Europarecht

Tierische Nebenprodukte, Anordnung des Sofortvollzugs, Antragsgegner, Verwaltungsgerichte, Zwangsgeldandrohung, Aufschiebende Wirkung, Verständiger Durchschnittsverbraucher, Lebensmittelrecht, Befähigung zum Richteramt, Antragstellers, Futtermittelrecht, Futtermitteln, Verwendung als Futtermittel, Futtermittelüberwachung, Futtermittelhersteller, Zweckbestimmung, Personenbezogenheit, Gelegenheit zur Stellungnahme, Aussetzung der Vollziehung, Interessenabwägung

Aktenzeichen  AN 14 S 19.02388

Datum:
29.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 41242
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004, 39 LFGB
LFGB § 19
Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009
Art. 7 ff. VO (EG) Nr. 1069/2009

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Anordnung von Maßnahmen gegen Kennzeichnungsverstöße.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen auf dem Futtermittelmarkt für Heimtiere. Sie vertreibt als Inverkehrbringer unter der Marke „…“ Alleinfuttermittel für Hunde und Katzen, das sie nach eigener Rezeptur von Drittunternehmen (unter anderem der Firma … GmbH) herstellen lässt.
Mit E-Mail vom 20. März 2019 wies die Regierung von … die Antragstellerin auf Mängel bei der Deklaration des Produktes „… Lamm Hirse und Mangogemüse“ hin. Das Produkt werde mit „Tiernahrung vom Metzgermeister“ und „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“ beworben. Dies entspreche nicht den Tatsachen. Die Begriffe „Lebensmittelqualität“ oder „Lebensmittelstandard“ seien anhand des Verständnisses eines durchschnittlich informierten Verbrauchers auszulegen. Die beworbene Aussage sei demnach nur dann zulässig, wenn das Produkt die Anforderungen an ein Lebensmittel erfülle, wenn es also den Vorschriften entspreche, für den menschlichen Verzehr geeignet sei und keine Gefahr für die Gesundheit der Menschen darstelle. Würden für die Herstellung eines Futtermittels – wie bei der Antragstellerin – Lebensmittel mit Gebrauchsmängeln als Rohstoffe bezogen, so seien diese ehemaligen Lebensmittel gerade nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet. Dementsprechend werde die Antragstellerin aufgefordert, sämtliche Produkte hinsichtlich ihrer tatsächlichen Kennzeichnungen auf ihre Vereinbarkeit mit den futtermittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften des § 19 LFGB, Art. 11 ff. der VO (EG) Nr. 767/2009 hin zu überprüfen und gegebenenfalls entsprechend anzupassen. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme und Anpassung bis 15. April 2019 gegeben.
Mit Schreiben vom 1. April 2019 wies die Antragstellerin darauf hin, dass ihr Geschäftsführer am 26. Juli 2000 den Meistertitel im Metzgerhandwerk erworben habe. Die Frage der Unterlassung der Deklaration „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“ werde geprüft. Die gesetzte Frist sei unverhältnismäßig kurz.
Mit Schreiben vom 12. April 2019 wies die Regierung von … den Antragsteller darauf hin, dass dem durchschnittlich informierten Verbraucher durch die Werbeaussage „Tiernahrung vom Metzgermeister“ suggeriert werde, dass das Produkt von einem Metzgermeister entwickelt und hergestellt werde. Dies sei vorliegend nicht richtig, da die Firma … GmbH keine Metzgerei, sondern ein Herstellbetrieb für Heimtierfuttermittel sei. Auch die Aussage „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“ treffe vorliegend nicht zu. Der Inverkehrbringer hätte hier nachzuweisen, dass die Produkte als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden könnten, bevor diese zu Tiernahrung verarbeitet würden. Bei der Herstellung durch die Firma … GmbH würden Ausgangserzeugnisse verwendet, die Kategorie 3-Material darstellten und folglich nicht in irgendeiner Form als Lebensmittel bezeichnet werden könnten. Die Kennzeichnung des Produkts sei bis zum 15. Mai 2019 anzupassen.
Mit Schreiben vom 10. Mai 2019 teilte die Antragstellerin mit, an der Deklaration „Heimtiernahrung vom Metzgermeister“ werde festgehalten. Der Geschäftsführer der Antragstellerin als Entwickler der Rezeptur sei Metzgermeister, ebenso wie der Geschäftsführer des Herstellers, der Firma … GmbH, sowie deren Produktionsleiter. Auf die Deklaration „in Lebensmittelqualität“ oder „in Lebensmittelstandard“ werde ohne Anerkennung einer Rechtspflicht verzichtet. Stattdessen werde die Deklaration „Rohstoffe nach Lebensmittelkriterien“ verwendet. Bei dieser Deklaration liege keine Täuschung vor. Es werde insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass bei der Auswahl der Rohstoffe ein hoher Standard angewendet werde, der sich an den Kriterien für Lebensmittel orientiere, ohne die Produkte jedoch Lebensmitteln gleichzustellen. Die entsprechenden Deklarationen würden nach dem Aufbrauchen der Waren, spätestens jedoch bis zum 31. Dezember 2019 geändert. Es liege ein Bestand von ca. 60.000 Stück etikettierter Produkte vor. Eine Änderung der Deklaration wäre mit einem unverhältnismäßig hohen technischen und finanziellen Aufwand möglich, der in keinem Verhältnis zu einer möglichen Verbrauchertäuschung stehe, zumal die nunmehr beanstandete Deklaration seit 2012 verwendet werde und seitdem mehrfach behördliche Kontrollen erfolgt seien. Dem Schreiben waren mehrere Beispiele von Wettbewerbern beigefügt, die mit „in Lebensmittelqualität oder -standard“ deklarierten. Es werde gebeten, auch diese zur Änderung der Deklaration aufzufordern.
