Europarecht

Sofortverfahren, ausreichende Begründung des Sofortvollzugs, offenbare Unrichtigkeit des Verwaltungsakts, Vitamin D3 Tropfen für G H., Untersagung krankheitsbezogener Aussagen

Aktenzeichen  W 8 S 21.1419

Datum:
10.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42603
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 5
LFGB § 11
LFGB § 39
Art. 138 VO (EU) Nr. 625/2017
VO (EG) 1924/2006 Art. 3
GG Art. 5
BayVwVfG Art. 42

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die in der Rechtsform einer G … unter anderem das Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ vertreibt, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die vom Antragsgegner verfügte Untersagung bestimmter Aussagen das Produkt betreffend im Bescheid vom 19. März 2021.
1. Am 25. Januar 2021 wurde im Rahmen einer Planprobe das von der Antragstellerin vertriebene Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ gezogen und dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zur Prüfung übergeben.
Das LGL führt mit Gutachten vom 10. März 2021 zum streitgegenständlichen Produkt wie folgt aus: Bei der vorliegenden Probe handele es sich um ein Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von § 1 Abs. 1 der Verordnung über Nahrungsergänzungsmittel (NemV) und damit um ein Lebensmittel im Sinne des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Das Produkt trage die Bezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel für Gürteltiere“. Dabei hebe sich der Zusatz „für Gürteltiere“ durch eine andere Schriftart und -farbe deutlich von der Bezeichnung „Nahrungsergänzungsmittel“ ab. Der Zusatz wirke wie ein nachträglich auf die Verpackung geschriebenes Element. Darüber hinaus finde sich auf dem Etikett die Angabe „Vitamin D3 trägt zur Erhaltung normaler Knochen, Zähne, Muskel- und Immunsystemfunktionen und einem normalen Calciumspiegel im Blut bei“. Hierbei handele es sich um eine Kombination aus mehreren gemäß der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben für Lebensmittel mit einem signifikanten Gehalt an Vitamin D. Das vorliegende Produkt werde zudem von dem verantwortlichen Unternehmer auf verschiedenen Kanälen für die Einnahme durch den Menschen beworben. Vor diesem Hintergrund sei der Zusatz „für G …“ allenfalls als Schutzbehauptung zur Umgehung lebensmittelrechtlicher Vorschriften anzusehen und aus Sicht des LGL für die Produkteinstufung irrelevant. Aus der Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel und insbesondere unter Berücksichtigung der Bewerbung ergebe sich stattdessen, dass die Probe offensichtlich für den menschlichen Verzehr bestimmt sei. In diesem Zusammenhang sei ebenfalls anzuführen, dass der Paketsendung eine Preisliste beigefügt gewesen sei, in der das Produkt ebenfalls unter der Kategorie Nahrungsergänzungsmittel und nicht etwa Tiernahrung / Tiernahrungsergänzung geführt worden sei.
Die Bewerbung des Produktes entspreche nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 und Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. Danach dürften Informationen über ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Der entsprechenden Paketsendung sei ein Flyer mit der Überschrift „R … F … L … F C …“ beigefügt gewesen. Auf diesem sei unterhalb der Überschrift eine Fotomontage abgedruckt, in der Herr R … F …, nach Kenntnis des LGL alleiniger Geschäftsführer der Antragstellerin, das vorliegende Vitamin D3-Präparat in die Kamera halte. Darunter finde sich zudem eine aus mehreren violetten Kreisen bestehende Grafik mit unterschiedlichen Aufschriften. Einer der Kreise trage die Aufschrift „Vitamin D3 + K2“. Auf der Rückseite des Flyers werde zudem auf die Internetseite … verwiesen, welche laut Impressum von der Antragstellerin betrieben werde. Auf dieser Seite finde sich genannte Fotomontage ebenfalls. In Kombination mit der Überschrift „L … C …“ könnten die Fotomontage und die Grafik auf dem Werbeflyer und der Internetseite aus Sicht des LGL aus Verbrauchersicht dahingehend verstanden werden, dass die Einnahme des vorliegenden Präparats dazu geeignet wäre, einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (nachfolgend: Corona) vorzubeugen. Die Verwendung der beschriebenen Fotomontage und der Grafik jeweils in Kombination mit der Überschrift „L … C …“ sowohl auf dem Werbeflyer als auch der genannten Internetseite, entspreche folglich nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. Laut § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB sei es verboten, als nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verantwortlicher Lebensmittelunternehmer derartige Lebensmittel in Verkehr zu bringen. Weiterhin sei auf der Internetseite … unterhalb der oben beschriebenen Grafik ein Balkendiagramm unter folgender Überschrift abgebildet: „Eine erschreckende Grafik zeigt, wie Covid-19-Patienten, die im Krankenhaus landen, mit ziemlicher Sicherheit sterben werden, wenn sie einen Vitamin-D-Mangel haben.“ Das Diagramm trage den Titel „Wie das Sonnenvitamin D3 das Risiko senkt“. Darin würden Covid-19-Sterberaten nach Vitamin-D-Spiegel aufgetragen und die Quote für die Gruppe „Normal“ mit 4,1%, die Gruppe „Unzureichend“ mit 87,8% und die Gruppe „Mangelhaft“ mit 98,9% bezeichnet. Ungeachtet der Seriosität der zitierten Angaben sei sowohl das Balkendiagramm alleine als auch in Kombination mit der Überschrift dazu geeignet, beim Verbraucher den Eindruck zu erwecken, dass die Einnahme des vorliegenden Produkts über die Erhöhung des Vitamin-D-Spiegels zu einer Reduktion der Mortalität im Falle einer Corona-Infektion beitragen könne. Darüber hinaus enthalte die Internetseite Aussagen, die beim Verbraucher den Eindruck entstehen lassen könnten, dass die Einnahme der vorliegenden Probe eine vorbeugende Wirkung gegen virale Erkrankungen oder grippale Infekte, bakterielle oder virale Krankheitserreger und Husten habe sowie dazu geeignet sei, Autoimmunerkrankungen vorzubeugen bzw. deren Verlauf zu lindern.
Auf der Internetseite … fänden sich zudem Aussagen, die durch den Verbraucher dahingehend verstanden werden könnten, dass eine Einnahme des vorliegenden Produktes als Nahrungsergänzungsmittel zur Vorbeugung gegen Osteoporose geeignet, hilfreich zur Vorbeugung und Therapie „zahlreicher chronischer Erkrankungen“ wäre und gegen Autoimmunerkrankungen, Diabetes mellitus, Herzinsuffizienz, Krebserkrankungen sowie gegen entzündliche Erkrankungen der Atemwege helfe. Darüber hinaus suggerierten getroffene Aussagen dem Verbraucher insbesondere aufgrund der unmittelbaren Nähe zu den Produktfotos, dass die Einnahme des vorliegenden Produkts über den Ausgleich des behaupteten Vitamin D3-Mangels das Ansteckungsrisiko für grippale Infekte und Infektionen der oberen Atemwege senken könne. Auch diese Aussagen entsprächen somit nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. Auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB werde verwiesen.
