Europarecht

untersagung, Bescheid, Annahmeverzug, Sittenwidrigkeit, Fahrzeug, Haftung, Einschreiten, Berufungsverfahren, Darlegung, Hinweis, Kraftfahrtbundesamt, Verfahren, Klage, Gefahr, ins Blaue hinein

Aktenzeichen  32 U 2856/21

Datum:
27.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 53406
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

40 O 13958/20 2021-04-09 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.04.2021, Aktenzeichen 40 O 13958/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.448,34 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Rückabwicklung zweier Leasingverträge über einen Pkw der Marke im Zusammenhang mit dem sogenannten „DieselAbgasskandal“. Die Klägerin verlangte Schadensersatz in Höhe von 26.448,34 € unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung pro gefahrenen Kilometer nebst Zinsen.
Sie stützt sich auf eine deliktische Haftung der Beklagten wegen der Ausstattung des Dieselfahrzeugs mit einer illegalen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung.
Die Klägerin schloss mit der … GmbH am 11.04.2016 einen Leasingvertrag über ein Fahrzeug der Marke … mit einer Vertragslaufzeit von 48 Monaten, monatlichen Leasingraten in Höhe von 417,34 € nebst einmaliger Gebühren in Höhe von 485,48 €. Zudem schloss sie am 21.04.2020 über denselben Pkw einen weiteren Leasingvertrag mit der … GmbH mit einer Laufzeit von 24 Monaten und einer monatlichen Leasingrate in Höhe von 462,69 € nebst einmaliger Gebühr in Höhe von 358,81 €.
In dem Fahrzeug ist der Motor B 47 verbaut, der von der Beklagten hergestellt wurde und vom Kraftfahrtbundesamt als der Euro- 6- Norm entsprechend eingestuft wurde.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I Bezug genommen.
Das Landgericht München I hat die Klage durch Endurteil vom 09.04.2021 abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie ihre Ansprüche in vollem Umfang weiterverfolgt.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 26.448,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf diesen Betrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung in EUR pro mit diesem Fahrzeug gefahrenem Kilometer, welche sich nach folgender Formel berechnet: 34.080,00 EUR multipliziert mit der Summe der ab Kilometerstand 62.001 bis zur Rückgabe an die Beklagte gefahrenen Kilometern geteilt durch 449.894 (450.000 – 106) km;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des unter Ziffer 1 genannten Fahrzeug nebst Fahrzeugschlüssel in Annahmeverzug befindet;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte das unter Ziffer 1 genannte Fahrzeug dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge (hilfsweise: der Stickoxide) im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr, zu ersetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Senat hat am 30.07.2021 einen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO erteilt.
Hierzu hat sich die Klägerin mit Schriftsatz vom 23.08.2021 geäußert. Wesentliche Änderungen und Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 09.04.2021, Aktenzeichen 40 O 13958/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 23.08.2021 geben zu einer Änderung keinen Anlass:
Die Klägerin hat nach wie vor bereits das Vorhandensein einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht hinreichend dargelegt und erst recht nicht zu einem Verhalten oder Umständen vorgetragen, die das Urteil der Sittenwidrigkeit rechtfertigen.
1. Der Senat hat bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, dass die Klägerin ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen der behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung, hier vor allem hinsichtlich des behaupteten unzulässigen Einbaus des Thermofensters, willkürlich Behauptungen aufs „Geratewohl“ oder“ ins Blaue hinein“ aufstellt.
Der Senat hat weiter festgestellt, dass grundsätzlich greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erst dann gegeben sind, wenn das Kraftfahrtbundesamt schon bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps der Klägerin eine Rückrufaktion angeordnet hat. Eine substantiierte und schlüssige Darlegung des eine sittenwidrige Schädigung voraussetzenden Einbaus einer unzulässigen Abschalteinrichtung setzt nicht in jedem Fall voraus, dass sich die Klägerin auf ein Einschreiten des Kraftfahrtbundesamts stützen kann. Denn die Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung nach § 5 Abs. 1 FZV liegt nicht erst dann vor, wenn der Hersteller durch einen Bescheid des Kraftfahrtbundesamts eine Umrüstungsanordnung getroffen hat, sondern auch schon dann, wenn diese Behörde eine entsprechende Maßnahme gegenüber dem Hersteller noch nicht getroffen hat (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2020 – VIII ZR 57/19 -, Rn. 13, juris).
Auch unter Anwendung dieser Grundsätze können die Indizien, die die Klägerin für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorgebracht hat, weiterhin nicht als ausreichend angesehen werden:
