Europarecht

Verwaltungsrechtsweg für einen Vertrag zwischen der Deutschen Bahn und einer Gebietskörperschaft

Aktenzeichen  22 C 21.951

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41422
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GVG § 17a Abs. 4 S. 3
VwGO § 40 Abs. 1
BayVwVfG Art. 54

 

Leitsatz

Für die Feststellung, dass aufgrund eines 1987 geschlossenen Vertrags zwischen der Deutschen Bahn und einer Gebietskörperschaft über u.a. den Bau eines Bahnhofs nebst Busbahnhof Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz bestehen, ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 24 K 19.6407 2021-03-08 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2021 wird aufgehoben. Der Verwaltungsrechtsweg ist zulässig.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beschwerde der Klägerinnen richtet sich gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2021, mit dem sich das Verwaltungsgericht für unzuständig erklärt und die Klage der Klägerinnen vom 23. Dezember 2019 an das Landgericht München II verwiesen hat.
Am 23. Januar 1987 schloss die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen (DB) mit der Beklagten eine Vereinbarung, wonach der bisherige „Bahnhof See“ umgestaltet und ein neuer „Bahnhof Nord“ einschließlich Park & Ride-Anlage und Busbahnhof geschaffen werden sollte. Der Haltepunkt am See sollte verkleinert werden und freiwerdende Flächen der Beklagten zur Neugestaltung der Seepromenade und weitere städtebauliche Maßnahmen übertragen werden. Gegenstand der Vereinbarung sind die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse notwendige Umgestaltung der Bahnanlagen in S* …, die Finanzierung dieser Maßnahmen und Regelungen zur Veräußerung der neben den umgestalteten Bahnanlagen liegenden Grundstücke der DB, die sich aus den Anlagen 1 und 2 der Vereinbarung ergeben (§ 1). In der Anlage 1 zur Vereinbarung sind unter anderem folgende wesentliche Maßnahmen aufgeführt: Bau von zwei Außenbahnsteigen mit höhenfreien, teilweise behindertenfreundlichen Bahnsteigzugängen, Ersatz der im derzeitigen Bahnhof S* … untergebrachten Anlagen für die Gepäck- und Expressgutabfertigung, Ersatz der im derzeitigen Bahnhof S* … vorhandenen Güterverkehrsanlagen mit den dazugehörigen Anschlüssen an die durchgehenden Hauptgleise, Anpassung der Signal- und Fernmeldeanlagen der Oberleitung und Starkstromanlagen an die veränderten Anforderungen, Grunderwerb für die vorgenannten Anlagen und vorsorgliche Berücksichtigung eines später gegebenenfalls erforderlichen Überholungsgleises, Reduzierung der Gleisanlagen am bisherigen Bahnhof auf zwei neuzubauende durchgehende Hauptgleise und ein Überholungsgleis, Bau einer S-Bahn-Wendeanlage, Neubau von einem Mittel- und einem Außenbahnsteig, Bau eines Stellwerks mit den für Mitarbeiter erforderlichen Sozialräumen, Anpassung der Signal- und Fernmeldeanlagen, Bau einer Eisenbahnbrücke über den Zugang zu Seepromenade, Abbruch der Bahnsteige und Zugangsanlagen im Bahnhof M* … Träger des Vorhabens zur Umgestaltung der Bahnanlagen ist die Beklagte (§ 2 Nr. 1). Die DB führt die Baumaßnahmen im Bereich der vorhandenen neu entstehenden Bahnanlagen durch. Grundlage dafür wird eine zwischen der Beklagten und der DB abzuschließende Planungsvereinbarung (§ 2 Nr. 4). Die Beklagte führt alle Baumaßnahmen außerhalb der Bahnanlagen durch (§ 2 Nr. 5). Daneben erhält die Vereinbarung umfangreiche Regelungen zur Kostentragung für Vorhaltungs- und Baukosten und Regelungen zur Grundstücksübertragung der DB an die Beklagte.
Mit Nachtrag vom 19. Februar 1987 wurde der skizzierte Rahmenplan durch eine neue Planbeilage, die die Situierung der Bauwerke zeigt, ergänzt. Die Planungsvereinbarung vom 29. Januar 1990 konkretisiert die Vereinbarung vom 23. Januar 1987 samt ersten Nachtrag vom 19. Februar 1987. Mit Grundabtretungsvertrag vom 15. Juli 1993 übertrug die DB Teile der bereits zu diesem Zeitpunkt als entbehrlich eingestuften Grundstücke auf einen von der Beklagten genannten Erwerber (§ 5 Nr. 1 der Vereinbarung 1987). „Gemäß notarieller Vereinbarung vom 23. Januar 1987“ schlossen die Parteien am 30. September/3. bzw. 12. November eine Vereinbarung über die Herstellung von zwei neuen Kreuzungen in Anlehnung an das Eisenbahnkreuzungsgesetz (EKrG) und eine Vereinbarung über eine Maßnahme an einer Überführung nach § 12 EKrG. Am 8. Mai 2006 schlossen die Klägerinnen und die Beklagte eine weitere Vereinbarung, wonach der „Bahnhof See“ bereits vor Abschluss der Planfeststellungsverfahren und Fertigstellung der Bahnanlagen an die Beklagte übereignet wurde, die im Gegenzug auf die Geltendmachung von ihr behaupteter Vertragsanpassungsansprüche verzichtete. Eine Vertragsanpassung war nach Auffassung der Beklagten erforderlich geworden, weil Teile des „Bahnhofs Nord“ nicht förderfähig waren und daher der von der Beklagten zu leistende Finanzierungsanteil höher als vertraglich vereinbart war. Zudem wurde mit der Vereinbarung der für den „Bahnhof Nord“ erforderliche Grunderwerb vorgenommen.