Auf der Rückseite des vorliegenden Werbeflyers würden zudem Aussagen getroffen, die bei Verbrauchern Angst erzeugten, nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt zu werden, wodurch wiederum schwerwiegende Schäden an den Knochen entstehen könnten. Dies entspreche nicht den Vorgaben von Art. 3 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Weitere Aussagen könnten dahingehend verstanden werden, dass die Einnahme von Vitamin D über die vorliegende Probe Herzkrankheiten und Krebs vorbeugen könne sowie im Umkehrschluss das Risiko für Multiple Sklerose senken könne.
Zudem sei anzuführen, dass das vorliegende Produkt durch den hierfür verantwortlichen Unternehmer Herrn R … F … auch im Rahmen diverser Videos auf „Youtube“ beworben werde. Der Lebensmittelunternehmer habe im Rahmen seiner Sorgfaltspflicht sicherzustellen, dass jedwede Form seiner Produktwerbung den rechtlichen Anforderungen entspreche. In einem Video vom … … 2020 werde unter anderem auf die Internetseite … verwiesen und es würden Aussagen getätigt, die vom Verbraucher dahingehend verstanden werden könnten, dass die Einnahme von Vitamin D 3 allgemein sowie die Einnahme des vorliegenden Produkts im Speziellen zu einer Erhöhung der Überlebenschancen einer Corona-Infektion führen würde bzw. eine Präventionsfunktion bei Krebserkrankungen habe. Diese Aussagen entsprächen somit nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011. Auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB werde verwiesen. In einem weiteren Video vom 30. August 2020, welches auf der Internetseite … eingebettet sei, würden Aussagen getätigt, die vom Verbraucher dahingehend verstanden werden könnten, dass die Einnahme von Vitamin D3 im Allgemeinen sowie der vorliegenden Probe im Speziellen präventiv gegen Diabetes und Endometriose wirke sowie zu einer Erhöhung der Überlebenschancen einer Corona-Infektion führen würde, was wiederum nicht den Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 entspreche.
Mit Schreiben vom 11. März 2021 wurde der Antragstellerin das Gutachten des LGL eröffnet und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin nahm zu dem Gutachten des LGL mit Schriftsatz vom 18. März 2021 Stellung: Die Beanstandungen seien unbegründet. Es werde zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Produkt um ein Lebensmittel handele. Es sei ausschließlich auf die bestimmungsgemäße Anwendung eines Produkts abzustellen, welche sich aus der Zweckbestimmung des Herstellers ergebe. Die Antragstellerin habe mit keinem Wort erwähnt, dass das Produkt zur oralen Aufnahme bestimmt sei. Sie sei aber allein für die von ihr gewählte Zweckbestimmung verantwortlich, nicht für einen Fehlgebrauch des Verbrauchers. Bei einem für ein Gürteltier bestimmtes Produkt werde kein aufmerksamer, verständiger Durchschnittsverbraucher davon ausgehen, dass er das Produkt selbst oral aufnehmen solle. Kein Durchschnittsverbraucher werde sich selbst als Gürteltier bezeichnen. Ein anderer Verwendungszweck stehe damit eindeutig und klar erkennbar fest. Im Übrigen werde in die Werbung etwas hineininterpretiert, was gar nicht gesagt werde. Für Vitamin D sei anerkannt, dass es zur normalen Funktion des Immunsystems beitrage, was die Verordnung (EG) Nr. 432/2012 ausdrücklich bestätige. Darüber hinaus berufe sich die Antragstellerin auf ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Publikationen des Herrn R … F … ohne Produktbezug stellten keine Werbung dar, sondern allgemeine Sachinformationen und ernährungswissenschaftliche Diskussionsbeiträge.
Mit Anordnungsbescheid vom 19. März 2021 untersagte das Landratsamt Würzburg der Antragstellerin unter anderem innerhalb einer Frist von zwei Tagen nach Erhalt des Bescheids, Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ zu treffen, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFBG und/oder des Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstoßen (s. im Einzelnen Feststellungen im Gutachten) (Nr. 1.3) und ordnete die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 an (Nr. 3.).
Zur Begründung wird unter Bezugnahme auf das Gutachten des LGL im Wesentlichen ausgeführt: Die Anordnungen in Nr. 1 des Bescheides beruhten auf Art. 138 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 2017/625 (Kontrollverordnung) i.V.m. § 39 Abs. 2 Satz 1 und 2 LFGB. Danach träfen die zuständigen Behörden bei Verstößen die erforderlichen Maßnahmen, um Ursprung und Umfang des Verstoßes sowie die Verantwortung des Unternehmers zu ermitteln, und geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Die mit Gutachten vom 10. März 2021 vom LGL festgestellten Beanstandungen verstießen gegen die Verordnung (EU) Nr. 1169/2011, die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, das LFGB, die LMIDV und die NemV. Das streitgegenständliche Produkt werde als Lebensmittel im Sinne von Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingestuft. Weiterhin sei festgestellt worden, dass aufgrund der Bewerbung mit Bezugnahme auf das neuartige Coronavirus auf einem der Paketsendung beigefügten Flyer und auf der Internetseite … jeweils in Kombination mit der Überschrift „L … Co …“ gegen die Vorgaben des Art. 7 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verstoßen werde. Die vollständige Beurteilung sei dem Gutachten des LGL zu entnehmen. Ergänzend werde auf die Stellungnahme des LGL vom 9. Juli 2020 („Vitamin B-Komplex für Gartenzwerge“) verwiesen, worin ausgeführt werde, dass es sich bei einem als Nahrungsergänzungsmittel gekennzeichneten Produkt immer um ein Lebensmittel handele. Der Fall liege hier nicht anders. Es sei auf die gerichtlichen Beschlüsse zu Produkten der Antragstellerin, welche Tierexoten und Fabelwesen gewidmet seien, zu verweisen. Bezüglich der Produktkennzeichnung und Bewerbung sei festzustellen, dass die zulässigen gesundheitsbezogenen Angaben abschließend in Art. 10 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 genannt seien. Die beanstandeten Angaben seien darin nicht enthalten und somit nicht zulässig. Die in der letztgenannten Verordnung zu Vitamin D aufgelisteten Angaben seien zulässig und würden nicht beanstandet. Ein Eingriff in die Grundrechte nach Art. 5 Abs. 1 GG liege nicht vor, da sich die festgestellten Beanstandungen und die sich daraus ergebenden Maßnahmen auf einschlägiges EU- und Bundesrecht stützten, welches dem Schutz der Verbraucher diene und das öffentlich Interesse somit höher zu werten sei als das Interesse der Antragstellerin, an ihrem Vorgehen festzuhalten.
