Europarecht

Sozialgerichtliches Verfahren – Sozialdatenschutz – rechtmäßige Datenverarbeitung durch die Gerichte – Weiterleitung eines in den Rechtsstreit von einem Verfahrensbeteiligten eingeführten Schriftstücks durch das Gericht – Mitteilungspflicht – Absehen von der Mitteilung

Aktenzeichen  S 13 AS 1056/20

Datum:
30.11.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG Nordhausen 13. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:SGNORDH:2021:1130.S13AS1056.20.00
Normen:
§ 108 S 2 SGG
§ 62 SGG
§ 103 S 1 SGG
§ 35 Abs 1 SGB 1
§ 67 Abs 2 SGB 10
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Spruchkörper:
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen eines Verstoßes gegen das Datenschutzrecht streitig.
Mit Schreiben des Klägers als gewillkürter Vertreter einer Frau vom 5. März 2019 forderte er das Jobcenter N (Jobcenter) auf, für die Familie der Frau ab dem 1. Januar 2019 Wohngeld zu beantragen und gegen den Wohngeldbescheid Widerspruch einzulegen, falls der Bescheid beim Jobcenter eingehen sollte. Das Jobcenter wertete das Schreiben als Wohngeldantrag und leitete es mit Schreiben vom 13. März 2019 unter Bezugnahme auf § 16 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) an den Landkreis N, Wohngeldstelle, weiter. Hierüber setzte das Jobcenter die Frau in Kenntnis.
Mit dem hier streitgegenständlichen Schreiben vom 18. März 2019 monierte der Kläger unter Verwendung der Bedarfsgemeinschaftsnummer (BG-Nr.), mit der das Jobcenter die Familie der Frau führt, und unter Bezugnahme auf sein Schreiben vom 5. März 2019 die Weiterleitung desselben an die Wohngeldstelle aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken. Wegen des genauen Inhalts des Schreibens vom 18. März 2019 wird auf Blatt 5 der Gerichtsakte (GA) verwiesen.
Die Mitglieder der Familie der Frau erhoben bei dem erkennenden Gericht am 5. November 2019 gegen das Jobcenter Klage. Gegenstand dieses unter dem Aktenzeichen S 17 AS 1684/19 geführten Verfahrens war der Vorwurf der Untätigkeit im Hinblick auf eine behauptete Verpflichtung des Jobcenters, für die Familienmitglieder Wohngeld beim Landkreis N zu beantragen. Dabei teilten die dortigen Kläger mit, dass die für das Verfahren relevanten Schriftstücke dem Verfahren des hiesigen Klägers mit dem Az. S 17 AS 1030/19 zu entnehmen seien. In seiner Klageerwiderung im Verfahren S 17 AS 1684/19 vom 6. Mai 2020 übermittelte das Jobcenter unter anderem das Schreiben vom 18. März 2019 an das Gericht, wobei er dieses als „Schreiben der Klägerin“ bezeichnete. Mit Verfügung der Vorsitzenden der 17. Kammer vom 28. Mai 2020, die die Geschäftsstelle nach dem Übergang des Verfahrens zum 1. Juni 2020 in die 13. Kammer am 9. Juni 2020 mit Postausgang am Folgetag ausführte, erfolgte die Weiterleitung der Klageerwiderung nebst Anlagen an die dortige Gegenseite.
Wegen der Übermittlung seines Schreibens vom 18. März 2019 durch das Jobcenter an und der Weiterleitung an die Gegenseite im Verfahren S 17 AS 1684/19 durch das erkennende Gericht hat der Kläger am 8. August 2020 die hiesige Klage erhoben. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2020 hat die Kammer die gegen das Jobcenter gerichtete Klage vom hiesigen Verfahren abgetrennt.
