Europarecht

Verbot der Abgabe und Beförderung von Fischen und Fischerzeugnissen

Aktenzeichen  20 CS 19.1656

Datum:
7.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25260
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
LMBG § 41 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 4 S. 1
LFGB § 41 Abs. 2 S. 3, S. 1

 

Leitsatz

1. Nur Lebensmittel, bei denen die nachgewiesenen Rückstände von Malachit- und Leukomalachitgrün die festgelegten Mindestleistungsgrenzen gesichert überschreiten, werden als nicht verkehrsfähig beurteilt.  (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Durchführung von allgemeinen Überwachungsmaßnahmen (Monitoring) einer bereits bekannten Gewässerbelastung stellen keine Ermittlungsmaßnahmen im Sinne des § 41 Abs. 1 LFBG dar. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 18 S 19.3222 2019-08-06 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners hat in der Sache keinen Erfolg.
Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Nr. 1 des Bescheids des Antragsgegners vom 18. September 2018 angeordnet hat.
Mit dem Verwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 18. September 2018 bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig ist, weil die Voraussetzungen für den Erlass eines Verbots der Abgabe und Beförderung von lebenden Fischen und von ihnen gewonnener Lebensmittel nicht mehr gegeben sind (§ 41 Abs. 2 Sätze 3 und 1 LFGB).
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LFGB hat die zuständige Behörde zur Durchführung der Richtlinie 96/23/EG in einem Erzeugerbetrieb, Viehhandelsunternehmen oder Transportunternehmen Ermittlungen über die Ursachen für das Vorhandensein von Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe oder deren Umwandlungsprodukte sowie von anderen Stoffen, die von Tieren auf von ihnen gewonnene Erzeugnisse übergehen und für den Menschen gesundheitlich bedenklich sein können, anzustellen, wenn
1. bei lebenden Tieren im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 in oder aus diesem Betrieb oder Unternehmen oder bei von ihnen gewonnenen Lebensmitteln
a) Stoffe mit pharmakologischer Wirkung, deren Anwendung verboten ist, oder
b) die Anwendung von Stoffen mit pharmakologischer Wirkung für Tiere oder Anwendungsgebiete, für die die Anwendung ausgeschlossen ist,
nachgewiesen oder
2. bei von lebenden Tieren im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 aus diesem Betrieb oder Unternehmen gewonnenen Lebensmitteln, bei denen festgestellt wurde, dass festgesetzte Höchstmengen für Rückstände von Stoffen nach Anhang I der Richtlinie 96/23/EG oder deren Umwandlungsprodukte überschritten
wurden oder Tatsachen zuverlässig hierauf schließen lassen.
Die zuständige Behörde hat darüber hinaus die Abgabe oder Beförderung von lebenden Tieren im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 oder von ihnen gewonnener Lebensmittel aus dem Betrieb oder Unternehmen zu verbieten, wenn die Voraussetzungen nach Abs. 1 für die dort vorgesehenen Ermittlungen gegeben sind (§ 41 Abs. 2 Satz 1 LFGB).
Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt des Erlasses der streitgegenständlichen Anordnung erfüllt. Zutreffend verweist das Verwaltungsgericht darauf, dass es sich bei den durch die amtlichen Kontrollen festgestellten Malachitgrün, in der Form des Abbauprodukts Leukomalachitgrün, um einen Stoff mit pharmakologischer Wirkung handelt, dessen Anwendung ausgeschlossen ist, denn Malachitgrün ist nicht als zugelassener pharmakologisch wirksamer Stoff für der Lebensmittelproduktion dienende Tiere nach Art. 16 Abs. 1, 14 Abs. 2 VO 470/2009 gelistet. Für Malachit- und Leukomalachitgrün wurden in der Entscheidung 2002/657/EG (i.d.F. der Entscheidung 2004/25/EG) aber sog. Mindestleistungsgrenzen (MRPL) i.H.v. 2 µg/kg festgelegt. Diese werden bei der Kontrolle gem. Art. 2 der Entscheidung 2005/34/EG und der Beschlussfassung des Standing Committee on the Food Chain and Animal Health vom 21. September 2004 (SANCO – E.2(04) D/521927) als Eingreifwert für die Beurteilung der Verkehrsfähigkeit angewendet. Damit werden nur Lebensmittel, bei denen die nachgewiesenen Rückstände den festgelegten MRPL gesichert überschreiten, als nicht verkehrsfähig beurteilt (Handbuch für die Durchführung