Aufgrund der vielfältigen Arten der Veröffentlichung von Informationen zu dem hier beanstandeten Produkt sei die Anordnung in Nr. 1.3 des Bescheides geboten. Ein anderes Mittel komme hierbei nicht in Betracht, auch da aus der vorgelegten Stellungnahme keine Einsicht hervorgehe. Die Anordnung sei zumutbar und angemessen. Das Landratsamt habe bei festgestellten Verstößen kein Entschließungssondern nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der zu treffenden Maßnahmen. Die angeordnete Maßnahme sei geeignet, die festgestellten Verstöße zu beseitigen. Sie sei hierzu auch erforderlich, ein milderes Mittel komme nicht in Betracht. Das an der Einhaltung lebensmittelrechtlicher Vorschriften zum Schutze der Verbraucher bestehende öffentliche Interesse überwiege zweifellos das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin.
Am 8. April 2021 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 21.476 Klage gegen den Bescheid vom 19. März 2021 erheben und ersuchte das Gericht im Verfahren W 8 S 21.477 um Eilrechtsschutz. In Bezug auf Nr. 1.3 und Nr. 3 des Bescheids begründete sie diese im Wesentlichen damit, Nr. 1.3 des Bescheides sei zu unbestimmt. Es bleibe unklar, welche Aussagen tatsächlich gemeint seien, wenn im Einzelnen auf Feststellungen im Gutachten verwiesen werde. So heiße es im Gutachten des LGL auf S. 7, dass aufgrund der Vielzahl der Videos die nachfolgende Auseinandersetzung mit den darin getätigten Aussagen nur beispielhaft und auszugsweise erfolgen könne. Es sei vor diesem Hintergrund für den Adressaten des Bescheides schlicht nicht ersichtlich, welche Aussagen tatsächlich verboten werden sollten und welche nicht, welche Videos gemeint seien und welche Aussagen in den Videos beanstandet würden. Ferner werde Bezug genommen auf Werbeaussagen, die gegen Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstießen. Hier sei bereits nicht ersichtlich, welche Aussagen konkret gemeint seien. Soweit die Aussagen auf dem Werbeflyer beanstandet würden, liege kein Verstoß gegen Art. 3 Buchst. e der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vor. Nach Rechtsprechung des BGH sei hierunter nicht jede Beunruhigung oder Besorgnis zu fassen, die Personen allgemein im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand oder bestimmte Symptome aufwiesen, sondern nur Hinweise auf lebensbedrohliche Gefahren oder sonst besorgniserregende Zustände von erheblichem Gewicht. Die bloße Nennung einer Erkrankung erfülle den Tatbestand nicht, wenn die betreffende Aussage frei von unsachlicher Dramatisierung oder Betonung der gravierenden Folgen einzelner Krankheiten sei. Die Aussage „Vitamin D3 scheint auch eine Rolle bei der Immunfunktion zu spielen“ sei offensichtlich nicht zu beanstanden, da für Vitamin D sogar ein zugelassener „Health Claim“ der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 existiere, wonach Vitamin D zu einer normalen Funktion des Immunsystems beitrage. Ebenfalls habe der Gesetzgeber in dieser Verordnung festgestellt, das Vitamin D zur Erhaltung normaler Knochen beitrage. Bei den Aussagen in den „Youtube-Videos“ handele es sich um Aussagen im Rahmen der allgemeinen Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG, zumal es an einem konkreten Bezug auf das in Rede stehende Produkt fehle. Der Privatperson des Geschäftsführers der Antragstellerin könne nicht untersagt werden, seine persönliche Meinung zu Vitamin D3 zu äußern.
Darüber hinaus sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig. Es seien bereits die notwendigen Formalien nicht eingehalten, da die Begründung keinerlei Einzelfallbezug erkennen lasse. Die bloße Wiederholung der Rechtsfolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung könne nicht die Begründung der Notwendigkeit dieser Maßnahme im Einzelfall ersetzen. Die spezifischen Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO lägen nicht vor. Eine Interessenabwägung falle zugunsten der Antragstellerin aus. Es gebe keine konkreten Hinweise dafür, dass das Produkt in seiner spezifischen Zusammensetzung und Dosierung gesundheitsschädlich sein könnte. Bloße Spekulationen für die Annahme von Gesundheitsrisiken würden nicht ausreichen. Insoweit lediglich die Gründe für das Vertriebsverbot wiederholt würden, reiche dies nicht aus. Auf aktuelle Rechtsprechung des VGH Baden-Württemberg und des BayVGH sei zu verweisen. Eine streitige Werbeaussage genüge zur Rechtfertigung des Sofortvollzuges nicht. Denn der Gesetzgeber habe die Grundsatzentscheidung getroffen, im Falle der unzulässigen krankheitsbezogenen Werbung von einem gesetzlich vorgeschriebenen Sofortvollzug abzusehen. Darüber hinaus verweise der Antragsgegner selbst darauf, dass die Seite … nicht mehr aufrufbar sei und sie über keine Hinweise verfüge, dass der Flyer noch ausgegeben werde, und gehe daher selbst davon aus, dass der Betrieb der Anordnung nachgekommen sei. Ihr Verweis darauf, dass die Videos weiterhin auf Youtube aufrufbar seien, genüge nicht, da nicht festzustellen sei, welche Aussagen der Antragsgegner konkret bemängle. Im Übrigen sei für Vitamin D wissenschaftlich allgemein anerkannt, dass es zur normalen Funktion des Immunsystems beitrage, was durch die Verordnung (EG) Nr. 432/2012 ausdrücklich bestätigt werde. Die Mandantin berufe sich in diesem Zusammenhang auf ihre durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit.
Mit Beschluss vom 07. Mai 2021 – Az. W 8 S 21.477 – lehnte das Gericht den Eilantrag der Antragstellerin ab.
Mit Beschluss vom 6. September 2021 – Az. 20 Cs 21.1592 – hob der BayVGH die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit in Nr. 3. des Bescheides vom 19. März 2021 auf.
Mit Bescheid vom 29. September 2021 hat der Antragsgegner unter der Betreffzeile „Anordnung wegen lebensmittelrechtlicher Verstöße in dem Betrieb D … G …, M … S …, … N …, Produkt Vitamin D3 Tropfen für G …“ erneut den sofortigen Vollzug der Nr. 1.3. des Bescheids vom 19. März. 2021 angeordnet. Diesen begründete sie damit, dass es im besonderen öffentlichen Interesse liege, Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D 3 Tropfen für G …“, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB und/oder Art. 3 VO (EG) 1924/2006 so schnell wie möglich zu unterbinden um Verbraucher vor täuschenden Aussagen zu schützen, die diese dahingehend verstehen könnten, dass die Einnahme von Vitamin D3 allgemein sowie die Einnahme des vorliegenden Produktes im Speziellen präventiv gegen Krebserkrankungen, Diabetes und Endometriose wirken und darüber hinaus zu einer Erhöhung der Überlebenschancen bei einer Corona Infektion führen würde. Aufgrund der aktuellen Corona Lage und dem zu erwartenden Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und Winter 2021/22 sei der Schutz der Verbraucher vor solch täuschenden Aussagen ganz besonders relevant. Das Interesse der Antragstellerin an dem ungehinderten Treffen der streitgegenständlichen Aussagen habe demgegenüber ein geringeres Gewicht. Es handle sich um kein generelles Werbeverbot, die Antragstellerin könne weiterhin gesundheitsbezogene Aussagen bzgl. dem im Produkt enthaltenem Vitamin D treffen, soweit diese nach Art. 13 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006 i.V.m. Anhang VO (EU) 432/2012 zulässig seien und damit das Produkt weiterhin – auch mit Videos – bewerben. Gleichwertige oder gar überwiegende Interessen der Antragstellerin, die ein Zuwarten bis zum zeitlich noch nicht absehbaren Eintritt der Unanfechtbarkeit rechtfertigen könnten, stünden dem nicht gegenüber.
