Europarecht

Statthafte Klageart bei begehrter Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung des Aslyantrags

Aktenzeichen  Au 4 K 17.34984

Datum:
15.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 3841
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Geht es um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der allgemeine Vortrag, die Lebensbedingungen in Rumänien seien sehr schlecht, bzw. es sei dort sehr schwierig, reicht nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (unmenschliche Behandlung) zu begründen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3 Aus der Stellungnahme des Auswärtigen Amts (an VG Ansbach vom 5.12.2017) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine menschenunwürdige Behandlung Schutzberechtigter in Rumänien. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Wohnraum, Sach- und Geldleistungen sowie Versorgung im Krankheitsfall.   (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg.
Sie ist bereits unzulässig, soweit mit dem Klageantrag Nr. 2 – in Form einer allgemeinen Leistungsklage – begehrt wird, für die Kläger in Deutschland ein Asylverfahren durchzuführen. Geht es – wie hier – um das Begehren auf Aufhebung einer Entscheidung über die Unzuständigkeit Deutschlands für die Prüfung eines Asylantrags nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, ist die Anfechtungsklage die allein statthafte Klageart. Eine gerichtliche Aufhebung der Unzulässigkeitsentscheidung hätte zur Folge, dass das Bundesamt das Verfahren fortführen und eine Sachentscheidung treffen muss (vgl. BVerwG, U.v. 21.11.2017 – 1 C 39/16 – juris Rn. 15 sowie zuvor BayVGH, U.v. 13.10.2016 – 20 B 15.30008 – juris Rn. 24 ff.). Insofern fehlt dem Klageantrag Nr. 2 auch das Rechtsschutzbedürfnis, denn die Kläger können das mit diesem verfolgte Ziel bereits mit dem Anfechtungsantrag (Nr. 1) erreichen.
Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Bescheid vom 11. Oktober 2017 ist jedenfalls nicht zu Lasten der Kläger rechtswidrig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte hat die Asylanträge der Kläger zu Recht gem. § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgelehnt. Die Kläger selbst haben im Verfahren vor dem Bundesamt mehrfach angegeben, dass ihnen in Rumänien internationaler Schutz zuerkannt worden sei (vgl. Bundesamtsakte Bl. 63, 73, 103, 109). Dies gilt insbesondere für die Anhörung gem. § 29 Abs. 2 AsylG (vgl. Bundesamtsakte, Bl. 121, 125). Nachdem die Kläger diese Schutzgewährung selbst eingeräumt haben, wäre es an ihnen gewesen, gegebenenfalls detaillierter vorzutragen, anstatt die Schutzgewährung in Rumänien in Frage zu stellen oder Unklarheiten zu behaupten. Dies gilt umso mehr, als sich die Kläger nach ihren Angaben ab 1. Dezember 2016 sieben Monate in Rumänien aufgehalten haben (vgl. Bundesamtsakte, Bl. 63, Bl. 73) und dort die Gewährung von internationalen Schutzes ausweislich der Feststellungen im streitgegenständlichen Bescheid am 23. März 2017 und damit deutlich vor ihrer Weiterreise erfolgt ist.
Da die Unzulässigkeitsentscheidung des streitgegenständlichen Bescheids somit rechtmäßig ist und auf die Anfechtungsklage hin nicht aufgehoben werden kann, gilt dies auch für die Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen, sowie für die Abschiebungsandrohung (vgl. dazu BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – BVerwGE 157, 18 – juris Rn. 21).
Die Feststellung von Abschiebungsverboten gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG ist mit der vorliegenden Klage nicht, zumal fristgerecht, beantragt worden. Angesichts des womöglich in diese Richtung zielenden Klagevortrags ist vorsorglich folgendes auszuführen: Zu Recht führt der streitgegenständliche Bescheid im Ergebnis aus, dass die hohen Anforderungen für ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht erfüllt sind. Rumänien ist bereits seit 2007 Mitgliedstaat der Europäischen Union und damit dem Primärrecht der Union, insbesondere der EU-Grundrechtecharta bei Durchführung des Unionsrechts (wie den Regelungen zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem, vgl. Art. 78 Abs. 2 AEUV), verpflichtet (vgl. Art. 51 Abs. 1 EU-GR-Charta). Im Zeitpunkt des EU-Beitritts festgestellte Defizite in den Bereichen Justizreform und Bekämpfung der Korruption trägt die nach wie vor durchgeführte Überwachung durch die Europäische Kommission im Rahmen des so genannten „Kooperations- und