Der „Bahnhof Nord“ wurde genehmigt, entsprechend der Vereinbarung errichtet und im Jahr 2001 eröffnet. Die vorgesehenen Maßnahmen zum Umbau des „Bahnhofs See“ wurden bislang nicht durchgeführt.
Nachdem bezüglich des Teilprojekts „Bahnhof See“ zwischen den Beteiligten keine Einigung erzielt wurde, forderten die Klägerinnen von der Beklagten Schadensersatz statt der Leistung für den nicht durchgeführten Teil der Verträge.
Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2019 erhoben die Klägerinnen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragten, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen 170.436.794,46 € nebst Zinsen zu bezahlen (Klageantrag zu I.), festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen die gesetzliche Umsatzsteuer zu bezahlen (§ 2 Nr. 1 des Vertrages vom 23.1.1987), weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche Bauund Grunderwerbskosten sowie sämtliche Vorhaltungskosten für den „Bahnhof See“ sowie sämtliche Kosten für den Rückbau des Haltepunkts „M* …“ zu erstatten, soweit diese Kosten über den Zahlbetrag laut dem Klageantrag zu I. hinausgehen, weiter festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen sämtliche für das Bauvorhaben „Bahnhof See“ erforderlich werdenden Grundstücke zu beschaffen und zu übereignen, hilfsweise für den Fall der Abweisung der Klageanträge, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen 6.646.794,46 € zu bezahlen sowie die Grundstücke Gemarkung S* … Flurstücke 51, 53 und 54 an die Klägerinnen zurück zu übereignen, weiterhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägerinnen die ihnen vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren in gesetzlicher Höhe zu erstatten.
Mit Beschluss vom 8. März 2021 erklärte das Bayerische Verwaltungsgericht München den Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige Landgericht München II. Die Art einer Streitigkeit bestimme sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet werde. Es komme darauf an, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtsätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt sei, ob die an der Streitigkeit Beteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stünden und ob sich der Träger hoheitlicher Gewalt der besonderen, ihm zugeordneten Rechtssätze des öffentlichen Rechts bediene oder ob er sich den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstelle. Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit könne auch auf einem Gleichordnungsverhältnis beruhen. Gleichordnungsverhältnisse seien öffentlich-rechtlich, wenn die das Rechtsverhältnis beherrschen Rechtsnormen nicht für jedermann gelten, sondern Sonderrecht des Staates oder sonstiger Träger öffentlicher Aufgaben seien, das sich zumindest auf einer Seite nur an Hoheitsträger wende. Die Natur eines durch Vertrag begründeten Rechtsverhältnisses bestimme sich danach, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen und dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sei. Nicht maßgeblich sei, dass die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung 1987 öffentliche Aufgaben wahrgenommen hätten. Aus der öffentlich-rechtlichen Zielsetzung und öffentlich-rechtlichen Trägerschaft dürfe nicht ohne weiteres auf eine Wahrnehmung einer Aufgabe mit öffentlich-rechtlichen Mitteln geschlossen werden. Ebenso wenig reiche es aus, dass mit einem Vertrag öffentliche Aufgaben wahrgenommen würden, denn die öffentliche Verwaltung könne in vielen Bereichen die ihr anvertrauten Aufgaben auch in der Form und mit Mitteln des Privatrechts erfüllen. Die zwischen den Beteiligten geschlossenen vertraglichen Vereinbarungen, die die Grundlage für die von den Klägerinnen geltend gemachten Klageanspruch gebildeten, seien dem Zivilrecht zuzuordnen. Die Vertragsschließenden hätten dabei zueinander nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung gestanden. Die von den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen seien, unabhängig von der Frage, ob aus ihnen die klägerseitig geltend gemachten Ansprüche tatsächlich abgeleitet werden könnten, dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Kern der Vereinbarung 1987 seien wechselseitige Verpflichtungen zur Durchführung von Baumaßnahmen, zur Finanzierung der Bau- und Planungskosten, der Umsatzsteuer und von Verwaltungskosten sowie von Mehrkosten aufgrund der Vorhaltung zusätzlicher Bahninfrastruktur, zu gegenseitigen Absprachen bei der Baudurchführung und zur Abgrenzung der einzelnen Baumaßnahmen sowie zur wechselseitigen Übertragung des Eigentums an Grundstücken. Die Vertragsparteien hätten sich dabei den für jedermann geltenden zivilrechtlichen Regelungen unterstellt. Die Vereinbarung sei inhaltlich nicht durch öffentlich-rechtliche Rechnungen vorgeprägt gewesen. Soweit öffentlich-rechtliche Fragen anklängen, seien diese im Hinblick auf das gesamte Vertragswerk von untergeordnetem Gewicht. Zwar hätten die Vertragsparteien Fördermittel für die geplanten Maßnahmen gewinnen wollen. Auch dieser Umstand mache die Vereinbarung aber noch nicht zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag. Darüber hinaus stellten Errichtung und Bau von Eisenbahnen und Bahnhöfen seit der Bahnreform 1993 mit der Einführung des Art. 87e GG inzwischen keine öffentliche Aufgabe des Bundes mehr dar. Sie seien ungeachtet der in Art. 87 Abs. 4 Satz 4 GG formulierten Gewährleistungsverantwortung des Bundes beim Ausbau des Schienennetzes der Eisenbahnen des Bundes vielmehr privatrechtlich organisiert. Damit könne aus dem Umstand, dass die zwischen den Beteiligten vorliegend geschlossenen Verträge dem Ziel der Umsetzung von Bahnbaumaßnahmen dienten, nunmehr erst recht keine Zuordnung zum öffentlichen Recht abgeleitet werden.
