Europarecht

Rücknahme eines Zuwendungsbescheids

Aktenzeichen  M 31 K 19.4697

Datum:
27.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 3097
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
BayVwVfGArt. 48 Abs. 2 S. 2
BayHO Art. 23, Art.44
BGB § 133, § 157
VwGO § 124, § 124 a Abs. 4

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 14. August 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für den streitbefangenen Bescheid ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 9. Januar 2018 – ausgehend vom Zeitpunkt seines Erlasses – rechtswidrig war. Der Kläger durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG). Die Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG wurde gewahrt; auf Rechtsfolgenseite ist die Ermessensbetätigung des Beklagten nicht beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
1. Die Maßnahme, für die der Kläger bei der nach Nr. 7 Satz 2 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29. Juli 2015, hier anwendbar in der Fassung vom 4. April 2016 (vgl. Nr. 17 der Förderrichtlinien), zuständigen Regierung von Niederbayern eine Förderung beantragt hat, ist zwar dem Grunde nach förderfähig. Der Zuwendungsbescheid vom 9. Januar 2018 war allerdings wegen eines Verstoßes gegen Art. 23 und 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V.m. den vorgenannten Förderrichtlinien rechtswidrig, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Zuwendung aus dem bayerischen 10.000-Häuser-Programm hatte.
Bei Zuwendungen der vorliegenden Art handelt es sich um freiwillige Maßnahmen des Beklagten. Eine Rechtsnorm, die konkret einen Anspruch des Klägers auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinien im billigen Ermessen der Behörde und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 GG) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Richtlinien geregelt, müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig angewendet werden. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung der jeweiligen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt oder der Rahmen, der durch die gesetzliche Zweckbestimmung im zugrunde liegenden Haushaltsgesetz/Haushaltsplan gezogen ist, nicht beachtet worden ist. Entscheidend ist allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; BayVGH. U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26).
Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. In den hier einschlägigen Förderrichtlinien selbst wird zudem auch einleitend klargestellt, dass die Förderung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolgt (vgl. Vorbemerkung Satz 2 der Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms vom 29.7.2015 i.d.F. der Änderung vom 4.4.2016).
Der Förderbescheid vom 9. Januar 2018 war deshalb rechtswidrig, weil der Kläger entgegen Nr. 6.1 Satz 1 und 2 der Förderrichtlinien bereits vor der Bestätigung des Eingangs des elektronischen Förderantrags durch die Bewilligungsstelle, mit der die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn verbunden ist (vgl. Merkblatt A zu den Förderrichtlinien, S. 6 unter „Maßnahmenbeginn“), mit der beantragten Maßnahme begonnen hatte. Als Maßnahmenbeginn gilt nach der Vollzugspraxis zu Satz 3 der vorgenannten Nr. 6.1 der Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrages für bauliche Maßnahmen am Gebäude in Gestalt der verbindlichen Erteilung des ersten Auftrags durch den Kläger am 9. Oktober 2015.
Das Verbot des vorzeitigen Maßnahmenbeginns entspricht der Vorgabe des Art. 23 BayHO und stellt einen allgemeinen förderrechtlichen Grundsatz dar, der auch in den Förderrichtlinien zum bayerischen 10.000-Häuser-Programm ausdrücklich Niederschlag gefunden hat. Danach darf mit der Durchführung der zu fördernden Maßnahme nicht vor dem Eingang des elektronischen Förderantrags bei der Bewilligungsstelle begonnen werden. Sinn und Zweck des Verbots des vorzeitigen Maßnahmenbeginns ist zum einen der Schutz des Antragstellers vor finanziellen Nachteilen sowie zum anderen insbesondere die Sicherung einer ausreichenden Einwirkungsmöglichkeit der Bewilligungsstelle. Sie soll nicht vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Ein Antragsteller, der vor Erlass des Förderbescheides bzw. vor der Zustimmung der Bewilligungsstelle zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn mit der Realisierung der zur Förderung beantragten Maßnahme beginnt, gibt zu erkennen, dass er das Projekt ungeachtet einer möglichen staatlichen Förderung realisieren will und kann (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 39; U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris Rn. 18).