Zur Klagebegründung führt der Kläger insbesondere aus: Das Gericht habe sein Schreiben vom 18. März 2019 unter Missachtung der §§ 67b Absatz (Abs.) 1 Satz 1, 67d Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) an die Klägerseite des Verfahrens S 17 AS 1684/19 weitergeleitet. Entgegen der Auffassung des Gerichts sei das Schreiben vom 18. März 2019 nicht für die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage von Bedeutung. Es habe die Verwechslung der Geschlechter und seiner Person mit der einer Klägerin des Verfahrens S 17 AS 1684/19 ignoriert. Das Feststellungsinteresse folge aus der Wiederholungsgefahr, da es sich nicht um den ersten Fall einer Datenschutzverletzung handele. Diese liege hier darin, dass der Klägerseite des Verfahrens S 17 AS 1684/19 der Inhalt des Schreibens vom 18. März 2019 mitgeteilt worden sei. Der Vorsitzende der 13. Kammer dürfe über den Rechtsstreit nicht befinden, da sein eigenes Handeln zur Beurteilung stünde.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass die Übermittlung seines Schreibens vom 18. März 2019 an die Klägerin des Verfahrens S 13 AS 1684/19 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt insbesondere vor: Ein Datenschutzverstoß liege nicht vor. Der Grundsatz des fairen Verfahrens und der Gewährung rechtlichen Gehörs erfordere, dass alle Schriftstücke, die in Bezug auf einen Rechtsstreit vorgelegt würden, auch der Gegenseite zur Kenntnisnahme zuzuleiten seien. Allein dies scheine der Grund für die Verfügung der Vorsitzenden der 17. Kammer gewesen zu sein. Die übersandten Schriftstücke stünden im engen Zusammenhang zum Gegenstand des Rechtsstreits S 17 AS 1684/19. Der dortige Beklagte habe mit den beigefügten Schreiben einer Person, die sich als Bevollmächtigter der dortigen Kläger bezeichnet habe, in zulässiger Weise auf den Vorwurf der Untätigkeit in Sachen Wohngeld reagiert. Der Vorwurf der Offenbarung von geschützten persönlichen Daten mute im vorliegenden Fall bizarr an.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die GA verwiesen.

Entscheidungsgründe

A. Der Vorsitzende der 13. Kammer durfte entscheiden (vgl. auch Beschluss des erkennenden Gerichts vom 31. August 2021, S 1 SF 7/21 B). Die vom Kläger behauptete Vorbefassung, die nach der Anlage 1 III. 4) b) des Geschäftsverteilungsplans des erkennenden Gerichts zur Zuständigkeit des Vertreters führen würde, ist nicht gegeben. Denn die beanstandete Verfügung erfolgte nicht durch den Vorsitzenden der 13. Kammer, sondern durch die vormals zuständige Vorsitzende der 17. Kammer.
B. Die Klage ist als Feststellungsklage noch zulässig.
Die Subsidiarität von Feststellungsklagen, die – trotz des insoweit von § 43 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung abweichenden Wortlauts – auch im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachten ist (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 14. Mai 2020, B 14 AS 28/19 R, SozR 4-4200 § 44b Nr. 6 Randnummer 15), steht deren Zulässigkeit hier nicht entgegen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sein Rechtsschutzziel durch eine Leistungs- oder Gestaltungsklage effektiv erreichen könnte.
Der Kläger hat auch ein Feststellungsinteresse im Sinne eines berechtigten Interesses an der baldigen Feststellung des Inhalts des Rechtsverhältnisses (vgl. § 55 Abs. 1 SGG). Dies erfordert unter Heranziehung des Rechtsgedankens des § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG über die erforderliche Klagebefugnis, dass der Kläger für die Klage auf Feststellung des (Nicht-)Bestehens eines Rechtsverhältnisses eine eigene Rechtsbetroffenheit behaupten und diese auch möglich sein muss, wobei eine solche Rechtsbetroffenheit rechtlich geschützte Interessen voraussetzt, die vom Schutzzweck der zugrunde liegenden Norm erfasst sein müssen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 2. August 2001, B 7 AL 18/00 R, SozR 3-1500 § 55 Nr. 34 Seite 64; BSG, Urteil vom 27. Oktober 2009, B 1 KR 4/09 R, BSGE 105, 1 Rn. 14).