Im Beschwerdeverfahren beantragen die Klägerinnen,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2021 den Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit für zulässig zu erklären und Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München II aufzuheben.
Für die Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen Verträgen zu privatrechtlichen Verträgen komme es auf den Gegenstand und den Zweck des Vertrages an. Dem öffentlichen Recht seien Verträge insbesondere dann zuzurechnen, soweit sie die hoheitlich geprägten Elemente der Bauplanung, der Erschließung und der Folgewirkungen beträfen und diese Bereiche den Schwerpunkt des Vertrages ausmachten und ihm damit das Gepräge gäben. Soweit ein Vertrag auch zivilrechtliche Elemente beinhalte, sei die Aufspaltung solcher Verträge in eine öffentlich-rechtliche und eine privatrechtliche Seite abzulehnen. Eine einheitliche Qualifizierung anhand des Schwerpunkts sei vorzunehmen. Die Beteiligung eines Hoheitsträgers an dem jeweiligen Vertrag sei für die Qualifizierung eines öffentlich-rechtlich Vertrages weder ausreichend noch erforderlich. Stets dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien Verträge, durch die sich ein Träger öffentlicher Verwaltung zu einer Leistung verpflichte, die ein Privater nicht erbringen könne, weil ihm das Privatrecht insoweit keine Handlungsmöglichkeiten einräume. Es könne im Zweifelsfall hypothetisch gefragt werden, ob die den Vertrag prägenden Punkte im Fall einer normativen Regelung zum öffentlichen Recht gehören würden. Als weitere Gesichtspunkte ziehe die Rechtsprechung heran, welcher Zweck mit dem Vertrag verfolgt werde, insbesondere ob mit ihm überwiegend öffentliche oder private Interessen verfolgt würden. Bei der Bestimmung des Gegenstands des Vertrags sei maßgebliches Kriterium die angestrebte Rechtsfolge, d. h. die Frage, ob die durch die Vereinbarung begründeten konkretisierten, veränderten, aufgehobenen oder festgestellten Rechtsverhältnisse dem Gebiet des öffentlichen Rechts zuzuordnen seien. Es komme darauf an, ob die vertraglich geregelten Rechte und Pflichten der Sache nach an sich in Normen des öffentlichen Rechts geregelt seien oder ein Sachzusammenhang dergestalt bestehe, dass der Inhalt des Vertrags so eng mit öffentlich-rechtlichen Berechtigungen oder Verpflichtungen zusammenhänge, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Sachzusammenhangs dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts klängen öffentlich-rechtliche Fragen in dem Vertragswerk nicht nur an, sondern sie prägten dieses wesentlich. Die Vereinbarung 1987 sei zwischen zwei Rechtssubjekten des öffentlichen Rechts abgeschlossen worden. Gegenstand dieser Vereinbarung sei gewesen, dass im Bereich der Daseinsvorsorge die Schieneninfrastruktur im Stadtgebiet der Beklagten verbessert werde. Die Bauleitplanung habe nur durch die Beklagte als Hoheitsträger erfolgen können. Unter Privaten hätte diese Vereinbarung nicht abgeschlossen werden können. Die Planungsvereinbarung 1990 konkretisiere die Vereinbarung 1987. Im Zuge dieser Konkretisierung werde nochmals deutlicher, dass der Gegenstand des Vertrags auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts anzusiedeln sei. Ausdrücklich sei festgehalten worden, dass die übergeordnete Priorität bei den städtebaulichen Maßnahmen liege. Die Vereinbarung 1987 habe als Vorvertrag für diverse Folgeverträge fungiert. Einer dieser Folgeverträge sei die Vereinbarung über die Herstellung von zwei neuen Kreuzungen gewesen und sei für den „Bahnhof Nord“ als Kreuzungsvereinbarung im Sinne des Eisenbahnkreuzungsgesetzes geschlossen worden. In dieser Vereinbarung werde hervorgehoben, dass diese ihre Grundlage in der Vereinbarung 1987 habe. Kreuzungsvereinbarungen seien als öffentlich-rechtliche Verträge anzusehen. Verträge der Klägerinnen in Bezug auf den Betrieb von Bahnstationen seien öffentlich-rechtliche Verträge. Diesem Ergebnis stehe nicht gegen, dass der jeweilige Vertrag auch Elemente eines zivilrechtlichen Werkvertrags enthalte. Das Verwaltungsgericht Stuttgart habe zum „Projekt Stuttgart 21“ entschieden, dass es sich bei den Projektverträgen um öffentlich-rechtlich Verträge handle. An den Verträgen seien zwar auch privatrechtlich organisierte Rechtsträger beteiligt. Der Vertragsgegenstand, nämlich die Durchführung und Finanzierung eines dem öffentlichen Schienenverkehr dienenden Infrastrukturprojekts, sei aber dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Ungeachtet der Privatisierung der Deutschen Bundesbahn durch Art. 87e Abs. 3 GG nähmen die Tochterunternehmen der Klägerin zu 1 beim Bau von Eisenbahninfrastruktur aufgrund der fortbestehenden Gemeinwohlverpflichtung Aufgaben der öffentlichen Verwaltung war. Auf die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg vom 21. April 2015 – 1 S 1949/13 werde verwiesen. Es sei verfehlt, das Tatbestandsmerkmal des Gebiets des öffentlichen Rechts in Art. 54 VwVfG gleichzusetzen mit der öffentlichen Aufgabe des Bundes nach Art. 104a Abs. 1 GG. Das Bundesverwaltungsgericht prüfe in der Entscheidung vom 14. Juli 2016 -10 C.15 den Tatbestand des Art. 104a GG als Teil der Finanzverfassung. Denn das Verbot der Mischfinanzierung in Art. 104a GG komme als Nichtigkeitsgrund für öffentlich-rechtlich Verträge in Betracht.