In ihrer Gegenerklärung wiederholt die Klägerin hierzu erneut lediglich ihren Vortrag 1. Instanz, ohne neuen konkreten Sachverhalt zu benennen, der ihre Behauptung der unzulässigen Abschalteinrichtung stützt.
Sie gibt an (Seite 16 des Schriftsatzes vom 3.08.2021), sie sei letztlich auf Vermutungen angewiesen, da der Kläger (Anmerkung:wohl gemeint die Klägerin) mangels eigener Sachkunde und weiterer Erkenntnismöglichkeiten – die andere mit dem Motor OM 651 ausgestatteten Fahrzeugtypen betreffenden Bescheide des Kraftfahrtbundesamtes, gegen die die Beklagte Widerspruch eingelegt habe, nicht veröffentlicht seien.
Die Klägerin stützt sich hier auf einen völligen anderen Sachverhalt, da hier nicht ein Motor OM 651 (welcher nicht von der Bekl., sondern vom …-Konzern entwickelt wurde), sondern der Motor B 47, EU6 streitgegenständlich ist.
Auch die weiteren nachfolgenden Ausführungen der Klägerin gehen am vorliegenden Sachverhalt vorbei und betreffen offenbar eine Gehörsrüge, die hier noch gar nicht streitgegenständlich ist; eine Entscheidung gemäß § 522 ZPO ist noch nicht ergangen.
Auch soweit sich die Klägerin auf das Protokoll des LG Tübingen vom 1. April 2021, AZ: 2 O 408/20 (Anlage BK1) bezieht, betrifft dieses Verfahren ebenfalls einen anderen Motor, nämlich wie dort ausgeführt den Typ N 47 EU 5 (Seite 21).
Der Umstand, dass das KBA bezüglich des Motortyps N 57 D30S1 einen Rückruf angeordnet hat ist hier unerheblich, da hier ein anderer Motortyp (B 47, EU 6) streitgegenständlich ist.
2. Auch für die Behauptung des Vorliegens einer unzulässigen RadwinkelAbschalteinrichtung gibt die Klägerin lediglich an, dass das KBA sie auch noch nicht in ihrer konkreten Ausgestaltung entdeckt habe (Seite 42).
Es fehlen allerdings jegliche konkrete Angaben dazu, aufgrund welcher konkreter Umstände diese behauptete Abschaltenrichtung, die das KBA bislang noch nicht gerügt hat, gleichwohl unzulässig sein soll.
3. Das gleiche gilt bezüglich der Behauptung der unzulässigen Abschalteinrichtung in Form der sogenannten Temperaturmessung (Seite 50ff) und der HöhenmessungsAbschalteinrichtung (Seite 60ff), wobei die Klägerin auch hierzu jeweils angibt, dass das KBA dies in ihrer konkreten Ausgestaltung noch nicht entdeckt habe.
Es fehlen auch hier jegliche konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Behauptung.
Es fällt auf, dass die Klägerin in ihrem über 190 Seiten umfassenden Schriftsatz vom 23.08.2021 lediglich stereotyp mit gleich bzw. ähnlich lautenden Formulierungen sämtliche behaupteten Abschalteinrichtungen als unzulässig, die Täuschung durch die Beklagte, deren behauptetes Gewinninteresse und ihre Kenntnis von den illegalen Praktiken sowie die Verantwortlichkeit der Beklagten für die Motorentwicklung rügt, ohne im einzelnen auf die jeweiligen Behauptungen einzugehen.
Die Klägerin stellt weiterhin reine Vermutungen auf. Sie gibt etwa an, die Beklagte habe dem KBA, der TÜV S. A1. Service GmbH und der DEKRA A2. GmbH bei der Erlangung der Typgenehmigung durch die Verwendung dieser Höhenmessung – Abschalteinrichtung vorgespiegelt, das Fahrzeug werde auf dem Prüfstand unter den Motorbedingungen betrieben, die auch im normalen Fahrbetrieb zum Einsatz kommen (Seite 64). Aufgrund welcher konkreter Anhaltspunkte die Klägerin zu dieser Erkenntnis kommt, legt sie in keiner Weise dar.
Mit derselben völlig unzureichenden Begründung und Behauptung ins Blaue hinein behauptet die Klägerin eine unzulässige LenkwinkelmessungsAbschalteinrichtung (Seite 70ff), eine
unzulässige Betriebszeitmessungs-Abschalteinrichtung (Seite
79ff),
Radrotationsmessungs-Abschalteinrichtung
(Seite
89ff),
Beschleunigungsmessungs-Abschalteinrichtung
(Seite
99ff),
Geschwindigkeitsmessungs-Abschalteinrichtung
(Seite
109ff),
Drehzahlmessungs-Abschalteinrichtung
(Seite
120ff),
Umgebungsdruckmessungs-Abschalteinrichtung
(Seite
130ff),
Längsstreckenerkennungs-Abschalteinrichtung
(Seite
139ff),
Kühlwassertemperatur-Steuerung (Seite 151ff), Abgasstrangtemperatur-Steuerung (Seite 174ff), was die Beklagte dem KBA jeweils noch nicht offengelegt habe und das KBA in ihrer konkreten Ausgestaltung noch nicht entdeckt habe.
Aufgrund welcher konkreter Indizien und Hinweise sie gleichwohl zu dieser Erkenntnis gelangt, stellt sie auch hier nicht näher dar.
Soweit sich die Klägerin für die Längsstreckenerkennungs-Abschalteinrichtung auf das Protokoll vor dem Landgericht Wiesbaden, Aktenzeichen 5 O 1708/20, Anlage BK9 bezieht (Seite 140), betrifft dies ebenfalls einen anderen Sachverhalt, da dort der Motor M 57 streitgegenständlich war.
4. Auch ihr Vortrag, dass bereits ein Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte laufe (Blatt 160) betrifft nach ihrem eigenen Vortrag den Motortyp N57D30S1, somit einen anderen, als den hier streitgegenständlichen, sodass ohne weitere Angaben hierzu keine Rückschlüsse gezogen werden können (unabhängig davon, dass ein Ermittlungsverfahren sich stets gegen Personen und nicht gegen Gesellschaften richtet, sodass auch nicht dargetan ist, gegen wen konkret sich das Ermittlungsverfahren richtet).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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