Europarecht

Offensichtlich unbegründete Klage einer ugandischen Staatsangehörigen gegen Überstellung nach Dänemark im Dublin-Verfahren

Aktenzeichen  M 1 K 17.51475

Datum:
24.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 28046
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Dublin III-VO Art. 3 Abs. 2, Art. 12 Abs. 4, Art. 17 Abs. 1, Art. 22
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 3, § 34a Abs. 1 S. 1, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 2, § 60 Abs. 5, Abs. 7, § 60a Abs. 2, § 75 Nr. 12

 

Leitsatz

Für ein Vorliegen systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Dänemark bestehen keinerlei Anhaltspunkte (wie VG München BeckRS 2018, 2800). (Rn. 13 – 15) (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist offensichtlich unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist offensichtlich rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
Das Gericht folgt den zutreffenden Ausführungen im Bescheid, § 77 Abs. 2 AsylG.
1. Zu Recht wurde der Asylantrag gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als unzulässig abgelehnt.
Dänemark hat dem fristgerecht gestellten Übernahmeersuchen der Beklagten auf der Grundlage des Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO fristgerecht entsprochen. Dänemark ist damit gemäß Art. 22 Dublin III-VO der für den Asylantrag der Klägerin zuständige EU-Mitgliedstaat.
Besondere Umstände, die die ausnahmsweise Zuständigkeit der Beklagten nach Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO begründen oder nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO rechtfertigen bzw. bedingen würden, sind nicht ersichtlich. Insbesondere kann die Klägerin ihrer Überstellung nach Dänemark nicht mit dem Einwand entgegentreten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Dänemark systemische Schwachstellen aufwiesen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung i. S. d. Art. 4 der Grundrechtecharta (GRCh) mit sich brächten, so dass eine Überstellung nach Dänemark unmöglich wäre (Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 und 3 der Dublin III-VO).
Nach dem Konzept der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93 u.a. – juris) und dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta, der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Diese Vermutung ist jedoch nicht unwiderleglich. Den nationalen Gerichten obliegt im Einzelfall die Prüfung, ob ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesem Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 a.a.O Rn. 86). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aufgrund größerer Funktionsstörungen in dem zuständigen Mitgliedstaat regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris Rn. 5 f. m. w. N.). Bei einer zusammenfassenden, qualifizierten – nicht rein quantitativen – Würdigung aller Umstände, die für das Vorliegen solcher Mängel sprechen, muss diesen ein größeres Gewicht als den dagegen sprechenden Tatsachen zukommen, d. h. es müssen hinreichend gesicherte Erkenntnisse dazu vorliegen, dass es immer wieder zu den genannten Grundrechtsverletzungen kommt (vgl. VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 – juris).
Dazu, dass in Dänemark systemische Mängel des Asylverfahrens vorliegen, hat die Klagepartei nichts vorgetragen; es bestehen hierfür auch keine Anhaltspunkte (so auch VG Gelsenkirchen, U.v. 4.12.2015 – 6a K 430/15.A – juris Rn. 18 und 19; VG München, B.v. 1.3.2018 – M 1 S 17.52262 – juris; VG Freiburg, GB v. 31.7.2018 – A 9 K 2445/18 – juris). Die Behauptung der Klägerin, sie sei in Dänemark menschenunwürdig behandelt worden, blieb bloße, durch nichts belegte Behauptung, die vor dem Hintergrund, dass sie nach eigenem Vortrag in Dänemark 20 Jahre gelebt haben will, nicht nachvollziehbar ist.
2. Zu Recht verneint der Bescheid auf der Grundlage des § 31 Abs. 3 AsylG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Die Klägerin hat hierzu nichts Relevantes vorgetragen.
3. Die auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Dänemark ist rechtmäßig. Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote und inländische Vollstreckungshindernisse nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG, welche im Rahmen einer Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 AsylG zu prüfen sind (siehe dazu BayVGH, B.v. 12.3.2014 – Az. 10 CE 14.427 – juris), liegen offensichtlich nicht vor.
4. Die auf der Grundlage des § 75 Nr. 12 AufenthG i.V.m. § 11 Abs. 2 AufenthG getroffene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ist ebenfalls offensichtlich rechtmäßig.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, und zwar, weil sich die Unbegründetheit der Klage dem Gericht geradezu aufdrängt, als offensichtlich unbegründet nach § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 1 AsylG.
6. Dieser Gerichtsbescheid ist gemäß § 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO i.V.m. § 78 Abs. 1 AsylG unanfechtbar, auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung findet nicht statt (siehe VG München, GB v. 8.2.2008 – M 22 K 07.51094 – juris Rn. 33 m.w.N.; GB v. 12.9.2018 – M 1 K 17.47311 – juris).
… Beschluss
I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 1 S 17.51476) bleibt ohne Erfolg, da die Klage keine Aussicht auf Erfolg hat (siehe obigen Gerichtsbescheid) und deshalb die vom Gericht anzustellende Abwägung zwischen dem Aussetzungsinteresse der Antragstellerin und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin zu Lasten der Antragstellerin geht.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.


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