Der Kläger hat unter dem 9. Oktober 2015 ein Angebot/eine Bestellung für die Errichtung eines Einfamilienhauses mit Einliegerwohnung auf der Grundlage einer detaillierten Bauleistungs- und Ausstattungsbeschreibung und der dazugehörigen Pläne gegenüber der … … GmbH & Co. KG abgegeben. Dieses Angebot/diese Bestellung ist für den Kläger nach § 145 BGB verbindlich, führte im Anschluss mit der Annahme (§ 147 BGB) durch die … … GmbH & Co. KG am 22. Oktober 2015 zum bindenden Vertragsschluss und wurde vom Beklagten sonach zutreffend als förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn angesehen (vgl. zur „Sondervereinbarung – Projektfreigabe nachfolgend unter Rn. 32 ff.).
Maßgeblich für den Maßnahmenbeginn ist nach der Vollzugspraxis des Beklagten die Erteilung/Unterzeichnung des ersten Auftrages für bauliche Maßnahmen am Gebäude durch den Kläger am 9. Oktober 2015; dies entspricht auch den verschriftlichten Maßgaben im Merkblatt A zu den Förderrichtlinien (vgl. S. 6 unter „Maßnahmenbeginn“) und im Förderantrag (vgl. Nr. 3.b). Im Antrag hat der Kläger ausdrücklich erklärt, dass zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung noch nicht mit dem Vorhaben begonnen wurde, d.h. bis dahin von ihm noch kein Auftrag für bauliche Maßnahmen am Gebäude vergeben wurde.
Die ständige Verwaltungspraxis der Bewilligungsbehörden im Vollzug der Förderrichtlinien zum bayerischen 10.000-Häuser-Programm, wie sie dem Gericht aus diesem wie auch aus anderen Verfahren bekannt ist (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 31 f.; VG München, U.v. 10.4.2019 – M 31 K 17.5785 – juris Rn. 31; VG Regensburg, U.v. 13.9.2018 – RN 5 K 17.1888 – juris Rn. 45; VG Würzburg, U.v. 16.4.2018 – W 8 K 18.34 – juris Rn. 40), stellt nicht erst auf den Vertragsabschluss, sondern bereits auf das bindende Angebot des Kunden an den potentiellen Vertragspartner, hier also das des Klägers als Antragsteller der Förderung an die … … GmbH & Co. KG, ab.
In Nr. 6.1 Satz 5 der Förderrichtlinien zum bayerischen 10.000-Häuser-Programm in der im vorliegenden Fall noch nicht anwendbaren Fassung vom 24. Januar 2018 wurde im Übrigen zwischenzeitlich ausdrücklich formuliert, dass grundsätzlich eine bindende Willenserklärung des Antragstellers zum Vertragsschluss, d.h. ein(e) verbindliche(s) Angebot/Bestellung, maßgeblich ist. Die damit explizit in den Richtlinien verschriftlichte Maßgabe galt indes schon vorher und entsprach – wie von der Beklagtenseite unbestritten ausgeführt – der auch im Falle des Klägers geübten Verwaltungspraxis, sodass die Neufassung der Richtlinien insoweit auch als bloß deklaratorische Klarstellung einer bereits bestehenden Verwaltungspraxis anzusehen ist.
Förderunschädlichkeit ist nur dann gegeben, wenn das Angebot zum Vertragsabschluss bzw. die Bestellung eindeutig von der (Nicht-) Gewährung einer Förderung nach dem bayerischen 10.000-Häuser-Programm abhängig gemacht wird. Die rechtstechnische Ausgestaltung (aufschiebende oder auflösende Bedingung oder Rücktrittsrecht) spielt dabei keine maßgebliche Rolle (vgl. BayVGH aaO Rn. 32). Der Förderprätendent darf sich dem potentiellen Vertragspartner mithin rechtlich nicht bereits in solcher Weise „ausgeliefert“ haben, dass er sich nicht mehr selbstbestimmt vom Vertrag lösen kann, indem er das Zustandekommen und/oder den Bestand eines rechtswirksamen Vertrags und die Pflicht zu dessen Erfüllung einseitig beseitigt. Eine Zusatzerklärung, um sich vor einem solchen „Ausgeliefertsein“ an den potentiellen Vertragspartner zu schützen und das Angebot im Sinne einer Förderunschädlichkeit einzuschränken, setzt voraus, dass die Einschränkung erkennbar gerade wegen der Ungewissheit über die Bewilligung der erhofften staatlichen Zuwendung erklärt wird. Förderunschädlich ist also ein vor dem Förderantrag abgegebenes Vertragsangebot bzw. eine Bestellung gegenüber dem potentiellen Vertragspartner nur dann, wenn diese(s) derart gefasst ist, dass der Antragsteller für den Fall der Versagung der Zuwendung an sein Angebot oder den bereits geschlossenen Vertrag nicht gebunden und insoweit zur Loslösung nicht allein vom „guten Willen“ des Vertragspartners abhängig ist. Ein Angebot bzw. eine Bestellung muss in solcher Weise ausgestaltet sein, dass es rechtlich geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen (vgl. BayVGH; U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 36).