Das Feststellungsinteresse liegt im Ergebnis vor. Es kann aus der spezifischen Grundrechtsrelevanz des beanstandeten Handelns (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 GG) abgeleitet werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in Verfahren des Klägers – soweit ersichtlich – bislang noch keine Entscheidungen zu behaupteten Datenschutzverstößen durch das Gericht ergangen sind und er insoweit auch noch nicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen im Bilde ist.
C. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das Handeln der Vorsitzenden der 17. Kammer war einwandfrei.
I. Das Handeln ist nicht nach den vom Kläger herangezogenen Vorschriften der §§ 67b Abs. 1 Satz 1 und 67d Abs. 1 SGB X zu bewerten. § 67b Abs. 1 Satz 1 SGB X richtet sich an eine Stelle nach § 35 SGB I, also Leistungsträger, zu denen Gerichte nicht gehören.
II. Allerdings bestimmt § 78 Abs. 1 Satz 1 SGB X, dass Personen oder Stellen, die nicht in § 35 SGB I genannt und denen Sozialdaten übermittelt worden sind, diese nur zu dem Zweck verarbeiten dürfen, zu dem sie ihnen befugt übermittelt worden sind. Ob diese Regelungen des SGB X für das sozialgerichtliche Verfahren einschlägig sind (hierzu 1.), kann offen bleiben. Denn Das Schreiben vom 18. März 2019 enthielt zwar Sozialdaten (dazu 2.). Diese hat das Jobcenter jedoch befugt an das Gericht übermittelt (dazu 3.). Das Gericht durfte diese auch Verarbeiten in Form des Übermittelns (dazu 4.).
1. Fraglich ist bereits, ob im Rahmen eines laufenden sozialgerichtlichen Verfahrens § 78 SGB X für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des richterlichen Handelns überhaupt einschlägig ist, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit dem Gericht in einem kontradiktorischen Verfahren von der einen Seite übermittelte Unterlagen der anderen Seite weitergeleitet werden dürfen. Denn der – wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – mit Verfassungsrang ausgestattete Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG dürfte es verbieten, dass das Gericht – gegebenenfalls außerhalb von Offensichtlichkeiten – als Vorfilter agiert, was an Beteiligtenvortrag zum Gegenstand der Akte gemacht wird und was an die Gegenseite weitergeleitet wird. Gegen die Anwendbarkeit des § 78 SGB X könnte in diesem Zusammenhang auch sprechen, dass die Regelung in Abs. 1 Satz 4 fortfolgende ausdrücklich, aber auch nur Bestimmungen darüber trifft, welche Sozialdaten die Gerichte wann an weitere Dritte übermitteln dürfen.
Eine weitere Vertiefung kann an dieser Stelle offen bleiben, weil die Vorgaben des § 78 SGB X hier gewahrt sind:
2. Das Schreiben vom 18. März 2019 enthielt Sozialdaten. Das sind nach § 67 Abs. 2 SGB X personenbezogene Daten, die von einer in § 35 SGB I genannten Stelle im Hinblick auf ihre Aufgaben nach dem SGB verarbeitet werden (§ 67 Abs. 2 SGB X). Nach § 50 Abs. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – ist das Jobcenter Stelle in diesem Sinne. Personenbezogene Daten sind durch den Verweis auf Art. 4 Abs. 1 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung ) insbesondere alle Informationen, die sich auf eine identifizierte natürliche Person beziehen, also auch die im Schreiben vom 18. März 2019 genannten Daten des Klägers und der Umstand, dass er sich über die Weiterleitung des Schreibens 5. März 2019 an die Wohngeldstelle beschwert hat.