Mit Schreiben vom 16. Juli 2019 teilte die Regierung von … der Antragstellerin mit, dass sie den Erlass eines Bescheides beabsichtige. Auch die Deklaration „Rohstoffe nach Lebensmittelkriterien“ entspreche vorliegend nicht den Tatsachen. Vom Hersteller würden hauptsächlich tierische Nebenprodukte (Material der Kategorie 3) bezogen und keine Lebensmittel. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Mit Schreiben vom 22. August 2019 wies die Antragstellerin darauf hin, dass die Regierung ausführe, dass nach EU-Recht die Zweckbestimmung der eingekauften Rohstoffe entscheidend sei, das heißt auch lebensmittelfähiges Material allein durch die beabsichtigte Bearbeitung zu Futtermitteln aus der Kategorie Lebensmittel entnommen und zu K3-Material herabgestuft werden müsse. Folge man dieser Argumentation, so sei es dem Hersteller unmöglich, eine Unterscheidung seiner Produkte gegenüber Produkten vorzunehmen, die tatsächlich und ausschließlich aus Material bestünden, die zu keinem Zeitpunkt lebensmittelfähig wären, also insbesondere aus Schlachtabfällen, wie Häuten, Knochen, Hufen oder ähnlichen Material bestünden. Es müsse aber einem Unternehmer möglich sein, durch entsprechende Deklaration den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass ein Produkt aus hochwertigen Rohstoffen gefertigt werde, was sich letztlich auch auf den Artikelpreis auswirke. Eine Vermischung mit reinem K3-Material könne vorliegend zwar nicht immer ausgeschlossen werden. Dies könne jedoch mit einem Zusatz wie beispielsweise „überwiegend Zutaten in Lebensmittelqualität“ dargestellt werden. Tatsächlich beziehe der Hersteller Rohstoffe in Lebensmittelqualität, die allein durch die auf der Basis der entsprechenden EU-Regelung definierte Zweckbestimmung der Verarbeitung zu Tierfutter beim Verlassen des Schlachthofes automatisch zu K3-Material herabgestuft werden müssten, jedoch genauso gut in einer Gaststätte zu einem Menü (z.B. saure Lunge) verarbeiten werden könnten. Ein Nachweis der Lebensmitteltauglichkeit sei damit praktisch unmöglich. Auch die Deklaration „Heimtiernahrung vom Metzgermeister“ sei nicht irreführend. Der Begriff des Metzgermeisters sei personenbezogen. Wo diese Tätigkeit ausgeübt werde, sei nicht entscheidend. Die Firma … GmbH betreibe keine industrielle Herstellung. Die Herstellung entspreche hinsichtlich der Produktionsschritte, der verwendeten Maschinen (Metzgereimaschinen) und der Produktionsmengen einem größeren Handwerksbetrieb. Überdies betrieben große Handelsketten im Lebensmittelbereich Hausmarken mit den Begriffen „Metzgermeister X“ oder „Metzgerqualität“ oder werben im Fernsehen mit Metzgern in den entsprechenden Fachabteilungen. Auch insoweit erwarte der Verbraucher nicht, dass die so deklarierten Produkte aus einem Metzgereifachbetrieb im Sinne eines kleinen inhabergeführten Handwerksbetriebs stammten.
Mit Bescheid vom 27. September 2019, der Antragstellerin zugestellt am 2. Oktober 2019, traf die Regierung von … gegenüber dem Geschäftsführer der Antragstellerin folgende Anordnungen:
„1. Sie als Verantwortlicher der Antragstellerin werden verpflichtet, bis zum 15. Januar 2019 sämtliche für den Verkehr bestimmte Futtermittel Ihres Unternehmens auf die ordnungsgemäße Kennzeichnung hin zu überprüfen und so anzupassen, dass diese den gesetzlichen Vorgaben der Art. 11 ff. der VO (EG) Nr. 767/2009 wie folgt entsprechen:
1.1 Eine Bewerbung mit „Rohstoffe nach Lebensmittelkriterien“, „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“, „Rohstoffe in Lebensmittelqualität“ bzw. mit vergleichbaren Aussagen zu Rohstoffen, die auf eine besondere Qualität unter Bezugnahme auf Lebensmittel hinweisen, ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden können, dass der Hersteller die entsprechend beworbenen Rohwaren als Lebensmittel bezogen hat.
1.2 Eine Bewerbung „in Metzgerqualität“ bzw. „vom Metzgermeister“
ist nur zulässig, sofern Nachweise vorgelegt werden können, dass die Herstellung des Produktes in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt.
2. Die sofortige Vollziehung der Nummer 1 des Bescheides wird angeordnet.
3. Bei Zuwiderhandlung gegen die
3.1 Nr. 1 wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR je Produktsorte, deren Futtermitteldeklaration nicht den Vorgaben aus Nr. 1.1 entspricht, zur Zahlung fällig.
