Europarecht

Unzulässigkeit einer Teil-Abänderungsklage

Aktenzeichen  10 U 946/19

Datum:
5.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 15264
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 323

 

Leitsatz

1. Einer Abänderungsklage iSv § 323 ZPO muss derselbe Streitgegenstand wie im Vorprozess zugrunde liegen. Dies schließt ein Begehren aus, mit dem lediglich teilweise – für einen abgegrenzten Zeitraum eines Rentenanspruchs – die Abänderung des Ersturteils  erstrebt wird; eine derartige Klage ist unzulässig. (Rn. 6 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

73 O 3237/17 2019-01-25 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 26.02.2019 wird das Endurteil des LG Landshut vom 25.01.2019 (Az.: 73 O 3237/17) in Nr. 1. bis 2. abgeändert und die Klage als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
I.
Das Landgericht hat zu Unrecht eine Zulässigkeit der Abänderungsklage in Form der begehrten lediglich teilweisen Abänderung des Ersturteils des Landgerichts Landshut vom 25.09.2019 in Bezug auf die Quartale I 2018 bis IV 2019 bejaht. Die vom Kläger erhobene Teil-Abänderungsklage ist unzulässig. Das streitgegenständliche Urteil des Landgerichts Landshut ist daher, soweit die Abänderungsklage nicht wegen der vom Landgericht abgelehnten Heranziehung der gestrichenen Stellenzulage VB 27b zur Schadensberechnung bereits rechtskräftig als unbegründet abgewiesen wurde, abzuändern und die Klage insoweit als unzulässig abzuweisen.
1. Der Kläger hat im Rahmen des Rechtsstreits 73 O 2302/06 vor dem Landgericht Landshut ein Urteil über wiederkehrende Leistungen (Vierteljahresrenten) bezüglich seiner unfallbedingten Verdienstausfallentschädigung mit einer Laufzeit bis 2031 erstritten.
2. Eine spätere Abänderung dieses rechtskräftigen Urteils ist lediglich unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO möglich. Nach dem Wortlaut des § 323 I 2 ZPO verlangt eine Abänderungsklage eine „wesentliche“ Veränderung der Verhältnisse (ca. 10%). Diese Voraussetzung für eine Abänderung des Urteils vom 25.06.2009 ist hier zwischen den Parteien unstreitig (vgl. EU S. 5 = Bl. 118 d.A. OLG). Eine Änderung ist wesentlich, wenn die Änderung nach materiellem Recht zu einer erheblich abweichenden Beurteilung des Bestandes, der Höhe oder der Dauer des Anspruchs führt (vgl. BGH, FamRZ 1984, 353, 355; Gottwald in MünchKommZPO, 5. Aufl., § 323 Rn. 63). Grundsätzlich muss ein Antrag für eine begehrte Abänderung diesem im Gesetz niedergelegten Mechanismus einer Abänderung nur im Falle einer wesentlichen Änderung Rechnung tragen. Dieses Erfordernis muss sich auch beim Streitgegenstand einer Abänderungsklage wiederfinden. Der klägerische Antrag mit der begehrten teilweisen Abänderung unterläuft diese Voraussetzung.
3. Durch eine Abänderungsklage gemäß § 323 ZPO wird kein besonderer materieller Abänderungsanspruch geltend gemacht. Nach herrschender Ansicht muss der Abänderungsklage derselbe Streitgegenstand wie im Vorprozess zugrunde liegen (vgl. BGHZ 78, 136; OLG Düsseldorf FamRZ 94, 1536; Musielak/Voit, ZPO, 16. A. 2019 Rn.18a; Althammer in Stein/Jonas/Leipold, 23. Aufl., § 323 Rn. 60 m.w.N.). Die vereinzelte Gegenmeinung, welche die Notwendigkeit einer Streitgegenstandsidentität im Rahmen von § 323 ZPO verneint, weil dem Gericht weder der gleiche Antrag noch der gleiche Sachverhalt wie im Vorprozess unterbreitet werde (vgl. so Gottwald in MünchKommZPO, a.a.O., § 323, Rn. 6), überzeugt nicht. Die Ansicht ist schon im Hinblick auf die Wahrung der Präklusion bezüglich der geltend gemachten Abänderungsgründe, aber auch hinsichtlich der Wirkungen der Rechtshängigkeit gemäß § 261 I Nr. 1 ZPO abzulehnen. Es ist zu bedenken, dass bei mehrfachen Abänderungsklagen sich das Problem stellen würde, dass solche Einwände gemäß § 323 II ZPO präkludiert wären, die der Abänderungsberechtigte schon im Vorprozess geltend zu machen imstande war.
Vom Senat wird nicht verkannt, dass es in den entschiedenen Fällen im Kern jeweils darum ging, inwieweit der Streitgegenstand der Abänderungsklage in thematischer Sicht der Gleiche sein muss als in dem Verfahren, dessen Urteil abgeändert werden soll. Denn dem Streitgegenstand liegt derselbe materielle Anspruch wie im Vorprozess zugrunde (vgl. Althammer in Stein/Jonas/Leipold, a.a.O., § 323 Rn. 60 m.w.N.).