des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP) in Bayern Version 4, S. 65). Durch den Nachweis des (Leuko) Malachitgrüns über dem Eingriffswert bei dem amtlichen Befund des LGL wurde die Ermittlungspflicht des Beklagten nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 lit. b) LFBG ausgelöst, denn es lagen zumindest Tatsachen vor, welche auf eine Anwendung von Malachitgrün schließen ließen. Gleichzeitig waren die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 LFGB erfüllt, denn der Nachweis des Tierarzneimittels und Farbstoffes Malachitgrün (vgl. Anhang I der Richtlinie 96/23/EG) in Höhe der Mindestleistungsgrenze nach der Entscheidung 2002/657/EG stellt eine entsprechende Höchstmengenüberschreitung dar. Nachdem die Fische mit dem Malachitnachweis aus dem Betrieb des Antragstellers stammten, war das Landratsamt als zuständige Behörde auch befugt, für die Dauer der Ermittlungen die Abgabe oder Beförderung von lebenden Fischen oder von ihnen gewonnener Lebensmittel aus dem Betrieb oder Unternehmen des Antragstellers zu verbieten.
Die Befugnisse nach § 41 Abs. 1 und 2 LFGB enden jedoch, wenn die Ermittlungen über die Ursachen für das Vorhandensein von Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe oder deren Umwandlungsprodukte sowie von anderen Stoffen, die von Tieren auf von ihnen gewonnene Erzeugnisse übergehen und für den Menschen gesundheitlich bedenklich sein können, abgeschlossen sind. So liegt der Fall hier. Auch das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass die weitere, durch das Verbot der Abgabe und Beförderung ermöglichte Beprobung der Fische aus dem Betrieb des Antragstellers nicht mehr geeignet sei, die Frage, wie und durch wen die Rückstände in die Fische aus dem Betrieb des Antragstellers gelangt seien, weiter aufzuklären.
Der Antragsgegner trägt in seiner Beschwerdebegründung zwar vor, dass die Ursache für die Anwendung der Stoffe mit pharmakologischer Wirkung auf die Fische nicht nur in dem vermuteten Einbringen des Stoffes durch den Oberlieger im September 2018 zu sehen sei. Ursache der Anwendung des Stoffes auf die Fische sei vielmehr auch der von den Fachbehörden dargelegte weitere Eintrag des Stoffes über die Sedimente des Gewässers, der durch zahlreiche variable Faktoren, wie z.B. Belegung der Gewässer mit Fischen oder steigende und sinkende Wasserpegel, beeinflusst werden könne. Abschließende gesicherte fachliche Erkenntnisse zum Ursprung, zum Umfang und Ausmaß der Übertragung und zur Möglichkeit einer vollständigen Vermeidung des weiteren Eintrags der belasteten Sedimente in den Betrieb des Antragstellers und damit zur Ursache für das weitere Vorhandensein des Stoffes lägen nach den gegenwärtig vorliegenden behördlichen Ermittlungen noch nicht vor. Dieser vorgetragene Befund betrifft jedoch nicht den Betrieb des Antragstellers unmittelbar. Weiter wäre es dem Antragsgegner oblegen, in seiner Beschwerdebegründung konkrete Ermittlungsmaßnahmen zu benennen, welche zur Aufklärung der Ursachen für das Vorhandensein von Rückständen von Malachit und Leukomalachitgrün dienen. Der Hinweis auf die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles ist nicht in der Lage, weitere Ermittlungen, die ein Verbot nach § 41 Abs. 2 Satz 1 LFGB zur Folge haben, zu rechtfertigen. Die bloße Durchführung von allgemeinen Überwachungsmaßnahmen (Monitoring) einer bereits bekannten Gewässerbelastung stellen keine Ermittlungsmaßnahmen im Sinne des § 41 Abs. 1 LFBG dar. Dafür sprechen auch Verhältnismäßigkeitserwägungen. Ist die allgemeine Ursache für das Vorhandensein von Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe aufgeklärt, so kommt es jedenfalls für ein Aufrechterhalten des Verbotes nach § 41 Abs. 2 LFGB nicht darauf an, ob es aufgrund von Besonderheiten des Einzelfalles, welche nicht unmittelbar mit dem untersuchten Betrieb im Zusammenhang stehen, zu einem erneuten Eintrag aufgrund der bereits ermittelten allgemeinen Ursache kommt.