Mit Bescheid vom 12. November 2021 berichtigte der Antragsgegner die Betreffzeile des Bescheids vom 29. September 2021 in: „Anordnung wegen lebensmittelrechlicher Verstöße in dem Betrieb R … F … N … G …, M … S …, … N …, Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ und begründete dies mit einer offensichtlichen Unrichtigkeit des Adressaten.
2. Am 1. November 2021 ließ die Antragstellerin im Verfahren W 8 K 21.1418 Klage gegen den Bescheid vom 29. September 2021 erheben und im vorliegenden Verfahren b e a n t r a g e n,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Zur Begründung ließ sie hierbei und mit Schriftsätzen vom 23. November 2021 und 7. Dezember 2021 den Vortrag aus dem bisherigen Verfahren wiederholen und ergänzend ausführen: Der Bescheid sei aufgrund dessen, dass in seiner Betreffzeile nicht die Antragstellerin sondern die D … G … benannt sei, im Bescheid jedoch auf den Bescheid vom 19. März 2021 und den Beschluss des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 Cs 21.1592 – Bezug genommen werde, welche die Antragstellerin beträfen, zu unbestimmt. Es sei nicht klar, gegen welchen Lebensmittelunternehmer der Bescheid gerichtet sei. Das Landratsamt habe dies auch nicht durch sein Schreiben vom 12. November 2021 gem. Art. 42 BayVwVfG berichtigen können, denn es handle sich nicht um eine offensichtliche Unrichtigkeit. Da das Landratsamt die zuständige Überwachungsbehörde sowohl für die D … G … als auch für die Antragstellerin sei, beide Unternehmen in der gleichen Branche tätig seien, das Landratsamt gegenüber beiden eine Vielzahl von Anordnungen erlasse und in der Begründung kein Bezug auf die Antragstellerin genommen werde, sei nicht ohne Zweifel ersichtlich, dass sich der Bescheid an sie habe richten sollen. Die Unrichtigkeit dränge sich nicht jedermann auf, der in die Lage des Beteiligten versetzt werde und von daher urteile, ob der Verwaltungsakt unrichtig sei. Es käme vielmehr schon die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes in Betracht, da es sich hierbei um einen besonders schwerwiegenden Fehler handle, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offensichtlich sei. Für eine Unanwendbarkeit des Art. 42 BayVwVfG genüge es, wenn es sich um einen Fehler nicht nur im äußeren Erscheinungsbild handle, sondern auch bei der Willensbildung der Behörde ein Rechtsirrtum oder Denkfehler in Betracht käme und somit die Möglichkeit von Mängeln in der Willensbildung nicht auszuschließen seien. Weiterhin entspreche auch die Anordnung des Sofortvollzugs im Bescheid vom 29. September 2021 nicht den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Sie lasse keinerlei Einzelfallbezug erkennen, es sei lediglich die Rechtsfolge der Anordnung der sofortigen Vollziehung wiederholt worden. Im Übrigen überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im konkreten Fall nicht die Interessen der Antragstellerin. Es gäbe keine Hinweise darauf, dass das Produkt gesundheitsschädlich sei. Ohne eine solche Gefährdung der Gesundheit könne ein Sofortvollzug jedoch nicht gerechtfertigt sein. Dies ergebe sich sowohl aus der Rechtsprechung des VGH BW als auch aus dem Beschluss des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 Cs 21.1592 -, denn nur dann könne die schwere grundrechtliche Einschränkung des Sofortvollzugs gerechtfertigt werden. Darüber hinaus sei es sachlich zutreffend, dass in der wissenschaftlichen Diskussion aktuell über den Nutzen von Vitamin D im Zusammenhang mit viralen Erkrankungen und grippalen Infekten diskutiert werde. Es sei daher im Rahmen der Abwägung des Gesundheitsschutzes nicht schädlich, wenn Verbraucher über den Nutzen von Vitamin D informiert würden. Es bleibe weiterhin dabei, dass die Werbung nicht krankheitsbezogen sei. Soweit auf einen Vitamin D-Mangel Bezug genommen werde, sei es die klassische Zweckbestimmung eines Nahrungsergänzungsmittels, bei einem Vitamin-Mangel eingesetzt zu werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 VO 1925/2006/EG als auch dem Erwägungsgrund 3 RL 2002/46/EG und entspreche der Rechtsprechung. Die Antragstellerin bewerbe das Produkt nicht damit, dass bei seiner Verwendung keine Insulinresistenz, kein Bluthochdruck, keine Herzkrankheit und kein Krebs mehr zu befürchten seien. Vielmehr werde auf die sinnvolle Nährstoffbegleitung und den damit erhöhten Nährstoffbedarf in diesem Zusammenhang verwiesen. Nicht jede Erwähnung einer Krankheit führe zu einer unzulässigen krankheitsbezogenen Werbung. Ein Vitamin DMangel sei keine Krankheit. Aus ihm könne lediglich eine Krankheit folgen, eine solche werde jedoch nicht beworben.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2021 b e a n t r a g t e das Landratsamt Würzburg für den Antragsgegner, den Antrag abzuweisen.