3.2 Nr. 1 wird ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR je Produktsorte, deren Futtermitteldeklaration nicht den Vorgaben aus Nr. 1.2 entspricht, zur Zahlung fällig.“
Die futtermittelrechtlichen Anordnungen beruhten auf Art. 54 der VO (EG) Nr. 882/2004 in Verbindung mit § 39 Abs. 1, 2 LFGB in Verbindung mit § 19 LFGB, Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 767/2009. Die Antragstellerin bewerbe ihr Produkt „… Lamm Hirse und Mangogemüse“ mit den Aussagen „Tiernahrung vom Metzgermeister“ und „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“, obwohl dies nach den Kenntnissen des Antragsgegners nicht den Tatsachen entspreche. Der Hersteller habe im Rahmen der letzten Vor-Ort-Kontrolle angegeben, dass dieser die verwendeten Rohstoffe hauptsächlich als Tierische Nebenprodukte (Material der Kategorie 3) und nicht als Lebensmittel beziehe. Bei der Auswahl der Rohstoffe sei für den Hersteller ausschließlich die Verwendbarkeit als Futtermittel ausschlaggebend (z.B. Einhaltung der Grenzwerte für Blei etc.) und gerade nicht der Umstand, dass es sich um einen besonders hochwertigen Rohstoff (Lebensmittel) handele. Selbst wenn im Einzelfall ein Rohstoff als Lebensmittel bezogen werden sollte, werde jedenfalls nicht sichergestellt, dass eine Vermischung ausgeschlossen sei. Ein getrennter Wareneingang bzw. eine getrennte Handhabung finde nicht statt. Unter Material der Kategorie 3 fielen beispielsweise auch Schlachtkörper und Teile von geschlachteten Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschriften genusstauglich, jedoch aus kommerziellen Gründen nicht dafür bestimmt sind (Art. 10 Buchst. a der VO (EG) Nr. 1069/2009). Damit seien diese ehemaligen Lebensmittel, die aus der Lebensmittelkette entfernt worden seien und die von dem abgebenden Betrieb nicht mehr als solche verkauft würden, gerade nicht mehr zum menschlichen Verzehr geeignet. Diesbezüglich komme es maßgeblich auf die Einschätzung des abgebenden Betriebes bzw. Schlachthofes an. Diese Einstufung habe auch preisliche Auswirkungen, da der Erwerb von Lebensmitteln auch entsprechend teurer sei. Entgegen der Antragstellerin würden nicht alle Rohwaren automatisch beim Verlassen des Schlachthofes zu Material der Kategorie 3 herabgestuft. Auch die Bewerbung „in Metzgerqualität“ bzw. „vom Metzgermeister“ sei irreführend. Damit sei ebenfalls ein besonderes Qualitätsmerkmal verbunden. Dem Verbraucher werde suggeriert, dass etwas anderes, qualitativ hochwertigeres, verwendet würde als für „normales“ Hundefutter. Dies wäre nur zulässig für Rohstoffe, die eine Metzgerei als Lebensmittel abgegeben habe und nicht für Rohstoffe, die als Tierisches Nebenprodukt abgegeben bzw. bezogen würden. Darüber hinaus stelle sich ein durchschnittlicher Verbraucher in Bezug auf den Begriff Metzger einen kleinen handwerklichen Betrieb vor. Es erfolge jedoch gerade keine Herstellung durch einen Metzger oder Metzgermeister in einer Metzgerei, denn der Hersteller sei ein Heimtierfutterhersteller. Der Herstellungsprozess habe industriellen Umfang. Die überwiegende Anzahl der Arbeitsschritte werde maschinell durchgeführt. Es komme auf diese tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten an, und nicht darauf, welche Qualifikation ein Geschäftsführer oder einzelne Mitarbeiter ursprünglich erlernt hätten. Überdies übten Mitarbeiter, die in Futtermittelherstellungsbetrieben arbeiteten, ihren Beruf als Metzger oder Metzgermeister gar nicht aus, sondern seien vielmehr Futtermittelhersteller bzw. Mitarbeiter in einen Futtermittelherstellungsbetrieb. Die getroffene Anordnung sei erforderlich, weil die Antragstellerin der Überprüfung und Anpassung der Deklaration ohne formale Anordnung nicht nachgekommen sei. Die Anordnung sei verhältnismäßig, weil sie der Antragstellerin die Möglichkeit lasse, entsprechende Nachweise zu erbringen, wenn sie tatsächlich Lebensmittel beziehe zur Herstellung ihres Produktes. Auch wäre die Herstellung des Produktes aus futtermittelrechtlicher Sicht in einem handwerklichen Metzgereibetrieb möglich. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO sei im öffentlichen Interesse die sofortige Vollziehung anzuordnen. Das Futtermittelrecht verfolge unter anderem das Ziel, den Verbraucher vor Täuschung und Irreführung zu schützen. Das Interesse des Betriebes, seine Produkte unter einer irreführenden Bezeichnung zu vertreiben sei nicht schutzwürdig. Darüber hinaus handele es sich mit Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 767/2009 um eine Vorschrift des Unionsrechts, sodass die sofortige Vollziehung diesbezüglich auch der wirksamen sowie einheitlichen Anwendung und Durchsetzung des Unionsrechts dienen solle. Die Zwangsgeldandrohungen stützten sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes sei geschätzt worden. Es sei der Wert angenommen worden, mit welchem die Antragstellerin zur Befolgung der zur Durchführung angeordneten Maßnahmen angehalten werden könne. Auch sei das wirtschaftliche Interesse berücksichtigt worden.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 29. Oktober 2019, bei Gericht per Fax am selben Tage eingegangen, ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 27. September 2019 einlegen.
Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. Dezember 2019, bei Gericht per Fax am selben Tage eingegangen, ließ die Antragstellerin Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen.