Die Beklagte beantragt,
die Beschwerde der Klägerinnen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. März 2021 zurückzuweisen.
Der Vorvertrag von 1987 sei kein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Erst jüngst habe der BGH erneut bestätigt, dass der Unterhalt und der Betrieb des weit überwiegenden Teils des deutschen Schienennetzes durch die Klägerin zu 2 als Konzernunternehmen der Klägerin zu 1, insbesondere die Überlassung von Schienenwegen, dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sei. Auf diese Rechtsprechung gingen die Klägerinnen nicht ein. Eine Auseinandersetzung mit dem durch die Beschwerde angegriffenen Beschluss lasse die Beschwerdeschrift ebenso vermissen wie eine Auseinandersetzung mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs. Die von den Klägerinnen angesprochenen Elemente der Bauplanung, der Erschließung der Folgewirkungen mögen für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag sprechen, wenn diese Bereiche den Schwerpunkt des Vertrages ausmachten und ihm damit das Gepräge geben. Diese mehrfachen Voraussetzungen lägen beim Vorvertrag 1987 nicht vor. Gegenstand des Vorvertrags seien, wie das Verwaltungsgericht zutreffend herausgestellt habe, Vorvereinbarungen über Eisenbahnbaumaßnahmen, deren Finanzierung und Grundstückstransaktionen, mithin bürgerlich-rechtliche Gegenstände. Die Klägerinnen bestätigten auch, dass öffentlich-rechtliche Materie nicht ausdrücklich im Text des Vertrages als Vertragsgegenstand genannt werde. Kern des Vorvertrages sei nämlich die wechselseitige Verpflichtung zur Durchführung von Baumaßnahmen, zur Finanzierung der Bauplanungskosten, der Umsatzsteuer und von Verwaltungskosten sowie von Mehrkosten aufgrund Vorhaltung zusätzlicher Bahninfrastruktur. Ohne Relevanz für die Entscheidung sei der von den Klägerinnen in den Vordergrund gestellte Umstand, dass die Parteien des Vorvertrags 1987 zum damaligen Zeitpunkt zwei Rechtssubjekte des öffentlichen Rechts gewesen seien. Der Aspekt der Daseinsvorsorge ändere nichts an der bürgerlich-rechtlichen Art der Streitigkeit. Fragen der Bauleitplanung bildeten im Vorvertrag auch nicht den Schwerpunkt im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BayVGH, des BGH sowie des BVerwG. Grundstückskaufverträge seien privatrechtlicher Natur, woran sich nicht dadurch etwas ändere, dass auf beiden Seiten Träger öffentlicher Verwaltung beteiligt seien und der Verkäufer mit der Gewährung eines Preisnachlasses einen öffentlichen Zweck verfolge. Auf die thematisierten planungsrechtlichen Zusammenhänge komme es im Rahmen der streitgegenständlichen Zahlungs- und Grundstücksübereignungsansprüche nicht an. Aus der Planungsvereinbarung 1990 ergebe sich ebenfalls nicht, dass es sich bei dem Vorvertrag 1987 um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handle. Um städtebauliche Maßnahmen gehe es in der Planungsvereinbarung 1990 nicht. Auch die Kreuzungsvereinbarungen 1998 begründeten nicht den Verwaltungsrechtsweg. Nur vorsorglich rüge die Beklagte die von den Klägerinnen erstmals mit der Beschwerdeschrift in den Rechtsstreit eingeführten Kreuzungsvereinbarungen als neues, schuldhaft verspätetes Vorbringen. Die Kreuzungsvereinbarungen 1998 gehörten nicht zum Streitgegenstand des von den Klägerinnen mit der Klage geführten Rechtsstreits. Der Streitgegenstand des Rechtsstreits sei allein das Teilprojekt „Bahnhof See“, nicht das seit langer Zeit abgeschlossene Teilprojekt „Bahnhof Nord“ aus dem Vorvertrag 1987. Um das Teilprojekt „Bahnhof See“ gehe es aber in Kreuzungsvereinbarungen 1998 nicht, sondern ausschließlich um den „Bahnhof Nord“. Das von den Klägerinnen zitierte Urteil des VG Gelsenkirchen vom 19. Dezember 2008 habe nichts mit Schieneninfrastruktur zu tun. Es betreffe die Kündigung eines Vertrages über Personenbeförderungsleistungen im SPNV im Jahr 2008. Die Rechtsmeinung des Verwaltungsgerichts Stuttgart und des VGH Baden-Württemberg, Durchführung und Finanzierung eines dem öffentlichen Schienenverkehr dienenden Infrastrukturprojekts seien dem öffentlichen Recht zuzuordnen, habe das Bundesverwaltungsgericht im Leiturteil „Stuttgart 21“ aus dem Jahr 2016 verworfen.