Der Vertreter des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung zur Förderpraxis im Hinblick auf die Eignung von Vorbehalten in Angeboten/Bestellungen, mit denen das Ziel der Vermeidung der Förderschädlichkeit infolge vorzeitiger Bindung verfolgt wird, ausgeführt, dass jedenfalls seit dem Ergehen des o.g. Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. Oktober 2019 solche Formulierungen gebilligt würden, die unter der Bedingung, dass die Förderstelle einen Antrag des Bauherrn auf Gewährung öffentlicher Mittel für das zu fördernde Objekt nicht bewillige, bzw. unter einem entsprechenden Rücktrittsrecht erfolgten.
Vor diesem Hintergrund ändert auch die „Sondervereinbarung – Projektfreigabe“, die vom 9. Oktober 2015 datiert und für die das Gericht als wahr unterstellt, dass sie zeitgleich mit dem Angebot bzw. der Bestellung vom Kläger unterzeichnet worden ist, nichts. Sie ist nicht so ausgestaltet, dass sie geeignet wäre, eine förderschädliche vorzeitige Bindungswirkung im Sinne eines rechtlichen „Ausgeliefertsein“ an den potentiellen Vertragspartner zu vermeiden.
Bei der Auslegung der Sondervereinbarung ist die Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers maßgeblich. Es kommt darauf an, wie die Erklärung aus Sicht des Empfängers bei objektiver Betrachtungsweise zu verstehen ist, wobei insbesondere der Wortlaut, der mit der Erklärung verfolgte Zweck, die Interessenlage der Beteiligten und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. §§ 133, 157 BGB; vgl. dazu z.B. BGH, U.v. 16.10.2012 – X ZR 37/12 – BGHZ 195, 126; BVerwG, B.v. 22.5.2017 – 8 B 57/16 – juris).
Aus der Sicht eines objektiven Empfängers kann aus den vorliegenden Gegebenheiten nicht geschlossen werden, dass mit dem Angebot bzw. der Bestellung vom 8. Oktober 2015, auch eingedenk der Sondervereinbarung, eine rechtliche Verbindlichkeit für den Kläger nicht entstehen sollte. Vielmehr haben sich beide Seiten mit dem Angebot/der Bestellung vom 9. Oktober 2015 und der Annahme durch die … … GmbH & Co. KG am 22. Oktober 2015 vertraglich bereits fest gebunden. Die Sondervereinbarung enthält für den Kläger als Auftraggeber ein kostenloses Rücktrittsrecht (Vorbehalt) von der Bestellung nur für den Fall, dass die Online-Beantragung der Fördermittel durch die hierzu beauftragte … … GmbH & Co. KG nicht möglich ist und nur dadurch das geplante Bauvorhaben nachweislich nicht zur Ausführung gelangt. Dieser Vorbehalt erlischt mit dem Erhalt der Eingangsbestätigung zum elektronischen Förderantrag und der damit erteilten Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn. Der Vorbehalt enthält bei objektiver Betrachtung keine Willenserklärung mit dem – wie vorstehend ausgeführt – allein förderunschädlichen Inhalt, dass für den Fall der Versagung der Zuwendung durch den Beklagten eine einseitige Möglichkeit des Klägers zur Vertragsauflösung bestünde. Die Erklärungen in der Sondervereinbarung vom 9. Oktober 2015 sind nicht ausreichend klar und eindeutig gefasst, um vorliegend davon ausgehen zu können, der Kläger habe sich seinem potentiellen Vertragspartner, der … … GmbH & Co. KG, nicht derart bindend „ausgeliefert“, dass er das Zustandekommen und den Bestand eines rechtswirksamen Vertrags in Abhängigkeit von der Nichtgewährung der erhofften staatlichen Fördermittel noch hätte einseitig beseitigen können. Wie der Beklagte zutreffend in seiner Klageerwiderung ausführt, bestand nach dem Wortlaut der Sondervereinbarung ein Rücktrittsvorbehalt zugunsten des Klägers nur insoweit, wie eine Online-Beantragung der Fördermittel nicht möglich ist. Dies ist für einen objektiven Empfänger unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und der Interessenlage der am Vertrag Beteiligten nur in der Weise zu verstehen, dass dieser Vorbehalt dann und nur dann eingreift, wenn das bayerische 10.000-Häuser-Programm bei