Europarecht

Verlust der Freizügigkeit wegen BtM-Delikten

Aktenzeichen  M 9 K 18.1426

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2974
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FreizügG/EU § 2 Abs. 1, § 6 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Handel mit Drogen in erheblicher Menge gehört zur Schwerstkriminalität und begründet in Verbindung mit nicht therapierter Drogenabhängigkeit, Arbeitslosigkeit und Schulden eine erhebliche Wiederholungsgefahr. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung der Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 22. Februar 2018 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 VwGO. Die Beklagte hat zu Recht den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt nach § 6 Abs. 2 FreizügG/EU festgestellt. Gegen die Befristung des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Jahre bestehen keine rechtlichen Bedenken.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die rechtlich zutreffenden und umfangreichen Ausführungen in den Gründen des Bescheids vom 22. Februar 2018 verwiesen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1, Abs. 2 FreizügG/EU für die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt vorliegen. Nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU kann der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt, § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit festgestellt werden. Nach § 6 Abs. 2 FreizügG/EU darf diese Feststellung nach Abs. 1 nur dann getroffen werden, wenn ein Ausländer durch sein persönliches Verhalten dazu Anlass gibt, wobei die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung alleine nicht genügt, sondern eine Wiederholungsgefahr für eine fortdauernde tatsächliche und hinreichende Gefährdung im Einzelfall dazukommen muss. Der Kläger hat ausweislich der strafrechtlichen Feststellungen und Ermittlungen große Mengen Drogen gekauft und mindestens die Hälfte davon weiter verkauft und ist dabei professionell sowie mit erheblicher krimineller Energie vorgegangen; angeklagt und verurteilt wurden acht Fälle in einem Zeitraum von vier Monaten. Das Strafgericht ging dabei aufgrund der Ermittlungen sowie der Angaben des Klägers von einer Drogenabhängigkeit aus, die bis heute nicht therapiert wurde. Unter Berücksichtigung der hinzutretenden fehlenden wirtschaftlichen Perspektive und der Schulden, u. a. Unterhalt für seine Kinder in Polen ging die Beklagte zutreffend davon aus, dass eine erhebliche Wiederholungsgefahr vorliegt und das persönliche Verhalten des Klägers losgelöst von der strafrechtlichen Verurteilung die Voraussetzungen für eine konkrete Gefahr neuer erheblicher Straftaten aufgrund des persönlichen Verhaltens des Klägers droht. Handel mit Drogen in erheblicher Menge gehört zur Schwerstkriminalität und begründet in Verbindung mit nicht therapierter Drogenabhängigkeit, Arbeitslosigkeit und Schulden eine erhebliche Wiederholungsgefahr.
Der Umstand, dass der Kläger ausweislich der vorgelegten Unterlagen mittlerweile arbeitet führt zu keiner anderen Einschätzung. Zum einen bestehen erhebliche Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunterlagen. Üblicherweise haben Stempel von Firmen keine Rechtschreibfehler. Es entspricht auch nicht den allgemeinen Erfahrungen, dass ein ungelernter Bauhelfer einen Bruttolohn von deutlich über 2.000,00 EUR erhält. Auch die Einlassung des Klägers, er könne keine Kontoauszüge vorlegen, da dies für den vergangenen Zeitraum mehr als zwei Wochen dauere überzeugt nicht und gibt Anlass, am Vorliegen eines ernstlichen Arbeitsverhältnisses zu zweifeln. Kontoauszüge sind unschwer und sofort auch bei der Bank des Klägers sowohl am Schalter als auch am Automaten für die zurückliegenden drei Monate binnen weniger Minuten zu erhalten. Auch der Vortrag des Klägers, er sei nicht drogenabhängig gewesen und benötige keine Therapie ist auf der Grundlage der strafrechtlichen Ermittlungen weder schlüssig noch nachvollziehbar. Unglaubwürdig ist auch die Behauptung, dies sei ihm ernstlich von einer Therapeutin in der JVA so mitgeteilt worden. Unerheblich ist ebenfalls der Vortrag des Klägers, in Polen müsse er wegen des nicht gezahlten Unterhalts mit einem Verfahren und unter Umständen mit einer Haftstrafe rechnen. Es ist nicht Sache des Ausländerrechts, einen Ausländer davor zu schützen, in seinem Heimatland wegen fehlender Unterhaltszahlungen für die Kinder belangt zu werden. Hinsichtlich der Ermessensausübung, der Berücksichtigung des öffentlichen Interesses und der persönlichen Interessen sowie der Befristung und Festsetzung der Ausreisepflicht und des Wiedereinreiseverbots, der Ausreiseaufforderung und der Abschiebungsandrohungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Bescheids der Beklagten Bezug genommen. Auch unter Berücksichtigung der fehlenden Einsicht des Klägers ist eine Befristung des Wiedereinreise- und Aufenthaltsverbots auf sechs Jahre erforderlich, angemessen, zumutbar und insgesamt verhältnismäßig. Der Kläger verfügt weder über deutsche Sprachkenntnisse noch über persönliche Bindungen im Bundesgebiet. Eine Verkürzung der Befristung auf vier Jahre, die der Vertreter der Beklagten bei Straffreiheit und nachweislicher Drogenfreiheit angeboten hat, hat der Kläger abgelehnt.
Die Klage war mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 f. ZPO.


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