Ergänzend wird auf die Akten des Verwaltungsgerichts im Verfahren 24 K 19.6407 und die Gerichtsakte für das hiesige Verfahren verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Klägerinnen ist zulässig (§ 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i.V.m. §§ 146 ff. VwGO) und begründet.
Das Verwaltungsgericht hat den Rechtsstreit zu Unrecht an das Landgericht München II verwiesen. Der von den Klägerinnen beschrittene Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten ist nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO zulässig, weil es sich bei der von der von den Klägerinnen erhobenen Leistungs- bzw. Feststellungsklage um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt.
1. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch ein Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Ob eine Streitigkeit eine öffentlich-rechtliche oder eine zivilrechtliche Rechtsstreitigkeit ist, bestimmt sich nach dem Charakter des Rechtsverhältnisses, aus dem der streitbefangene Rechtsanspruch oder die sonstige streitbefangene Rechtsfolge hergeleitet wird (BVerwG, U.v. 26.6.1979 – I C 51.74 – juris Rn. 50). Nicht entscheidend ist dagegen die Einordnung der Maßnahme, die durch die Klage/den Antrag erstritten werden soll – hier die Zahlung von Schadensersatz bzw. die Feststellung, dass derartige Ansprüche bestehen.
1.1 Bei der von den Klägerinnen erhobenen Leistungs- bzw. Feststellungsklage handelt es sich um eine Streitigkeit wegen nicht erfüllter Verpflichtungen aus der Vereinbarung vom 23. Januar 1987 (Vereinbarung 1987) und den darauf beruhenden Folgeverträgen. Für die Qualifizierung von Ansprüchen aus Verträgen als öffentlich-rechtliche Streitigkeit kommt es folglich darauf an, ob es sich bei den zugrundeliegenden Verträgen um öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von §§/Art. 54 ff. (Bay) VwVfG handelt (GemS OGB, B.v. 10.4.1986 – GmS-OBG 1.85 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 30.4.2019 – 4 E 1136/18 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Dies hängt davon ab, ob Gegenstand und Zweck des Vertrages dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht zuzuordnen sind (BGH, U.v. 30.9.1970 – 1 ZR 132/68 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 5.10.1965 – IV C 26.65 – juris 18; U.v. 6.7.1973 – IV C 22.72 – juris Rn. 18). Entscheidend ist hiernach, ob die Normen, auf deren Grundlage der Vertrag geschlossen worden ist und von denen infolgedessen die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des Vertrages abhängen, insbesondere die Normen, die die Pflichten und Befugnisse der Vertragsparteien hinsichtlich des Vertragsgegenstandes regeln, und diejenigen Vorschriften, die den zulässigen Vertragsinhalt bestimmen und begrenzen, dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzurechnen sind. Der Gegenstand des Vertrages ist öffentlich-rechtlicher Art, wenn der Vertrag „auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelte Sachverhalte“ einwirkt (sog. öffentlich-rechtliche Vorordnung; Ehlers in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juni 2021, § 40 Rn. 339). Dies wird insbesondere angenommen, wenn eine Norm des öffentlichen Rechts ausdrücklich zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigt oder das öffentliche Recht den Vertrag im Einzelnen normiert bzw. wenn sich die Vereinbarung auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht oder die Verpflichtung eines Vertragspartners zum Erlass einer hoheitlichen Handlung enthält. Ein Vertrag ist auch dann öffentlich-rechtlich, wenn sein Gegenstand zu öffentlich-rechtlichen Berechtigungen oder Verpflichtungen in so engem Sachzusammenhang steht, dass er demselben Rechtsbereich zuzurechnen ist (Sodan in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2019, § 40 Rn. 393 m.w.N. zur Rspr; BVerwG, U.v. 30.5.2006 – 3 B 78.05 – juris Rn. 4).
Fehlt es an einer öffentlich-rechtlichen Vorordnung oder ist deren Vorhandensein oder Ausmaß bzgl. des konkreten Vertragsgegenstandes unklar, ist neben dem Zweck vor allem das weitere Bezugsfeld des Vertragsgegenstandes in die Betrachtung einzubeziehen. Der Zweck eines Vertrags kann sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern ggf. auch aus den begleitenden Umständen ergeben (BVerwG, U.v. 30.4.1976 – VII C 63.75 – juris Rn. 25).