Der von einem Abänderungskläger geltend gemachte Streitgegenstand muss zudem den Besonderheiten der prozessualen Gestaltungsklage Rechnung tragen. Nach der gesetzgeberischen Wertung ist eine Durchbrechung der Rechtskraft ausnahmsweise mit Hilfe der hierfür vorgesehenen Abänderungsklage nach § 323 ZPO nur möglich, wenn sich die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse „wesentlich“ geändert haben. Sollten die Voraussetzungen einer Änderung erfüllt sein, so erfolgt eine Abänderung der gesamten in der Zukunft liegenden Leistungsansprüche. Dabei bilden sämtliche im Ausgangsurteil zugesprochene und zum Zeitpunkt der Abänderungsklageerhebung noch in der Zukunft liegende Leistungsansprüche den Streitgegenstand der Abänderungsklage. Dieser Streitgegenstand kann nicht, wie dies der Kläger vornimmt, auf einen Teil der in der Zukunft liegenden Leistungsansprüche begrenzt werden.
Das Landgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass das Gesetz grundsätzlich nach § 301 ZPO ein Teilurteil und auch eine Teilklage zulässt. Allerdings muss die generelle Zulässigkeit einer Teilklage hier an den Voraussetzungen der prozessualen Gestaltungsklage nach § 323 ZPO gemessen werden. Mit einer erhobenen Teilklage darf nicht die entscheidende Voraussetzung der „wesentlichen Veränderung“ beseitigt werden. Eine Zulässigkeit der hier erhobenen Teilklage hätte zur Folge, dass es bei Abänderungsklagen zwei unterschiedliche Abschnitte gäbe, nämlich den ersten Abschnitt, bei dem der Abänderungskläger zwar abwarten müsste, bis die erste wesentliche Änderung eingetreten ist. Danach könnte er dann aber wegen der Beschränkung auf einen abzuändernden Zeitraum (wie hier 2 Jahre, möglich aber auch nur ein Jahr) in jedem weiteren danach liegenden Zeitraum auch ohne wesentliche Änderung bezogen auf die vorhergehende Änderungsklage eine neue Abänderung verlangen, weil durch die Teilklage Bezugsgröße für die Wesentlichkeit der Änderung immer die Ausgangsentscheidung bliebe. Soll eine Abänderung nach dem klaren Gesetzeszweck aber nur bei wesentlichen Änderungen stattfinden, muss sich die Wesentlichkeit auch im Verhältnis mehrerer Änderungsklagen zueinander realisieren, weshalb die vom Kläger bewusst zur Umgehung dieser aufgezeigten Konsequenzen erhobene Teilklage (wie sich spätestens in der umfangreichen Besprechung der Rechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ergab) unzulässig ist.
§ 323 ZPO dient der Korrektur von Prognosefehlern. Die Prognose im Vorprozess, welches Gehalt der Geschädigte in der Zukunft bezogen hätte, bezog sich auf den gesamten Zeitraum und nicht nur auf den im Wege der Teilabänderungsklage begehrten Zeitraum der Jahre 2018 und 2019. Der Streitgegenstand einer Abänderung dieses Rentenanspruchs muss daher auch wieder eine Festschreibung für die Zukunft enthalten. Eine Teilabänderungsklage entsprechend dem klägerischen Antrag verändert diesen Streitgegenstand.
4. Der anwaltlich beratene Kläger hat sich seinerzeit für den Weg einer Leistungsklage mit für die Zukunft bereits feststehenden Rentenbeträgen entschieden und dabei die Vorteile dieses Weges (sofort vollstreckungsfähiger Titel) genutzt. Die Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen erfordert eine vorausschauende Prognose zur zukünftigen Entwicklung der individuellen aber auch der wirtschaftlichen Verhältnisse und ist hiermit latent Prognoserisiken ausgesetzt.
Dem Kläger wäre grundsätzlich auch der Weg offen gestanden, anstelle der Rentenklage eine Feststellungsklage für die Zukunftsschäden zu wählen, wenngleich auch bei diesem Weg anderweitige, vom Kläger im Schriftsatz vom 27.06.2019 (vgl. Bl. 37 d.A. OLG) auf den Hinweis des Senats vom 18.04.2019 (vgl. Bl. 28 d.A. OLG) geäußerte praktischen Schwierigkeiten entgegengestanden wären. Das Landgericht als auch der Senat sind jedoch an den vom Kläger seinerzeit gewählten Weg gebunden. Letztlich kann nicht aus Billigkeitserwägungen eine Anwendung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 323 ZPO unterbleiben.
5. Denn der Kläger wird durch die Ablehnung der Zulässigkeit der erhobenen Teilabänderungsklage in seinen Rechten nicht unverhältnismäßig beschränkt.