Antragstellung entweder bereits eingestellt oder ausgelaufen gewesen wäre oder ein (im Übrigen der Sache nach kaum vorstellbares) dauerhaftes technisches Hindernis für die entsprechenden Onlineantragstellung beim Beklagten inmitten gestanden hätte. Keinesfalls wird damit aber ein – nach Wortlaut der Erklärung, Interessenlage der Vertragsbeteiligen und weiteren Begleitumständen – objektiv ausreichend fassbares, klares und eindeutiges einseitiges Loslösungsrecht des Klägers für den Fall der Nichtgewährung der staatlichen Fördermittel bis zum Zeitpunkt der Projektfreigabe zum Ausdruck gebracht. Im Gegenteil entspricht es objektiv betrachtet der Interessenlage der … GmbH & Co. KG, die die hier verwendete Sondervereinbarung auch vorformuliert hat, als Auftragnehmerin eine möglichst frühzeitige vertragliche Bindungswirkung herbeizuführen und die Möglichkeit der einseitigen Loslösungsmöglichkeit eines Auftraggebers vom Vertrag, die für sie mit Blick auf den Vertragsgegenstand „Fertighausbau“ und dessen monetärer Dimension mit nicht unerheblichen wirtschaftlichen Risiken verbunden ist, restriktiv auszugestalten. Gerade dafür spricht auch der gewählte Wortlaut des Rücktrittsvorbehalts in Satz 3 der Sondervereinbarung, der, wie ausgeführt, zum einen auf die Unmöglichkeit der Online-Beantragung abstellt und zum anderen kumulativ auch noch den Nachweis der Kausalität dafür verlangt, dass nur infolge der Unmöglichkeit der Online-Beantragung der Fördermittel das geplante Bauvorhaben nicht zur Ausführung gelangt ist. Weder also der Wortlaut der dem Kläger vom Auftragnehmer vorformulierten Sondervereinbarung noch die Interessenlage des Auftragnehmers streiten vorliegend für eine weit zu verstehende einseitige Loslösungsmöglichkeit des Auftraggebers vom Vertrag bzw. Angebot. Dazu kommt noch – worauf der Beklagte in seiner Klageerwiderung ebenfalls zutreffend hinweist -, dass der Kläger die … GmbH & Co. KG nach Satz 1 und 2 der Sondervereinbarung auch mit der Stellung des Onlineantrags für die Förderung beauftragt hat und somit den Zeitpunkt des Erlöschens des Rücktrittsrechts nach Satz 4 2. Tiret („Der Vorbehalt der Projektfreigabe erlischt mit dem Erhalt der Eingangsbestätigung zum elektronischen Förderantrag und der damit erteilten, sogenannten Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn.“) maßgeblich allein in die Hände seines Vertragspartners gelegt hat.
Die verwendete Formulierung der Sondervereinbarung genügt vorliegend mithin nicht dem, was der Beklagte zur Vermeidung eines vorzeitigen einseitigen rechtlichen „Ausgeliefertseins“ gegenüber einem potentiellen Vertragspartner nach seiner Verwaltungspraxis, wie er sie auch in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, für notwendig, aber auch ausreichend erachtet.
Bei der rechtlichen Betrachtung ist auch allein auf das Angebot/die Bestellung vom 9. Oktober 2015 (einschließlich der Sondervereinbarung) und dessen/deren Auslegung unter Zugrundelegung eines objektiven Empfängerhorizont abzustellen, nicht aber auf spätere Interpretationen eines Vertragsbeteiligten, vorliegend insbesondere in Gestalt des Schreibens der … … GmbH & Co. KG vom 26. Oktober 2018. Maßgeblich zu berücksichtigen sind die Umstände, wie sie sich zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots des Klägers vom 9. Oktober 2015 und der Annahme am 22. Oktober 2015 durch die … … GmbH & Co. KG für die Beteiligten nach dem Wortlaut, dem verfolgte Zweck, der Interessenlage und den Begleitumstände objektiv betrachtet darstellten. Grundsätzlich, wie auch hier, unerheblich sind indes spätere Einschätzungen und Bewertungen der Vertragspartner zu den (angeblich) mit einer vertraglichen Vereinbarung verfolgten (rechtlichen) Zielen; dies gilt jedenfalls mit Blick auf das hier streitige Zuwendungsverhältnis (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 38).