3. Das Schreiben vom 18. März 2019 hat das Jobcenter befugt an das Gericht übermittelt. § 69 Abs. 1 Nr. 2 SGB X gestattet die Datenübermittlung zur Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens, das mit der Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem SGB im Zusammenhang steht. Diese Aufgabe folgt hier aus der bestehenden Pflicht gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I, Anträge, die bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellt werden, unverzüglich an den zuständigen Leistungsträger weiterzuleiten. Sie folgt ferner aus der von der Familie behaupteten Pflicht zur Antragstellung des Jobcenters aus § 5 Abs. 3 SGB II. Das eine solche nicht besteht (Gerichtsbescheid der Kammer vom 18. Februar 2021, S 13 AS 1684/19, unveröffentlicht), ist insoweit ohne Belang. Denn auch die Prüfung der Angelegenheit ist Aufgabe der Behörde.
Dass im Verfahren S 17 AS 1684/19 nicht nur das eigentliche Antragsschreiben vom 5. März 2019, sondern auch das Schreiben vom 18. März 2019 übermittelt wurde, ist nicht zu beanstanden. Denn beide Schreiben stehen im Zusammenhang. Derselbe Absender, nämlich der hiesige Kläger, richtete sich an das Jobcenter unter Bezugnahme auf die BG-Nr. der vertretenen Familie. Der hiesige Kläger nahm ferner im Schreiben vom 18. März 2019 auf sein Schreiben in Sachen der Vertretenen vom 5. März 2019 Bezug. Die Relevanz für das Verfahren S 17 AS 1684/19 und mithin die Berechtigung zur Weiterleitung an das Gericht ergibt sich daraus, dass das Jobcenter anhand des Schreibens vom 18. März 2019 nachweisen konnte, ab wann die Familie über die Weiterleitung des Schreibens vom 5. März 2019 im Bilde war und sich so gegen den Vorwurf der Untätigkeit erwehren. Zudem wird deutlich, was aus Sicht der dortigen Kläger gegen die Vorgehensweise des Jobcenters sprach und eine Untätigkeit bzw. Handlungspflicht bedingen könnte. Dem Zusammenhang steht deshalb nicht entgegen, dass das Schreiben vom 18. März 2019 sich im Wesentlichen in Datenschutzrügen erschöpfte.
Dass es sich schließlich um Schreiben des Klägers handelte, der nicht Antragsteller war, ist unerheblich. Denn er tritt für die Betroffenen gegenüber Behörden als Bevollmächtigter auf und hat es damit hinzunehmen, dass seine Daten in diesem Zusammenhang gespeichert werden.
4. Die mithin befugt übermittelten Daten konnte das Gericht an die Kläger des Verfahrens S 17 AS 1684/19 weitergeben. Dabei kommt es hier nicht darauf an, ob § 78 SGB X teleologisch, also aus Gründen des Normzwecks, zu reduzieren ist. Dies wird dergestalt vorgeschlagen, dass § 78 SGB X innerhalb des Gerichtsverfahrens bei hierzu gehörenden Verfahrenshandlungen keine Anwendung findet, wenn Sozialdaten an ein Gericht als Dritten befugt übermittelt wurden (so Bieresborn, SGb 2010, 501, 509). Denn selbst wenn § 78 SGB X uneingeschränkt anwendbar wäre, fände die Einschränkung für die Übermittlung an eine nicht-öffentliche Stelle aus § 78 Abs. 1 Satz 2 SGB X keine Anwendung. Denn sie ist von vornherein nicht einschlägig, wenn die Übermittlung nicht auf Ersuchen dieser nicht-öffentlichen Stelle erfolgt, sondern mit der Übermittlung eigene Aufgaben erfüllt werden (Kunkel in jurisPK-SGB X, 2. Auflage 2017/1. Überarbeitung , § 78 Rn. 22_2). Hier erfüllte das Gericht aber eine eigene Aufgabe, und zwar die aus § 108 Satz 2 SGG (hierzu ausführlich unter III.). Letztere bildet die Rechtsgrundlage für die Weiterleitung an die Klägerseite des Verfahrens S 17 AS 1684/19.