Zur Begründung wiederholte es hierbei und mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2021 im Wesentlichen den Vortrag aus dem bisherigen Verfahren und führte ergänzend aus: Der Antrag habe keine Aussicht auf Erfolg, da das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin im vorliegenden Fall das Vollzugsinteresse nicht überwiege. Der Sofortvollzug sei hinreichend begründet worden. Im Bescheid vom 29. September 2021 sei auf den konkreten Einzelfall Bezug genommen worden und nicht bloß die Rechtsfolge der Anordnung wiederholt worden. Der angegriffene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Er sei insbesondere hinreichend bestimmt. Bei der Nennung der D … G … anstatt der Antragstellerin im Betreff habe es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des Art. 42 BayVwVfG gehandelt, welche mit Schreiben vom 12. November 2021 berichtigt worden sei. Die offenbare Unrichtigkeit ergebe sich aus den Verweisen im Bescheid vom 29. September 2021 auf den Bescheid vom 19. März 2021, den Beschluss des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 CS 21.1591 – und das Gutachten des LGL vom 10. März 2021. Darüber hinaus habe die Antragstellerin selbst erkannt, dass sie die Adressatin ist, da der Antrag in ihrem Namen gestellt worden sei. Die durch die Antragstellerin vorgebrachten Argumente würden nicht ausreichen, um die im Gutachten des LGL vom 10. März 2021 aufgeführten streitgegenständlichen Beanstandungen substantiiert anzugreifen. Es schließe sich hierbei den Ausführungen des LGL in seinen Stellungnahmen vom 11. November und 1. Dezember 2021 an, in denen dieses darlege, die von der Antragstellerin vorgebrachten Punkte bzgl. einer Bewerbung der Behebung eines Nährstoffmangels seien unerheblich, da nicht die Bewerbung in Bezug auf einen Vitamin-Mangel untersagt worden sei, sondern die Aussagen über das Produkt mit Bezug auf die Prävention von Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Krebs und Multipler Sklerose. Auch sei zu beachten, dass das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung nach Art. 7 Abs. 3 und 4 VO (EG) 1169/2011 ein Totalverbot darstelle, unabhängig davon, ob die Angaben zutreffend seien oder nicht. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiege das private Interesse der Antragstellerin. Diese verweise zwar auf privaten Interessen, die schutzwürdiger seien als das öffentliche Interesse. Worin diese privaten Interessen lägen, führe sie jedoch nicht aus. Das überwiegende öffentliche Interesse liege im Schutz des Verbrauchers vor Informationen über Lebensmittel, die diesen Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschrieben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen ließen. Die durch die Antragstellerin zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, da sich diese lediglich auf eine Gesundheitsgefahr beziehe, die vorliegend jedoch nicht vorliege. Auch aus dem Beschluss des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 CS 21.1592 – ergebe sich nichts Abweichendes. In diesem werde lediglich festgestellt, dass die aufschiebende Wirkung nur im Falle des § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 39 Abs. 7 LFGB kraft Gesetz entfalle. Andernfalls sei eine entsprechende Begründung erforderlich. Im Übrigen verweise es auf das Gutachten des LGL vom 10. März 2021, dessen Stellungnahmen vom 11. November 2021 und 1. Dezember 2021 sowie die Begründung des Ablehnungsbescheids vom 29. September 2021.
3. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 21.476 und W 8 S 21.477) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Bei verständiger Würdigung (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) des Vorbringens der Antragstellerin und des gestellten Antrags ist ihr Antragsbegehren dahingehend auszulegen, dass sie beantragt, die aufschiebende Wirkung ihrer am 8. April 2021 im Verfahren W 8 K 21.476 gegen den Anordnungsbescheid vom 19. März 2021 erhobenen Anfechtungsklage bezüglich Nr. 1.3 des Anordnungsbescheids wiederherzustellen. Zwar bezieht sich die Antragstellerin in ihrer Antragsformulierung auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 1. November 2021 eingelegten Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 29. September 2021. Diese ist jedoch mangels Statthaftigkeit einer Anfechtungsklage gegen die isolierte Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit (vgl. BVerwG B.v. 30.11.1994 – 4 B 243/94 -, juris; Schoch in Schoch/Schneider VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 334) offensichtlich unzulässig. Auch wenn diese Klage gem. § 88 VwGO als Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. März 2021 auszulegen wäre, wäre sie offensichtlich unzulässig, da ihr gem. §§ 90, 173 VwGO i.V.m. § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Rechtshängigkeit der Klage im Verfahren W 8 K 21.476 entgegenstünde. Da die Antragstellerin ausweislich ihrer Ausführungen Rechtsschutz gegen die durch den Bescheid vom 29. September 2021 in seiner Fassung vom 12. November 2021 angeordnete sofortigen Vollziehung der Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 begehrt, ist zu ihren Gunsten davon auszugehen, dass sie die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer am 8. April 2021 im Verfahren W 8 K 21.476 erhoben Klage in Bezug auf Nr. 1.3 des Anordnungsbescheids vom 19. März 2021 begehrt.
Hierbei ist der Bescheid vom 29. September 2021 in seiner Fassung vom 12. November 2021 streitgegenständlich. Der Antragsgegner hat den Bescheid vom 29. September 2021 mit Schreiben vom 12. November 2021 wirksam gem. Art. 42 BayVwVfG berichtigt. Denn bei der Angabe der D … G … in der Betreffzeile des Bescheids vom 29. September 2021 handelte es sich um eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. Art. 42 BayVwVfG. Der Bescheid vom 29. September 2021 war unrichtig im Sinne der Vorschrift. Unrichtig ist ein Verwaltungsakt, wenn das von der Behörde Gewollte und das im Verwaltungsakt Ausgedrückte nicht übereinstimmen (Baer, in: Schoch/Schneider VwVfG, 0. EL Juli 2020, § 42 Rn. 13). Vorliegend wollte das Landratsamt gegenüber der Antragstellerin die sofortige Vollziehbarkeit der gegenüber ihr bereits durch Nr. 1.3. des Bescheids vom 19. März 2021 angeordneten Untersagung von Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB und/oder Art. 3 der VO (EG) Nr. 1924/2006 verstoßen, anordnen. Dieser Wille ist auch ohne Schwierigkeit erkennbar, da sich der Bescheid vom 29. September 2021 explizit auf den Bescheid vom 19. März 2021, dessen Adressatin die Antragstellerin ist, bezieht. Fehler in der Willensbildung sind nicht ersichtlich. Die Unrichtigkeit ist auch offenbar. Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Widerspruch zwischen dem, was die Behörde gewollt hat, und dem, was sie im Verwaltungsakt zum Ausdruck gebracht hat, ohne weiteres erkennbar ist (Baer in: Schoch/Schneider, VwVfG, 0. EL Juli 2020, § 42 Rn. 18). Bei einer falschen Angabe des Namens stellt diese daher eine offenbare Unrichtigkeit dar, wenn hinsichtlich der Identität des Adressaten keine Zweifel bestehen (vgl. VG Würzburg B.v. 5.9.2017 – W 8 S 17.868 – juris). Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont. Dabei muss sich die Unrichtigkeit jedermann aufdrängen, der in die Lage der Beteiligten versetzt wird und aus deren Position urteilt, ob der Verwaltungsakt inhaltlich unrichtig ist (Baer in: Schoch/Schneider, VwVfG, 0. EL Juli 2020, § 42 Rn. 20). Hierbei muss sich die Unrichtigkeit nicht ausschließlich aus dem Verwaltungsakt selbst ergeben, es genügt, wenn diese erst durch weitere, im Zusammenhang mit dem Erlass des Verwaltungsakts stehende Umstände für die Beteiligten unverkennbar und augenfällig wird (vgl. BVerwG, B.v. 23.10.1985 – 7 B 193/85 – juris). Vorliegend steht die Identität der Adressatin des Bescheids aus Sicht der Beteiligten nicht in Zweifel. Der Bescheid ordnet – unter Angabe des Aktenzeichens – die sofortige Vollziehung der Nr. 1.3 des gegenüber der Antragstellerin ergangenen Anordnungsbescheids vom 19. März 2021 an. Dieser Anordnungsbescheid ist der Antragstellerin zweifelsfrei bekannt. Schon allein deshalb drängt sich auf, dass sie ebenfalls Adressatin des streitgegenständlichen Bescheids sein sollte. Darüber hinaus wird sich im Text des Bescheids vom 29. September 2021 auf das Produkt „Vitamin D 3 Tropfen für G …“, welches durch die Antragstellerin vertrieben und beworben wird, auf das Gutachten des LGL vom 10. März 2021 über dieses Produkt, welches die Antragstellerin ebenfalls benennt, und auf die Beschlüsse des Gerichts vom 7. Mai 2021 – W 8 S 21.477 – und des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 CS 21.1592 – gegenüber der Antragstellerin bezogen, welche der Antragstellerin ebenfalls alle bekannt sind. Ein Bezug der D … G … zum Inhalt des Bescheids besteht, abgesehen von ihrer Benennung in der Betreffzeile, hingegen nicht. Darüber hinaus war der Bescheid auch an die Bevollmächtigten der Antragstellerin adressiert. Diese sind zwar ebenfalls die Bevollmächtigten der D … G …, sind jedoch offensichtlich ebenfalls davon ausgegangen, dass sich der Bescheid an die Antragstellerin richtet, da sie den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in deren Namen gestellt haben und nicht im Namen der D … G … gegen den Bescheid vorgegangen sind. Eine Berichtigung mit Klarstellungsfunktion war daher ohne weiteres möglich. Dass die Berichtigung nach Antragsstellung erfolgte, ist unschädlich, da eine Berichtigung jederzeit, auch nach Einlegung von Rechtsbehelfen, möglich ist (BVerfG, U.v. 8.6.1965 – VIII C 302.63 – BVerfGE 21, 316).