1.2 Das Verwaltungsgericht hat die von den Parteien getroffene Vereinbarung 1987 samt Folgeverträgen dem bürgerlichen Recht zugeordnet, weil Gegenstand der Vereinbarung 1987 die Regelung der Finanzierung der für die Verbesserung der Verkehrssituation in S* … erforderlichen Eisenbahnbaumaßnahmen einschließlich des wechselseitigen Austausch von Grundstücken und gegenseitiger Absprachen zur Durchführung des Gesamtprojekts gewesen sei. Damit hat das Verwaltungsgericht aber den Gegenstand der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarungen nicht vollständig erfasst. Es trifft zwar zu, dass die Vereinbarung 1987 umfangreiche Regelungen zur Finanzierung, Kostentragung und zu Grundstücksübertragungen für die ebenfalls unter § 1 1. vereinbarte Umgestaltung der Bahnanlagen in S* … enthält. Diese Regelungen dienen aber sämtlich der Umsetzung der im Rahmenplan (Anlage 1) und im Mengengerüst (Anlage 2) konkret bezeichneten Baumaßnahmen. Gegenstand des Vertrages ist auch die Verpflichtung der Beteiligten zum Bau einer Bahninfrastruktur sowie eines Busbahnhofs („Gegenstand der Vereinbarung sind die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse notwendige Umgestaltung der Bahnanlagen, …“). Es handelt sich nicht nur um eine „Vorvereinbarung“ über Eisenbahnbaumaßnahmen (Ss v. 7.5.2021 Rn. 11) oder um eine Vereinbarung mit dem Ziel, die Verkehrsverhältnisse zu verbessern (BA Rn. 44). Dass es den Beteiligten gerade auch auf den Bau bestimmter Anlagen ankam und nicht nur auf die Regelung der Finanzierung und der Planungsträgerschaft, zeigt sich darin, dass sie bereits am 19. Februar 1987 die Anlage 1 der Vereinbarung 1987 durch eine Planbeilage konkretisierten, auf der die Lage der zu errichtenden Bauwerke eingezeichnet war, während im Rahmenplan nur die einzelnen Maßnahmen bezeichnet waren.
1.3 Soweit die Vereinbarung 1987 die Verpflichtung der Beteiligten zur Planung und Errichtung von Bahnanlagen und eines Busbahnhofs betrifft, handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, weil der Vertragsgegenstand einem vom öffentlichen Recht geregelten Sachbereich zuzuordnen war, öffentlich-rechtliche Normen bei Abschluss des Vertrages beachtet werden mussten und er Rechte und Pflichten begründet, deren Träger nur ein Subjekt öffentlicher Verwaltung sein kann. Dies ergibt sich aus Folgendem: Beim Abschluss der Vereinbarung 1987 bildete die Rechtsvorgängerin der Klägerinnen, die DB, ein nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes mit eigener Wirtschafts- und Rechnungsführung (§ 1 BBahnG in der von 1.5.1986 bis 29.6.1990 gültigen Fassung, FNA 931-1, BGBl III). Die Verwaltungsorganisation dieses Bundeseisenbahnsondervermögens war in §§ 6 ff. BBahnG geregelt. Danach blieb dem Bundesminister für Verkehr die Genehmigung der Durchführung grundlegender Neuerungen oder Änderungen technischer Anlagen vorbehalten (§ 14 Abs. 3 Satz 1 Buchst. c) BBahnG; siehe auch § 11 der Vereinbarung 1987). Die DB war demnach bezüglich des Vertragsabschlusses öffentlich-rechtlichen Vorschriften unterworfen.
Auch regelt die Vereinbarung 1987 insoweit einen Sachverhalt, den die gesetzliche Ordnung dem öffentlichen Recht unterstellt und begründet Rechte und Pflichten, deren Träger nur ein Subjekt öffentlicher Verwaltung sein kann (zur Aufstellung eines Bebauungsplans vgl. BVerwG, U.v. 6.7.1973 – IV C 22.72 – juris Rn. 18). Die Baumaßnahmen, die die Beteiligten vereinbart haben, erfordern einen Planfeststellungsbeschluss bzw. eine Bauleitplanung, deren Einleitung nur durch die Vertragsparteien erfolgen konnte, weil nur sie hierfür entsprechend der (damaligen) gesetzlichen Vorschriften als „Vorhabenträger“ in Betracht kamen bzw. kommen und stehen damit in engen Zusammenhang mit öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen der Vertragsparteien. Zudem wurde die Vorhabenträgerschaft, die sich aus öffentlich-rechtlichen Normen ergibt, in § 2 der Vereinbarung 1987 ausdrücklich geregelt. Ferner waren bzw. sind die Parteien auch für den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses (§ 36 Abs. 4 BBahnG) und den Bebauungsplanbeschluss zuständig.
