Europarecht

Schadensersatz aufgrund des Erwerbs eines vom sogenannten Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs (hier: VW Golf Variant 1,6 TDI)

Aktenzeichen  32 O 1936/18

Datum:
21.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 12815
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 31, § 826
ZPO § 32

 

Leitsatz

1. Zur VW-Abgasskandal-Thematik vgl. grundlegend BGH BeckRS 2020, 10555; vgl. auch OLG München BeckRS 2020, 34041; BeckRS 2020, 34151; BeckRS 2020, 34153; OLG Bamberg BeckRS 2020, 33045; BeckRS 2020, 33157; sowie die Aufzählung ähnlich gelagerter VW-Diesel-Fälle bei OLG München BeckRS 2020, 25691 (dort Ls. 1); OLG München BeckRS 2020, 27215 (dort Ls. 1); OLG Köln BeckRS 2019, 42328 (dort Ls. 1); OLG Koblenz BeckRS 2020, 14352 (dort Ls. 1), OLG Stuttgart BeckRS 2020, 7002 (dort Ls. 1), OLG Jena BeckRS 2020, 8618 (dort Ls. 1), OLG Oldenburg BeckRS 2020, 6234 (dort Ls. 1) und KG BeckRS 2019, 29883 (dort Ls. 5); mit gegenteiligem Ergebnis noch: OLG München BeckRS 2019, 33738; BeckRS 2019, 33753; OLG Braunschweig BeckRS 2019, 2737. (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Käufer eines vom Diesel-Abgasskandal erfassten Fahrzeugs steht gegen die Herstellerin ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des für den Erwerb des Fahrzeugs aufgewandten Kaufpreises abzüglich Vorteilsausgleich für die Nutzung Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs zu. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu typischen Detailfragen aus VW-Dieselfällen hier: Gesamtlaufleistung 250.000 km; keine Deliktszinsen; Geschäftsgebühr von 1,3, da die Kanzlei der Klägervertreter gerichtsbekannt eine Reihe von Geschädigten des „Abgasskandals“ vertritt, sodass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate relativiert. (Rn. 28, 29 und 32) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.377,94 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke Volkswagen Golf Variant mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer …, sowie weitere 571,44 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.02.2019 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des Fahrzeugs der Marke Volkswagen Golf Variant mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer … im Annahmeverzug befindet
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 61 % und die Beklagte 39 % zu tragen.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