Kontrollverfahrens“ Rechnung (vgl. http://europa.eu/rapid/press-release_IP-17-4611_de.htm). Einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ist im Hinblick auf die Einhaltung der Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit und des Menschenrechtsschutzes grundsätzlich besonderes Vertrauen entgegenzubringen. Daher muss regelmäßig nicht positiv festgestellt werden, dass einem EU-Mitgliedstaat hinsichtlich der Wahrung des von Art. 1 GG geforderten Mindeststandards vertraut werden kann (vgl. BVerfG, B.v. 18.8.2017 – 2 BvR 424/17 – juris Rn. 33). Der allgemeine Vortrag der Kläger vor dem Bundesamt, die Lebensbedingungen in Rumänien seien sehr schlecht, bzw. es sei dort sehr schwierig gewesen, reicht daher nicht aus, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK (unmenschliche Behandlung) zu begründen. Ebenso wenig folgt dies aus dem Alter der Kläger. Der Kläger zu 1 ist 66 Jahre, die Klägerin zu 2 ist 58 Jahre alt; beide sind mithin – nach aktuellen Maßstäben – im arbeitsfähigen Alter. Der Kläger zu 1 verfügt über einen höheren Bildungsabschluss; er hat nach seinen Angaben Geographie studiert und als Geographielehrer gearbeitet (Bundesamtsakte, Bl. 59). Die Kläger können sich als Eheleute gegenseitig unterstützen. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass die Kläger auch in einem für sie fremden (europäischen) Land zurechtkommen würden.
Im Übrigen hat das Auswärtige Amt unlängst ausführlich zur Leistungen für Schutzberechtigte in Rumänien Stellung genommen (Auswärtiges Amt an VG Ansbach vom 5.12.2017). Hieraus (vgl. insbesondere Bl. 4 ff. der Stellungnahme) ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für eine menschenunwürdige Behandlung. Dies gilt insbesondere in Bezug auf Wohnraum, Sach- und Geldleistungen sowie Versorgung im Krankheitsfall (Bl. 6 f. der Stellungnahme). Zu bemerken ist insoweit, dass die staatlichen und zivilgesellschaftlichen Hilfestellungen sogar teilweise über das hinausgehen, was rumänischen Staatsangehörigen angeboten wird, wenn sie aus dem System fallen. Ferner kann das sechsbzw. zwölfmonatige Integrationsprogramm für Sonderfälle (bei besonderem Schutzbedarf) verlängert werden (vgl. Bl. 5 der Stellungnahme). Dass dabei darauf abgezielt wird, anerkannte Flüchtlinge dabei zu unterstützen, für sich selbst zu sorgen (vgl. Bl. 1 der Stellungnahme), ist nicht zu beanstanden.
Vor diesem Hintergrund vermag das Gericht auch nicht aus den von den Klägern vorgelegten ärztlichen Attesten ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG abzuleiten. Überdies werden die vor dem Bundesamt vorgelegten ärztlichen Atteste vom 25. September 2017 maßgeblich dadurch entwertet, dass durch eine Allgemeinmedizinerin ohne erkennbaren Anlass und Grund bei beiden Klägern eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine chronische Depression diagnostiziert worden ist. Auch aus den von den Klägern im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Attesten vermag das Gericht eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch eine Abschiebung wesentlich verschlechtern würde (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG), nicht zu erkennen. Ausdrücklich sieht § 60 Abs. 7 Satz 3 und 4 AufenthG mittlerweile vor, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat nicht mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig sein braucht und dass eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch dann vorliegt, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats (hier: Rumänien) gewährleistet ist. Wie bereits erwähnt, haben sich die Kläger nach ihren Angaben circa sieben Monate in Rumänien aufgehalten. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass sich in dieser Zeit der Gesundheitszustand der Kläger wesentlich verschlechtert hat, lassen sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, dass die Kläger einerseits geltend machen, in Rumänien – in Zusammenschau mit ihren Angaben vor dem Bundesamt: über ein halbes Jahr lang – benötigte Medikamente nicht erhalten zu haben, andererseits, dass beim Kläger zu 1 ohne regelmäßige Insulinspritzen Lebensgefahr bestehe.
Auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids wird im Übrigen Bezug genommen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 84 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3, 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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