Das Angebot bzw. die Bestellung vom 9. Oktober 2015 kann also auch unter Berücksichtigung der „Sondervereinbarung – Projektfreigabe“ bei objektiver Betrachtung nicht so verstanden werden, dass damit ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn verhindert würde; der Kläger hat keine ausreichend klare und eindeutige Willenserklärung mit dem Gehalt eines Sonderkündigungsrechts oder einer aufschiebende oder auflösenden Bedingung für den Fall der Nichtgewährung von Fördermitteln nach dem bayerischen 10.000-Häuser-Programm abgegeben (BayVGH, U.v. 11.10.2019 aaO Rn. 32; vgl. auch SächsOVG, B.v.12.12.2016 – 1 A 311.15 – juris; NdsOVG, U.v. 13.9.2012 – 8 LB 58/12 – BauR 2013, 640). Die verwendete Sondervereinbarung war rechtlich nicht geeignet, um das gegebenenfalls mit ihr verfolgte Ziel der Vermeidung einer förderschädlichen vorzeitigen Bindungswirkung des Klägers im Sinne eines rechtlichen „Ausgeliefertseins“ gegenüber der … GmbH & Co. KG zu erreichen.
Nach alledem ist daher von einer verbindlichen und förderschädlichen vorzeitigen Bestellung des Klägers auszugehen. Der damit verbundene vorzeitige Maßnahmenbeginn führt zum Verlust der Förderfähigkeit. Einem Zuwendungsempfänger, der ein Vorhaben begonnen hat, ehe die Zuwendung bewilligt ist oder ehe der Zuwendungsgeber wenigstens dem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt hat, gleichwohl noch Zuwendungen zu gewähren, verstößt gegen Art. 23, 44 Abs. 1 Satz 1 BayHO i.V.m. den Förderrichtlinien zur Durchführung des bayerischen 10.000-Häuser-Programms.
Damit war der Zuwendungsbescheid vom 9. Januar 2018 rechtswidrig.
2. Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG) vom Beklagten zurückgenommen werden.
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Der Kläger hat bei Antragsstellung erklärt (vgl. Nr. 3.b „Erklärung des Antragstellers“ im Förderantrag vom 20.3.2017), dass zum Zeitpunkt der elektronischen Antragstellung am 18. Mai 2016 mit dem Vorhaben noch nicht begonnen wurde, d.h. noch kein Auftrag für bauliche Maßnahmen am Gebäude vergeben wurde, obwohl er am 9. Oktober 2015 – wie ausgeführt – die rechtlich bindende Bestellung des Hauses bei der … … GmbH & Co. KG aufgegeben hatte. Gleichzeitig hat er bei der Antragstellung auch bestätigt, dass er die einschlägigen Richtlinien und Merkblätter zur Kenntnis genommen hat.
Vor diesem Hintergrund greift neben Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auch Nr. 3 der Vorschrift ein. Danach kann sich der Begünstigte auf ein schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, wenn er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
Der vorzeitige Maßnahmenbeginn fällt in den Verantwortungsbereich des Klägers (vgl. BayVGH, U.v. 6.12.2016 – 22 ZB 16.2037 – juris). Selbst wenn man dem Kläger zugutehalten möchte, dass der Maßnahmenbeginn zum Zeitpunkt seiner Antragstellung in den damals einschlägigen Förderrichtlinien unter Nr. 6.1 Satz 3 – abweichend von der Formulierung im Antragsformular (vgl. Nr. 3.b) und im Merkblatt A (vgl. „Maßnahmenbeginn“), die jeweils auf die Vergabe/Unterzeichnung eines (ersten) Auftrags für bauliche Maßnahmen abstellen – noch mit der Formulierung „mit Abschluss eines der Ausführung zuzurechnenden Lieferungs- oder Leistungsvertrags“ gefasst war, so hätte es dem Kläger bei Zweifeln oblegen, sich vor Antragstellung bei der Bewilligungsbehörde Klarheit zu verschaffen, ob durch das Angebot/die Bestellung vom 9. Oktober 2015, zumal gerade auch mit Blick auf die „Sondervereinbarung – Projektfreigabe“, bereits ein förderschädlicher vorzeitiger Maßnahmenbeginn vorgelegen hat (vgl. OVG NRW, U.v. 20.4.2012 – 4 A 1055/09 – juris; B.v. 8.1.2013 – 4 A 149/12 – juris; OVG Brandenburg, U.v. 11.2.2004 – 2 A 680/03 – juris). Die Obliegenheit, sich bei Unklarheiten über die konkreten Bedingungen der Auszahlung, der Verwendung und der Abwicklung der Zuwendung bei der Bewilligungsstelle zu informieren, folgt aus der Eigenart des Zuwendungsverhältnisses. Dieses ist dadurch geprägt, dass der Zuwendungsempfänger Steuergelder, die dem haushaltsrechtlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 7 Abs. 1 BayHO) unterfallen, letztlich für eigene Zwecke ausgibt. Der vorzeitige Maßnahmenbeginn fällt daher grundsätzlich, wie auch hier, in den Verantwortungsbereich des Antragstellers.