I.: Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Memmingen gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig. Die Beklagte hat sich auch rügelos eingelassen.
II.: Die Klage ist überwiegend begründet. Die Klagepartei hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe des Kaufpreises, jedoch abzüglich einer angemessenen Entschädigung für die Nutzung, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeuges aus §§ 826, 31 BGB. Hinsichtlich der Begründung wird bereits jetzt auf die Entscheidung des OLG München vom 15.10.2019 mit dem Aktenzeichen 24 U 797/19 Bezug genommen. Das erkennende Gericht schließt sich der Begründung aus diesem Urteil vollumfänglich an, so dass die Begründung teilweise auch wörtlich übernommen wird.
1) Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte gemäß §§ 826, 31 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu.
a) Das Inverkehrbringen eines Motors mit der streitgegenständlichen Umschaltlogik und von Autos mit entsprechendem Motor stellt eine konkludente Täuschung dar, da dies in der Kenntnis erfolgt ist, dass das Fahrzeug ohne eine entsprechende Information der Käufer an diese veräußert wird, und zwar sowohl an den Erstkäufer, als auch an eine zunächst nicht feststehende Anzahl von folgenden Gebrauchtwagenkäufern. Mit der Inverkehrgabe des Motors bringt der Hersteller jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das damit ausgerüstete Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf, das heißt über eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis verfügt. Im vorliegendem Fall führt aber die vorhandene Einrichtung dazu, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, sodass dem Fahrzeug die Typgenehmigung nie hätte erteilt werden dürfen.
b) Die Entscheidung der Beklagten, den hier im Streit stehenden Motor EA 189, in den die oben genannte Software eingebaut war, mit der erschlichenen Typgenehmigung in den Verkehr zu bringen, stellt eine sittenwidrige Handlung dar.
aa) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zur ermitteln ist, gegen das Anstandsgsfühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflichtverletzung begeht und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Dabei kann es auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Sie kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH, Urteil vom 28.06.2016, Aktenzeichen 6 ZR 516/15). Bezüglich des Anstandsgefühls aller billig und gerecht Denkenden kommt es wesentlich auf die berechtigten Verhaltenserwartungen im Verkehr an.
bb) Ausgehend von diesen Maßstäben ist das Verhalten der Beklagten als sittenwidrig einzustufen. Als Beweggrund für die Vornahme der Manipulation am Motor beziehungsweise der Abgassteuerung und Reinigung und der entsprechenden Täuschung darüber, kommen vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Es erscheint lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegengen wäre.
cc) Grundsätzlich ist allein ein Handeln aus Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Hier kommen aber weitere Umstände hinzu:
(1) Hier erscheint zum einen die Art und Weise der Täuschung als verwerflich: In diesem Rahmen ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufwand zentrale Zulassungsvorschriften umgangen und zugleich ihre Kunden konkludent getäuscht hat. Sie hat dabei nicht nur einfach vorgeschriebene Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der vorgenommenen Manipulation an diesem Motortyp für alle davon betroffenen Fahrzeuge zugleich ein System der planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden einerseits sowie nachfolgend, nach dem Inverkehrbringen der Fahrzeuge, gegenüber den Verbrauchern andererseits geschaffen. Es lag also eine bewusste Täuschung der Aufsichtsbehörden einerseits und der Verbraucher andererseits vor, um die entsprechenden Typgenehmigungen für die Fahrzeuge zu erhalten und diese dann so Inverkehrbringen zu können, um dadurch entsprechende Vertragsschlüsse der Händler mit den Kunden herbeiführen zu können.
(2) Zum anderen ergibt sich die Verwerflichkeit des Handelns aus den resultierenden Folgen: Den Käufern drohte – jedenfalls bis zur Ermessensentscheidung des KBA vom 14.10.2015 – ein erheblicher Schaden in Form der Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge.
c) Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren. Die Haftung aus § 826 BGB knüpft – anders als etwa ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit bestimmten europarechtlichen Normen – nicht unmittelbar an einen Verstoß gegen Artikel 5 Abs. 2 S. 1 Verordnung 715-2007-EG an, sondern folgt aus der mit dem Inverkehrbringen des Motors verbundenen Täuschung über die Erfüllung der materiellen Typgenehmigungsvoraussetzungen. Denn sie erfolgte in der Kenntnis, dass der Motor in Fahrzeuge eingebaut wird, deren Erwerber über die Abschalteinrichtung nicht informiert werden. Diese Pflichtverletzung ist für den Rechtskreis des Käufers ersichtlich von Bedeutung, weil über einen die Kaufentscheidung wesentlich beeinflussenden Umstand getäuscht wird.