Der so verstandene Antrag ist zwar zulässig, hat jedoch keinen Erfolg.
Statthaft ist ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Alt. 2 VwGO. Die von der Antragstellerin am 8. April 2021 im Verfahren W 8 K 21.476 erhobene Klage gegen den Anordnungsbescheid vom 19. März 2021 hat in Bezug auf dessen Nr. 1.3 aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nr. 1.3 des Bescheids vom 19. März 2021 durch den Bescheid vom 29. September 2021 in der Fassung vom 12. November 2021 wegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO keine aufschiebende Wirkung.
Der Antrag ist unbegründet, da die vom Landratsamt Würzburg im Bescheid vom 29. September 2021 in seiner Fassung vom 12. November 2021 getroffene Anordnung bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Das Gericht verweist insoweit zunächst auf die bei überschlägiger Prüfung zutreffende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids und des Bescheids vom 29. März 2021 (§ 117 Abs. 5 VwGO analog) und sieht von einer nochmaligen Darstellung ab. Darüber hinaus fällt auch eine reine Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus, da das öffentliche Interesse am Vollzug des Bescheides ihr privates Interesse an der Aussetzung der Vollziehung überwiegt.
Ergänzend ist im Einzelnen auszuführen:
Nach § 80 Abs. 5 Alt. 2 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei sind an den Inhalt der Begründung keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist gleichwohl eine auf den konkreten Einzelfall abstellende, nicht lediglich formelhafte Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 85 m.w.N.).
Gemessen hieran hat der Antrag keinen Erfolg.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist im vorliegenden Fall im ausreichenden Maße schriftlich begründet worden. Maßgebend ist, dass der Antragsgegner mit seiner Begründung in hinreichender Weise zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Anordnung des Sofortvollzugs wegen der besonderen Situation im Einzelfall für unverzichtbar hält. Ausreichend ist jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalles eine sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Je nach Fallgestaltung können die Gründe für die sofortige Vollziehung auch ganz oder teilweise mit den Gründen für den Erlass des Verwaltungsaktes identisch sein und sich hierdurch das Begründungserfordernis reduzieren. Aufgrund der gesetzgeberischen Wertung in § 39 Abs. 7 LFGB, der die sofortige Vollziehbarkeit lebensmittelrechtlicher Anordnungen nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gesetzlich nur für Verstöße, die die menschliche Gesundheit schädigen können, anordnet, genügt in Fällen, in denen – wie vorliegend – keine Gesundheitsgefahr besteht, für das Begründungserfordernis jedoch nicht bereits der reine Verweis auf die betroffenen Verbraucherschutzinteressen, die bereits das Erlassinteresse bilden (vgl. VGH München Beschluss vom 6.9.2021 – 20 CS 21.1592 – juris Rn. 5). Der Antragsgegner hat im streitgegenständlichen Bescheid ausgeführt, dass es im besonderen öffentlichen Interesse liege, Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D 3 Tropfen für G …“, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB und/oder Art. 3 VO (EG) 1924/2006 verstoßen, so schnell wie möglich zu unterbinden, um Verbraucher vor täuschenden Aussagen zu schützen, die diese dahingehend verstehen könnten, dass die Einnahme von Vitamin D3 allgemein sowie die Einnahme des vorliegenden Produktes im Speziellen präventiv gegen Krebserkrankungen, Diabetes und Endometriose wirken und darüber hinaus zu einer Erhöhung der Überlebenschancen bei einer Corona-Infektion führen würde. Aufgrund der aktuellen Corona Lage und dem zu erwartenden Anstieg der Infektionszahlen im Herbst und Winter 2021/22 sei der Schutz der Verbraucher vor diesen täuschenden Aussagen bereits vor einer abschließenden Entscheidung über die Anfechtungsklage ganz besonders relevant. Der Antragsgegner hat hierdurch ausreichend auf den Einzelfall Bezug genommen und den Sofortvollzug nicht lediglich als automatische Folge einer unzulässigen krankheitsbezogenen Werbung begründet. Weiterhin hat er dem auch die Interessen der Antragstellerin gegenübergestellt und sie nicht als gleichwertig oder gar überwiegend bewertet, so dass sie im Falle einer mit aufschiebender Wirkung versehener Anfechtungsklage ein Zuwarten bis zum zeitlich noch nicht absehbaren Eintritt der Unanfechtbarkeit rechtfertigen könnten. Daraus wird deutlich, dass sich der Antragsgegner die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit des Sofortvollzugs bewusstgemacht hat. Damit ist der Forderung, die besonderen auf den konkreten Fall bezogenen Gründe für die Anordnung des Sofortvollzugs anzugeben, Rechnung getragen. Die weitere Frage, ob die vom Antragsgegner angeführte Begründung die Anordnung des Sofortvollzugs in der Sache trägt, insbesondere, ob hierfür nicht eine Gesundheitsgefahr notwendig wäre, ist eine Frage der inhaltlichen Richtigkeit und damit des materiellen Rechts (vgl. BayVGH, B.v. 25.9.2020 – 23 CS 20.1928, 23 CS 20.1931, 23 CS 20.1935 – jeweils juris; OVG SH, B.v. 5.6.2019 – 4 MB 42/19 – juris; NdsOVG, B.v. 29.11.2017 – 11 ME 268/17 – RdL 2018, 80; OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – LKV 2018, 80).
2. Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf der Antragstellerin in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die getroffene Regelung ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).
Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021, die gegenüber der Antragstellerin getroffene Untersagung, Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ zu treffen, die gegen das Verbot des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB bzw. des Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verstoßen, ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig. Das Gericht hat dies bereits in seinem Beschluss vom 7. Mai 2021 – W 8 S 21.477 – (juris) dargelegt und hält an dieser Auffassung fest, nachdem die Antragstellerin keine weitergehenden Gründe vorgebracht hat, die zu einer abweichenden Bewertung führen würden.
Das Gericht ordnet das Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ weiterhin als Lebensmittel ein und verweist hierfür sowohl auf seine Ausführungen im Beschluss vom 7. Mai 2021 – W 8 S 21.477 – (UA S. 25 ff.) sowie auf die Ausführungen des BayVGH im Beschluss vom 25. Oktober 2021 – 20 CS 20.3147 – nach dem eine „scherzhafte“ Zweckbestimmung nichts an der Lebensmitteleigenschaft eines Produktes ändert, soweit und solange nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass dieses von Menschen aufgenommen wird.
Weitergehend wird auf die Ausführungen im Beschluss vom 7. Mai 2021 – W 8 S 21.477 – (UA S. 31 ff.) Bezug genommen:
„Rechtsgrundlage ist insoweit Art. 138 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 625/2017. Schon vom Wortlaut der Vorschrift her, ergreifen die zuständigen Behörden nicht nur Maßnahmen zur Beendigung festgestellter lebensmittelrechtlicher Verstöße, sondern auch zur Verhinderung neuer Verstöße durch den Lebensmittelunternehmer. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, dass die Seite …, auf welcher vom Antragsgegner beanstandete Aussagen zu finden waren, nicht mehr abrufbar ist. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 625/2017 beschränkt die Eingriffsbefugnisse der Lebensmittelbehörden nicht auf repressives Handeln, sondern hat nach dem klaren Wortlaut auch eine präventive Funktion.
Die Tatbestandsvoraussetzungen liegen vor, denn die Antragstellerin hat durch Aussagen ihres Geschäftsführers auf der Internetseite … sowie in diversen öffentlich im Internet zugänglichen Videos lebensmittelrechtliche Verstöße in Bezug auf das hier streitgegenständliche Produkt in Form unzulässiger gesundheitsbezogener Angaben begangen. Insbesondere muss sich die Antragstellerin die vorliegend konkret zum Anlass der Anordnung in Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides genommenen Aussagen auf dem der Probenahme beigefügten Werbeflyer, der mittlerweile nicht mehr abrufbaren Internetseite … sowie den Videos „R … F …: D L …“ und „R … F …: R … u … K … B … …2020“ zurechnen lassen. Es besteht ein konkreter Bezug sowohl zu dem hier streitgegenständlichen Vitamin D-Produkt als auch dem Betrieb der Antragstellerin.
Hinsichtlich der einzelnen getätigten Aussagen durch den Geschäftsführer der Antragstellerin kann zunächst auf das Gutachten des LGL vom 10. März 2021 und die Begründung des Anordnungsbescheides vom 19. März 2021 verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Insbesondere teilt das Gericht die Auffassung, dass es sich bei den beanstandeten Aussagen um nicht zulässige gesundheitsbezogene Angaben handelt. Dies gilt speziell für die Bezugnahme auf das SARS-CoV-2-Virus („Coronavirus“) gerade auf der mittlerweile abgeschalteten Homepage … (Bl. … ff. der Behördenakte) und dem Werbeflyer (Bl. … ff.) aber auch die weiteren Aussagen zur Vorbeugung von Krebs, multipler Sklerose oder Diabetes (vgl. Bl. … der Behördenakte). Wenn Vitamin D3 derartige Wirkungen zugeschrieben werden bzw. Aussagen getätigt werden, die jedenfalls geeignet sind, bei Verbrauchern einen solchen Eindruck hervorzurufen, handelt es sich um eine nicht zulässige gesundheitsbezogene Angabe, die nicht im Anhang zur Verordnung (EU) Nr. 432/2021 in Bezug auf Vitamin D genannt ist. Es besteht ein konkreter Produktbezug, da gerade eine Flasche des hier streitgegenständlichen Produktes sowohl auf dem Werbeflyer als auch der Internetseite abgebildet ist. Es ist nicht erforderlich, dass die beanstandete Aussage konkret auf dem Produktetikett enthalten ist. Denn unter dem Begriff Angabe wird jede Aussage oder Darstellung verstanden, die nach dem Gemeinschaftsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist, einschließlich Darstellungen durch Bilder, grafische Elemente oder Symbole in jeder Form, und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt (Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006). Es kommt auch nicht auf bestimmte Übertragungswege an oder darauf, ob die Aussage bzw. Darstellung das Lebensmittel beispielsweise im Rahmen der Kennzeichnung begleiten oder nicht (z.B. Werbung) (vgl. Conte-Salinas in Holle/Hüttebräuker, Health-Claims-Verordnung, 1. Auflage 2018, Art. 2 Rn. 57). Vor diesem Hintergrund stellen auch die in den einzelnen Videos in Bezug auf Vitamin D eine unzulässige Gesundheitsangabe dar.
Sowohl der Werbeflyer als auch die Internetseite … und die genannten Videos sind der Antragstellerin zuzurechnen und insbesondere nicht allein Ausdruck der allgemeinen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) ihres Geschäftsführers.
Bei dem Werbeflyer ergibt sich dies schon durch die Abbildung des hier streitgegenständlichen und von der Antragstellerin vertriebenen Produkts und Angabe ihrer Internetseite. Im Impressum der Internetseite www.lösung-corona.de wurde ebenfalls die Antragstellerin genannt (Bl. … der Behördenakte). Die beanstandeten Videos wurden über den Kanal „R … F …“ auf das Portal „Youtube“ hochgeladen. In dessen Impressum findet sich ebenfalls eine Verlinkung auf die Internetseite der Antragstellerin.
Durch die Bezugnahme auf § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB und Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 und das streitgegenständliche Produkt, ist Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides zudem inhaltlich hinreichend in der Weise bestimmt, dass der Antragstellerin untersagt wird, gesundheitsbezogene Aussagen bezüglich Vitamin D zu treffen, welche nicht in der Anlage zur Verordnung (EU) Nr. 432/2012 enthaltenen Liste zulässiger gesundheitsbezogener Angaben zu Vitamin D genannt sind. Vor diesem Hintergrund bedarf es für die inhaltliche Bestimmtheit der Nr. 1.3 nicht der Auflistung der konkret beanstandeten Aussagen. Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides lässt hinreichend klar erkennen, welche Angaben der Antragstellerin in Bezug auf Vitamin D bzw. das konkret in Rede stehende Produkt untersagt sind, zumal eine konkrete Benennung aller möglichen unzulässigen „Health Claims“ aufgrund der Vielzahl möglicher Formulierungen, Zuschreibungen oder sonstiger Angaben rein praktisch nicht realisierbar ist.