Hinzu kommt, dass die Vereinbarung über die Herstellung von zwei neuen Kreuzungen vom 30. September/3. November 1998 ausdrücklich auf die Vereinbarung 1987 und den Nachtrag vom 19. Februar 1987 Bezug nimmt. Bei Eisenbahnkreuzungsvereinbarungen handelt es sich unstreitig um öffentlich-rechtliche Verträge (BVerwG, B.v.11.11.2009 – 7 B 13/09 – juris). Die Bezugnahme auf die Vereinbarung 1987 im Vertragstext stellt somit einen Umstand dar, der dafür spricht, dass die Vereinbarung 1987 auch der verpflichtenden Festschreibung der durchzuführenden Baumaßnahmen diente und daher insoweit dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Der Einwand der Beklagten, die „Kreuzungsvereinbarungen 1998“ seien schuldhaft zu spät (erst im Beschwerdeverfahren) in das Verfahren eingeführt worden, trägt nicht. Ausweislich der Gerichtsakte des Verwaltungsgerichts hatten die Klägerinnen die „Kreuzungsvereinbarungen“ dem Verwaltungsgericht bereits am 5. März 2021 vorgelegt, so dass sie dem Verwaltungsgericht vor Erlass des streitgegenständlichen Beschlusses am 8. März 2021 bekannt waren. Auch kommt es für die Frage, ob es sich bei der vorliegenden Klage um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit handelt, nicht darauf an, was die Parteien diesbezüglich vorgetragen haben, sondern ob die vorhandenen und bekannten Tatsachen und Umstände die Qualifizierung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit rechtfertigen.
1.4 Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass es nicht darauf ankommt, ob die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung 1987 öffentliche Aufgaben wahrnahmen (Rn. 42 des BA), so dass auch nicht entscheidungserheblich ist, dass der Bau von Schienenwegen und Bahnhöfen seit der Bahnreform im Jahr 1993 (Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993, BGBl. I S. 2089) „keine öffentliche Aufgabe des Bundes (…)“ mehr darstellt. Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2016 (10 C 7.15 – juris), wonach der Bau von Schienenwegen und Bahnhöfen der Eisenbahnen des Bundes nach Art. 87e GG „keine öffentliche Aufgabe des Bundes im Sinne des Art. 104a GG“ mehr ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens zu befinden, mit dem die Unwirksamkeit eines Vertrages betreffend die Mitfinanzierung des Projektes „Stuttgart 21“ geltend gemacht werden sollte. Diesen „Projektvertrag“ zwischen der D. B. AG, der betreffenden Gebietskörperschaft und anderen Beteiligten, der neben der Finanzierung auch ein Konzept zur Umgestaltung des Bahnknotens Stuttgart umfasste, haben aber sowohl die Vorgängerinstanzen (VG Stuttgart, U.v. 17.7.2013 – 7 K 4128/11 – juris Rn. 105; VGH BW, U.v. 21.4.2015 – 1 S 1949/13 – juris Rn. 126) als auch das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O. Rn. 16) als öffentlich-rechtlichen Vertrag qualifiziert; der vom Bundesverwaltungsgericht bejahte Verstoß gegen Art. 104a GG wegen der Mitfinanzierung der Projektkosten durch die betreffende Gebietskörperschaft wurde in allen Instanzen als Nichtigkeitsgrund nach § 59 Abs. 1 LVwVfG i.V.m. § 134 BGB eingeordnet. Aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann also nicht gefolgert werden, dass – wie das Verwaltungsgericht meint (Rn. 46 a.E.) – Verträge, die mit dem Ziel der Umsetzung von Bahnbaumaßnahmen geschlossen werden, nicht dem öffentlichen Recht zugeordnet werden können. Zudem haben die Vertragsparteien in der Vereinbarung 1987 bereits konkrete Baumaßnahmen vereinbart, deren teilweise Nichterrichtung durch die Beklagte Auslöser der von den Klägerinnen erhobenen Klage ist.
Die Ausführungen der Beklagten zur perpetuatio fori (Ss v. 7.5.2021 Rn. 16) gehen an der Sache vorbei. Wie bereits ausgeführt, kommt es für die Qualifizierung von Ansprüchen aus Verträgen als öffentlich-rechtliche Streitigkeit darauf an, ob es sich bei den zugrundeliegenden Verträgen um öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von §§/Art. 54 ff. (Bay) VwVfG handelt. Entscheidend ist damit, ob die Vereinbarung 1987 nach damals geltendem Recht einen solchen öffentlich-rechtlichen Vertrag darstellt und nicht, ob die Rechtsnachfolgerinnen der DB ihre auf der Nichterfüllung der vertraglichen Verpflichtungen beruhende Klage im Jahr 2019 als Privatrechtssubjekte erheben.