Zur Begründung wird vorgetragen, in der Deklaration „Lebensmittelqualität“ liege vorliegend keine Täuschung. Nach Art. 2 der VO (EU) Nr. 178/2002 liege dann ein Lebensmittel vor, wenn Stoffe oder Erzeugnisse gegeben seien, bei denen nach vernünftigem Ermessen davon ausgegangen werden könne, dass diese in verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand zum menschlichen Verzehr geeignet seien. Demgegenüber stehe das sogenannte K3-Material der VO (EU) Nr. 1069/2009. Hierzu zählten insbesondere Schlachtabfälle, die für den menschlichen Verzehr ungeeignet seien, wie Sehnen, Knorpel, Knochen, Hufe u.a. sowie auch für den menschlichen Verzehr geeignete Produkte von gesunden Tieren, die jedoch nach der Verkehrssitte kaum konsumiert werden, wie Kutteln, Euter, diverse Innereien u.a. Diese verlören allerdings nur rechtlich in der Zweckbestimmung zur Futtermittelherstellung ihre Lebensmittelqualifikation, stellten jedoch nach der vorstehenden Lebensmitteldefinition weiterhin qualitativ Lebensmittel dar. Nach der Argumentation des Antragsgegners werde bereits auf der Laderampe lebensmittelfähiges Material allein durch die Zweckbestimmung der Verarbeitung zu Tierfutter auf K3-Material herabgestuft. Damit könne die Antragstellerin bzw. deren Lieferant den in Ziffer 1.1 geforderten Nachweis aus rechtlichen Gründen nicht erbringen. Der Hersteller kaufe bei Schlachthöfen und Großhändlern lebensmittelfähiges Material ein. Es handele sich vorwiegend um Innereien aus gesunden Schlachttieren, die im Rahmen der Lebensmittelproduktion gewonnen, vom Verbraucher jedoch nicht oder nur in geringen Mengen nachgefragt würden, wie Herz, Leber, Nieren, Milz, Hühnermägen. Gleiches gelte für verwendete Cerealien, die ebenfalls aus dem Lebensmittelbereich stammten. Da die Firma … GmbH jedoch keine lebensmittelrechtliche Zulassung besitze, sondern nur eine solche zur Futtermittelherstellung werde automatisch jedes an sie veräußerte Material – egal ob Fleisch oder Cerealien – aus rechtlichen Gründen und unbeschadet der tatsächlichen Lebensmittelqualität zu K3-Material herabgestuft, sodass in der Folge nur Lieferscheine über K3-Material vorliegen könnten. Der Antragsgegner fordere damit Nachweise, die aufgrund der geltenden Rechtslage nicht erbracht werden könnten. Überdies liege keine Täuschung vor, weil vorliegend tatsächlich Rohstoffe verarbeitet würden, die Lebensmittelqualität besäßen. Es fehle hier an Rechtssicherheit. Auf Grund des Wettbewerbs innerhalb der Futtermittelbranche sei diese jedoch unumgänglich, zumal eine größere Anzahl an Mitbewerbern ihre Produkte ebenfalls in der von dem Antragsgegner beanstandeten Weise – offensichtlich bei diesen Unternehmen unbeanstandet – deklarierten. Hierzu legt die Antragstellerin entsprechende Werbeaussagen und Deklarationen vor. Auch die Deklaration „Metzgermeister“ sei vorliegend nicht irreführend. Der Geschäftsführer der Antragstellerin als auch der Geschäftsführer des Herstellers und mehrere Mitarbeiter dieses Unternehmens seien Metzgermeister bzw. Metzger. Von der Entwicklung über die Produktion bis zum Inverkehrbringen sei durchgehend die berufliche Befähigung eines Metzgermeisters gegeben. Auf Art und Größe des Betriebes komme es bei der Deklaration nicht an. Der durchschnittliche Verbraucher subsumiere den Begriff des „Metzgermeisters“ mit einer Person, die im Umgang mit tierischen Produkten eine besondere Ausbildung und Erfahrung besitze und mit diesen Produkten besonders sorgfältig und produktbezogen umgehe. Wo diese Tätigkeit ausgeübt werde, sei nicht entscheidend. Dies wäre allenfalls dann von Bedeutung, wenn die Antragstellerin mit einem Zusatz wie „Qualität aus der Metzgerei“ deklarieren würde. Vorliegend lege sie jedoch allein Wert darauf, auf die berufliche Fähigkeit der Verantwortlichen hinzuweisen. Die … GmbH betriebe überdies keine industrielle Fertigung. Dieser Umstand wäre ohnehin nicht entscheidend. Auch große Handelsketten im Lebensmittelbereich würden mit „Metzgerqualität“ werben. Gründe für die Notwendigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs seien unter Abwägung der Interessen der Antragstellerin nicht erkennbar. Die beanstandeten Deklarationen verwende die Antragstellerin unverändert sei 2013, von 2013 bis 2016 unter der früheren Marke „…de“, seit 2016 unter der Marke „…“. Bei mehreren Kontrollen sei die Deklaration nicht beanstandet worden. Es befänden sich mehrere Tausend Dosen so deklarierter Waren auf Lager, die bis zum 15. Januar 2020 weder abverkauft noch umdeklariert werden könnten. Der angeordnete Sofortvollzug bedeute für ein Unternehmen in der wirtschaftlichen Größenordnung der Antragstellerin einen unverhältnismäßigen finanziellen Schaden. Dies umso mehr, als die Antragstellerin in einem Wettbewerb stehe, in dem andere Hersteller offensichtlich unbeanstandet weiterhin mit den bei ihm beanstandeten Deklarationen auf dem Markt werben. Selbst im Fall des Obsiegens in der Hauptsache wäre die Marktposition bei dem angeordneten Sofortvollzug dauerhaft geschädigt. Für den Fall, dass das Gericht den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht entsprechen sollte, rechtfertige sich der Hilfsantrag. Der Antragstellerin sei es nicht möglich, bis zum 15. Januar 2020 die mit den beanstandeten Deklarationen versehenen Produkte abzuverkaufen oder umzuetikettieren. Hierzu sei ein Vorlauf von ca. 8 Wochen erforderlich.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebenden Wirkung der unter dem Aktenzeichen AN 14 K 19.02108 rechtshängigen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 27. September 2019 mit dem Aktenzeichen 2660.56_52-200-2 anzuordnen.