Das Verbot nach § 41 Abs. 2 Satz 1 LFGB ist nach § 41 Abs. 4 Satz 1 LFGB durch die zuständige Behörde jedoch aufrechtzuerhalten, wenn die in Abs. 3 genannten Stoffe bei dem Tier, nicht aber deren Anwendung nachgewiesen worden sind. Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt. Der Senat geht im vorliegenden Fall davon aus, dass eine Anwendung im Sinne des Gesetzes nicht nachgewiesen worden ist. Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 41 Abs. 2 Satz 1 LFGB, der voraussetzt, dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 für die dort vorgesehenen Ermittlungen gegeben sind. Das Gesetz stellt damit auf die Verhältnisse im betroffenen Betrieb ab. Letztlich kann die Frage, ob hier eine Anwendung vorliegt, aber dahingestellt bleiben, denn auch § 41 Abs. 4 Satz 1 LFGB stellt auf das Vorhandensein von Stoffen, die in Abs. 3 genannt sind, bei dem Tier ab. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Malachitgrün und Leukomalachitgrün sind nicht in der VO (EU) Nr. 37/2010 gelistet (§ 41 Abs. 3 Nr. 1 LFGB). Die beiden Stoffe sind auch nicht solche, die nach Maßgabe einer aufgrund des § 10 Abs. 4 Nr. 1 lit b LFGB zur Umsetzung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union erlassenen Rechtsverordnung lebenden Tieren im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 1 nicht oder nur zu bestimmten Zwecken zugeführt werden dürfen (§ 41 Abs. 3 Nr. 2 LFGB). Eine solche Verordnung ist bis zum heutigen Tag nicht erlassen worden. Dass dies aber erforderlich ist, erhellt auch ein Blick auf die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des LFGB. Hier war die entsprechende Befugnisgrundlage in § 41a des Lebensmittelund Bedarfsgegenständegesetzes (LMBG) geregelt. Nach § 41a Abs. 3 Satz 2 LMBG war ein Aufrechterhalten des Abgabe- und Beförderungsverbotes möglich, wenn Stoffe nach Maßgabe einer aufgrund des § 15 Abs. 3 Nr. 1 lit. b LMBG erlassenen Rechtsverordnung bei den Tieren nachgewiesen worden sind. Aufgrund dieser Ermächtigungsnorm hat der Bundesgesetzgeber die Verordnung über die Stoffe mit pharmakologischer Wirkung (PharmStV) erlassen. In der bis 29. Oktober 2004 geltenden Fassung der Verordnung war nach § 3a i.V.m. der Anl. 2 eine Höchstgrenze für Malachitgrün bei Fischen festgesetzt. Aufgrund dieser Rechtsgrundlagen hätte damit das streitgegenständliche Verbot aufrechterhalten werden können. Allerdings wurde § 3a durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung über Stoffe mit pharmakologischer Wirkung und zur Änderung der Verordnung über das Verbot der Verwendung bestimmter Stoffe bei der Herstellung von Arzneimitteln zur Anwendung bei Tieren vom 22. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2653) aufgehoben und Malachit aus der Anl. 2 der Verordnung gestrichen. Der Verordnungsgeber war offensichtlich der Meinung, dass es ausreiche, wenn die Anwendung von Malachit nach Art. 14 der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 ausgeschlossen ist (vgl. BR-Drucksache 656/04 S. 12). Durch das Inkrafttreten des § 41 LFGB, ohne dass vom zuständigen Verordnungsgeber eine Verordnung nach § 10 Abs. 4 Nr. 1 lit. b LFGB erlassen wurde, ist damit jedoch eine Lücke im Verbraucherschutz entstanden, die nur durch den Erlass einer entsprechenden Verordnung geschlossen werden kann.
Ohne dass es noch darauf ankommt, sei darauf hingewiesen, dass ein Rückgriff auf die gesetzlichen Verkehrsverbote nach § 10 Abs. 1 bis 3 LFGB wohl nicht in Betracht kommt, weil diese Vorschriften sobald und soweit ein Bescheid nach § 41 Abs. 2 Satz 1 oder Abs. 2, auch i.V.m. § 41 Abs. 4, ergangen ist, nicht mehr Anwendung finden. Diese Sperrwirkung dürfte im Hinblick auf den Wortlaut des § 10 Abs. 5 LFGB und den Regelungsgehalt des § 41 LFGB auch nach Aufhebung einer entsprechenden Anordnung nach § 41 LFGB fortdauern. Dies gilt jedenfalls dann, wenn durch die Fische und den aus ihnen gewonnenen Lebensmitteln keine konkrete Gesundheitsgefährdung (vgl. § 5 LFGB) zu befürchten ist. Eine solche wird von den zuständigen Behörden des Beklagten bisher verneint.
Ob die Anwendung des Art. 23 Satz 1 lit. b) der VO (EG) 470/2009 eine Eingriffsbefugnis für Maßnahmen gegen den Antragsteller eröffnet, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens und ist vom Beklagten im Einzelfall zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 47 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 25.1 des Streitwertkatalogs.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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