Nr. 1.3 des Anordnungsbescheides ist darüber hinaus verhältnismäßig und schränkt insbesondere das Grundrecht der Antragstellerin auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG nicht in unzulässiger Weise ein. Die Antragstellerin kann sich als juristische Person grundsätzlich auch im Bereich der Werbung auf die Meinungsfreiheit berufen (vgl. Schemmer in BeckOK, GG, 46. Edition, Stand: 15.2.2021, Art. 5 Rn. 2; Starck/Paulus in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 5 Rn. 79 m.w.N.). Gleichwohl ist die Meinungsfreiheit nicht schrankenlos gewährleistet, sondern findet ihre Grenzen in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre (Art. 5 Abs. 2 GG). Insoweit findet die allgemeine Meinungsfreiheit der Antragstellerin ihre Grenze in den allgemeinen lebensmittelrechtlichen Vorschriften über nicht zulässige gesundheitsbezogene Angaben. Die Antragstellerin hat zudem Anlass zu einer entsprechenden Anordnung durch die im Einzelnen angeführten ihr zuzurechnenden Aussagen über verschiedene Kanäle Anlass gegeben. Dass die Anordnung in Nr. 1.3 die grundrechtlichen Interessen der Antragstellerin in unverhältnismäßiger Weise einschränkt, ist für das Gericht nicht zu erkennen.
Ohne dass es für die vorliegende Entscheidung entscheidungserheblich darauf ankäme, weist das Gericht darauf hin, dass Aussagen im Rahmen der allgemeinen Meinungsfreiheit des Geschäftsführers der Antragstellerin als Privatperson hiervon unberührt bleiben. Gleichwohl muss gerade in der hiesigen Konstellation, in der der Firmenname der Antragstellerin mit dem Namen ihres Geschäftsführers korreliert, sichergestellt sein, dass bei Veröffentlichungen durch letzteren eine klare Abgrenzung zur Antragstellerin gegeben ist. Hierzu ist der Geschäftsführer der Antragstellerin als Lebensmittelunternehmer im Sinne von Art. 3 Nr. 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ohnehin verpflichtet. Ab welchem Zeitpunkt eine solche Trennung hinreichend klar erkennbar ist, braucht vorliegend nicht weiter erörtert werden, da die jedenfalls die oben näher bezeichnete Werbung bzw. anderweitigen Veröffentlichungen der Antragstellerin selbst zuzuordnen sind.“
3. Schließlich spricht auch eine Interessenabwägung für die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Denn die sofortige Vollziehung der in Nr. 1.3 im Bescheid vom 19. März 2021 getroffenen Maßnahme ist im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten.
Entgegen der Ansicht der Antragstellerin überwiegt in Fällen, in denen von dem betroffenen Produkt keine Gesundheitsgefahr ausgeht, nicht grundsätzlich das Aussetzungsinteresse des jeweiligen Adressaten das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Dies ergibt sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin zitierten Beschluss des BayVGH vom 6. September 2021 – 20 Cs 21.1592 – (juris). Aus diesem ergibt sich lediglich, dass wenn keine Gesundheitsgefahr besteht, der alleinige Verweis auf betroffene Verbraucherschutzinteressen – die nicht im Schutz vor Gefahren für Leben und Gesundheit liegen – dem Begründungserfordernis der § 80 Abs. 3 VwGO nicht genügt und in diesen Fällen eine weitergehende Begründung notwendig ist. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die durch den Antragstellerbevollmächtigen zur Frage, ob eine sofortige Vollziehbarkeit gerechtfertigt sein kann, wenn das Produkt nicht gesundheitsschädlich ist, angeführte arzneimittelrechtliche Rechtsprechung des VGH BW und des VG München vorliegend nicht einschlägig ist, da es sich um den Vollzug arzneimittelrechtlicher Anordnungen handelt, sich diese Frage vorliegend jedoch nicht stellt und die Argumentation aufgrund des abweichenden Regelungsgehalts nicht ins Lebensmittelrecht übertragen werden kann. Auch der Beschluss des VGH BW vom 17. September 2020 – 9 S 2343/20 – (juris) kann nicht herangezogen werden, da die Anordnung des Sofortvollzugs vorliegend nicht aufgrund einer hypothetischen Gesundheitsgefahr erfolgte, sondern aufgrund der Gefahren einer Verbrauchertäuschung.
Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der Nachteil, den die getroffene Anordnung der Antragstellerin auferlegt, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Denn der Schutzzweck der lebensmittelrechtlichen Vorschriften greift nicht erst bei einer Gesundheitsgefahr, sondern auch bei einer Verbrauchertäuschung oder Irreführung bezüglich des Produktes. Es ist nicht hinnehmbar, dass zu einem Lebensmittel weiterhin unzulässige, gesundheitsbezogene Aussagen auf verschiedenen Kanälen getroffen werden. Dies gilt erst recht, wenn zu dem Produkt in unzulässiger Weise Aussagen zu positiven Wirkungen in Bezug auf eine „Corona-Infektion“ gemacht werden. Hierbei ist auch hervorzuheben, dass das Video „R … F …: R … u … K … B … …2020“ des Geschäftsführers der Antragstellerin, in dem er die „Vitamin D3 Tropfen für G …“ mit krankheitsbezogenen Aussagen bzgl. dem Coronavirus bewirbt, weiterhin auf dessen YouTube Kanal aufrufbar ist (…) und somit weiterhin – nach summarischer Prüfung – unzulässige krankheitsbezogene Informationen bezüglich seiner Produkte verbreitet. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsführer der Antragstellerin auch andere Produkte der Antragstellerin mit unzulässigen, auf eine Covid-19-Infektion bezogene Aussagen bewirbt (vgl. VG Würzburg B.v. 29.10.2021 – W 8 E 21.1346 – BeckRS 2021, 34181) und daher aus seinem gesamten Verhalten darauf geschlossen werden kann, dass er auch in Zukunft für die Antragstellerin krankheitsbezogene Aussagen zu dem Produkt „Vitamin D3 Tropfen für G …“ treffen wird. Ohne den sofort wirksamen Vollzug der angeordneten Maßnahme wäre daher auf Grund des Verhaltens der Antragstellerin und ihres Geschäftsführers damit zu rechnen, dass diese bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung der Hauptsache eine nicht unerhebliche Anzahl von Verbrauchern mit unzulässigen krankheitsbezogenen Aussagen in Bezug auf das streitgegenständliche Produkt erreichen und bei diesen insbesondere eine Täuschung in Hinblick auf eine Präventionswirkung gegen das Corona-Virus hervorrufen könnten. Die wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin an einer Bewerbung der „Vitamin D 3 Tropfen für G …“ mit unzulässigen Aussagen sind daher und angesichts dessen, dass sie die „Vitamin D 3 Tropfen für G …“ auch bei einer sofortigen Vollziehung weiterhin mit zulässigen – teilweise auch gesundheitsbezogenen Aussagen (vgl. Art. 13 Abs. 3 VO (EG) 1924/2006) – bewerben kann, im Vergleich zum Verbraucherschutz, insbesondere im Hinblick auf die schwerwiegenden Folgen, die sich bzgl. eines Verlassens auf die Aussagen bezüglich des CoronaVirus ergeben könnten, nachrangig.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG. Der Auffangwert von 5.000,00 EUR war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs zu halbieren, so dass ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.


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