hilfsweise, die Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides vom 27. September 2019 bis 31. März 2020 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Begründung im Bescheid. Ergänzend wird vorgetragen, dass ein Bezug von Lebensmitteln zur Futtermittelherstellung möglich sei. Damit sei auch eine Bewerbung mit „Rohstoffen in Lebensmittelqualität“ möglich. Dies könne etwa durch Lieferscheine nachgewiesen werden oder eine Bestätigung des Schlachthofs, dass diese Rohstoffe ursprünglich als Lebensmittel abgegeben worden seien. Diese Tatsache werde gerade durch die Anordnung 1.1 berücksichtigt. Insofern sei es der Antragstellerin nicht aus rechtlichen, sondern vielmehr aus tatsächlichen Gründen derzeit unmöglich, den Nachweis zu erbringen, da die Herstellerfirma … GmbH, die ebenfalls unter der Überwachung der Regierung stehe, entsprechend den Feststellungen bei der Vor-Ort-Kontrolle im März 2019 die tierischen Rohstoffe gerade nicht in Lebensmittelqualität beziehe, sondern hauptsächlich tierische Nebenprodukte. Im Hinblick auf die übermittelten Anlagen werde darauf aufmerksam gemacht, dass ein pauschaler Vergleich der Sachverhalte nicht möglich sei. Denn für den Fall, dass betreffende Rohstoffe vom Hersteller tatsächlich als Lebensmittel bezogen werden, sei eine entsprechende Bewerbung der Rohstoffe in Lebensmittelqualität zulässig. Hinsichtlich des Sofortvollzugs werde darauf hingewiesen, dass der Hinweis auf die Verstöße bereits im März 2019 erfolgte. Die Tatsache, dass eine bestimmte Anzahl an Produkten umzudeklarieren sei, sei im Rahmen der Umsetzungsfrist beachtet worden. Die Antragstellerin habe selbst rückgemeldet, dass eine Umsetzung bis Ende des Jahres möglich wäre. Es sei nicht dem Antragsgegner anzulasten, das der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erst mit Schreiben vom 2. Dezember 2019 gestellt wurde und dadurch bereits ca. zwei Monate der Anordnungsfrist verstrichen seien.
Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist in formeller Hinsicht rechtmäßig. In Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage – wie vorliegend hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom 27. September 2019 – aufgrund behördlich angeordneten Sofortvollzugs entfällt, ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO schriftlich zu begründen (ausführlich zu den inhaltlichen Anforderungen Hoppe, in: Eyermann, VwGO 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 54 f.). Die von dem Antragsgegner im Bescheid vom 27. September 2019 gegebene Begründung des Sofortvollzugs nimmt Bezug auf den Einzelfall und wägt die Interessen im konkreten Fall gegeneinander ab. Sie entspricht damit diesen Anforderungen.
2. Der Bescheid vom 29. September 2019 ist in materieller Hinsicht ebenfalls nicht zu beanstanden.
In Fällen, in denen behördlicherseits der Sofortvollzug angeordnet wurde, wie vorliegend hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheides vom 27. September 2019, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen. In Fällen, in denen Anordnungen kraft Gesetzes sofort vollziehbar sind, wie vorliegend hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheides, kann das Gericht die aufschiebende Wirkung anordnen. Das Gericht trifft dabei eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfs abzuwägen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Ergibt diese Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse der Antragstellerin regelmäßig zurück. Erweist sich der Bescheid bei dieser summarischen Prüfung dagegen als rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Sind die Erfolgsaussichten offen, so ist eine reine Interessenabwägung durchzuführen.
Nach der in diesem Verfahren gebotenen und ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich die gegenüber der Antragstellerin mit Sofortvollzug ausgestattete Ziffer 1 des Bescheides vom 27. September 2019 als voraussichtlich rechtmäßig. Gleiches gilt hinsichtlich der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 27. September 2019.
Rechtsgrundlage für die in Ziffer 1 des Bescheides getroffenen futtermittelrechtlichen Anordnungen sind Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 und 2 sowie § 19 LFGB und Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009.
Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie nach Art. 54 Abs. 1 VO (EG) Nr. 882/2004 die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Unter einem Verstoß versteht die Verordnung dabei nach Art. 2 Satz 2 Nr. 10 die Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB treffen die zuständigen Behörden die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Bei den im Bescheid vom 27. September 2019 in Ziffer 1 getroffenen Anordnungen handelt es sich um Anordnungen zum Schutz vor Täuschung.
Die Regierung von … ist gemäß § 38 Abs. 1 LFGB in Verbindung mit Art. 20 Satz 1 GDVG und § 2 Abs. 1 GesVSV zuständige Behörde in der Futtermittelüberwachung.
Nach § 19 LFGB ist es verboten, Futtermittel, deren Kennzeichnung oder Aufmachung den Anforderungen des Art. 11 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 767/2009 nicht entspricht, in den Verkehr zu bringen oder für solche Futtermittel allgemein oder im Einzelfall zu werben. Nach Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009 dürfen Kennzeichnung und Aufmachung von Futtermitteln nicht irreführen, insbesondere (Buchst. a) hinsichtlich des vorgesehenen Verwendungszwecks oder der Merkmale des Futtermittels, insbesondere der Art, des Herstellungs- oder Gewinnungsverfahrens, der Beschaffenheit, der Zusammensetzung, der Menge, der Haltbarkeit oder der Tierarten- oder -kategorien, für die es bestimmt ist, oder (Buchst. b) durch Angabe von Wirkungen und Eigenschaften, die das Futtermittel nicht besitzt, oder indem zu verstehen gegeben wird, dass es besondere Eigenschaften bietet, obwohl alle vergleichbaren Futtermittel dieselben Eigenschaften besitzen.