d) Die subjektiven Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 826 BGB gegen die Beklagte sind zu bejahen. Die Beklagte hat die Klägerin vorsätzlich geschädigt. Sie muss sich das Verhalten ihrer Repräsentanten nach § 31 BGB zurechnen lassen. Die Klagepartei hat ausreichend konkret vorgetragen, dass zumindest „bedeutende Repräsentanten“ Kenntnis von der Manipulation hatten. Sie hat auch behauptet, dass Vorstandsmitglieder der Beklagten von der Manipulation Kenntnis hatten. Das Bestreiten der Beklagten ist insoweit nicht substantiiert genug. Im Übrigen würden insoweit auch die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zum Tragen kommen, sodass die Beklagte konkreter vortragen müsste, dass tatsächlich keiner ihrer Repräsentanten oder Vorstandsmitglieder Kenntnis hatte (vgl. insbesondere OLG München a.a.O.). Bereits aus der Verheimlichung des Einsatzes der Software gegenüber dem KBA, den beteiligten Stellen und potenziellen Kunden gegenüber ergibt sich mit hinreichender Sicherheit, dass die beteiligten Repräsentanten der Beklagten in der Vorstellung handelten, dass der Einsatz der Software zu Schwierigkeiten hinsichtlich der Typgenehmigung und der Betriebszulassung der so ausgestatteten Fahrzeuge führen könnte und dass potenzielle Kunden Fahrzeuge, die derart mit rechtlichen Unsicherheiten belastet waren, nicht ohne weiteres erwerben würden.
e) Durch die Täuschung hat die Klagepartei einen Vermögensschaden erlitten.
aa) Der Schaden liegt bereits in dem Abschluss des Kaufvertrages, denn die Klägerin hat im Gegenzug für die Zahlung des Kaufpreises einen gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB mangelhaften Wagen erhalten. Für die gewöhnliche Verwendung eignet sich ein Kraftfahrzeug grundsätzlich nur dann, wenn es eine Beschaffenheit aufweist, die weder seine (weitere) Zulassung zum Straßenverkehr hindert, noch ansonsten seine Gebrauchsfähigkeit aufhebt oder beeinträchtigt. Dem hat das von der Klägerin erworbene Fahrzeug bei Gefahrübergang aufgrund der Abschalteinrichtung nicht entsprochen, da der PKW die vorgeschriebenen Stickoxid-Werte nur auf dem Rollenprüfstand, aber nicht im realen Fahrbetrieb erreicht. In Folge der nach Artikel 5 Abs. 2 Verordnung 715-2007-EG unzulässigerweise installierten Abschalteinrichtungen war der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr bei Gefahrübergang nicht gewährleistet; damit eignete sich das Fahrzeug nicht zur gewöhnlichen Verwendung.
bb) Die Täuschung war auch kausal für den Abschluss des Kaufvertrages. Sowohl die weitere Nutzbarkeit des PKW im Straßenverkehr als auch dessen Einstufung nach der Schadstoffklasse Euro 5 hinsichtlich der KFZ-Steuer waren aufgrund des Einbaus der Abschalteinrichtung gefährdet. Ein durchschnittlicher Käufer erwartet jedenfalls, dass das Fahrzeug während der üblichen Nutzungsdauer ohne Einschränkungen verwendet werden kann. Gerade dies war zur Zeit des Kaufvertragsschlusses nicht gewährleistet. Es war nicht sicher vorhersehbar, wie das KBA auf das Bekanntwerden der Täuschung reagieren würde.
cc) Der Schaden ist nicht durch das Softwareupdate entfallen, ohne dass es darauf ankommt, ob der PKW seit dessen Durchführung Probleme macht. Der der Klägerin zustehende Schadensersatzanspruch bestand in der Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeuges. Das Softwareupdate stellt allein ein Angebot der Schadenswiedergutmachung dar. Aus dessen Annahme durch die Klägerin kann nicht geschlossen werden, dass sie sich damit zufrieden gegeben hätte. Hierzu war sie vielmehr im Rahmen der Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB verpflichtet, um angesichts der Entscheidung des KBA die fortgesetzte Nutzung des erworbenen PKWs sicherzustellen und den Eintritt eines höheren Schadens, etwa durch die Anmietung eines Ersatzfahrzeuges, zu vermeiden. Einem von vornherein mangelfreien PKW steht das Fahrzeug dadurch nicht gleich. Es handelt sich weiterhin um ein vom Abgasskandal „bemakeltes“ Fahrzeug, vergleichbar mit einem Unfallfahrzeug, das diese Eigenschaft selbst durch eine fachgerechte Reparatur nicht verliert.
f) Die Klägerin kann damit grundsätzlich gemäß § 249 Absatz 1 BGB die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen die Herausgabe und Übereignung des PKWs an die Beklagte verlangen. Allerdings ist für die durch die Klägerin bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung gezogenen Nutzungen eine Entschädigung abzuziehen (vgl. OLG München a.a.O.).