So ist darauf hinzuweisen, dass die Rechtsauffassung des Senats nicht zu einer fortwährenden Benachteiligung der Unfallopfer zugunsten der Haftpflichtversicherungen führt, wie der Kläger meint. Denn bei einem Urteil mit einer ausgesprochenen Verpflichtung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen kann grundsätzlich jeder Teil mit der Behauptung einer wesentlichen Veränderung eine Abänderung beantragen. Demgemäß könnte etwa auch die beklagte Versicherung z.B. bei einer Verbesserung des Gesundheitszustandes des geschädigten Unfallopfers und einer Reduzierung seines Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit ihre Leistungen kürzen wollen. Auch sie ist jedoch beschränkt auf wesentliche Veränderungen. Würde die vom Kläger vorgenommene Konstruktion einer Teilabänderungsklage zugelassen, könnte dann auch die Haftpflichtversicherung nach dem erstmaligen Auftreten/Erreichen einer wesentlichen gesundheitlichen Verbesserung in der Folgezeit Geschädigte mit weiteren Teilabänderungsklagen selbst bei minimalen Änderungen überziehen. Dies ist gerade auch zum Schutz der Unfallopfer abzulehnen.
6. Der Kläger übersieht im Übrigen, dass nicht nur § 323 ZPO eine wesentliche Änderung voraussetzt. Auch bei vergleichbaren Festlegungen wiederkehrender Leistungen in die Zukunft ist regelmäßig eine Abänderung erst bei Erreichen einer Mindeständerung möglich.
a) Letztlich greift dieser Mechanismus bei jeder Lohnerhöhung. Eine Änderung des Entlohnungsgefüges erfolgt regelmäßig allenfalls nach einem Jahr, also auch hier erst, wenn ein „wesentlicher“ Abstand der Entlohnungsniveaus zur allgemeinen Preis- bzw. Inflationsentwicklung vorliegt. Es erfolgt gerade kein Mechanismus dahingehend, dass nach dem Erreichen einer ersten Lohnanpassung aufgrund eines eingetretenen wesentlichen Gehaltsabstands dann weitere zukünftige Abänderungen schon bei jedem monatlich entstehenden „geringeren“ Gehaltsabstand erfolgen sollen.
b) Eine ausdrückliche an einem konkreten Prozentsatz geknüpfte Änderungsvoraussetzung ist etwa auch in § 225 III FamFG geregelt. Danach ist eine Wertänderung nach Absatz 2 wesentlich, wenn sie mindestens 5 Prozent des bisherigen Ausgleichswerts des Anrechts beträgt und bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert 120 Prozent der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt.
c) Schließlich werden etwa auch im Rahmen der Vereinbarung automatischer Wertsicherungsklauseln (automatische) Abänderungen nicht immer sofort, sondern erst nach Erreichen einer bestimmten Punkt- oder Prozentzahl der Änderung des in Bezug genommenen Preisindex geregelt (vgl. §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 3 PrKG).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Ersturteils und dieses Urteils beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i. Verb. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine solche liegt vor, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 543 ZPO, Rn. 11; BGHZ 151, 221 = 2002, 3029; BGH NJW 2002, 2957; 2003, 65; 2003, 831; 2003, 1943; 2003, 2319). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt (BVerfG NJW 2011, 1277). Bei einhelliger Meinung der Oberlandesgerichte genügen vereinzelt gebliebene Stimmen in der Literatur nicht, auch wenn der BGH die Frage noch nicht entschieden hat (vgl. Heßler in: Zöller, ZPO, 32. A. 2018, § 543 ZPO, Rn. 11; BGH MDR 2010, 704; NJW-RR 2010, 978). Wie der Kläger selbst zutreffend im Rahmen des Rechtsstreits mehrfach ausführte (vgl. Bl. 59 d.A. OLG) wurde über die Thematik einer Teilabänderungsklage bislang weder von Oberlandesgerichten noch vom BGH entschieden. Eine Abweichung von einer unterschiedlichen Rechtsauffassung kann damit schon denklogisch nicht vorliegen. Der Senat orientiert sich im Hinblick auf die Bewertung des Merkmals „wesentlich“ im Rahmen von § 323 I ZPO an der obergerichtlichen Rechtsprechung. Insoweit wird im vorliegenden Einzelfall nicht von einer höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abgewichen. Ferner ist das Zulassungskriterium „Fortbildung des Rechts“ bzw. „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 543 II 1 Nr. 2 nicht gegeben. Die Fortbildung des Rechts durch eine Revisionsentscheidung ist erforderlich, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder Gesetzeslücken zu schließen (vgl. Heßler in: Zöller, a.a.O., § 543 ZPO, Rn. 12; BGH NJW 2002, 3029; NJW-RR 2003, 132; 2003, 1074; NJW 2003, 1943; 2004, 289). Eine solche Ausgangslage ist hier nicht zu erkennen.


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