationales Aufenthaltsrechts als getrennte Rechtskreise unmittelbar aus den assoziationsrechtlichen Vorschriften der Art. 6 und 7 ARB 1/80 kein Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis ableiten lässt (vgl. ausführlich BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 22).
3. Der Kläger hat auch aufgrund der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 keinen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserteilung ohne die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und 8 AufenthG.
a) Nach Art. 13 ARB 1/80 dürfen die Mitgliedstaaten für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet rechtmäßig sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen. Demnach dürfen keine innerstaatlichen Maßnahmen eingeführt werden, die bezwecken oder bewirken, dass die Ausübung der Arbeitnehmerfreizügigkeit durch einen türkischen Staatsangehörigen oder einen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat strengeren Voraussetzungen als denjenigen unterworfen wird, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmung in dem Mitgliedstaat galten (vgl. EuGH, U.v. 17.9.2009 – C-242/06 – Sahin – juris Rn. 63; BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 24). Maßgeblich für diesen Vergleich ist die am 1. Dezember 1980 geltende Rechtslage (vgl. Art. 16 ARB 1/80; EuGH, U.v. 9.12.2010 – C-300/09, C-301/09 – Toprak und Oguz – juris Rn. 62) und es ist auf die jeweils günstigste Regelung abzustellen, die seit dem Inkrafttreten der Stillhalteklausel eingeführt wurde (BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 24).
Vorliegend ergibt dieser Vergleich eine Verschärfung der Erteilungsvoraussetzungen, da das im maßgeblichen Zeitpunkt gültige Aufenthaltsgesetz gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 2 Abs. 11 AufenthG für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache – entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen – voraussetzt, wohingegen es nach den für die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis bzw. -berechtigung nach den am 1. Dezember 1980 geltenden Bestimmungen der Nr. 4 (1) b) zu § 7 AuslG und Nr. 4 a) zu § 8 AuslG der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Ausländergesetzes vom 7.7.1967, GMBl. S. 231, zuletzt geändert durch AuslVwV vom 7.7.1978, GMBl. S. 368, ausreichend war, dass der Ausländer sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen konnte (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 25). Dies wirkt sich vorliegend zulasten des Klägers aus, da er sich auf einfache Art in deutscher Sprache mündlich verständlich machen kann und er insoweit nur die Erteilungsvoraussetzungen nach alter Rechtslage erfüllt.
b) Der Anwendbarkeit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 steht zwar nicht bereits entgegen, dass der Kläger im Besitz einer Rechtsposition aus Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 ist (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 28 m.w.N.), jedoch steht ihr entgegen, dass die nachträgliche Verschärfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Daueraufenthaltsrechts ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarktzugang des Klägers bleibt.
Es liegen keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt i.S.d. Art. 13 ARB 1/80 vor. Der Kläger hat auch ohne die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 9 Abs. 2 AufenthG aufgrund seines assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 (siehe oben), welches in einer mindestens auf fünf Jahre befristeten deklaratorischen Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 2 AufenthG dokumentiert wird (vgl. zu Art. 7 Satz 1 Spiegelstrich 2 ARB 1/80 BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 29), einen zeitlich unbeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Das assoziationsrechtliche Daueraufenthaltsrecht wird durch § 4 Abs. 2 AufenthG in nationales Recht inkorporiert, so dass jedenfalls für den durch diese Regelung erfassten Personenkreis nicht nur nach Unionsrecht, sondern auch nach dem nationalen Recht keine Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs gegeben ist. Art. 13 ARB 1/80 gebietet keine auf einzelne (nationale) Aufenthaltstitel bezogene Betrachtung, soweit nach nationalem Recht ein im Ergebnis unbeschränkter Arbeitsmarktzugang auf der Grundlage eines gesicherten Aufenthaltsrechts besteht (BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 29).
5. Einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis kann der Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch nicht aus Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei herleiten. Er hat bisher nicht vorgetragen, eine selbstständige Erwerbstätigkeit anzustreben, weshalb es sich hierbei um eine abstrakte, rein hypothetische Frage handelt.
IV.
Einer Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 267 Abs. 2 AEUV durch das Verwaltungsgericht bedurfte es daher nicht. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nicht ersichtlich. Es lag keine Frage über die Auslegung der Verträge oder über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Union etc. i.S.d. Art. 267 Abs. 1 AEUV vor, deren Entscheidung zum Erlass des vorliegenden Urteils erforderlich war.
Zum einen ist die Frage, ob Art. 13 ARB 1/80 auch im Falle von Erschwernissen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, der ein Recht auf Daueraufenthalt gewährt, nicht entscheidungserheblich, da der Kläger schon aufgrund seines nach § 4 Abs. 2 AufenthG in nationales Recht inkorporiertes assoziationsrechtlichen Daueraufenthaltsrechts nach Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80 einen unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat (so schon die Einholung einer Vorabentscheidung ablehnend BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris Rn. 32). Auch lag bezüglich der Erforderlichkeit eines aus dem einem Unionsbürgerkind zustehenden Freizügigkeitsrecht aus Art. 21 AEUV abgeleiteten Aufenthaltsrechts eines Drittstaatsangehörigen aus Sicht des Verwaltungsgerichts angesichts der schon diesbezüglich – in diesem Urteil herangezogenen und zitierten – Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs keine neue, über die bisherige Rechtsprechung hinausgehende Frage zur Auslegung des Art. 21 AEUV vor, die dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen wäre.
V.
Es waren auch keine Gründe ersichtlich, die Berufung oder die Revision zuzulassen. Insbesondere liegt nicht der Grund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4, § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) vor, da hinsichtlich der Verlustfeststellung keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U.v. 25.5.2019 – 10 BV 18.281 – juris) und hinsichtlich der begehrten Niederlassungserlaubnis keine Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.2015 – 1 C 21/14 – juris) vorliegt.
VI.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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