„Futtermittel“ sind dabei gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 767/2009 in Verbindung mit Art. 3 Nr. 4 VO (EG) Nr. 178/2002 Stoffe oder Erzeugnisse, auch Zusatzstoffe, verarbeitet, teilweise verarbeitet oder unverarbeitet, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind. Unter „Kennzeichnung“ versteht die VO (EG) Nr. 767/2009 in Art. 3 Abs. 1 Buchst. s) die Zuweisung von Angaben, Hinweisen, Warenzeichen, Markennamen, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Futtermittel beziehen, durch Anbringen dieser Informationen auf jeglicher Art von Medium, welches sich auf dieses Futtermittel bezieht oder dieses begleitet, wie etwa Verpackung, Behältnis, Schild, Etikett, Schriftstück, Ring, Verschluss oder im Internet, einschließlich zu Werbezwecken. „Aufmachung“ bezeichnet die Form, das Erscheinungsbild oder die Verpackung und die für das Futtermittel verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art und Weise, in der, und das Umfeld, in dem es präsentiert wird (Art. 3 Abs. 1 Buchst. u) VO (EG) Nr. 767/2009). Das Irreführungsverbot des Art. 11 VO (EG) Nr. 767/2009 betrifft sowohl das Inverkehrbringen und die Verwendung von Futtermitteln für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere als auch für nicht der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere (Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 767/2009; hier: Alleinfuttermittel für Hunde und Katzen). Bei dem für die Anordnungen in Ziffer 1 des Bescheides vom 27. September 2019 Anlass bietendem Produkt „…Lamm Hirse und Mangogemüse“ handelt es sich unstreitig um ein Futtermittel, dessen Kennzeichnung (Verpackungsangaben bzw. Werbeaussagen) der Antragsgegner für irreführend erachtet.
Bei dem Begriff „Irreführung“, den der Unionsgesetzgeber auch im Lebensmittelbereich verwendet (Art. 16 VO (EG) Nr. 178/2002 sowie Art. 7 VO (EU) Nr. 1169/2011), handelt es sich um einen unionsrechtlichen Rechtsbegriff (vgl. ausführlich Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht 174 EL Juli 2019, § 19 LFGB Rn. 19 ff.; Art. 7 LMIV Rn. 23 ff.). Der Europäische Gerichtshof stellt hierbei auf das „Verbraucherleitbild“ ab (erstmals in U.v. 16.7.1998 – C-210/96- und U.v. 28.1.1999 – C-303/97). Der Gerichtshof fragt insoweit danach, ob die Verwendung einer Angabe tatsächlich geeignet ist, die angesprochenen Verbraucher irrezuführen und daher ihr wirtschaftliches Verhalten zu beeinflussen. Das nationale Gericht müsse darauf abstellen, wie ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher diese Angabe wahrscheinlich auffassen wird. Dieser Auffassung ist die deutsche Rechtsprechung gefolgt (vgl. etwa BVerwG, B.v. 5.4.2011 – 3 B 79.10 -, juris, zu § 11 Abs. 1 LFGB). Entscheidend ist also die Eignung einer Angabe oder Kennzeichnung zur Irreführung bzw. Täuschung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht selbst im Regelfall eine Beurteilung der Wahrscheinlichkeit (Verbraucherauffassung) vornehmen muss und nur bei besonderen Schwierigkeiten ein Sachverständigengutachten einholen oder eine Verbraucherbefragung durchführen kann (vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht 174 EL Juli 2019, § 19 LFGB Rn. 20 f.; Art. 7 LMIV Rn. 28 f.).
2.1 Vor diesem Hintergrund sieht der Antragsgegner die von der Antragstellerin verwendeten bzw. vorgeschlagenen Bezeichnungen „Rohstoffe nach Lebensmittelkriterien“, „Fleischqualität in Lebensmittelstandard“, „Rohstoffe in Lebensmittelqualität“ bzw. vergleichbare Aussagen zu Rohstoffen, die auf eine besondere Qualität unter Bezugnahme auf Lebensmittel hinweisen, zu Recht als irreführend an, sofern keine Nachweise vorgelegt werden können, dass der Hersteller die entsprechenden Rohwaren als Lebensmittel bezogen hat.
Unter „Lebensmittel“ versteht die VO (EG) Nr. 178/2002, auf die auch die VO (EG) Nr. 767/2009 Bezug nimmt (vgl. deren Erwägungsgrund 1), in Art. 2 Abs. 1 alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Als „tierische Nebenprodukte“ werden gemäß Art. 3 Nr. 1 VO (EG) Nr. 1069/2009 dagegen ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs beziehungsweise andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen, bezeichnet. Gemäß Art. 7 ff. der VO (EG) Nr. 1069/2009 werden tierische Nebenprodukte nach dem Grad der von ihnen ausgehenden Gefahr für die Gesundheit von Mensch und Tier in die Kategorien 1 bis 3 eingeteilt (Art. 7 Abs. 1). Tierische Nebenprodukte der Kategorien 1 und 2 sowie deren Folgeprodukte müssen grundsätzlich beseitigt werden (vgl. Art. 12 und 13 VO (EG) Nr. 1069/2009 in Verbindung mit § 3 Tierische Nebenprodukte-Beseitigungsgesetz). Tierische Nebenprodukte der Kategorie 3 dürfen grundsätzlich zur Futtermittelherstellung weiterverarbeitet werden (vgl. Art. 14 Buchst. e) in Verbindung mit Art. 35 VO (EG) Nr. 1069/2009). Sie umfassen nach Art. 10 Buchst. a) unter anderem folgende tierische Nebenprodukte: Schlachtkörper und Teile von geschlachteten Tieren oder im Fall von getötetem Wild, ganze Körper oder Teile von toten Tieren, die gemäß den Gemeinschaftsvorschiften genusstauglich, jedoch aus kommerziellen Gründen nicht hierfür bestimmt sind.
