Europarecht

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Aktenzeichen  71 O 3465/19

Datum:
5.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55980
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 39.999,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist im Hauptantrag zu 2 unzulässig und auch im Hilfsantrag zu 2.b unzulässig; im Übrigen ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet. Sie wäre im Übrigen auch unbegründet, soweit sie unzulässig ist.
I.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist in Ziffer 2 nur im Hilfsantrag zu 2.a zulässig. Der Hauptantrag zu 2 sowie der Hilfsantrag zu 2.b sind unzulässig. Es fehlt jeweils das Feststellungsinteresse wegen des Vorrangs der Leistungsklage, § 256 Abs. 1 ZPO.
Die Höhe des Kaufpreises, welchen der Kläger hier in erster Linie begehrt, ist bezifferbar. Eine Feststellungsklage ist jedoch lediglich dann zulässig, wenn dem Kläger eine Bezifferung seines Schadens gegenwärtig nicht möglich wäre oder der Kläger seinen Schaden nicht ohne Durchführung einer aufwändigen Begutachtung beziffern oder noch nicht beziffern könnte, weil Art, Umfang, Dauer und Kosten der Schadensbehebung noch offen sind (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1520). Auch ist für eine zulässige Antragstellung weder eine Darlegung der Höhe der Nutzungsentschädigung durch die Beklagte noch ein Sachverständigengutachten erforderlich. Denn ein etwaiger Vorteil wird vom Schadensersatzanspruch automatisch abgezogen, ohne dass es einer entsprechenden Erklärung des Schädigers bedarf.
Im Hinblick auf den Hilfsantrag zu 2.b sind weitere drohende Schäden nicht ersichtlich, sodass gerade nicht bislang lediglich ein Teil des geltend gemachten Schadens schon entstanden und damit bezifferbar wäre.
Im Übrigen wären die Anträge aus den nachgenannten Gründen auch unbegründet.
II.
Die Klage gegen die Beklagte zu 2) ist – unabhängig von ihrer Zulässigkeit – auch insgesamt unbegründet. Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Der mit dem Hilfsantrag zu 2.a verfolgte Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte zu 2) besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.
a) Dem Kläger stehen gegen die Beklagte zu 2) keine Ansprüche nach §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB zu. Zwischen den Parteien des Rechtsstreits ist auch durch den Kaufvertrag mit der Beklagten zu 1) kein Schuldverhältnis im Sinne des § 311 Abs. 3 BGB begründet worden. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beklagte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen, die Vertragsverhandlungen wesentlich beeinflusst oder ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgt hätte (BeckOK-BGB/Sutschet BGB § 311 Rn. 114). Hiervon konnte sich das Gericht nicht überzeugen. Der Kläger hat das streitgegenständliche Fahrzeug bei der Beklagten zu 1) erworben. Die Beklagte zu 2) war in die Vertragsverhandlungen nicht eingebunden, hat auf die Vertragsverhandlungen keinen Einfluss genommen und hat auch kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse verfolgt. Aus der Bestimmung § 311 Abs. 3 BGB lässt sich keine Haftung des Produzenten für Vermögensschäden aller Endabnehmer ableiten (Sutschet aaO).
b) Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch aus § 826 BGB. Dem Kläger ist im vorliegenden Fall von der Beklagten zu 2) nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich ein Schaden zugefügt worden.
In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Inverkehrbringen eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet ist, grundsätzlich eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung liegen kann, wenn insoweit der Widerruf der Typengenehmigung oder die Stilllegung des Fahrzeugs drohe, wenn an einer Rückrufaktion zur Beseitigung der Abschalteinrichtung nicht teilgenommen werde. Mit der Inverkehrgabe des Fahrzeugs bringe der Hersteller nämlich jedenfalls konkludent zum Ausdruck, dass das Fahrzeug entsprechend seinem objektiven Verwendungszweck im Straßenverkehr eingesetzt werden darf. Dies setze voraus, dass nicht nur die erforderlichen Zulassungs- und Genehmigungsverfahren formal erfolgreich durchlaufen wurden, sondern auch, dass die für den Fahrzeugtyp erforderliche EG-Typengenehmigung nicht durch eine Täuschung der zuständigen Behörde erschlichen worden ist und das Fahrzeug für den für deren Erhalt und Fortdauer einzuhaltenden Vorschriften tatsächlich nicht entspricht.