2. Die Vereinbarung 1987 enthält neben der dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Regelung über die Errichtung bestimmter Bahnanlagen und eines Busbahnhofs auch Bestimmungen zur Finanzierung der Maßnahmen und zur Grundstücksübertragung. Diese Regelungen sind wohl überwiegend zivilrechtlicher Natur. Sie stehen aber in untrennbaren Zusammenhang mit der vereinbarten Errichtung der Anlagen. Insbesondere die Bestimmungen zur Grundstücksübertragung von der DB auf die Beklagte setzen voraus, dass die Bahnanlagen entsprechend § 1 1. i.V.m. Anlage 1 der Vereinbarung 1987 umgestaltet und „entwidmet“ (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48.86 – juris) werden, weil sonst die jeweiligen Grundstücksflächen nicht für eine Übertragung an die Beklagte zur Verfügung stünden. Bei der Vereinbarung 1987 handelt es sich also um einen gemischten bzw. mehrpoligen Vertrag, der dadurch gekennzeichnet ist, dass er mehrere Vereinbarungen aus verschiedenen Rechtsgebieten enthält, die nach dem Willen der Vertragspartner in einem inneren Zusammenhang stehen und ein einheitliches Ganzes bilden (Bonk/Neumann/Siegel in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 54 Rn. 60). Bei solchen nicht teilbaren Verträgen kommt es für die Einordnung als öffentlich-rechtlicher oder zivilrechtlicher Vertrag darauf an, ob der Schwerpunkt der Vereinbarung im öffentlichen oder privaten Recht liegt und welcher Teil dem Gesamtinhalt das entscheidende Gepräge gibt (BGH, B.v. 19.9.2012 – V ZB 86/12 – juris Rn. 5; BVerwG, U.v. 18.7.2012 – 8 C 4.11 – juris Rn. 45; OVG NW, B.v. 14.3.2013 – 2 E 182/13 – juris Rn. 16 m.w.N.).
2.1 Der Schwerpunkt der Vereinbarung 1987 und der Folgeverträge liegt im Bereich des öffentlichen Rechts. Die Regelungen zur Finanzierung und zur Grundstücksübertragung beruhen auf der dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Verpflichtung der Parteien die näher bezeichneten Bauwerke zu errichten und die hierfür erforderlichen (Genehmigungs-)Verfahren in die Wege zu leiten (s.o.). Kernstück ist somit die Einigung der Parteien über die zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse notwendige Umgestaltung der Bahnanlagen, die auch ausdrücklich als Gegenstand der Vereinbarung 1987 genannt werden. Ohne diese Umgestaltung gingen die anderen Regelungen ins Leere. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts beschränkt sich der dem öffentlich-rechtlichen Recht zuzuordnende Teil der Vereinbarung 1987 daher nicht auf § 9 (Absprache zur Bauleitplanung), sondern ist maßgeblich durch den unter § 1 1. Satz 1 und Satz 2 der Vereinbarung 1987 definierten Vertragsgegenstand bestimmt.
2.2 Aus der von der Beklagten im Beschwerdeverfahren angeführten Rechtsprechung ergibt sich nichts anderes. Das Urteil des BGH vom 3. Februar 2021 befasst sich mit Schadensersatzansprüchen wegen nicht vertragsgemäßer Überlassung von Schieneninfrastruktur, während es vorliegend um Ansprüche der Klägerinnen wegen der Nichterfüllung eines Vertrages die Errichtung von Bahnanlagen betreffend geht. Der Beschluss des BayVGH vom 6. Oktober 2014 (7 C 14.1372 – juris Rn. 10) sagt über die Zuordnung eines Vertrages in das öffentliche Recht nach dem „Schwerpunkt“ nichts aus. Der Beschluss des BGH vom 19. September 2012 (V ZB 86/12 – juris Rn. 5) gibt die Rechtsprechung zur Schwerpunkttheorie wieder und ordnet einen Grundstückkaufvertrag zwischen zwei Trägern öffentlicher Verwaltung dem Zivilrecht zu. Die hier streitgegenständliche Vereinbarung 1987 regelt aber nicht schwerpunktmäßig die Übertragung von Grundstücken, sondern die Errichtung von Bahnanlagen. Der Beschluss des BGH vom 21. November 1996 (V ZB 19/96 – juris Rn. 5) hat ebenfalls nicht Ansprüche aus einen Vertrag zum Gegenstand. Die von der Beklagten zitierte Textpassage (Ss v. 7.5.2021 Rn. 21, BA BGH Rn. 6) betrifft die Vollstreckung eines etwaigen stattgebenden Urteils, aber nicht den im Klageweg geltend gemachten Anspruch. Im Übrigen entscheidet über die Zuordnung des im vorliegenden Verfahrens eingeklagten Anspruchs zum öffentlichen Recht nicht dessen Rechtsnatur, sondern die des zugrundeliegenden Vertrags, bei dem es wegen der Verpflichtung zur Errichtung von Bahnanlagen bzw. eines Busbahnhofs durchaus auf „planungsrechtliche Zusammenhänge“ ankommt.
3. Die Kosten der erfolgreichen Rechtswegbeschwerde sind gemäß § 154 Abs. 1 VwGO von der Beklagten als unterliegende Partei zu tragen. Sie ist nicht wegen der Regelung in § 17b Abs. 2 GVG entbehrlich, vielmehr löst die Anfechtung der Entscheidung über die Verweisung ein selbständiges Rechtsmittelverfahren aus, in dem nach den allgemeinen Bestimmungen über die Kosten zu befinden ist (vgl. BVerwG, B.v. 17.9.2009 – 2 B 69.09 – juris Rn. 12). Denn die Kosten im „Verfahren vor dem angegangenen Gericht“ sind nur die Kosten des erstinstanzlichen Gerichts. Das Beschwerdegericht hat daher über die Kosten eines Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 und 4 GVG selbst eine Kostenentscheidung zu treffen. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich, da Gerichtskosten für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) nicht anfallen.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).


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