Die Antragstellerin irrt sich, wenn sie in der Antragsbegründung argumentiert, dass das von ihr bezogene Material „qualitativ“ nach der Lebensmitteldefinition des Art. 2 der VO (EU) Nr. 178/2002 ein Lebensmittel darstelle und nur „rechtlich“ in der Zweckbestimmung zur Futtermittelherstellung diese Qualifikation verlöre. Denn dem Lebensmittelrecht ist eine derartige Differenzierung zwischen qualitativen und rechtlichen Lebensmitteln nicht zu entnehmen. Vielmehr definiert Art. 2 Abs. 1 der VO (EU) Nr. 178/2002 ein Lebensmittel dahingehend, dass darunter alle Stoffe oder Erzeugnisse zu verstehen sind, die dazu bestimmt sind (Hervorhebung durch die Kammer) oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Als Gegenstück dazu definiert Art. 3 der VO (EG) Nr. 1069/2009 tierische Nebenprodukte dahin, dass darunter ganze Tierkörper oder Teile von Tieren oder Erzeugnisse tierischen Ursprungs beziehungsweise andere von Tieren gewonnene Erzeugnisse, die nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt (Hervorhebung durch die Kammer) sind, einschließlich Eizellen, Embryonen und Samen, zu verstehen sind. Die fehlende Bestimmung für den menschlichen Verzehr ist also gerade kennzeichnend für das tierische Nebenprodukt, während spiegelbildlich die Bestimmung für den menschlichen Verzehr kennzeichnend für das Lebensmittel ist. Daher ist ein Erzeugnis, das nicht für den menschlichen Verzehr bestimmt ist, kein Lebensmittel. Ob dies nach Art. 10 Buchst. a) der VO (EG) 1069/2009 so ist oder nach einer anderen Bestimmung dieser Verordnung ist irrelevant.
Folge dieser „Bestimmung“ sind andere Anforderungen (für tierische Nebenprodukte die Anforderungen der VO (EG) Nr. 1069/2009, vgl. deren Art. 4 Abs. 2) sowie nach Einschätzung der Kammer auch ein anderer Preis. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher erwartet bei der von der Antragsgegnerin praktizierten bzw. angestrebten Kennzeichnung die Einhaltung der erhöhten Anforderungen eines Lebensmittels. Bezieht ein Hersteller, wie vorliegend, K3-Material, so entspricht es vor diesem Hintergrund nicht den Tatsachen, wenn die Antragstellerin mit der Kennzeichnung des Futtermittels eine besondere Qualität unter Bezugnahme auf Lebensmittel suggeriert.
Gleiches gilt, wenn jedenfalls teilweise K3-Material und teilweise Lebensmittel als Rohstoffe bezogen werden und kein gesonderter Wareneingang bzw. keine gesonderte Verarbeitung stattfindet, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat.
Die Behauptung der Antragstellerin, dass, da der Hersteller keine lebensmittelrechtliche Zulassung besitze, ein Bezug von Lebensmitteln rechtlich unmöglich wäre, kann nicht gefolgt werden. Eine entsprechende Rechtsvorschrift wurde von der Antragstellerin nicht genannt und ist dem Gericht auch nicht bekannt.
Die Anordnung in Ziffer 1.1 des Bescheides vom 27. September 2019 nimmt auch Rücksicht darauf, dass bei tatsächlichem Bezug von Lebensmitteln als Rohstoffe, was etwa mittels Lieferscheine nachgewiesen werden kann, eine entsprechende Kennzeichnung und Bewerbung stattfinden darf. Damit liegt es in der Hand der Antragstellerin bzw. der Herstellerfirma, durch entsprechende Vorkehrungen hierfür Sorge zu tragen, wenn weiterhin eine derartige Kennzeichnung gewollt ist. Die Anordnung untersagt der Antragstellerin die Kennzeichnung gerade nicht generell. 2.2 Die Antragsgegnerin geht nach summarischer Prüfung ebenfalls zu Recht davon aus, dass eine Bewerbung mit „in Metzgerqualität“ bzw. „vom Metzgermeister“ irreführend ist, sofern keine Nachweise vorgelegt werden können, dass die Herstellung des Produktes in einem handwerklichen Metzgereibetrieb erfolgt. Nach Auffassung der Kammer verbindet der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher mit Formulierungen wie „in Metzgerqualität“ und „vom Metzgermeister“ eine handwerkliche Fertigung der damit beworbenen Produkte (vgl. ausführlich LG Offenburg, U.v. 15.9.2017 – 5 O 54/16 KfH -, juris zur Kennzeichnung mit „nach traditioneller Metzgerkunst hergestellt“). Eine handwerkliche Fertigung steht für den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher im Gegensatz zu einer industriellen Fertigung – unabhängig davon, ob dies aus objektiver Sicht gerechtfertigt ist – für eine besonders hohe Produktqualität. Dies dürfte historische Gründe haben. Nachdem sich im 19. Jahrhundert die Gewerbefreiheit durchgesetzt hatte, gab es für das Handwerk bald Einschränkungen, die eine besondere Qualität von handwerklich gefertigten Produkten sicherstellte. In diesem Zusammenhang besonders wichtig erscheint die sogenannte „Meisterpflicht“ („Befähigungsnachweis“), die für die selbstständige Ausübung bestimmter handwerklicher Tätigkeiten sowie die Ausbildung von Lehrlingen (seit 1907 bzw. 1935 mit kurzen Unterbrechungen) galt und noch heute gilt (ausführlich zur Geschichte des Handwerks: Zentralverband des Deutschen Handwerks „Das Handwerk im 20. Jahrhundert“, abrufbar unter: https://www.zdh.de/fileadmin/user_upload/datenfakten/geschichte/dashandwerk-20- jahrhundert.pdf) Deutlich wird dies auch bei der jüngst von Bundestag und Bundesrat beschlossenen Novellierung der Handwerksordnung, mit der die Meisterpflicht für 12 Gewerke der Anlage B der Handwerksordnung wieder eingeführt wird. Der Gesetzentwurf hierzu stellt insbesondere auf den Zusammenhang von Meisterpflicht und hoher Qualität handwerklich gefertigter Produkte ab, vgl. BT-Drs. 19/14335 vom 22. Oktober 2019, Seite 22). Auch mit dem traditionellen Handwerksberuf des „Fleischers“ (vgl. Anlage A Ziffer 32 zur Handwerksordnung), der in Westmittel- und Süddeutschland als „Metzger“ bezeichnet wird (vgl. Duden unter dem Stichwort „Metzger“), verbindet der Durchschnittsverbraucher eine entsprechend hohe Sorgfalt und Qualität. Diese Verbrauchererwartung wird noch verstärkt durch die Kennzeichnung eines Produktes mit „vom Metzgermeister“ (Hervorhebung durch die Kammer). Hier kommen zwei Begriffe zusammen, die beim durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher Assoziationen in Bezug auf eine handwerkliche Fertigung des Produktes in Abgrenzung zu industriell (maschinell) gefertigter „Massenware“ wecken.
Entgegen der Antragstellerin geht die Kammer nicht davon aus, dass die Verbrauchervorstellung bei den Begriffen „Metzger“ und „Metzgermeister“ personenbezogen dergestalt ist, dass es ausreicht, wenn Geschäftsführer und Produktionsleiter und einzelne Mitarbeiter eine derartige Qualifikation vorweisen können. Vielmehr kommt es nach Auffassung der Kammer auf den tatsächlichen Herstellungsprozess für das beworbene Produkt an (vgl. ausführlich LG Offenburg, U.v. 15.9.2017 – 5 O 54/16 KfH -, juris Rn. 43 ff.). Stellt sich dieser Prozess als ein handwerklicher dar, so verbindet der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher damit eine besondere Qualität, für die er auch einen höheren Preis zu zahlen bereit ist. Bei einer industriellen Fertigung, bei der nahezu alle oder jedenfalls die überwiegende Mehrzahl an Arbeitsschritten maschinell erfolgt und für eine handwerkliche Tätigkeit kaum oder wenig Raum bleibt, ist das dagegen nicht der Fall. Der Antragstellerin ist lediglich insoweit Recht zu geben, als es für die Abgrenzung von handwerklicher Fertigung zu industrieller Fertigung nicht entscheidend auf die Größe des Herstellerbetriebes ankommen dürfte. Auch bei größeren Betrieben ist eine handwerkliche Fertigung der konkreten Erzeugnisse denkbar.
Nach den Feststellungen des Antragsgegners, der mit einer Kontrolle vor Ort im Herstellerbetrieb war, handelt es sich vorliegend um keine handwerkliche, sondern eine industrielle Fertigung. Diese Feststellungen wurden von der Antragstellerin nicht substantiiert bestritten. Insbesondere hat die Antragstellerin keinerlei Nachweise vorgelegt, warum die Fertigung im Produktionsbetrieb eine handwerkliche darstellt. Eine Veranlassung zur Ermittlung von Amts wegen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sieht das Gericht nicht. Nach dem Bescheidsinhalt wäre ihr im Übrigen, wenn sie derartige Nachweise vorlegen würde, eine derartige Kennzeichnung erlaubt.
2.3 Auch die kraft Gesetzes sofort vollziehbare Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheides vom 27. September 2019 erweist sich als voraussichtlich rechtmäßig. Demnach wird bei Zuwiderhandlung gegen die Ziffer 1 des Bescheides ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR je Produktsorte, deren Futtermitteldeklaration nicht den Vorgaben aus Ziffer 1.1 (so Ziffer 3.1) bzw. Ziffer 1.2 (so Ziffer 3.2) entspricht, zur Zahlung fällig. Die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19, 29, 30, 31 und 36 BayVwVZG liegen vor. Die Formulierung ist insbesondere hinreichend bestimmt. Es wird klar, welcher Verstoß ein Zwangsgeld in welcher Höhe nach sich zieht. Auch in der Höhe ist das angedrohte Zwangsgeld nicht zu beanstanden. Es hält sich im Rahmen der Vorschrift des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR beträgt. Art. 31 Abs. 2 Sätze 2 und 4 VwZVG geben vor, dass das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen soll, wobei das wirtschaftliche Interesse nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Es ist nicht erkennbar, dass der Antragsgegner vorliegend mit jeweils 100,00 EUR je irreführend deklarierter Produktsorte einen überhöhten Betrag festgesetzt hätte, der außer Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit für die Antragstellerin stehen würde. Das angedrohte Zwangsgeld erscheint dem Gericht im unteren Bereich angesiedelt zu sein, auch wenn nach Aktenlage nicht erkennbar ist, wie viele Produktsorten von der bisherigen Kennzeichnung betroffen sind.
Der Hilfsantrag der Antragstellerin, mit dem sie die befristete Aussetzung der Vollziehung des Bescheides vom 27. September 2019 begehrt, ist ebenso abzulehnen. Die Kammer erachtet diesen jedenfalls als unbegründet. Der Aufwand für eine Umdeklaration ist nicht unzumutbar. Aus den vorangegangenen beanstandungsfreien Kontrollen erwächst insoweit kein Vertrauensschutz. Die Antragstellerin konnte zudem bereits seit Erlass des Bescheides Vorkehrungen dafür treffen. Der Aufwand für die Umetikettierung dürfte daher nicht mehr so hoch sein, dass ein weiteres Hinausschieben der Frist notwendig wäre.
Die Kostenfestsetzung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Ziffer 25.2 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde mangels Anhaltspunkten hinsichtlich der Höhe der erwarteten wirtschaftlichen Auswirkungen der hälftige Regelstreitwert festgesetzt.


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