III. Es liegt auch kein Verstoß gegen die DSGVO vor. Sie gilt zwar ausweislich ihres Erwägungsgrunds 20 grundsätzlich auch für die Tätigkeiten der Gerichte. Sie steht einer Datenübermittlung durch das Sozialgericht (SG) aber nicht entgegen.
Die Datenverarbeitungsvorgänge der Gerichte zum Zwecke der Rechtsprechung finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 6 Abs. 1 DSGVO. Nach diesen Vorschriften ist die Verarbeitung – das heißt unter anderem die Offenlegung durch Übermittlung (vgl. Art. 4 Nr. 2 DSGVO) – durch die Gerichte rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche (vgl. Art. 4 Nr. 7 DSGVO) unterliegt (Art. 6 Abs. 1 Buchstabe c DSGVO). Eine Datenverarbeitung ist unabhängig davon ferner dann rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO).
Die Voraussetzungen beider Varianten sind erfüllt. Denn die Gerichte verwenden Daten zum Zweck der Rechtspflege, wobei auf die Pflicht des SG aus § 103 Satz 1 SGG zu verweisen ist, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und dabei die Beteiligten heranzuziehen. Zudem sind aus Gründen des rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG, der in § 62 SGG wiederholt wird, nach § 108 Satz 2 SGG Schriftsätze den übrigen Beteiligten von Amts wegen mitzuteilen. Diese Mitteilungspflicht umfasst auch Anlagen (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Auflage 2020, § 108 Rn. 5). Von der Mitteilung kann abgesehen werden bei Schriftsätzen, die sich lediglich in Beleidigungen erschöpfen oder die für die Entscheidungsfindung offensichtlich bedeutungslos sind. Letzteres ist eng zu verstehen und insbesondere bei untergeordneter Korrespondenz zwischen einem Verfahrensbeteiligten und dem Gericht anzunehmen, wie beispielsweise bei Fristverlängerungsanträgen, Anforderungen von versehentlich unterbliebenen Übersendungen des Gerichts oder Sachstandsanfragen (vgl. Müller in BeckOGK, Stand 1. August 2021, SGG § 108 Rn. 12; Mushoff in jurisPK-SGG, 2017, § 108 Rn. 20, 22). Unerheblich ist dagegen, ob das Gericht den Beteiligtenvortrag für erheblich hält (Mushoff in jurisPK-SGG, 2017, § 108 Rn. 20, 22).
Dies zugrunde gelegt, war die Vorsitzende der 17. Kammer nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, die hier streitbefangene Anlage an die Gegenseite des Verfahrens S 17 AS 1684/19 weiterzuleiten. Denn die dortigen Kläger haben ausdrücklich auf die zum Verfahren S 17 AS 1030/19 übermittelten Schriftstücke verwiesen und dort befand sich das Schreiben vom 18. März 2019. Mithin ist der Bezug durch die dortige Klägerseite hergestellt worden. Von offensichtlicher Bedeutungslosigkeit war mithin keinesfalls auszugehen und ein Anlass, dieses Schreiben nicht weiterzuleiten, bestand aufgrund der gesetzlichen Verpflichtung aus § 108 Satz 2 SGG nicht. Im Übrigen konnte das Jobcenter – wie bereits dargestellt – anhand des Schreibens vom 18. März 2019 nachweisen, ab wann die Familie über die Weiterleitung des Schreibens vom 5. März 2019 im Bilde war und sich so gegen den Vorwurf der Untätigkeit erwehren. Andererseits wird durch das Schreiben deutlich, was aus Sicht der dortigen Kläger gegen die Vorgehensweise des Jobcenters sprach und eine Untätigkeit bedingen könnte.
Dass das Jobcenter das Schreiben vom 18. März 2019 als „Schreiben der Klägerin“ bezeichnete, obwohl es vom hiesigen Kläger stammt, ist als bloße Falschbezeichnung ohne jede Relevanz für das hiesige Verfahren.
D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers.
Die Berufung ist kraft Gesetzes zulässig, da kein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG vorliegt.


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