Europarecht

Schätzung von Mietwagenkosten nach Fraunhofer-Liste

Aktenzeichen  7 C 672/19

Datum:
15.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43272
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Rosenheim
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 249
ZPO § 287
StPO § 244 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Das Gericht schätzt marktübliche Mietwagenkosten auf Basis der Erhebung von Fraunhofer, da diese anhand einer der realen Anmiet-Situation nahekommenden Befragung durchgeführt wurde. (Rn. 6 und 7) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1.Die Klage wird abgewiesen.
2.Die Klagepartei trägt gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 386,05 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage war unbegründet.
Das Gericht schließt sich dem Marktpreisspiegel Mietwagen des Fraunhofer-Instituts an hinsichtlich der Mietwagenkosten, so dass ein weiterer Anspruch der Klagepartei nicht mehr besteht.
I.
Seitens des Klägers besteht kein weiterer Anspruch auf den Ersatz der durch die Beklagtenpartei bislang nicht regulierten Mietwagenkosten in Höhe von 386,05 €.
1) Dem Grunde nach ist die Haftung gemäß den §§ 7 Abs. 1,18 Abs. 1 StVG, 823 Abs. 1,249 Abs. 2 Satz 1, 251 Abs. 1 BGB, 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG unstreitig.
2) Nach ständiger Rechtsprechung kann der Geschädigte nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als Herstellungsaufwand Ersatz derjenigen Mietwagenkosten verlangen, die ein verständiger, wirtschaftlich vernünftig denkender Mensch in seiner Lage für zweckmäßig notwendig halten darf (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.2008 – VI ZR 234/07). Hinsichtlich der Höhe des zu ersetzenden Schadens im Sinne der §§ 249 Abs. 2 Satz 1,251 Abs. 1 BGB steht dem Tatrichter im Rahmen der §§ 287, 295 ZPO ein Schätzungsermessen zu.
Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung steht es dem Gericht im Rahmen des eingeräumten Schätzungsermessens frei, ob es zur Bestimmung der Höhe der erforderlichen Mietwagenkosten auf den Schwacke Mietpreisspiegel oder den Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland des Fraunhofer-Instituts für Arbeit, Wirtschaft und Organisation zurück greift (BGH, Urteil vom 14.10.2008, Az. VI ZR 308/07). Demnach ist dem erkennenden Gericht nicht verwehrt, sich den Bedenken hinsichtlich der Schwacke-Liste als Schätzgrundlage anzuschließen. Dabei ist es auch nicht verpflichtet, seine Bedenken gegen die Schwacke-Liste durch Sachverständige auf ihre Berechtigung prüfen zu lassen, weshalb gern. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet werden konnte.
Im vorliegenden Fall erschien es dem Gericht in Ausübung seines Ermessens gemäß den §§ 287, 295 ZPO unter Abwägung der widerstreitenden Argumentationslinien trotz der von der Klägerseite vorgebrachten Bedenken angemessen, auf die im vorliegenden Fall niedrigeren Preise der Marktuntersuchung des Fraunhofer-Instituts zurückzugreifen. Der Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland ist anhand einer der realen Anmiet-Situation nahe kommenden Befragung aufgestellt. Dabei wussten die befragten Firmen, anders als etwa bei der Erstellung der Schwacke-Liste, nicht, dass ihre Antworten auf Grundlage einer Marktuntersuchung über die Höhe der Mietwagentarife gemacht wurden. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Rückgriff auf die Mietwagen-Daten des Fraunhofer-Instituts auch im Vorliegenden angemessen ist. Da es sich aber um eine bloße Schätzungsgrundlage handelt, konnte die Frage, ob im Raum Rosenheim wirklich Fahrzeuge zu den in der Fraunhofer-Studie genannten Preise verfügbar sind, offen gelassen werden.
Demnach ist davon auszugehen, dass der zu ersetzende Schaden des Klägers bereits durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 600,95 € hinreichend gern. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt wurde.
II.
Die konkrete Schadensberechnung stellt sich auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen somit wie folgt dar:
1) Auszugehen ist zunächst von den nach dem Marktpreisspiegel Mietwagen Deutschland 2018 des Fraunhofer Instituts auf Seite 102 zu ermittelnden Normaltarifs für das Postleitzahlengebiet 83 und der Klasse 7. Das Gericht folgt insoweit der Darstellung und insbesondere auch der Berechnungsmethode der Beklagten in ihrer Klageerwiderung vom 16.04.2019. Vorliegend ist insbesondere zu sehen, dass zwischen Anmietung und Unfall 27 Tage lagen, so dass von Seiten der Klagepartei genug Zeit bestanden hätte, sich anderweitig nach einem günstigen Mietfahrzeug umzusehen. Stattdessen wurde ein Mietwagen der Werkstatt genutzt. Demnach ergibt sich aus der Liste des Fraunhofer-Instituts ein Tarif im Minimum zwischen 207,92 € und im Maximum 440,30 €. Dies ist mehr als von Seiten der Beklagtenpartei bereits reguliert wurde. Für Winterbereifung ist kein zusätzlicher Preis anzusetzen. Dahingestellt kann bleiben, ob Mietwagen im Winterhalbjahr auf dem freien Markt nur gegen zusätzliche Gebühren zu erhalten sind. Die entsprechenden Kosten sind im Mietzins enthalten. Zusatzkosten können denklogisch nur für Zusatzleistungen, die über die geschuldete Hauptleistung hinausgehen, verlangt werden (AG Bremen, Urt. V. 25.07.2013, Az. 9 C 128/13).
3) Dahingestellt bleiben kann, ob die Position Haftungsreduzierung angesetzt werden muss, da selbst bei Berücksichtigung dieser Position (129,43 € zzgl. USt.) der bereits regulierte Betrag nicht überschritten wird.
B.
Die Kostenentscheidung fußt auf § 91 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 713 ZPO.


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