Der Kläger hat mehrere Sachverhalte vorgebracht, die nach seinem Vortrag eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen und seine Schadensersatzforderungen begründen sollen. Der entsprechende klägerische Vortrag ist aber nicht geeignet, der Klage zur Begründetheit zu verhelfen. Im Einzelnen:
Soweit der Kläger behauptet, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Aufheizstrategie verbaut, die – genau wie die Prüfstanderkennung der Volkswagen AG – eine Prüfstandsituation erkenne und in einen Fahrmodus mit weniger Schadstoffausstoß schalte, handelt es sich um willkürlichen Sachvortrag ins Blaue hinein, bei dem angebotenen Sachverständigenbeweis um eine zivilprozessual unzulässige Ausforschung.
Zwar ist anerkannt, dass die Annahme eines solchen willkürlichen Sachvortrag ins Blaue hinein nur ausnahmsweise angenommen werden darf. Eine Partei darf nämlich im Zivilprozess Tatsachen behaupten, über die sie keine genaue Kenntnis hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Eine prozessual unzulässige Ausforschung ist allerdings dann gegeben, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich, „aufs Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ Behauptungen aufstellt. So liegt der Fall jedoch hier. Die Behauptung des Klägers hinsichtlich des Vorliegens einer Prüfstanderkennungssoftware erfolgt ins Blaue hinein. Entsprechende konkrete Anhaltspunkte hat der Kläger trotz des Umfangs seines Vortrages nicht vorgetragen. Insbesondere ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt hinsichtlich des vorliegenden Fahrzeugs nicht erfolgt ist. Vielmehr hat der Kläger zum Vorliegen einer Prüfstandtag lediglich pauschal vorgetragen, dass diese vorliege. Anhaltspunkte, aus denen sich ergeben würde das eine solche Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Fahrzeug möglicherweise vorliegt, nennt der Kläger aber nicht.
Soweit der Kläger vorträgt, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug befindet sich eine Abschalteinrichtung, die bei Erreichen eines bestimmten unteren Temperaturgrenzwertes die Abgasreinigung abschalte (sog. Thermofenster), ist eine Beweisaufnahme durch Erholung eines Sachverständigengutachtens schon deshalb nicht geboten, weil der Vortrag bereits von Rechts wegen einen Schadensersatzanspruch nicht begründen kann.
Denn das Inverkehrbringen des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem Thermofenster ist nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Im Allgemeinen genügt es dafür nicht, dass der Handelnde eine Pflichtverletzung und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. In diesem Rahmen spielen Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden, die die Bewertung eines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen, eine Rolle.
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, ist das Verhalten der Beklagten zu 2), ein mit einem sogenannten Thermofenster ausgestattetes Fahrzeug in den Verkehr zu bringen, nicht als sittenwidrige Handlung zu bewerten. Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob das im streitgegenständlichen Fahrzeug installierte Thermofenster eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung darstellt oder nicht.
Bei einer Abschalteinrichtung, die vom Grundsatz her im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeitet wie auf dem Prüfstand und bei der Gesichtspunkte des Motor- oder Bauteilschutzes als Rechtfertigung ernsthaft angeführt werden können, kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Handelnden bzw. Verantwortlichen bei der Beklagten zu 2) in dem Bewusstsein gehandelt haben, möglicherweise eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden (OLG Stuttgart, Urteil vom 30.07.2019, Az. 10 U 134/19, Rn. 82; OLG Frankfurt, Urteil vom 07.11.2019, Az. 6 U 119/18, Rn. 33).
Dies zeigt sich bereits daran, dass keineswegs unzweifelhaft ist, ob das sog. Thermofenster überhaupt eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Es ist daher ohne weiteres denkbar, dass beim unterstellten Einsatz des Thermofensters die vertretbare Gesetzesauslegung vertreten wurde, es würde sich um eine zulässige Abschalteinrichtung handeln (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.11.2019, Az. 6 U 119/18, Rn. 32; Schleswig-Holsteinisches OLG, Hinweisbeschluss vom 23.08.2019, Az. 3 U 13/19; OLG Köln, Beschluss vom 04.07.2019, Az 3 U 148/18).
Unstreitig ist, dass das Thermofenster nicht zwischen einem Betrieb auf dem Prüfstand und dem realen Betrieb unterscheidet, sondern maßgeblich allein die Umgebungstemperatur ist.
Das Gericht schließt sich insoweit der Auffassung zahlreicher Oberlandesgerichte an, wonach ein Handeln unter vertretbarer Auslegung des Gesetzes nicht als besonders verwerfliches Verhalten angesehen werden kann.
Aus denselben Gründen dringt der Kläger auch mit seiner Behauptung nicht durch, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug käme eine SCR-Technologie mit AdBlue-Einspritzung zum Einsatz, die so geschaltet sei, dass nur auf dem Rollenprüfstand genügend AdBlue eingespritzt werde und so auch nur dort die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte erreicht würden.
Der klägerische Vortrag, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug sei eine Abschalteinrichtung verbaut, welche auf das Getriebe einwirke und bei einer Lenkraddrehung um mehr als 15 Grad ausgelöst werde, was auf dem Rollenprüfstand nicht vorkomme, ist unsubstanziiert und ins Blaue hinein. Auf die obigen Ausführungen wird Bezug genommen.
c) Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 2) auch keinen Anspruch aus § 831 BGB. Denn nach vorigen Ausführungen hat der Kläger bereits eine Sorgfaltspflichtverletzung der Beklagten zu 2) als Unternehmen nicht dargelegt und nachgewiesen.
d) Aus den genannten Gründen hat der Kläger auch keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB.
Hinsichtlich des Thermofensters fehlt es zumindest an einem Vorsatz der Beklagten zu 2). Die Verwendung weiterer Abschalteinrichtungen ist nicht hinreichend dargelegt.
e) Soweit der Kläger davon ausgeht, ihm stünden die geltend gemachten Ansprüche auch unter dem Gesichtspunkt unionsrechtlicher Schutzvorschriften zu, teilt das Gericht diese Rechtsauffassung nicht.
Anders als der Kläger meint, stellen die zitierten unionsrechtlichen Normen keine Schutzgesetz dar (OLG München, Beschluss vom 29.08.2019, Az 8 U 1449/19; OLG Koblenz, Urteil vom 21.10.2019, Az. 12 U 246/19).
Ein Schutzgesetz ist dann ein solches, wenn es zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen (Sprau in Palandt, BGB, 77. Aufl., § 823, RdNr. 58). Dabei kommt es auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten eben dieser Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder zumindest mitgewollt hat. Bei Vorschriften, die – wie hier §§ 6, 27 EG-FGV – Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie – hier der RL 2007/45/EG – an (LG Braunschweig, Urteil vom 10.01.2018, Az. 3 O 622/17, RdNr. 27 mit Verweis auf BGH, EuGH-Vorlage vom 09.04.2015, Az. VII ZR 36/14).
Die RL 2007/46/EG bezweckt jedoch die Harmonisierung des Binnenmarktes und zielt auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und Gesundheit, rationale Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung ab (vgl. Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie (s.o.)). Der Richtlinie ist nicht zu entnehmen, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte (LG Braunschweig, a.a.O., RdNr. 28).
Weiter hat der Kläger gegen die Beklagte zu 2) keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 Abs. 1 UWG oder § 4 Nr. 11 UWG a.F. Die Beklagte hat nicht in der Absicht gehandelt, ein besonders günstiges Angebot abzugeben. Falls die Beklagte tatsächlich in Werbeunterlagen bezüglich des durch den Kläger erworbenen Pkw falsche Informationen durch Prospekte und Broschüren verbreitet haben sollte, würde darin kein besonderer Vorteil des streitgegenständlichen Fahrzeugs angepriesen. Die Grenzwerte einer bestimmten Euro-Norm mussten schließlich alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten, um die Typgenehmigung zu erlangen.
Abgesehen davon, dass es sich hier um ein Euro-6-Norm-Fahrzeug handelt, wäre die Angabe im Übrigen schon deshalb nicht unwahr, weil sie sich nur auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben beziehen kann, die lediglich auf das Prüfstandsverhalten, nicht aber auf das reale Verhalten des Fahrzeugs abstellt (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.11.2019, Az. 6 U 116/18).
2. Aus den genannten Gründen wären auch die unzulässigen Feststellungsanträge im Hauptantrag zu 2 sowie im Hilfsantrag zu 2.b unbegründet.
3. Das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zu 2) im Schriftsatz ihrer anwaltlichen Vertreter vom 09.03.2020 war für die getroffene Entscheidung nicht erheblich.
III.
Der Kläger hat auch gegen die Beklagte zu 1) keinen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB, denn der Kaufvertrag ist nicht von Anfang an nichtig.
a) Eine Nichtigkeit des Kaufvertrages ergibt sich nicht aus einem Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, § 134 BGB i.V.m. § 27 Abs. 1 EG-FGV.
Selbst wenn man einen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV annehmen würde, führt dies keinesfalls zu einer Nichtigkeit des Kaufvertrages. Um die Nichtigkeit nach § 134 BGB auszulösen, ist stets ein bewusster und beiderseitiger Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot erforderlich.
§ 27 Abs. 1 EG-FGV stellt ein solches Verbotsgesetz bereits nicht dar. Ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB können nur solche Rechtsnormen im Sinne des Art. 2 EGBGB sein, die eine nach der Rechtsordnung grundsätzlich mögliche Regelung wegen ihres Inhalts oder wegen der Umstände ihres Zustandekommens untersagen. Letztlich muss sich das Verbot gegen die Vornahme des Rechtsgeschäfts als solches richten. Ein Verbotsgesetz liegt damit nur dann vor, wenn die Verletzung der Norm auch zur zivilrechtlichen Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts führen soll, wenn also der wirtschaftliche Erfolg schlechthin verhindert werden soll. Ein entsprechendes Durchschlagen auf die zivilrechtliche Ebene kann indes regelmäßig nur dann angenommen werden, wenn die Abwehrmöglichkeiten des betroffenen Gesetzes allein nicht ausreichen würden. Die EG-FGV ist indes ihrerseits wehrhaft genug ausgestaltet. Auch wenn der Kaufvertrag über das Fahrzeug im Falle einer unwirksamen Übereinstimmungsbescheinigung wirksam bleibt, kann das KBA nach § 25 EG-FGV die erforderlichen Maßnahmen anordnen, um die Übereinstimmung der Produktion mit dem genehmigten Typ sicherzustellen. Letztlich kann die Nichtigkeit des Kaufvertrages auch deshalb nicht gewollt sein, weil diese für die Erwerber, der ja gerade nicht gegen Rechtsnormen verstoßen hat, regelmäßig ungünstige Folgen zeitigt.
Außerdem liegt kein bewusster, beidseitiger Verstoß gegen § 27 Abs. 1 EG-FGV vor. Dafür, dass der Kläger bewusst gegen das Verbot verstoßen hätte bzw. den Verstoß durch die Beklagte zu 1) bewusst gebilligt hätte, hat der Kläger nichts vorgetragen.
Im Übrigen führt ein Verstoß gegen eine Norm, welche Rechtsgeschäfte nur für einen Teil verbietet, regelmäßig nicht zur Nichtigkeit des gesamten Rechtsgeschäfts (BGH NJW 2000, 1186).
Der Kaufvertrag besteht damit weiter fort.
b) Der Kläger hat den Kaufvertrag nicht wirksam angefochten. Dem Kläger stand kein Anfechtungsrecht im Sinne des § 123 BGB zu, sodass die Anfechtungserklärung ins Leere ging.
Unstreitig erfolgte eine arglistige Täuschung durch die Beklagte zu 1) nicht, wie bereits der Kläger selbst ausdrücklich ausgeführt hat. Der Beklagten zu 1) ist auch eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2) nicht zuzurechnen, denn diese ist „Dritte“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB. „Nichtdritter“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB kann nur sein, wer nicht Vertragspartei ist, aber gleichwohl im Lager des Vertragspartners des Getäuschten steht. Hierfür ist nicht ausreichend, dass die Beklagten ihrerseits in einem Vertragsverhältnis zueinander stehen. Vielmehr kann aus dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung auf den Rechtsgedanken des § 278 BGB abgestellt werden. Im dortigen Fall muss sich ein Vertragspartner das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen zurechnen lassen. Erforderlich ist insoweit, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem Täuschenden und dem Vertragspartner des Getäuschten so eng sind, dass dieser sich die Täuschung zurechnen lassen muss. Dies kann regelmäßig angenommen werden, wenn der Täuschende im Pflichtenkreis des Vertragspartners tätig wird. Unerheblich ist insoweit, dass die Beklagte zu 1) die an die Kunden weitergegebenen Informationen von der Beklagten zu 2) bezieht. Dies liegt in der Natur der Sache und vermag eine besondere Nähe zwischen den Beklagten nicht zu begründen. Erforderlich und dem Sinn und Zweck der Vorschrift gemäß ist eine Verbindung, die derart eng ist, dass sich der Vertragspartner eine Täuschung wie eine eigene zurechnen lassen muss und ein Festhalten des Vertragspartners an dem Vertrag unzumutbar macht.
Eine derartige Nähe kann im Verhältnis zwischen Hersteller und (Vertrags-)Händler nicht angenommen werden. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers, der die Sache an seine Kunden verkauft, weil er regelmäßig nur seine eigene Verpflichtung gegenüber dem Verkäufer erfüllt und nicht dessen Verpflichtung gegenüber dem Käufer (vgl. Etwa: BGH, Urteil vom 22.02.1962, Az. VII ZR 205/60).
Dem tritt das Gericht bei. Der Hersteller schuldet dem Endkäufer nicht die Übereignung des Fahrzeugs. Umgekehrt schuldet der Händler nicht die Herstellung. Eine Überschneidung der Pflichtenkreise besteht insoweit gerade nicht. Besondere Umstände, die für den hiesigen Fall ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden, hat der Kläger nicht vorgetragen und sind auch im Übrigen für das Gericht nicht ersichtlich.
2. Anders als der Kläger meint, besteht auch kein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs nach erklärtem Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Mängelgewährleistungsrechte des Klägers sind verjährt, sodass es im Ergebnis gar nicht darauf ankommt, ob die behaupteten Manipulationen überhaupt einen Sachmangel begründen.
Die Beklagte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 03.03.2020 die Einrede der Verjährung erhoben.
Der Kläger erwarb das Fahrzeug unstreitig am 14.03.2017 und erhielt es am 17.03.2017. Eine erstmalige Geltendmachung erfolgte im Februar 2019. Zu diesem Zeitpunkt war die zweijährige Gewährleistungsfrist gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwar noch nicht abgelaufen, doch hat die Beklagte zu 1) mit dem Kläger wirksam im Kaufvertrag die Verkürzung auf ein Jahr ab Ablieferung vereinbart. Somit waren etwaige Sachmängelansprüche des Klägers bei erstmaliger Geltendmachung bereits verjährt.
Die Verkürzung der Gewährleistungsfrist wurde wirksam vereinbart. Die Vereinbarung ist in Ziffer VI. 1. der Gebrauchtwagen-Verkaufsbedingungen mit Stand 20.01.2017 enthalten. Dabei handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die auch in Anbetracht der Bestimmungen der §§ 305 ff. BGB wirksam in den zwischen den Parteien geschlossenen Gebrauchtwagenkaufvertrag vom 14.03.2017 einbezogen wurden.
Entgegen der Ansicht des Klägers hält die Verkürzung der Gewährleistungsfrist auch einer Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB Stand. Denn anders als der Kläger meint, ist die fragliche Bestimmung ausreichend klar. Das zitierte Urteil des BGH vom 29.4.2015 (Az. VIII ZR 104/14 = NJW 2015, 2244) ist nicht einschlägig, da die Bestimmungen zwischenzeitlich durch die Verwender geändert wurden. Nunmehr sind sie auch für einen juristischen Laien hinreichend klar und verständlich. Insbesondere werden die Sachmängelansprüche von sonstigen Ansprüchen klar unterschieden, indem es unter VII. 1. heißt: „Sonstige Ansprüche des Kunden, die nicht in Abschnitt VI: „Haftung für Sachmängel“ geregelt sind, verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist.“ Damit wurde die Kritik des BGH in dem zitierten Urteil aufgegriffen und den Beanstandungen abgeholfen.
Anders als der Kläger meint, ist auch nicht die verlängerte Verjährungsfrist des § 438 Abs. 3 BGB einschlägig. Eine Zurechnung unterstellten arglistigen Verhaltens der Beklagten zu 2) kommt aus obigen Erwägungen nicht in Betracht.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1) hat der Kläger bereits selbst vorgetragen, dass eine Täuschung durch diese nicht erfolgt ist (Klageschrift vom 05.07.2019, S. 98).
IV.
Mangels eines Anspruchs auf Rückabwicklung des Kaufvertrages befindet sich die Beklagte zu 1) auch nicht im Annahmeverzug, weshalb der dahingehende Feststellungsantrag ebenfalls unbegründet ist.
V.
Ansprüche auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehen gegen beide Beklagte nicht, denn die beanspruchten Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
VI.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
VII.
Die Festsetzung des Streitwerts erfolgt nach § 3 ZPO, §§ 3, 39, 40, 48 Abs. 1 GKG.


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