Zudem durfte der Kläger auch als juristischer Laie gerade nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass er sich noch nicht rechtlich gebunden hatte, obwohl er bereits eine detaillierte Bestellung für ein Fertighaus abgegeben hat. Dem Kläger hätte es sich bei der Bestellung des Hauses, gerade auch unter Berücksichtigung der „Sondervereinbarung – Projektfreigabe“, und im Anschluss auch bei der Stellung des Förderantrags unter Zugrundlegung und Berücksichtigung der verwendeten Unterlagen bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt im Geschäftsverkehr aufdrängen müssen, dass er damit bereits ein rechtsverbindliches Angebot nach § 145 BGB abgegeben hatte und sich nicht mehr einseitig frei von dieser Verpflichtung lösen konnte.
Der Kläger hat durch sein Verhalten folglich auch die erforderliche Sorgfalt in grobem Maße verletzt.
Sein Vertrauen ist somit nicht schutzwürdig, selbst wenn er die Fördermittel bei seiner Vermögensdispositionen miteinbezogen hat (vgl. Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Wenn der Kläger, wie hier, sehenden Auges eine Bestellung unterschreibt, bevor er die Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn vom Beklagten erlangt hat, kann er gerade nicht darauf vertrauen, gleichwohl eine Förderung zu erhalten und auch behalten zu dürfen.
3. Der Beklagte hat schließlich auch ermessensfehlerfrei von seiner Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht. Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die im Bescheid angeführten Erwägungen der Regierung von Niederbayern sind sonach nicht zu beanstanden.
Nach Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG wird in den Fällen des Satzes 3 der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. In einem solchen Fall entfällt sodann nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es greift zudem auch eine entsprechende Ermessenslenkung im Sinne einer regelmäßigen behördlichen Pflicht zur Rücknahme ein. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. statt vieler Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2019, § 48 Rn. 127b und 127c), für dessen Vorliegen vorliegend allerdings nichts ersichtlich ist. Die Regierung von Niederbayern hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit der Haushaltsführung (Art. 7 Abs. 1 BayHO) für die Rücknahme spricht und keine besonderen schutzwürdigen Gründe für den Bestand des Zuwendungsbescheids inmitten stehen. Diese Vorgehensweise entspricht der geübten Verwaltungspraxis des Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinie und genügt auch insoweit dem Gleichheitssatz.
4. Die Regierung von Niederbayern hat den Zuwendungsbescheid vom 9. Januar 2018 auch gemäß Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme von den Tatsachen, die die Rücknahme des Bescheids rechtfertigen, zurückgenommen. Zur Rechtfertigung der Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts gehört – neben weiteren Voraussetzungen – die Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, der zurückgenommen werden soll. Die Frist für die Rücknahme beginnt deshalb erst zu laufen, wenn die Behörde die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erkannt hat und ihr dazu die für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt sind (vgl. rechtsgrundsätzlich BVerwG, B.v. 19.12.1984 – BVerwG GrS 1.84 und 2.84 – BVerwGE 70, 356; aktuell U.v. 23.1.2019 – 10 C 6/17 – juris Rn. 39). Es handelt sich bei der Frist nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG folglich um eine Entscheidungs-, nicht aber um eine Bearbeitungsfrist.
Der Beklagte hat erst nach Eingang der vom Kläger im Zuge seiner Anhörung (Schreiben des Beklagten vom 2.5.2019) vorgelegten Unterlagen, zuletzt mit E-Mail vom 12. Mai 2019, und nach Ablauf der Anhörungsfrist am 31. Mai 2019 die für den Fristanlauf nach Art. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG notwendige Tatsachenkenntnis erlangt, sodass der Erlass des Rücknahmebescheids am 14. August 2019 ohne weiteres innerhalb der Jahresfrist erfolgt ist.
Die Klage war nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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