aa) Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Gleichartige Gegenansprüche sind automatisch zu saldieren. Dies wird von der Klagepartei auch nicht bestritten, die sich bereits in ihrem Antrag eine Nutzungsentschädigung anrechnen lässt.
bb) Die zeitanteilige lineare Wertminderung ist im Vergleich zwischen tatsächlichem Gebrauch und voraussichtlicher Gesamtnutzungsdauer, ausgehend vom Bruttokaufpreis im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO zu ermitteln (BGH, Urteil vom 17.05.1995, Az. 8 ZR/70/97). Dabei ist Anknüpfungspunkt der gezahlte Bruttokaufpreis, der den Nutzungswert des Fahrzeuges verkörpert. Die im Einzelfall unter gewöhnlichen Umständen zu erzielende Gesamtfahrleistung stellt den Gesamtgebrauchswert dar. Zu vergüten sind die Gebrauchsvorteile bei der Rückgabe des Fahrzeuges. Das Gericht schätzt gemäß § 287 ZPO die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeuges auf 250.000 km, was letztlich auch der ständigen Rechtsprechung entspricht. Bei Erwerb des Fahrzeugs waren davon bereits 58.936 km „verbraucht“, so dass von einer Restfahrleistung von 191.064 km auszugehen war. Der Kilometerstand am Sitzungstag betrug 204.867 km, so dass sich eine Nutzung der Klägerin von 145.931 km errechnet. Hieraus errechnet sich die Nutzungsentschädigung zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in Höhe von 10.922,06 € (= 14.300,00 € / 191.064 km * 145.931 km). Damit verbleibt ein ersatzfähiger Schadensbetrag in Höhe von 3.377,94 €.
g) Ein Anspruch der Klagepartei auf Verzinsung des von ihr geleisteten Kaufpreises gemäß § 849 BGB besteht nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. Urteil vom 26.11.2007, Az. 2 ZR 167/06) besteht der Normzweck des § 849 BGB darin, dass der Zinsanspruch den endgültig verbleibenden Verlust an Nutzbarkeit der Sache ausgleichen soll, der durch den späteren Gebrauch derselben oder einer anderen Sache nicht nachgeholt werden kann. Dieser Schutzzweck ist hier nicht betroffen, da die Klagepartei im Austausch für den gezahlten Kaufpreis das Fahrzeug nutzen konnte. Das Risiko, dass im Falle der Entdeckung die Zulassung entzogen und die Typgenehmigung widerrufen werden würde, hat sich während der Dauer der Nutzung durch die Klagepartei nicht realisiert; daher kann damit eine Zinspflicht nach § 849 BGB ab der Zahlung des Kaufpreises nicht begründet werden. Die Klägerin kann die gesetzlichen Verzugszinsen gemäß § 288 Absatz 1 BGB wie beantragt ab Rechtshängigkeit verlangen.
h) Der Anspruch auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Klagepartei besteht gemäß § 249 Absatz 1 BGB in Höhe von 571,44 €.
aa) Der Gegenstandswert bemisst sich nach der Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruches. Grundsätzlich wäre hier auf den Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters abzustellen. Allerdings ist der Kilometerstand zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. In der Klage wird allerdings der Kilometerstand zum Zeitpunkt der Klageerhebung mit 172.761 km angegeben, so dass hilfsweise auf diesen Kilometerstand abgestellt wird (erster bekannter Zeitpunkt). Es ergibt sich eine Nutzungsentschädigung zu diesem Zeitpunkt in Höhe von 8.519,12 €, sodass ein Anspruch in Höhe von 5.780,88 € bestanden hätte, der den Gegenstandswert bestimmt.
bb) Das Gericht setzt für die Geschäftsgebühr nach Nummer 2300 VV RVG die Mittelgebühr von 1,3 an. Zwar mag die Tätigkeit für sich betrachtet überdurchschnittlich umfangreich und schwer gewesen sein, was sich allerdings im außergerichtlichen Schreiben (Anlage K27) nicht niederschlägt. Entscheidend ist aber, dass die Kanzlei der Klägervertreter gerichtsbekannt eine Reihe von Geschädigten des „Abgasskandals“ vertritt, sodass sich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die große Zahl der Mandate relativiert. Daraus errechnet sich der berechtigte Gebührenanspruch auf 571,44 €. Dieser Anspruch ist, wie beantragt, ab Rechtshängigkeit zu verzinsen.
2) Ob weitere Anspruchsgrundlagen durchgreifen, kann offen bleiben, weil sich aus ihnen jedenfalls keine weitergehenden Ansprüche ergeben.
3) Nachdem der Hauptantrag im Wesentlichen erfolgreich war, ist der Hilfsantrag nicht mehr zu prüfen. Es kommt daher auch nicht mehr darauf an, dass dieser Antrag wohl schon nicht zulässig wäre. Nachdem ein bezifferter Klageantrag ohne weiteres möglich ist, wie sich schon aus dem Hauptantrag ergibt, bleibt kein Raum für eine subsidiäre Feststellungsklage. Ein höherer Anspruch könnte sich aus dem Antrag ohnehin nicht ergeben.
III.: Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 ZPO.
IV.: Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 709, 711 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben