Europarecht

Schadensersatz wegen “Abgasmanipulation” – unzulässige Feststellungsklage

Aktenzeichen  8 U 1724/20

Datum:
9.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 31841
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256 Abs. 1
BGB § 434 Abs. 1, § 823 Abs. 2, § 826
StGB § 263

 

Leitsatz

1. Vor Abschluss der Schadensentwicklung steht es dem Geschädigten frei, den bereits bezifferbaren Teil des Schadensersatzanspruch mit der Leistungsklage zu verfolgen und im Übrigen eine Feststellungsklage zu erheben oder statt dessen den gesamten Anspruch mit der Feststellungsklage geltend zu machen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. In den Verfahren wegen des Inverkehrbringens von Diesel-Fahrzeugen mit manipulierter Abgasrückführung rechtfertigen die betroffenen Hersteller nicht die Erwartung, sie würden auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf.  (Rn. 9 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Käufer eines Diesel-Fahrzeugs, der den Hersteller im Zusammenhang mit dem Diesel-Skandal in Anspruch nimmt, muss  hinreichend greifbare Anhaltspunkte für den Einbau eines mit einer „Manipulationssoftware“ ausgestatteten Motors im streitgegenständlichen Fahrzeug vortragen. Pauschale Behauptungen zu „unzulässigen Abschalteinrichtungen“ sind dagegen unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden (Anschluss an BGH . (Rn. 22 – 30) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

9 O 1170/19 2020-02-24 Endurteil LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts München II vom 24.02.2020, Az. 9 O 1170/19, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
2. Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu bis zum 06.10.20 Stellung zu nehmen.
3. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf bis zu …€ festzusetzen.

Gründe

I.
Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche nach dem Kauf eines Gebrauchtwagens im Zusammenhang mit dem sog. „-Abgasskandal“ geltend. Die Klagepartei erwarb nach den Feststellungen des Landgerichts (LGU S. 2) mit Kaufvertrag vom 03.05.2016 von einer privaten Verkäuferin einen gebrauchten PKW der Marke Porsche Cayenne Diesel V6 EU 5 zum Kaufpreis von …€. Die Erstzulassung des Fahrzeugs erfolgte am 12.04.2012.
II.
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da er einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Die Entscheidung des Landgerichts erscheint zumindest im Ergebnis offensichtlich zutreffend.
Die hiergegen von der Berufung (künftig: BB) erhobenen Einwendungen greifen nicht durch:
1. Soweit der Kläger Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz der Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren, begehrt (…), ist die Feststellungsklage bereits unzulässig.
a) Eine Feststellungsklage ist zulässig, wenn die Schadensentwicklung noch nicht abgeschlossen ist und der Kläger seinen Anspruch deshalb ganz oder teilweise nicht beziffern kann (BGH NJW 1984, 1552). Ist bereits ein Teil des Anspruchs bezifferbar, steht es dem Kläger frei, diesen Teil durch Leistungsklage und den Rest durch einen ergänzenden Feststellungsantrag geltend zu machen. Er darf stattdessen aber auch den gesamten Anspruch im Wege der Feststellungsklage einklagen (BGH NJW 1984, 1552; NJW-RR 1988, 445). Dies gilt auch dann, wenn der Kläger zwischen mehreren Möglichkeiten der Schadensbeseitigung wählen darf und nur einzelne davon schon durch Leistungsklage geltend gemacht werden können (BGH NJW 1996, 2725). Ist die Schadensentwicklung dagegen abgeschlossen, steht dem Kläger grundsätzlich nur die Leistungsklage zur Verfügung.
b) Vor diesem Hintergrund fehlt dem Kläger im vorliegenden Fall ein berechtigtes Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, da ihm die Erhebung einer Leistungsklage ohne weiteres möglich und zumutbar ist, so dass die Rechtsstreitigkeit zwischen den Parteien in einem solchen Prozess endgültig geklärt werden könnte (BGH, Urteil vom 04.06.1996 – VI ZR 123/95; NJW 1996, 2726; Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13; NJW 2014, 939 Rn. 54). Der Kläger legt selbst dar, dass er mit dem Klageantrag 1) im Ergebnis „Rückabwicklung“ begehrt (…). Diesen Anspruch könnte er mittels einer bezifferten Leistungsklage umsetzen (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. § 256, Rn. 7 a).
c) Der Kläger kann sich vorliegend auch nicht auf eine Ausnahme vom Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage berufen.
Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Feststellungsklage trotz der Möglichkeit, Leistungsklage zu erheben, zulässig, „wenn die Durchführung des Feststellungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit zu einer sinnvollen und sachgemäßen Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte führt“ (st. Rspr., vgl. etwa BGH Urteil vom 15.03.2006 – IV ZR 4/05, NJW 2006, 2548; NJW 1996, 2725, 2726 m.w.N.; BeckOK ZPO/Bacher, § 256, Rn. 26-30.1). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf. Dies hat der BGH bereits mehrfach angenommen, wenn es sich bei der beklagten Partei um eine Bank, eine Behörde oder um ein großes Versicherungsunternehmen handelt. Diese Voraussetzungen liegen jedoch im Streitfall nicht vor.
aa) Für eine endgültige Klärung des Streitstoffs allein durch ein Feststellungsurteil ist vorliegend nichts schlüssig vorgetragen und nichts ersichtlich. Der gesamte Streitstoff ist zwischen den Parteien, wie auch sonst in den sog. „Diesel – Fällen“, höchst umstritten, so dass nicht zu erwarten ist, dass die Beklagte auf ein Feststellungsurteil hin etwaigen Verpflichtungen nachkommen würde. Vielmehr hat der Kläger selbst dazu auf … der Klage vorgetragen, dass die Beklagtenpartei jegliche Ansprüche zurückgewiesen habe und nicht bereit sei, der Klagepartei entgegenzukommen.
bb) Bei der Beklagten handelt es sich im Übrigen um eine AG, sie ist daher – anders als im zitierten Obersatz des BGH im Urteil vom 15.03.2006 – weder eine Bank noch eine Behörde noch ein großes Versicherungsunternehmen und auch sonst nicht mit solchen juristischen Personen oder Organisationen vergleichbar.
d) Ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 ZPO ergibt sich vorliegend auch nicht deshalb, weil künftige Schadensfolgen noch ungewiss sind (…).
(aa) Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit des Schadeneintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden, die vorliegend in Rede stehen, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus jedoch von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Schadenseintritts ab (Senatsurteile vom 24. Januar 2006 XI ZR 384/03, BGHZ 166, 84 Rn. 27 mwN, vom 8. Mai 2012 XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 73 und vom 26. Februar 2013 XI ZR 445/10, BKR 2013, 506 Rn. 31). Die hinreichende Wahrscheinlichkeit solcher Schäden hat der Kläger jedoch nicht substantiiert dargelegt.
bb) Der Kläger hat in erster Instanz lediglich pauschal vorgetragen (…), dass durch die Manipulation Reparaturkosten und Steuerschäden, „die bis heute nicht feststünden“, entstehen würden und dass noch völlig offen sei, welche weiteren Schäden entstanden seien. Er hat jedoch weder schlüssig noch substantiiert darlegt, welche Reparaturkosten bzw. Steuernachforderungen in seinem Fall zu erwarten sein sollen, noch sind solche ohne weiteres ersichtlich. Der bloße Verweis auf die Entscheidung des „BGH, VI ZR 506/14“ (…) ersetzt im Übrigen schlüssigen Vortrag zu etwaigen steuerlichen Schäden nicht.
2. Soweit der Kläger mit seinem Hilfsantrag Ziff. 1 a) im Wege des Schadensersatzes Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs geltend macht, ist die Leistungsklage zulässig; sie ist jedoch unbegründet, da dem Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zusteht, wie das Landgericht im Ergebnis zutreffend angenommen hat.
a) Zwar hat der Kläger die im Rahmen des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigenden Nutzungsvorteile bei der von ihm angebotenen Zug-um-Zug-Leistung nicht bereits in Abzug gebracht. Ob die Klagepartei die von ihr darzulegende und zu beweisende Nutzungsentschädigung sogleich im Rahmen eines auf eine Zug – um – Verurteilung gerichteten, bestimmten Leistungsantrages, der sämtliche für die Berechnung der Nutzungsentschädigung maßgeblichen Parameter in vollstreckungsfähiger Weise benennt, berücksichtigt oder volle Kaufpreisrückerstattung begehrt und abwartet, welchen Einwand die Beklagte erhebt und beweist und dann ggfs. eine Zug – um – Zug – Verurteilung in Kauf nimmt, obliegt indes der freien Entscheidung des Klägers.
b) Mangels vertraglicher Beziehungen zwischen den Parteien kommt wegen des behaupteten Einbaus einer „Manipulationssoftware“ allenfalls eine deliktische Haftung der Beklagten nach § 826 BGB oder § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB in Betracht, wie der BGH nunmehr grundlegend für Dieselfahrzeuge, die mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet sind, entschieden hat (Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19). Eine solche Haftung setzt aber nicht nur Vortrag des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers zur konkreten Schädigungshandlung voraus, der schlüssig sein und hinreichend unter Beweis gestellt werden muss, sondern auch entsprechenden Vortrag zum Schädigungsvorsatz, nachdem vorliegend eine grundsätzlich auch fahrlässig begehbare Schutzgesetzverletzung ausscheidet, da es sich bei den entsprechenden Vorschriften der EG-FGV nicht um ein Schutzgesetz iS von § 823 Abs. 2 BGB handelt (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19; Beschluss des Senats vom 29.08.2019 – 8 U 1449/19, WM 2019, 1937).
c) Im Streitfall fehlt jedoch sowohl ausreichender Klagevortrag zu einer konkreten Schädigungshandlung als auch zu einem Schädigungsvorsatz der Beklagten.
aa) Der Kläger hat weder in erster Instanz noch in der Berufungsbegründung substantiiert vorgetragen, welcher Motor – mit welcher konkreten Bezeichnung seitens des Herstellers – im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaut ist, der angeblich mit einer sog. „Manipulationssoftware“ ausgestattet ist. Er hat lediglich pauschal vorgetragen, dass sein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen und bereits bei Übergabe an ihn „manipuliert gewesen sei“, und hat geltend gemacht, dass die Manipulationen dadurch belegt seien, dass der „streitige Motor“ nicht nur im Porsche Cayenne, sondern in vielen weiteren Fahrzeugen der … Gruppe und in vielen …modellen verbaut sei (…). Die Beklagte hat demgegenüber bereits in erster Instanz ausgeführt, dass sie den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor, einen 3,0 Liter Sechszylinderdieselmotor mit einer Leistung von 180 kW (245 Ps), weder entwickelt noch hergestellt habe ( ), und er8 U 1724/20 – Seite 5 – gänzend in der Berufungserwiderung angegeben, dass sie das Antriebsaggregat im Ganzen von bezogen habe (…). Sie hat ferner erklärt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Motor nicht um einen EA 189 (EU5) – Motor handele, der nur als Drei- und Vierzylindermotor der Hubraumgrößen 1,2 Liter, 1,6 Liter und 2 Liter hergestellt worden sei, wohingegen der Cayenne Diesel V6 EU5 – wie das streitgegenständliche Fahrzeug – über einen Sechszylindermotor und einem Hubraum von 3 Litern verfüge. Sie hat schließlich bestritten, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug Diesel V6 EU 5 eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut worden sei ( ). Von einem Rückruf des KBA seien nur Fahrzeuge des Typs Cayenne Diesel V6 EU 6 der Baujahre 2014 – 2017 betroffen, das streitgegenständliche Fahrzeug sei jedoch – wie auch der Kläger vorträgt – bereits 2012 hergestellt worden. Diesem Vortrag ist der Kläger nicht entgegengetreten; er hat lediglich vorgetragen, dass die – umkonstruierten – Motoren für die Porsche-Dieselfahrzeuge von … bezogen und von der Beklagten überarbeitet worden seien (…). Er hat weiterhin die konkrete Bezeichnung des in seinem Fahrzeug verbauten Motors nicht dargelegt. Frei von Rechtsfehlern hat das Erstgericht daher festgestellt, dass keiner der vom Diesel-Abgasskandal betroffenen Motoren – EA 189 bzw. das Nachfolgemodell EA 288 – im streitgegenständlichen Fahrzeug eingebaut sei (LGU 7), und die Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug sei ebenfalls mit einer Manipulationssoftware ausgestattet, als Vortrag ins Blaue angesehen (LGU S. 7), da der Kläger keine greifbaren Anhaltspunkte dafür vorgetragen habe, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einem vom Abgassskandal betroffenen Motor ausgestattet sei. Hiergegen spreche insbesondere sowohl die Mitteilung des Kraftfahrt-Bundesamtes (künftig: KBA) vom 20.02.2019 … . Auf die zutreffenden Ausführungen wird insoweit Bezug genommen. 
bb) Mit seinem – unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH (Urteil vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19) – erhobenen Einwand, das Landgericht habe den Klagevortrag rechtsfehlerhaft als Vortrag ins Blaue gewürdigt, dringt der Kläger nicht durch.
(1) Zwar hat der BGH angenommen, dass ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 BGB im Hinblick auf eine drohende Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV nicht erst dann vorliege, wenn der Hersteller durch einen Bescheid des KBA eine Umrüstungsanordnung getroffen habe, sondern auch schon dann, wenn diese Behörde eine entsprechende Maßnahme gegenüber dem Hersteller noch nicht getroffen habe. Denn auch dann sei im Ansatz bereits ein Sachverhalt (“Mangellage“/Grundmangel) gegeben, der – gegebenenfalls mit weiteren Umständen – dazu führen kann, dass die Zulassungsbehörde eine Betriebsuntersagung oder -beschränkung vornehme, weil das Fahrzeug wegen einer gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG verstoßenden Abschalteinrichtung nicht dem genehmigten Typ entspreche (BGH, Hinweis-Beschluss vom 08. Januar 2019 – VIII ZR 225/17, zum Motor EA189).
(2) Dies ändert allerdings nichts daran, dass auch in derartigen Fällen pauschale Behauptungen zu „unzulässigen Abschalteinrichtungen“ dann unbeachtlich sind, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt werden (BGH, Beschluss vom 28.1.2020 – VIII ZR 57/19, zum Daimler-Motor OM 651).
Als ausreichende „greifbare Anhaltspunkte“ hat der BGH in dieser den Motorentyp OM 651 betreffenden Entscheidung angesehen, dass der dortige Kläger unter Beweisantritt vorgetragen habe, dass der in das erworbene Fahrzeug eingebaute Motor zu dem Motorentyp OM 651 gehöre, zu dem aufgrund von Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft im Rahmen eines eingeleiteten Ermittlungsverfahrens bekannt geworden sei, dass in Motoren der Typen OM 651 und OM 642 eine unzulässige Thermosoftware verbaut worden sei. Aus einer von dem dortigen Hersteller selbst geführten Liste ergebe sich, dass bereits im Jahr 2018 mehrere Fahrzeugtypen der dortigen Beklagten, die mit dem Motor OM 651 ausgestattet sind, von einer Rückrufaktion betroffen gewesen seien. Diese Gesichtspunkte böten zusammen mit dem Vortrag des Klägers, sein Fahrzeug weise ebenfalls einen Motor des Typs OM 651 auf und die Staatsanwaltschaft habe hinsichtlich dieses Motorentyps im März 2017 ein Ermittlungsverfahren wegen des Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung eingeleitet, sowie im Hinblick auf die – wenn auch allgemein beschriebene – Funktionsweise der in zweifacher Hinsicht vermuteten Abschalteinrichtung hinreichend greifbare Anhaltspunkte für das Vorhandensein eines Sachmangels.
(3) Diesen Anforderungen an den Vortrag hinreichend greifbarer Anhaltspunkte für den Einbau eines mit einer „Manipulationssoftware“ ausgestatteten Motors im streitgegenständlichen Fahrzeug genügt der Klägervortrag indes nicht.
(3.1) Wie bereits ausgeführt, hat der Kläger schon nicht ansatzweise dargelegt und nachgewiesen, welcher mit einer Manipulationssoftware ausgestatteter Dieselmotor in seinem Fahrzeug verbaut ist und weshalb die Beklagte hierfür haften soll. Es reicht auch nicht aus, dass sich der Kläger insoweit auf ein Schreiben der Beklagten bezüglich eines vom KBA angeordneten Rückrufs für Fahrzeuge des Typs … bezieht (…), da hieraus kein zwingender Rückschluss auf die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Fahrzeug des Klägers gezogen werden kann, weil es sich um einen anderen Motor handelt, …, und auch keine Porsche-Ca yenne-Fahrzeuge aus dem Herstellungsjahr 2012, wie das streitgegenständliche Fahrzeug, sondern nur die Modelljahre 2013 – 2016 davon betroffen sind.
(3.2) Lediglich ergänzend wird daher noch ausgeführt, dass es im Übrigen auch nicht statthaft wäre, alle Fahrzeuge der Beklagten quasi „über einen Kamm zu scheren“ nach dem Motto, wenn eine unzulässige Abschalteinrichtung in einem Motor eines Fahrzeugherstellers vorliegt, so betreffe dies im Regelfall die gesamte Motorenreihe oder gar alle Fahrzeuge dieses Herstellers bzw. dieses Konzerns, was der Kläger offensichtlich annimmt (…) . Eine solche „Vermutung“ sieht der Senat nicht, schon weil damit sämtliche Motoren einer Motorenfamilie/einer Baureihe ohne Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen technischen Merkmale dem Generalverdacht einer unzulässigen Abschalteinrichtung unterworfen werden würden. Einen solchen „Generalverdacht“ hat auch der BGH in seinem Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19, zum Daimler-Motor OM 651, nicht angenommen. Der BGH hat dort die Auffassung vertreten, dass hinreichende Anhaltspunkte für eine unzulässige Abschalteinrichtung auch dann bestehen, wenn derselbe Motorentyp – dort OM 651 – in anderen Fahrzeugtypen der dortigen Beklagten, die von einer Rückrufaktion des KBA betroffen sind, verbaut ist. Darum geht es hier aber nicht. Vielmehr fehlt hier bereits jeglicher Vortrag dazu, welcher konkret bezeichnete Dieselmotor im streitgegenständlichen Fahrzeug verbaut wurde und dass bei diesem Motor greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen.
(4) Jedenfalls fehlt auch ausreichender Vortrag zu einem vorsätzlichen Handeln der Beklagten bezüglich einer im Fahrzeug des Klägers angeblich verbauten „Manipulationssoftware“.
(4.1) Die Annahme eines bedingten Vorsatzes setzt voraus, dass der Handelnde die relevanten Umstände jedenfalls für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat; denn der Vorsatz enthält ein Wissens- und ein Wollenselement. Der Handelnde muss die Umstände, auf die sich der Vorsatz beziehen muss – im Fall des § 826 BGB auf die sittenwidrige Handlung eines anderen -, im Zeitpunkt seines Handeln gekannt bzw. vorausgesehen und in seinen Willen aufgenommen haben (BGH, Urteil vom 20.12.2011 – VI ZR 309/10, WM 2012, 260, 261, mwN; Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, WM 2012, 2377, 2380). Dazu wäre jedenfalls eine konkrete Darlegung von konkreten Anhaltspunkten erforderlich, warum und wodurch Organe der Beklagten die angebliche Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Dieselmotor einer anderen Herstellerin in Kauf genommen haben sollen. Dass die Umstände erkennbar waren und die Beklagte sie hätte erkennen können oder kennen müssen, reicht für die Feststellung des Vorsatzes nicht aus, sondern rechtfertigt nur den Vorwurf der Fahrlässigkeit (BGH, Urteil vom 06.11.2015 – V ZR 78/14, Rn. 25).
(4.2) Ausreichenden Vortrag hat der Kläger auch hierzu nicht erbracht. Die lediglich pauschalen Angaben, dass die Motoren der … AG umkonstruiert und von der Beklagten überarbeitet worden seien (…), genügen hierfür nicht. Soweit der Kläger rügt, dass das Erstgericht die Anforderungen an die Darlegungslast überspannt und die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt habe, da die Klagepartei vorgetragen und unter Beweis gestellt habe, dass der Vorstand der Beklagten die Manipulationen angeordnet bzw. davon gewusst habe (…), ist weder ersichtlich, wo entsprechender Vortrag gehalten wurde, noch hat der Kläger substantiiert dargelegt, was der Vorstand der Beklagten wann in Bezug auf Manipulationen angeblich angeordnet bzw. gewusst haben soll. Mangels schlüssigen Vortrags der darlegungs- und beweisbelasteten Klagepartei traf die Beklagte daher keine sekundäre Darlegungslast. 
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass eine Wissenszurechnung der … AG – als Herstellerin des streitgegenständlichen Motors – zur Beklagten auch nicht ohne Weiteres stattfände. Ob die für den rechtsgeschäftlichen Verkehr mit juristischen Personen entwickelten Grundsätze der Wissenzurechnung und Wissenszusammenrechnung im Rahmen der deliktsrechtlichen Haftung überhaupt Anwendung finden könnte, kann dabei dahinstehen. Denn über eine Wissenszurechnung führt kein Weg zu dem für das Merkmal der Arglist entbehrlichen, für das Merkmal der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 826 BGB aber erforderlichen moralischen Unwerturteil. Insbesondere lässt sich eine die Verwerflichkeit begründende bewusste Täuschung nicht dadurch konstruieren, dass kognitive Elemente „mosaikartig“ zusammengesetzt werden. Eine solche Konstruktion würde dem personalen Charakter der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB, die sich hierdurch von der vertraglichen und vertragsähnlichen Haftung deutlich unterscheidet, nicht gerecht (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 636/15 -, Rn. 23, juris). Es fehlt daher auch an schlüssigem Vortrag zu einem den verantwortlichen Mitarbeitern zurechenbaren, sittenwidrigen vorsätzlichen Handeln der … AG.
3. Soweit der Kläger seinen Anspruch in erster Instanz auch auf eine im streitgegenständlichen Motor verbaute unerlaubte Abschalteinrichtung in Form eines sog. „Thermofensters“ gestützt hat, bei welcher es sich gleichfalls um eine illegale Abschalteinrichtung handeln würde (…), setzt eine deliktische Haftung der Beklagten im Zusammenhang mit einer im klägerischen Fahrzeug angeblich verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters nach § 826 BGB gleichfalls Vortrag des darlegungs- und beweispflichtigen Klägers zur konkreten (objektiv sittenwidrigen) Schädigungshandlung der Beklagten voraus, der schlüssig sein und unter Beweis gestellt werden muss, sowie Vortrag zum Schädigungsvorsatz, den der Kläger vorliegend nicht erbracht hat, da weder vorgetragen wurde, dass und weshalb die Abschalteinrichtung im streitgegenständlichen Motor unzulässig ist, noch dargelegt wurde, weshalb die Beklagte, die den Motor nicht hergestellt hat, hierfür haften soll. Auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziff. 2 wird insoweit verwiesen.
III.
1. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird im Hinblick auf den bezifferten Hilfsantrag  Ziff. 1 a, über den der Senat entschieden hat, sowie den Feststellungsantrag Ziff. 2, den der Senat mit 10% der Leistungsklage bewertet, auf insgesamt bis zu … € festzusetzen sein.
2. Bei dieser Sachlage wird schon aus Kostengründen empfohlen, die Berufung zurückzunehmen. Im Fall der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren vorliegend von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
3. Zu diesen Hinweisen kann der Berufungsführer binnen der oben gesetzten Frist Stellung nehmen. Der Senat soll nach der gesetzlichen Regelung die Berufung unverzüglich durch Beschluss zurückweisen, wenn sich Änderungen nicht ergeben. Mit einer einmaligen Verlängerung dieser Frist um maximal 3 Wochen ist daher nur bei Glaubhaftmachung konkreter, triftiger Gründe zu rechnen (vgl. OLG Rostock, OLGR 2004, 127 ff.).


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