Europarecht

Verbot des Betriebs eines Skilifts in der Corona-Pandemie, hier: einstweiliger Rechtsschutz

Aktenzeichen  20 CE 21.415

Datum:
22.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2703
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayIfSMV § 11 Abs. 4, § 28 Nr. 10
VwGO § 46 Abs. 4 S. 6
VO 2016/424/EU Art. 3 Nr. 8
GG Art. 103 Abs. 2

 

Leitsatz

Bei einer Skiliftanlage handelt es sich um eine Seilbahn im Sinne des § 11 Abs. 4 der BayIfSMV; Anhaltspunkte, dass in dieser Norm von einem anderen als im Bayerischen Eisenbahn- und Seilbahngesetz und in der einschlägigen EU-Verordnung niedergelegten Verständnis des Begriffs „Seilbahn“ ausgegangen wird, sind nicht gegeben, zumal seinerzeit auch eine seilbahnrechtliche Erlaubnis für den Betrieb erteilt wurde. (Rn. 9 – 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 9 E 21.178 2021-02-05 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller verfolgt das erstinstanzliche Ziel, die Öffnung des von ihm betriebenen Skilifts zu erreichen, mit der Beschwerde weiter. Die Anlage verfügt über eine eisenbahn- und seilbahnrechtliche Erlaubnis vom 18. Dezember 2008. Das Verwaltungsgericht Augsburg hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit dem der Antragsgegner zur Duldung des Liftbetriebs, hilfsweise unter Einhaltung des vom Antragsteller vorgelegten Sicherheits- und Hygienekonzepts, verpflichtet werden sollte, mit Beschluss vom 5. Februar 2021 abgelehnt und im Wesentlichen ausgeführt, der Betrieb sei bereits nach § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV unzulässig, weil es sich bei dem Skilift um eine Seilbahn handele. Ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach §§ 26 oder 27 11. BayIfSMV bestehe nicht.
Mit seiner Beschwerde, die am 10. Februar 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einging, beantragt der Antragsteller ergänzend, hilfsweise den Antragsgegner zur Duldung des Skiliftbetriebs unter der Maßgabe zu verpflichten, dass der Antragsteller diesen nicht gewerblich betreibe.
Zur Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller sei auf den Betrieb des Lifts wirtschaftlich angewiesen und erziele normalerweise einen Umsatz von 45.000,00 EUR in der Wintersaison. Es handele sich bei dem streitgegenständlichen Skilift nicht um eine Seilbahn im Sinne des § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV. Die Norm sei insofern unbestimmt. Auch sei der Betrieb eines Skilifts keine Freizeitaktivität nach § 11 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV. Die Untersagung sei, insbesondere sofern ein Hygienekonzept beachtet werde, unverhältnismäßig und keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinn des § 28a IfSG. Der Lift löse entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts keine Sogwirkung aus. Die Piste werde auch ohne Liftbetrieb zum Rodeln genutzt. Der Liftbetrieb würde zur Absperrung der Piste führen, da nur noch die Liftfahrer die Piste nutzen dürften. Es bestünden keine Anhaltspunkte für eine erhöhte Infektionsgefahr durch den Liftbetrieb.
Der Antragsteller tritt der Beschwerde entgegen und beantragt ihre Zurückweisung. Der Betrieb des Skilifts falle unter § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die nur im Hauptantrag zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigt keine Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Ablehnung des Eilantrags erweist sich im Ergebnis als richtig (vgl. BayVGH, B.v. 21.5.2003 – 1 CS 03.60 – NVwZ 2004, 251 = juris Rn. 16; Happ in Eyermann, 15. Auflage 2019, § 146 Rn. 29ff.).
Der Senat geht davon aus, dass der Antragsteller mit seinem Hauptantrag die Feststellung begehrt, dass der von ihm betriebene Skilift nicht unter die Bestimmungen der 11. BayIfSMV fällt und damit keinem Betriebsverbot unterliegt.
1. Bei der von dem Antragsteller betriebenen Einrichtung handelt es sich um eine Seilbahn im Sinne des § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV. Ihr Betrieb ist unter der Geltung der 11. BayIfSMV untersagt, weil sie zu Freizeitzwecken betrieben wird.
Nach Art. 12 Abs. 1 des Bayerischen Eisenbahn- und Seilbahngesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. August 2003 (GVBl. S. 598; BayESG) sind Seilbahnen im Sinne dieses Gesetzes an ihrem Bestimmungsort errichtete, aus der Infrastruktur und Teilsystemen bestehende Gesamtsysteme, die zum Zweck der Beförderung von Personen oder Gütern entworfen, gebaut, zusammengesetzt und in Betrieb genommen werden und bei denen die Beförderung durch entlang der Trasse verlaufende Seile erfolgt. Im Übrigen gelten die Begriffsbestimmungen des Art. 3 der Verordnung (EU) 2016/424 entsprechend. Nach Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EU) 2016/424 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 über Seilbahnen und zur Aufhebung der RL 2000/9/EG ist ein Schlepplift eine Seilbahn, bei der die Fahrgäste mit geeigneter Ausrüstung entlang einer vorbereiteten Fahrbahn gezogen werden.
Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Anlage des Antragstellers diese Kriterien erfüllt, zumal für sie eine entsprechende seilbahnrechtliche Erlaubnis erteilt wurde.
Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der streitgegenständlichen Bestimmung des § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV ein von dieser Legaldefinition abweichendes Verständnis des Begriffs „Seilbahn“ zugrundeliegen könnte. Sie genügt auch den Bestimmtheitsanforderungen. Diese Anforderungen sind gerade bei einem Normverständnis im Sinne der Legaldefinition gewahrt, da § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV aufgrund der Bußgeldbewehrung in § 28 Nr.10 11. BayIfSMV zusätzlich die Bestimmtheitsanforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG zu erfüllen hat (BayVGH, B.v. 28.7.2020 – 20 NE 20.1609 – BeckRS 17622). Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Normgeber selbst von einem von der Legaldefinition abweichenden Begriffsverständnis ausgegangen ist.
2. Bei dem erstmals in der Beschwerdeinstanz als „höchsthilfsweise“ gestellten Antrag handelt es sich nicht um einen Hilfsantrag im Sinne des § 44 VwGO, sondern um eine weitere Begründung des geltend gemachten materiellen Anspruchs auf Feststellung, dass die Normen der 11. BayIfSMV auf den Betrieb des Antragstellers keine Anwendung finden (Rennert in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 44 Rn. 5). Der Antragsteller macht geltend, dass es sich bei seinem Betrieb (auch) nicht um eine gewerbliche Freizeitaktivität nach § 11 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV handele. Da aber bereits entschieden ist, dass es sich beim Betrieb des Antragstellers um eine Seilbahn nach § 11 Abs. 4 BayIfSMV handelt, kommt es auf die Frage des gewerblichen Angebots von Freizeitaktivitäten nach § 11 Abs. 1 Satz 2 11. BayIfSMV nicht mehr an.
3. Soweit der Antragsteller mit dem Hilfsantrag die Feststellung begehrt, dass der Betrieb des Skilifts unter Hygieneauflagen zulässig sei, wendet er sich im Kern gegen die Wirksamkeit des § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV, weil er die Unverhältnismäßigkeit der Betriebsschließung geltend macht. Ein derartiger Anspruch kann nach der Rechtsprechung des Senats nicht im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO, sondern nur in einem Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO geltend gemacht werden (BayVGH, B.v. 18.6.2020 – 20 CE 20.1388 – NVwZ 2020, 1130). Der Hilfsantrag ist nicht statthaft und daher unzulässig.
Der Senat hat zuletzt entschieden, dass die Entscheidung des Verordnungsgebers, Einrichtungen, die ausschließlich zu Freizeitzwecken betrieben werden, derzeit angesichts der Entwicklung der Coronavirus-Pandemie jedenfalls bei einer im Eilverfahren nur summarischen Prüfung der Rechtmäßigkeitsanforderungen keinen durchgreifenden Bedenken begegnet (vgl. nur BayVGH, B.v. 16.2.2021 – 20 NE 21.340 – Rn. 24 ff., bisher nicht veröffentlicht und deshalb dieser Entscheidung beigefügt). Hier kommt es insbesondere nicht darauf an, ob die konkrete Tätigkeit, wie der Betrieb eines Skilifts mit Pistenabfahrt, sich als besonders infektionsgefährlich erweist. Die 11. BayIfSMV beruht – wie auch schon die Vorgängerregelungen in der 8., 9. und 10. BayIfSMV – auf dem Regelungskonzept, menschliche Kontakte zur Eindämmung des Infektionsgeschehens dort zu unterbinden, wo sie nicht unbedingt erforderlich sind, da die Übertragung des Coronavirus hauptsächlich durch Aerosole erfolgt. Aus diesem Grund sind Einrichtungen, die ausschließlich zu Freizeitzwecken betrieben werden, bereits seit Inkrafttreten der 8. BayIfSMV durchgehend geschlossen.
4. Nachdem mit vorliegendem Antrag nicht die Erteilung einer durch die zuständige Behörde versagten Ausnahmegenehmigung begehrt wird, kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 26 und 27 11. BayIfSMV nicht an.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1, 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Da das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz die Hauptsacheentscheidung vorwegnimmt, weil § 11 Abs. 4 11. BayIfSMV mit Ablauf des 7. März außer Kraft tritt (§ 29 11. BayIfSMV), ist eine Reduzierung des Streitwerts nicht angezeigt (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


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